Entscheidungsdatum
10.06.2020Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
W261 2225299-1/9E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS als Vorsitzende und die Richterin Mag. Karin RETTENHABER-LAGLER sowie den fachkundigen Laienrichter Herbert PICHLER als Beisitzerin und als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich, vom 14.10.2019 betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführerin stellte am 12.03.2019 erstmals einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (auch Sozialministeriumservice, in der Folge belangte Behörde) und auf Ausstellung eines Parkausweises nach § 29b StVO und legte ein Konvolut an medizinische Befunden bei.
Die belangte Behörde holte zur Überprüfung des Antrages ein Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin ein. In dem auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 03.09.2019 erstatteten Gutachten vom 16.09.2019 stellte die medizinische Sachverständige bei der Beschwerdeführerin die Funktionseinschränkungen "Wirbelsäule - Funktionseinschränkungen mittleren Grades bei chronischer Lumbalgie mit pseudoradikulärer Ausstrahlung, Pseudosponylolisthes L4/L5 Grad I-II, ohne neurologische Ausfälle und multisegmentale Abnützungen im Halswirbelbereich, Depression mit Somatisierungestendenz, Chronisches Schmerzsyndrom g. z., Implantierte Kniegelenksprothesen beidseits mit gutem Prothesensitz und guter Beweglichkeit, Schultergelenk, Schultergürtel- Funktionseinschränkungen geringen Grades beidseits bei Zustand nach lateraler Claviularesektion links und Gelenksersatz rechts, Hernia paraumbilicalis mit Herniation von mesenterialem Fettgewebe in die Weichteile der Bauchdecke, Sigmadivertikulose, Sehbehinderung beidseits, Zustand nach Netzhautablösung und Laserkoagulation links, Harninkontinenz" und einen Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von 50 von Hundert (in der Folge vH) fest. Die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass würden nicht vorliegen.
Die belangte Behörde übermittelte der Beschwerdeführer dieses Sachverständigengutachten mit Schreiben vom 16.09.2019 im Rahmen des Parteiengehörs und räumte dieser eine Frist zur Abgabe einer Stellungnahme ein. Die Beschwerdeführerin gab keine Stellungnahme ab.
Die belangte Behörde teilte der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 14.10.2019 mit, dass diese in den nächsten Tagen einen Behindertenpass mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 50 v.H. und mit den Zusatzeintragungen "Gesundheitsschädigung gem. § 2 Abs. 1 dritter Teilstrich VO 303/1996 liegt vor" und die "Der Inhaber/Die Inhaberin des Passes ist Trägerin einer Prothese" zugestellt erhalten werde.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 14.10.2019 wies die belangte Behörde den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gemäß §§ 42 und 45 BBG ab.
Darüber hinaus führte die belangte Behörde anmerkend aus, dass über den Antrag auf Ausstellung eines § 29b-Ausweises nach der Straßenverkehrsordnung (StVO) nicht abgesprochen werde, da die grundsätzlichen Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass nicht vorliegen würden. Die belangte Behörde schloss dem genannten Bescheid das eingeholte Sachverständigengutachten in Kopie an.
Mit Schreiben vom 15.10.2019 übermittelte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin den ausgestellten Behindertenpass, welchem Bescheidcharakter zukommt.
Die Beschwerdeführerin erhob mit Eingabe vom 29.10.2019 (Datum des Poststempels) fristgerecht sowohl gegen den ausgestellten Behindertenpass als auch gegen den Bescheid, wonach der Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass abgewiesen wurde, Beschwerden. Dabei brachte sie zusammengefasst vor, dass sie zwei Kniegelenke und ein Schultergelenk habe, trotzdem würde sie Schmerzen empfinden und sei in der Motorik eingeschränkt, sei bei Hitze und Kälte empfindlich, könne nicht lange stehen oder gehen und sei auf Hilfsmittel und Medikamente angewiesen. Sie habe Probleme in der Wirbelsäule, wobei sie Gleitwirbel bei L4/L4 ebenso habe, wie Entzündungen in der gesamten Wirbelsäule. Sie leide unter starken Schmerzen beim Gehen, Sitzen auch beim Liegen, habe teilweise Ausfälle bei den Beinen und könne teilweise nicht einmal gerade gehen. Sie sei im Jahr 2017 drei Mal wegen eines Nabelbruches operiert worden, habe lange Entzündungen gehabt und ihr Bauchnetz sei kaputt. Sie habe viele Vernarbungen und immer wieder Brüche und könne sich schlecht bücken. Beim Stuhlgang müsse sie sich die Bauchdecke halten, sie könne nicht lange in Bauchlage liegen. Sie könne auch nicht schwer heben, weil dann die Gefahr bestehe, dass alles wieder reißen werde. Sie sei auf beiden Augen am Grauen Star operiert worden. Beide Augen seien ein Jahr nach der Operation gelasert worden. Sie sei am 19.06.2019 am linken Auge durch eine Netzhautablösung erblindet. Sie sei zwei Mal operiert worden, sie habe eine Sehnerv- und Muskelschwäche und leide unter 80% Sichtfeldeinschränkung, was zu Problemen beim Lesen und beim Stiegen steigen führe, weil sie nicht erkennen würde, wo die Stufe ende und habe noch weitere Probleme. Sie könne nicht Auto fahren und auch nicht mit den öffentlichen Verkehrsmitteln, da sie Probleme beim Aus- und Einsteigen habe. Sie leide unter Arthrosen in den Handgelenken und in den Fingern, welche besonders bei Kälte oder Nässe sehr schmerzhaft seien. Ihre Finger seine oft ganz taub, sie habe kein Fingergefühl mehr. Sie leide sowohl an Stuhl- als auch an Harninkontinenz. Wenn sie Stuhlgang verspüre, müsse sie sofort ein WC aufsuchen. Sie könne den Enddarm nicht ganz entleeren und müsse nach jedem Stuhlgang nach 20 Minuten ein Zäpfchen einführen, damit sich ihr Enddarm entleere, die Entleerung dauere dann ca. zwei Stunden. Sie könne auch Gase nicht zurückhalten. Sie habe Probleme mit der Harnblase, sie verliere Harn, ohne einen Drang zu haben und könne den Urin nicht zurückhalten. Sie brauche immer allein ein WC, um ihre Höschenwindel zu wechseln. Sie benötige Hilfe im Haushalt, teilweise auch bei der Körperpflege. Sie brauche jemanden, der sie zum Arzt, zur Apotheke, zur Therapie, zur Bank oder zum Einkaufen bringe. Sie könne sich beim besten Willen nicht vorstellen, wie sie zur Arbeit kommen und wie sie eine Arbeit verrichten solle. Wegen der Schmerzen habe sie wenig Schlaf und sei immer müde und unkonzentriert. Sie finde es auch entwürdigend, sie mit ihrer Windel wegen der Harninkontinenz in eine Arbeit zu schicken. Sie ersuche zu überdenken, ob ein Grad der Behinderung von 50 v.H. nicht zu wenig sei. Sie habe auch Depression und Panikattacken und sei nicht mehr geschäftsfähig.
Die belangte Behörde legte die Aktenvorgänge dem Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 12.11.2019 vor, wo dieser am selben Tag ein langte.
Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes holte das Bundesverwaltungsgericht ein Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Orthopädie und Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin ein. Das aufgrund einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 24.01.2020 erstattete Gutachten vom 20.02.2020 kam zum Ergebnis, dass die Beschwerdeführerin an degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule, an einem chronischen Schmerzsyndrom, an einer Knietotalendoprothese links, Halbschlittenprothesen des rechten Kniegelenkes, an einer inversen Schulterprothese rechts, Zustand nach lateraler Clavicularesektion links und Arthroskopie linker Schulter, Hernia umbillicalis mit Herniation von Fettgewebe, Sigmadivertikulose, Rectozele, einer geringgradigen Sehstörung beidseits, Visus mit Korrektur beidseits 0,7, Zustand nach Netzhautablösung und Laserkoagulation links, einer Blasenfunktionsstörung, einem Carpaltunnelsyndrom beidseits, an einem Restless legs Syndrom und unter Schlupflidern leide. Die Voraussetzungen für die Vornahme der beantragten Zusatzeintragung würden nicht vorliegen.
Das Bundesverwaltungsgericht brachte den Parteien des Verfahrens das Ergebnis der Beweisaufnahme mit Schreiben vom 02.04.2020 zur Kenntnis und räumte ihnen eine Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme ein.
Keine der Parteien gab dazu eine Stellungnahme ab.
Das Bundesverwaltungsgericht führte am 22.05.2020 eine Abfrage im Zentralen Melderegister durch, wonach die Beschwerdeführerin österreichische Staatsbürgerin ist, und ihren ordentlichen Wohnsitz im Inland hat.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen
Die Beschwerdeführerin erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Die Beschwerdeführerin hat ihren ordentlichen Wohnsitz im Inland und besitzt einen Behindertenpass.
Der Beschwerdeführerin ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar.
Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen der Beschwerdeführerin:
Allgemeinzustand gut, Ernährungszustand: BMI 35.
Größe 160 cm, Gewicht 90 kg, Alter: 60 Jahre
Caput/Collum: klinisch unauffälliges Hör- und Sehvermögen, geringgradige Dermatochalasis beidseits (Schlupflider).
Thorax: symmetrisch, elastisch.
Atemexkursion seitengleich, sonorer Klopfschall, VA. HAT rein, rhythmisch.
Abdomen: Bauchdecke: Narbe im Bereich des Nabels, kleine Vorwölbung im Sinne eines Fettbürzels, keine Bruchpforte tastbar, dabei Schmerzangabe, sonst klinisch unauffällig. Fettschürze, Unterbauch seitlich ausladend, jedoch keine Hernienvorwölbung. Integument: unauffällig. Windelhose wird getragen: unbenützt. Anus: äußerlich unauffällig, keine Verunreinigung, unauffällige Kontur der Analschleimhaut, aktive Kontraktion des Schließmuskels: unauffällig. Während der gesamten Begutachtungssituation kein Entweichen gasförmigen Inhalts wahrnehmbar.
Schultergürtel und beide oberen Extremitäten:
Rechtshänderin. Der Schultergürtel steht annähernd horizontal, annähernd symmetrische Muskelverhältnisse. Die Durchblutung ist ungestört, die Sensibilität wird im Bereich von Daumen, Zeige-, Mittel- und Ringfinger beidseits als gestört angegeben. Die Benützungszeichen sind seitengleich vorhanden.
Handgelenk, Finger unauffällig, Feinmotorik unauffällig, Ellbogengelenke unauffällig.
Schultergelenk rechts: Narbe nach Totalendoprothese ventral von etwa 8 cm, nicht verkürzt, keine Krepitation, kein Hinweis für Ruptur der Rotatorenmanschette. Sämtliche weiteren Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.
Aktive Beweglichkeit: Schultern F und S beidseits 0/1 00, IRIAR rechts 60/0/15, links 60/0/30, Ellbogengelenke, Unterarmdrehung, Handgelenke, Daumen und Langfinger seitengleich frei beweglich. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar. Der Faustschluss ist komplett, Fingerspreizen beidseits unauffällig, die grobe Kraft in etwa seitengleich, Tonus und Trophik unauffällig. Nacken- und Schürzengriff sind endlagig eingeschränkt durchführbar.
Becken und beide unteren Extremitäten:
Freies Stehen nach dem Aufstehen von Untersuchungsliege kurzfristig unsicher, Stehen mit Anhalten sicher möglich, Zehenballengang und Fersengang beidseits mit Anhalten und ohne Einsinken durchführbar. Der Einbeinstand ist mit Anhalten möglich. Die tiefe Hocke ist zu einem Drittel möglich.
Die Beinachse ist im Lot. Annähernd symmetrische Muskelverhältnisse. Beinlänge ident. Die Durchblutung ist ungestört, keine Ödeme, keine Varizen, die Sensibilität wird im Bereich der Zehen rechts als gestört angegeben. Die Beschwielung ist in etwa seitengleich. Kniegelenk rechts: Narbe nach Halbschlittenprothese medial, geringgradige Umfangsvermehrung, keine Überwärmung, kein Erguss, stabil.
Kniegelenk links: Narbe nach Knietotalendoprothese, geringgradige Umfangsvermehrung, keine Schwellung, kein Erguss, stabil, Patella beidseits deutlich verbacken Sämtliche weiteren Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.
Aktive Beweglichkeit: Hüften frei, Knie aktiv rechts 015/1 10, links 0/0/100, Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich frei beweglich. Das Abheben der gestreckten unteren Extremität ist beidseits aktiv bis 20 0, passiv bis 600 bei KG 5 unter Schmerzangabe in der LWS möglich.
Wirbelsäule:
Schultergürtel und Becken stehen horizontal, in etwa im Lot, regelrechte Krümmungsverhältnisse. Die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet, mäßig Hartspann, Klopfschmerz über der gesamten Wirbelsäule.
Aktive Beweglichkeit: HWS: Rotation 600, Seitneigen 300
BWS/LWS: FBA: abgelehnt wegen Schwindels, Rotation und Seitneigen jeweils 200 Lasegue beidseits negativ, Muskeleigenreflexe UE nicht auslösbar.
Gesamtmobilität - Gangbild:
Kommt selbständig gehend mit Halbschuhen mit 2 Unterarmstützkrücken, das Gangbild mit Schuhen und Krücken ist weitgehend flüssig und harmonisch, Gangbild barfuß ohne Anhalten ist mäßig kleinschrittig und verlangsamt, Gehen in einer Linie möglich, bei geschlossenen Augen leichtes Schwanken. Romberg geringgradig ungerichtetes Schwanken. Richtungswechsel mit Anhalten sicher möglich. Gesamtmobilität: nach dem Aufsetzen vom Liegen auf der Untersuchungsliege wird heftige Schwindelsymptomatik angegeben, nach einiger Zeit Besserung.
Das Aus- und Ankleiden wird Großteils selbständig im Sitzen durchgeführt.
Status psychicus: Allseits orientiert; Merkfähigkeit, Konzentration und Antrieb unauffällig; Stimmungslage klagsam, agitiert.
Bei der Beschwerdeführerin bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
1. Degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule
2. Chronisches Schmerzsyndrom
3. Knietotalendoprothese links, Halbschlittenprothesen des rechten Kniegelenkes
4. Inversen Schulterprothese rechts, Zustand nach lateraler Clavicularesektion links und Arthroskopie linker Schulter
5. Hernia umbilicalis mit Herniation von Fettgewebe
6. Sigmadivertikulose, Rektozele
7. Geringgradigen Sehstörung beidseits, Visus mit Korrektur beidseits 0,7, Zustand nach Netzhautablösung und Laserkoagulation links
8. Blasenfunktionsstörung
9. Carpaltunnelsyndrom beidseits
10. Restless legs Syndrom
11. Schlupflider
Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel:
Die festgestellten Gesundheitsschädigungen am Stütz- und Bewegungsapparat haben keine erhebliche Einschränkung der Mobilität zur Folge.
Das Zurücklegen von kurzen Wegstrecken von 300 bis 400 Meter ist der Beschwerdeführerin aus eigener Kraft, allenfalls unter Zuhilfenahme einer einfachen Gehhilfe zumutbar, bzw. ist nicht erheblich erschwert. Beim Zurücklegen dieser Wegstrecke sind Schmerzen nicht auszuschließen, wobei kein Hinweis auf höhergradige Schmerzzustände objektivierbar ist.
Das Überwinden von Niveauunterschieden ist der Beschwerdeführer nicht erheblich erschwert.
Das Verwenden von Haltegriffen und Aufstiegshilfen nicht erheblich erschwert.
Der Transport in öffentliche Verkehrsmittel ist nicht eingeschränkt, auch die Sitzplatzsuche ist nicht erheblich erschwert.
Es liegt keine schwere Erkrankung des Immunsystems vor.
Es liegt keine maßgebende Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit vor, durch welche eine Unzumutbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel zu begründen wäre.
Eine Stuhlinkontinenz ist nicht objektivierbar.
Es besteht eine geringgradige Harnblasenfunktionsstörung. Eine Harninkontinenz in einem Ausmaß, welches das Benützen öffentlicher Verkehrsmittel erheblich erschwert bzw. verunmöglicht ist nicht objektiviert.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen, dem Wohnsitz der Beschwerdeführerin im Inland und zum Behindertenpass ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen, widerspruchsfreien und unbestrittenen Akteninhalt.
Die Feststellungen zu Art, Ausmaß und Auswirkungen der Funktionseinschränkungen auf die Zumutbarkeit zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel gründen sich - in freier Beweiswürdigung - in nachstehend ausgeführtem Umfang auf die vorgelegten und eingeholten Beweismittel:
Das von der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Orthopädie und Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin vom 20.02.2020, basierend auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 24.01.2020, ist schlüssig und nachvollziehbar, es weist keine Widersprüche auf. Es wird auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Auch wird zu den Auswirkungen der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel eingehend Stellung genommen und nachvollziehbar ausgeführt, dass es der Beschwerdeführerin - trotz der vorliegenden Funktionseinschränkungen - möglich und zumutbar ist, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen.
Bei der Beschwerdeführerin stehen Schmerzen in den Knie- und Schultergelenken, Arthrose in den Fingergelenken und Beschwerden in der Wirbelsäule im Vordergrund. Die medizinische Sachverständige kommt zusammenfassend zum Ergebnis, dass das Zurücklegen einer Wegstrecke von 300 - 400 m der Beschwerdeführerin, allenfalls unter Verwendung einer einfachen Gehhilfe, nicht erheblich erschwert ist. Weder liegen höhergradige Funktionseinschränkungen im Bereich der Gelenke der unteren Extremitäten vor, noch konnte eine maßgebliche Gangunsicherheit oder Gangbildbeeinträchtigung festgestellt werden. Ein neurologisches Defizit liegt nicht vor. Das behinderungsbedingte Erfordernis der Verwendung von 2 Unterarmstützkrücken zum Zurücklegen kurzer Wegstrecken ist durch festgestellte Funktionseinschränkungen und dokumentierte Leiden nicht ausreichend begründbar. Insbesondere ist eine maßgebliche dauerhafte Gangunsicherheit durch Schwindel nicht objektivierbar.
Die Beschwerdeführerin bringt in ihrer Beschwerde vor, dass andauernde Schmerzen es ihr verunmöglichen würden, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen. Dazu führt die medizinische Sachverständige in deren Gutachten schlüssig und nachvollziehbar aus, dass sich anhand des von dieser bei der Untersuchung beobachteten Gangbilds - Gangbild barfuß ohne Anhalten ist mäßig kleinschrittig und verlangsamt, Gehen in einer Linie möglich - und der insgesamt ausreichend sicheren Gesamtmobilität, des aktuellen Untersuchungsergebnisses mit guter Beweglichkeit sämtlicher Gelenke der unteren Extremitäten und der derzeitigen Therapieerfordernis (Ansprechen auf Kombinationstherapie durch Opioide und Nichtopioide) kein Hinweis auf höhergradige Schmerzzustände ergibt, welche das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Überwinden von Niveauunterschieden und das Benützen öffentlicher Verkehrsmittel erheblich erschwerten.
Hinsichtlich der von der Beschwerdeführerin in deren Beschwerde ebenfalls vorgebrachten Stuhlinkontinenz ist auszuführen, dass nach dem Ergebnis der medizinischen Untersuchung diesbezügliche belegende Befunde fehlen. Objektivierbar ist eine Sigmadivertikulose (Entzündung in einer Ausbuchtung des Dickdarms vor dem Mastdarm hervorgerufen u.a. durch Stuhlansammlungen in diesem Abschnitt des Darms) mit Obstipationsneigung (Verstopfungsneigung) und Laxantiengebrauch (Gebrauch von Abführmitteln). Ein Schließmuskeldefekt oder eine Erkrankung, die zu einer Schließmuskelschwäche führen könnte, ist nicht durch geeignete Befunde belegt. Auch konnte die medizinische Sachverständige bei der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin keinen Hinweis für eine Schließmuskelschwäche erkennen.
