TE Vwgh Beschluss 2020/7/8 Ra 2020/07/0032

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Veröffentlicht am 08.07.2020
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §42 Abs1
AVG §8
B-VG Art132 Abs1 Z1
B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §17
VwGVG 2014 §27
VwGVG 2014 §9
VwRallg

Beachte


Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
Ra 2020/07/0033

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Dr. N. Bachler und Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision 1. des J M und 2. der M M, beide in L, beide vertreten durch Mag. Hannes Huber und Dr. Georg Lugert, Rechtsanwälte in 3390 Melk, Bahnhofstraße 3, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 15. Jänner 2020, Zl. LVwG-AV-1378/001-2019, betreffend wasserrechtliche Bewilligung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Melk; mitbeteiligte Partei: H B in L), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Bescheid vom 17. Oktober 2019 erteilte die belangte Behörde - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 9. Oktober 2019 - dem Mitbeteiligten die wasserrechtliche Bewilligung „für die Errichtung von Steinmauern, für Rückhalte- bzw. Hochwasserschutzmaßnahmen zum Schutz seines Wohnhauses auf Grundstück 1944/1, KG L.“ nach Maßgabe der vorgelegten Projektbeschreibung und Projektunterlagen.

2        Die dagegen erhobene Beschwerde der revisionswerbenden Parteien - der Eigentümer von benachbarten Grundstücken - wies das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Beschluss als unzulässig zurück. Die Revision erklärte es für nicht zulässig.

3        Begründend führte es aus, da die revisionswerbenden Parteien zur mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde jedenfalls im Sinn des § 42 Abs. 1 AVG geladen worden seien, hätten sie, um ihre Parteistellung nicht zu verlieren, entweder spätestens am Tag vor Beginn der mündlichen Verhandlung während der Amtsstunden bei der Behörde oder während der Verhandlung Einwendungen erheben müssen. Als solche Erhebung von Einwendungen komme im gegenständlichen Fall nur die Einbringung eines Schriftsatzes vom 7. Oktober 2019 in Betracht.

4        In diesem Schriftsatz werde jedoch erkennbar nur die objektive Rechtswidrigkeit geltend gemacht (etwa mit dem Vorbringen, dass es sich beim Projekt des Mitbeteiligten um einen unzulässigen Bau im Grünland handle und es nicht um Hochwasserschutz ginge). Damit werde die Verletzung eines den revisionswerbenden Parteien nach § 12 Abs. 2 WRG 1959 zustehenden Rechts nicht behauptet.

5        Selbst wenn man in dem Vorbringen der revisionswerbenden Parteien, dass eine „Mauer von 1,60 Metern“ keine Statik „vorweisen“ könne, in Verbindung mit der vor Einreichung des Projekts geäußerten Befürchtung der mangelnden Standsicherheit und Rutschgefährdung mit Folgeschäden an ihrer Liegenschaft, eine Behauptung der Verletzung ihres Eigentumsrechts erblicken wolle, wäre auch dies konkret nicht als taugliche Einwendung anzusehen. Denn auch das nachträgliche wasserrechtliche Bewilligungsverfahren sei nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein Projektgenehmigungsverfahren, in welchem die Wasserrechtsbehörde auf Grund des vom Antragsteller erarbeiteten Projekts die Frage der Bewilligungsfähigkeit zu beurteilen habe. Gegenstand des Verfahrens sei daher das in den Einreichplänen und sonstigen Unterlagen dargestellte Projekt, nicht aber der (von diesem Projekt etwa abweichende) Bestand.

6        Zusammenfassend ergebe sich sohin, dass die revisionswerbenden Parteien mangels rechtzeitiger Erhebung tauglicher Einwendungen gegen das bewilligungsgegenständliche Vorhaben ihre Parteistellung verloren hätten und nicht berechtigt seien, gegen den wasserrechtlichen Bewilligungsbescheid Beschwerde zu erheben. Dem Verwaltungsgericht sei daher eine inhaltliche Überprüfung des Bescheids verwehrt gewesen.

