TE Vwgh Beschluss 2020/7/27 Ra 2020/11/0059

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.07.2020
beobachten
merken

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

B-VG Art133 Abs4
VStG §5
VStG §9
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick und den Hofrat Dr. Grünstäudl sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision der Dr. E D in Z, vertreten durch Mag. Markus Dutzler, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Promenade 7, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 4. März 2020, Zl. LVwG 30.26-3057/2019-18, betreffend Übertretung des Steiermärkischen Jugendgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Stadt Graz), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde die Revisionswerberin schuldig erkannt, sie habe § 26 Abs. 2 Z 4 iVm. § 14 Abs. 3 Z 1 iVm. § 18 Abs. 4 und Abs. 2 des Steiermärkischen Jugendgesetzes (StJG) iVm. § 9 Abs. 1 VStG verletzt, weil sie es als handelsrechtliche Geschäftsführerin der S Tankstellen GmbH in L zu verantworten habe, dass in einem näher bezeichneten Tankstellenshop in G am 15. Juni 2019 um 15:45 Uhr die Mitarbeiterin MS eine Packung Zigaretten an einen näher genannten, damals 15-jährigen Jugendlichen verkauft habe, obwohl Personen bis zum vollendeten 18. Lebensjahr der Erwerb, Besitz und Konsum von Tabak- und verwandten Erzeugnissen verboten und jede Abgabe von Tabak- und verwandten Erzeugnissen an solche Personen verboten sei. Über die Revisionswerberin wurde gemäß § 26 Abs. 4 StJG eine Geldstrafe von € 600,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 40 Stunden) verhängt und sie wurde zu einem Kostenbeitrag von € 60,-- für das behördliche Strafverfahren und € 120,-- für das Beschwerdeverfahren verpflichtet. Weiters wurde ausgesprochen, dass die S Tankstellen GmbH gemäß § 9 Abs. 7 VStG für die genannten Beträge zur ungeteilten Hand hafte. Gleichzeitig sprach das Verwaltungsgericht gemäß § 25a VwGG aus, dass eine ordentliche Revision unzulässig sei.

2        Begründend stellte das Verwaltungsgericht fest, der zum Tatzeitpunkt 15-jährige Testkäufer habe ohne Ausweiskontrolle oder Frage nach seinem Alter im Tankstellenshop in G eine Packung Zigaretten erhalten. Im Shop sei „wenig los gewesen“ und die Verkäuferin MS sei als einzige Bedienstete anwesend gewesen. Es habe sich ein Aushang der Jugendschutzbestimmungen im Geschäftslokal befunden.

Bereits im Jahr 2017 habe es im selben Tankstellenshop einen ähnlichen Vorfall gegeben, weshalb damals ein Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet worden sei.

Neben der Registrierkasse und im Konsumationsbereich des Shops in G sei eine Jugendschutzampel aufgehängt, aus der auf einfache Weise ersichtlich sei, welche Altersgrenze für die Abgabe welcher Waren gelte. Neben der Kasse befinde sich ein zusätzlicher Hinweis, dass die Abgabe von Alkohol und Tabak erst ab einem bestimmten Alter erlaubt sei. Die Registrierkasse sei so programmiert, dass bei bestimmten Waren, wie etwa Rauchwaren, eingeblinkt und angezeigt werde, ab welchem Alter diese Waren verkauft werden dürften.

Filialleiter des Shops in G sei von März 2018 bis zur Schließung der Filiale Ende Juli 2019 Herr TP gewesen, welcher immer noch Dienstnehmer der Revisionswerberin sei und mehrere Filialen leite. Die Mitarbeiterin MS sei insgesamt drei bis vier Monate bis zur Schließung der Filiale dort beschäftigt gewesen. Jeder Mitarbeiter werde am Beginn seiner Tätigkeit und in der Folge quartalsmäßig durch die Stellvertreter des TP, die Stationsleiter, auf die Einhaltung der Jugendschutzbestimmungen geschult. Die von den Mitarbeitern zu unterschreibenden Unterweisungsnachweise enthielten den Inhalt der Schulung („zB Jugendschutz-Zigaretten-Alkohol“), das Datum der Schulung und den Namen des Unterweisenden. Ein Mitarbeiter, der die Jugendschutzbestimmungen nicht einhalte, werde unterwiesen und mündlich verwarnt. Die Mitarbeiterin MS habe die angeführten Schulungen absolviert.

In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Verwaltungsgericht zusammengefasst aus, es hätte unter anderem für den Fall eigenmächtiger Handlungen von Arbeitnehmern eines wirksamen Kontrollsystems bedurft. Obwohl es bereits 2017 einen ähnlichen Vorfall gegeben habe, habe es die Revisionswerberin vor dem gegenständlichen Tatzeitpunkt verabsäumt, Kontrollmaßnahmen zu etablieren, die geeignet seien, alle vorhersehbaren Gesetzesverstöße ihrer Mitarbeiter hintanzuhalten, indem diese entsprechend unterwiesen werden und gleichzeitig kontrolliert werde, ob sie den Unterweisungen Folge leisten. Es könne grundsätzlich kein Vertrauen darauf geben, dass die eingewiesenen, laufend geschulten und ordnungsgemäß ausgerüsteten Arbeitnehmer die Vorschriften einhalten. Ein entsprechend wirksames Kontrollsystem sei nicht vorgelegen.

3        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

4        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

5        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. Diesem Erfordernis wird insbesondere nicht schon durch nähere Ausführungen zur behaupteten Rechtswidrigkeit der bekämpften Entscheidung (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) oder zu den Rechten, in denen sich der Revisionswerber verletzt erachtet (§ 28 Abs. 1 Z 4 VwGG), Genüge getan (vgl. etwa die Beschlüsse VwGH 23.3.2017, Ra 2017/11/0014, und VwGH 1.9.2017, Ra 2017/11/0225, jeweils mwN).