Die Beschwerdeführerin gibt in ihrer Beschwerde auch an, dass diese unter Harninkontinenz leide, sie Höschenwindeln tragen müsse, und es ihr daher nicht möglich sei, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Dem ist entgegen zu halten, dass die Beschwerdeführerin keine fachmedizinischen Befunde eines Urologen vorlegte, welche eine Harninkontinenz belegen würden. Zwar ist im Befund des Neurologie Landes/Klinikums XXXX vom 16.05.2018 auf Seite 1 eine Blasenfunktionsstörung festgehalten, bei den Entlassungsdiagnosen ist diese Funktionsstörung jedoch nicht mehr enthalten. In einem weiteren Befund der gynäkologischen Abteilung vom 10. 10. 2019, wird eine Mischinkontinenz mit dominierender Belastungsinkontinenzkomponente hingewiesen. Weitere dokumentierte Hinweise auf eine Inkontinenz liegen nicht vor. Dieser gynäkologische Befund vom 10. 10. 2019 spricht nach den Ausführungen der medizinischen Sachverständigen gegen eine maßgebliche Harninkontinenz, auch konnte die medizinische Sachverständige bei der persönlichen Untersuchung keinen Hinweis auf Benützen der Inkontinenzvorlage feststellen. Zudem ist es der Beschwerdeführerin im Falle einer Harninkontinenz zuzumuten, Inkontinenzvorlagen zu verwenden. Es ist ihr - trotz des allfälligen Tragens der Inkontinzenvorlagen - möglich und zumutbar, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen.
Das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke von 300 bis 400 Meter ist somit selbständig möglich. Auch das Ein- und Aussteigen in öffentliche Verkehrsmittel ist der Beschwerdeführerin ohne fremde Hilfe zumutbar. Ein sicherer Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln durch Festhalten an Haltegriffen ist gewährleistet, da die Gelenke beider oberer Extremitäten keine Funktionseinschränkungen aufweisen, insbesondere im Bereich der Schultergelenke keine höhergradigen Funktionseinschränkungen vorliegen, und das Carpaltunnelsyndrom beidseits zu keiner motorischen Einschränkung führt, daher ist der sichere Transport nicht erheblich erschwert.
Die weiteren Leiden der Beschwerdeführerin, wie die Hernia umbilicalis (Nabelbruch) mit Herniation von Fettgewebe, Sigmadivertikulose, Rektozele (Aussackung der Mastdarmvorderwand in die Scheide), die geringgradige Sehstörung beidseits, Visus mit Korrektur beidseits 0,7, Zustand nach Netzhautablösung und Laserkoagulation links, die Blasenfunktionsstörung und die Schlupflider sind nicht geeignet, das Zurücklegen kurzer Wegstrecken bzw. das Benützen öffentlicher Verkehrsmittel maßgeblich zu erschweren. Das Sehvermögen und Gesichtsfeld der Beschwerdeführerin ist ausreichend, sodass, auch unter Berücksichtigung aller aufliegenden Befunde, eine erhebliche Erschwernis beim Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, Be- und Entsteigen sowie bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht begründbar ist.
Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel, die folgende Krankheitsbilder umfassen: Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10, sind im Ermittlungsverfahren nicht hervorgekommen. Ebenso wenig besteht ein Hinweis auf eine Erkrankung des Immunsystems.
Das Bundesverwaltungsgericht übermittelte der Beschwerdeführerin das genannte medizinische Sachverständigengutachten im Rahmen des Parteiengehörs und räumte dieser die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme hierzu ein. Die Beschwerdeführerin gab innerhalb der ausreichend bemessenen Frist keine Stellungnahme dazu ab.
Der Beschwerdeführerin ist daher dem auf einer persönlichen Untersuchung basierenden Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Orthopädie und Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin im Lichte obiger Ausführungen daher nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa VwGH 27.06.2000, 2000/11/0093).
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des Sachverständigengutachtens vom 20.02.2020, beruhend auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 24.01.2020, und wird dieses Sachverständigengutachten in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
1. Zur Entscheidung in der Sache:
Der Vollständigkeit halber wird zunächst darauf hingewiesen, dass mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 14.10.2019 der Antrag der Beschwerdeführerin auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gemäß §§ 42 und 45 Bundesbehindertengesetz idgF BGBl I Nr. 32/2018 (in der Folge kurz BBG) abgewiesen wurde. Verfahrensgegenstand ist somit nicht die Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung, sondern ausschließlich die Prüfung der Voraussetzungen der Vornahme der beantragten Zusatzeintragung.
Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten:
§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
...
§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.
...
§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpass und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen."
§ 1 Abs. 4 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, idg F BGBl II Nr. 263/2016 lautet - soweit im gegenständlichen Fall relevant - auszugsweise:
"§ 1 ....
(4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:
1. .......
2. ......
3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
- erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
- erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
- erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
- eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
- eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 4 Z 1 lit. b oder d
vorliegen.
(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.
(6)......"
In den Erläuterungen zu § 1 Abs. 2 Z 3 zur Stammfassung der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II Nr. 495/2013 wird unter anderem - soweit im gegenständlichen Fall relevant - Folgendes ausgeführt:
"Zu § 1 Abs. 2 Z 3 (neu nunmehr § 1 Abs. 4 Z. 3, BGBl. II Nr. 263/2016):
...
Durch die Verwendung des Begriffes "dauerhafte Mobilitätseinschränkung" hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.
...
Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:
- arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option
- Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen
- hochgradige Rechtsherzinsuffizienz
- Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie
- COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie
- Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie
- mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden..."
Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu ermitteln, ob die Antragstellerin dauernd an ihrer Gesundheit geschädigt ist, und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung unzumutbar ist (vgl. VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142, und die dort zitierten Erkenntnisse vom 18.12.2006, 2006/11/0211, und vom 17.11.2009, 2006/11/0178, jeweils mwN.).
Dabei ist auf die konkrete Fähigkeit der Beschwerdeführerin zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einzugehen, dies unter Berücksichtigung der hierbei zurückzulegenden größeren Entfernungen, der zu überwindenden Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, der Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt etc. (VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 14.05.2009, 2007/11/0080).
Bei der Beurteilung der zumutbaren Wegstrecke geht der Verwaltungsgerichtshof von städtischen Verhältnissen und der durchschnittlichen Distanz von 300 bis 400 Metern bis zur nächsten Haltestelle eines öffentlichen Verkehrsmittels aus (VwGH 27.05.2014, Ro 2014/11/0013).
Wie oben im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt - auf die diesbezüglichen Ausführungen wird verwiesen -, wurde im eingeholten Sachverständigengutachten vom 20.02.2020, beruhend auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 24.01.2020, nachvollziehbar verneint, dass im Fall der Beschwerdeführerin - trotz der bei ihr vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen - die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass vorliegen. Mit dem Vorliegen der bei der Beschwerdeführerin objektivierten aktuellen Funktionsbeeinträchtigungen vermag die Beschwerdeführerin noch nicht die Überschreitung der Schwelle der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Sinne der Bestimmung des § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen darzutun.
Die Voraussetzungen für die Vornahme der beantragten Zusatzeintragung aufgrund von erheblichen Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sind im Falle der Beschwerdeführerin ebenfalls nicht gegeben. Eine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit liegt ebenso wenig vor, wie entscheidungsmaßgebliche Einschränkungen der Sinnesfunktionen. Es kann im vorliegenden Fall außerdem keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, die eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen signifikanter Infektanfälligkeit einschränkt, festgestellt werden.
Da festgestellt worden ist, dass die dauernden Gesundheitsschädigungen kein Ausmaß erreichen, welches die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass rechtfertigt, war spruchgemäß zu entscheiden.
Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Prüfung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in Betracht kommt.
2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung
Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde, auf das über Veranlassung des Bundesverwaltungsgerichtes eingeholte medizinische Sachverständigengutachten, welches auf einer persönlichen Untersuchung beruht und welches auf alle Einwände und vorgelegten Befunde der Beschwerdeführerin in fachlicher Hinsicht eingeht, und welchem die Beschwerdeführerin im Rahmen des ihr eingeräumten Parteiengehörs nicht entgegengetreten ist. Die strittige Tatsachenfrage, genauer die Art und das Ausmaß der Funktionseinschränkungen des Beschwerdeführers und damit verbunden die Frage der Zumutbarkeit der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel, sind einem Bereich zuzuordnen, der von einem Sachverständigen zu beurteilen ist. Die Beschwerdeführerin hat keine mündliche Beschwerdeverhandlung beantragt. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen.
Zu Spruchteil B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Behindertenpass Sachverständigengutachten Zumutbarkeit ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W261.2225299.1.00Im RIS seit
18.08.2020Zuletzt aktualisiert am
18.08.2020