7        Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung sei im vorliegenden Fall nicht zu lösen gewesen, habe es sich doch gegenständlich um die Anwendung einer eindeutigen bzw. durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hinreichend geklärten Rechtslage „auf den Einzelfall“ gehandelt. Die ordentliche Revision gegen diesen Beschluss sei daher nicht zulässig.

8        Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

9        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

10       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

11       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

12       In der - für die Beurteilung der Zulässigkeit einer Revision allein maßgebenden - Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision wird zunächst vorgebracht, nach der „ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes“ sei ein von einem präkludierten Nachbarn erhobenes Rechtsmittel nach vorheriger Auseinandersetzung mit der Frage der Parteistellung unter Berücksichtigung des § 42 AVG inhaltlich abzuweisen. Dem Verwaltungsgericht sei daher „im Zuge des angefochtenen Beschlusses“ eine Fehlbeurteilung unterlaufen, die zur „Wahrung der Rechtssicherheit“ aufzugreifen sei (Hinweis auf VwGH 21.2.1995, 94/07/0028).

13       Aus der zitierten hg. Entscheidung ist für die revisionswerbenden Parteien jedoch nichts zu gewinnen, erging diese doch zu § 42 AVG in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998, der einen Verlust der Parteistellung nicht vorsah (vgl. dazu näher VwGH 1.4.2008, 2007/06/0300, mwN).

14       Nach der geltenden hg. Rechtsprechung ist aber eine trotz Verlust der Parteistellung gemäß § 42 Abs. 1 AVG erhobene Beschwerde zurückzuweisen (vgl. zur insoweit übertragbaren Rechtslage vor der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 etwa VwGH 2.7.2008, 2005/10/0068; 16.12.2004, 2004/07/0166, mwN), weshalb dem Verwaltungsgericht kein Abweichen von der hg. Rechtsprechung vorgeworfen werden kann.

15       In der Zulässigkeitsbegründung wird weiter ausgeführt, das Verwaltungsgericht sei mit seiner rechtlichen Ansicht, wonach die revisionswerbenden Parteien wegen Präklusion nach § 42 Abs. 1 AVG ihre Parteistellung verloren hätten, ebenso von der - näher dargestellten - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen. Die revisionswerbenden Parteien hätten mit ihrem persönlich formulierten Schreiben vom 7. Oktober 2019 Einwendungen gegen das Projekt des Mitbeteiligten erhoben. Mit diesem Schreiben hätten sie sich gegen das eingereichte Projekt gewendet und leicht erkennbar ihr Recht als Eigentümer der Nachbarliegenschaft geltend gemacht, dass „diese“ durch die beabsichtigten Schutzwasserbauten verletzt würde. In diesem Zusammenhang hätten die revisionswerbenden Parteien am Ende dieses Schreibens auch die „ostseitige Mauer“ und insbesondere die „obere Mauer“, welche im Grünland betoniert sei, erwähnt. Damit sei eindeutig jene vom Mitbeteiligten errichtete „Steinmauer“ gemeint, die zwar in der Projekteinreichung, nicht aber in dem der Bewilligung zugrunde gelegten Gutachten der R. GmbH enthalten sei. Ihren dortigen Darlegungen sei erkennbar zu entnehmen, dass das genannte Gutachten hier nicht einschlägig sei und nicht von den projektierten Anlagen hinsichtlich des Abflusses des Oberflächenwassers ausgehe.

16       Nach der ständigen hg. Rechtsprechung müssen Einwendungen spezialisiert sein und die Verletzung konkreter subjektiver Rechte geltend machen. Dem Begriff der Einwendung ist die Behauptung einer Rechtsverletzung in Bezug auf ein bestimmtes Recht immanent, sodass dem Vorbringen entnommen werden können muss, dass überhaupt die Verletzung eines subjektiven Rechtes behauptet wird. Es ist darzutun, worin die Beeinträchtigung der in § 12 Abs. 2 WRG 1959 angeführten Rechte gelegen sein soll (vgl. jüngst VwGH 25.9.2019, Ra 2019/07/0074 bis 0076, mwN).

17       Einwendungen im Sinne des § 42 Abs. 1 erster Satz AVG sind - insbesondere wenn sie von nicht rechtskundig vertretenen Parteien stammen -, nicht selten auslegungsbedürftig und sind daher nicht nur ihrem Wortlaut nach, sondern auch nach ihrem Sinn zu beurteilen; letztlich kommt es bei einer Gesamtbetrachtung auf die Umstände des Einzelfalles an (vgl. idS VwGH 27.2.2019, Ra 2018/05/0043, 0044; 11.3.2016, 2013/06/0154, mwN). Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt klargestellt, dass die in vertretbarer Weise vorgenommene einzelfallbezogene Auslegung von Parteierklärungen nicht revisibel ist. Die Auslegung einer Erklärung im Einzelfall ist nur dann als revisibel anzusehen, wenn die diesbezügliche rechtliche Beurteilung durch das Verwaltungsgericht unvertretbar erschiene (vgl. etwa VwGH 22.3.2019, Ra 2017/04/0137; 7.6.2017, Ra 2017/17/0335, jeweils mwN). Auch die Beurteilung einer Parteierklärung in Bezug auf ihre Tauglichkeit als Einwendung nach § 42 AVG stellt eine solche einzelfallbezogene Auslegung dar, an die der genannte Prüfungsmaßstab anzulegen ist.

18       Fallbezogen ist angesichts des allgemein gehaltenen Vorbringens im Schreiben vom 7. Oktober 2019, auch unter Berücksichtigung des von den revisionswerbenden Parteien hervorgehobenen vorletzten Satzes, die rechtliche Beurteilung des Verwaltungsgerichts, wonach es sich dabei um keine taugliche Einwendung nach § 42 AVG handle, nicht zu beanstanden.

19       Den revisionswerbenden Parteien ist es aus diesem Grund nicht gelungen, konkret auf die vorliegende Revisionssache bezogen aufzuzeigen, welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung über die Revision zu lösen hätte (vgl. 24.05.2018, Ra 2017/07/0013, 0031, mwN).

20       Dies gilt auch für das weitere Zulässigkeitsvorbringen, womit die revisionswerbenden Parteien dem Verwaltungsgericht die unterlassene Auseinandersetzung mit einer behaupteten Verletzung der Manuduktionspflicht durch die belangte Behörde nach § 13a AVG vorwerfen.

21       Daraus geht ebenso wenig nachvollziehbar hervor, weshalb der Verhandlungsleiter der belangten Behörde die in der Stellungnahme vom 7. Oktober 2019 geäußerten „Gedanken“ hätte aufgreifen sollen und „die wahre Absicht“ der revisionswerbenden Parteien - die im Übrigen auf die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde verzichtet haben - hätte „erörtern und erfragen“ müssen.

22       Die Manuduktionspflicht der belangten Behörde geht nämlich nicht so weit, dass sie die revisionswerbenden Parteien zur inhaltlichen Ausgestaltung von Einwendungen hätte anleiten müssen. Angesichts des unbestritten gebliebenen Hinweises auf die Rechtsfolgen unterlassener Einwendungen in der den revisionswerbenden Parteien zugestellten Ladung zur mündlichen Verhandlung bestand in Ansehung der Erhebung von Einwendungen keine weitere Manuduktionspflicht der Behörde. Diese hätte die revisionswerbenden Parteien auch nicht anzuleiten gehabt, dass sie bestimmte Beweisanträge stellen, Beweismittel vorbringen oder Sachverständigengutachten auf gleicher fachlicher Ebene entgegentreten (vgl. VwGH 29.1.2016, Ra 2015/06/0124, mwN).

23       In der Revision werden demnach keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 8. Juli 2020

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020070032.L00

Im RIS seit

03.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

03.09.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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