6        Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, es gebe keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Gestaltung eines wirksamen Kontrollsystems für Fälle, in denen eine Kleinstbetriebsstätte nur bei Einsatz bloß eines Mitarbeiters wirtschaftlich geführt werden könne. Überdies habe das Verwaltungsgericht die Anforderungen an ein wirksames Kontrollsystem gar nicht bzw. grob fehlerhaft beurteilt. Vor allem habe das Verwaltungsgericht nicht dargelegt, wie ein Kontrollsystem ausgestaltet sein könnte, das die Einhaltung der hier wesentlichen gesetzlichen Bestimmungen garantiere. Die Revisionswerberin habe alle rechtlich und wirtschaftlich zumutbaren Maßnahmen, wie Schulungen, Belehrungen, arbeitsrechtliche Sanktionen, unangekündigte betriebliche Kontrollen, Softwaresperren, Aushänge, Ausweiskontrollen und Informationsgespräche umgesetzt. Überdies habe der Gesetzgeber im Rahmen der VStG-Novelle BGBl. I Nr. 57/2018 eine Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung zum wirksamen Kontrollsystem insofern angeordnet, als ein Verschulden nicht anzunehmen sein solle, „wenn der Verantwortliche nachweist, dass er eine qualitätsgesicherte Organisation eingerichtet und geführt hat, die durch externe Prüfung oder durch interne Überwachung (zB durch Betrauung geeigneter Mitarbeiter mit Kontrollaufgaben, fortlaufende Schulungen, den Einsatz automatisierter Überwachungsinstrumente etc.) regelmäßig kontrolliert wird“ (Hinweis auf 193 BlgNR, 26. GP, 5). Die von der Revisionswerberin umgesetzten Maßnahmen würden jedenfalls ausreichen, um die Anforderungen an eine „qualitätsgesicherte Organisation“ zu erfüllen.

7        In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme:

8        Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hängt die Befreiung von der persönlichen verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung im Einzelfall davon ab, dass glaubhaft alle Maßnahmen getroffen wurden, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen. Die bloße Erteilung von Weisungen reicht dafür nicht aus; entscheidend ist, ob auch eine wirksame Kontrolle der erteilten Weisungen erfolgt (vgl. etwa VwGH 30.1.2019, Ra 2019/04/0010, mwN).

(Betriebliche) Kontrollsysteme gleichen sich in der Regel nicht und unterliegen daher einer einzelfallbezogenen Beurteilung durch das Verwaltungsgericht (vgl. die dieselbe Revisionswerberin betreffenden hg. Beschlüsse vom 3. März 2020, Ra 2019/04/0088 und Ra 2020/04/0011, jeweils mwN).

9        Entgegen der bloß pauschalen Behauptung in der Zulässigkeitsbegründung (wie schon in der Beschwerde), es fänden unangekündigte betriebliche Kontrollen statt, legte die Revisionswerberin nicht konkret dar, ob und in welcher Form sie die Befolgung der von ihr an ihre Mitarbeiter erteilten Weisungen zur Einhaltung der gesetzlichen Jugendschutzbestimmungen wirksam überwacht hat. Die Revision bringt auch nicht vor, dass im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht ein derartig konkretes Vorbringen erstattet worden wäre. Vielmehr ergibt sich aus dem im Akt einliegenden Protokoll der Beschwerdeverhandlung, dass es laut Aussage von TP (Filialleiter des Shops in G von März 2018 bis zur Schließung der Filiale Ende Juli 2019) „zu seiner Zeit“ im verfahrensgegenständlichen Shop „keine Überprüfung“ gegeben habe.

10       Vor diesem Hintergrund ist für die Revisionswerberin aus ihrem Hinweis auf die Materialien zur VStG-Novelle BGBl. I Nr. 57/2018 (denen allerdings ein entsprechender Gesetzeswortlaut nicht gegenüber steht), aus denen sie ein mangelndes Verschulden im Revisionsfall ableitet, schon deshalb nichts zu gewinnen, weil in der Zulässigkeitsbegründung nicht dargestellt wurde, dass im gegenständlichen Fall eine qualitätsgesicherte Organisation iS der von der Revisionswerberin zitierten Erläuterungen, denen allerdings ein entsprechender Gesetzeswortlaut nicht gegenüber steht, bestanden hätte. Abgesehen davon ist der von der Revisionswerberin durch Hinweis auf die Materialien angesprochene § 5 Abs. 1a VStG auf den Revisionsfall - in dem ein gemäß § 26 Abs. 4 StJG mit einer Höchststrafe von € 15.000,-- bedrohtes Delikt begangen wurde - nicht einschlägig, weil er nur für Verwaltungsübertretungen gilt, die mit einer Geldstrafe von über € 50.000,-- bedroht sind (zu dem mit der Novelle BGBl. I Nr. 57/2018 eingeführten Abs. 1a des § 5 VStG samt Materialien vgl. im Einzelnen VwGH 21.5.2019, Ra 2019/03/0009, 0010; 13.8.2019, Ra 2019/03/0068, 0069).

11       Die Revision zeigt vor diesem Hintergrund nicht auf, dass das Verwaltungsgericht bei seiner Einzelfallbeurteilung, es liege kein ausreichendes Kontrollsystem vor, von der hg. Rechtsprechung abgewichen wäre.

12       Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 27. Juli 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020110059.L00

Im RIS seit

03.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

03.09.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten