TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/17 W162 2189250-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.02.2020
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Entscheidungsdatum

17.02.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

W162 2189250-1/12E
W162 2189248-1/11E
W162 2189193-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Ulrike LECHNER, LL.M als Einzelrichterin über die Beschwerden von 1.) XXXX , geb. XXXX , 2.) XXXX , geb. XXXX , 3.) XXXX , geb. XXXX , alle StA Afghanistan, vertreten durch MigrantInnenverein St. Marx, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.02.2018, Zlen. XXXX (ad 1.), XXXX (ad 2.) und XXXX (ad 3), nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 12.07.2019, zu Recht:

A)

Die Beschwerden werden gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG, §§ 55, 57 AsylG 2005 sowie §§ 46, 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die Erstbeschwerdeführerin (im Folgenden: BF1) ist die Mutter der in Afghanistan geborenen minderjährigen Zweitbeschwerdeführerin (BF2) und des volljährigen Sohnes, dem Drittbeschwerdeführer (BF3). Überdies ist sie die Mutter eines weiteren in Österreich aufhältigen Sohnes namens XXXX , der zu einem früheren Zeitpunkt als die restliche Familie in Österreich einen Asylantrag stellte und subsidiären Schutz erhielt und dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten nunmehr ebenfalls mit heutigem Erkenntnis des BVwG zur Zahl W162 2190495-1/14E wieder aberkannt wurde. Die beschwerdeführenden Parteien führen laut eigenen Angaben die im Spruch genannten Namen, sind Staatsangehörige Afghanistans, gehören der Volksgruppe der Hazara an, sind schiitische Moslems, und reisten illegal in das Bundesgebiet ein. Die Beschwerdeführer stellten am 13.11.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen der Erstbefragung am 13.11.2017 gab die BF1 an, aus Daikundi zu stammen und die letzten drei Jahre vor ihrer zwei Jahre andauernden Ausreise nach Österreich im Iran gewesen zu sein. Sie hätte zwei weitere Töchter, die nach wie vor in Afghanistan leben würden. Sie selbst, die BF2 und der BF3 hätten zu ihrem Sohn ( XXXX ) nach Österreich gewollt. Zu ihrem Fluchtgrund befragt gab sie an, dass Afghanistan sehr unsicher sei. Schiiten würden von den Taliban und dem IS umgebracht. Als ihr Ehemann gestorben sei, hätte sie sich große Sorgen um ihre Kinder gemacht, weshalb sie in den Iran gezogen wären. Dort hätte sie ihre Kinder jedoch nicht leicht in die Schule schicken können, da sie keine Dokumente gehabt hätten. Ihr Sohn (BF3) hätte illegal arbeiten müssen und sei auch einmal nach Afghanistan abgeschoben worden. Als Schiiten seien sie in Gefahr. Dieselben Fluchtgründe würden auch für die minderjährige BF2 gelten.

Der BF3 gab im Rahmen seiner Erstbefragung an, dass er vier Jahre lang die Grundschule in Daikundi besucht hätte und als Bauarbeiter gearbeitet habe. Er gab übereinstimmend an, zwei Schwestern in Afghanistan zu haben. Als Fluchtgrund nannte er, dass sie Afghanistan vor ca. fünf Jahren aufgrund der unsicheren Lage verlassen hätten. In Afghanistan seien Schiiten umgebracht worden. Aus Angst seien sie in den Iran geflüchtet. Dort hätten sie jedoch keine Dokumente und ein schwieriges Leben gehabt. Die iranische Regierung hätte ihn nach Syrien in den Krieg schicken wollen. Stattdessen hätte er sich nach Afghanistan abschieben lassen. Kurz darauf sei er wieder in den Iran eingereist. Dort hätte er jedoch nicht mehr leben wollen und sei daher mit seiner Mutter und seiner Schwester ausgereist. Er hätte Angst davor, als Hazara in Afghanistan umgebracht zu werden.

Im Rahmen der Einvernahme beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in Folge: BFA) am 02.02.2018 gab die BF1 an, in Daikundi geboren und aufgewachsen zu sein. Sie hätte keine Schule besucht und könne nicht lesen und schreiben. Sie hätte nichts gearbeitet. Die BF1 sei mit der BF2, dem BF3 und ihrem weiteren Sohn, XXXX , in den Iran gegangen als ihr Mann aufgrund einer Erkrankung gestorben sei. Sie seien drei Jahre lang im Iran gewesen. Sie hätte nicht in Kabul gelebt. Auf Vorhalt, dass XXXX in seiner Einvernahme angegeben habe, dass er in Kabul in die Schule gegangen sei, gab die BF1 an, dass er nicht in Kabul in der Schule gewesen sei. Sie hätte eine Tochter in Daikundi und eine in Kabul. Sie hätte vor einer Woche Kontakt zu ihnen gehabt. Zudem hätte sie zwei Neffen und eine Nichte in Daikundi. Sie hätte Afghanistan vor etwa fünf Jahren verlassen. Als Fluchtgrund gab sie im Wesentlichen an, dass das Leben von Schiiten überall in Afghanistan in Gefahr sei, da sie von den Taliban und Daesh umgebracht würden. Nachdem ihr Ehemann verstorben sei, hätte sie niemanden mehr gehabt. Aus Angst sei sie mit ihren Kindern in den Iran gezogen, wo sie ebenfalls Schwierigkeiten gehabt hätten. Den Iran hätten sie aufgrund ihres illegalen Status und mangelnder Dokumente und damit verbundenen Problemen verlassen. Der BF3 sei drei Monate in Afghanistan gewesen, weil er abgeschoben worden sei, woraufhin er aber wieder in den Iran gereist sei. Sie könnten nicht zurück zu ihrer Familie in Kabul, da es dort Anschläge gäbe.

Die minderjährige BF2 gab an, in Daikundi geboren zu sein. Sie seien zwei bis drei Jahre lang im Iran gewesen. Sie hätte in Afghanistan zwei Klassen in der Schule besucht. Nach den zwei Klassen seien sie in den Iran gegangen. Sie könne lesen, schreiben und rechnen. Sie hätte zwei Schwestern in Afghanistan. Die BF2 gab an, dass ihre Familie und sie vor ihrer Ausreise in den Iran in Kabul gelebt hätten. Zum Vorhalt, wonach ihr Bruder XXXX in seiner Einvernahme angegeben hätte, in Kabul geboren zu sein und dort die Schule besucht zu haben, gab die BF2 an, dass sie nichts darüber wisse. Befragt zum Fluchtgrund gab sie an, dass sie niemanden in Afghanistan hätten. Ihr Bruder sei im Iran gewesen, weshalb sie in den Iran gegangen seien. Im Iran hätten sie aber keine Dokumente gehabt und ihr Bruder sei abgeschoben worden. Als er zurückgekommen sei, seien sie nach Europa ausgereist. Sie sei in Afghanistan niemals direkt bedroht worden. Befragt, wieso sie nicht zu ihrer Schwester nach Kabul gezogen seien, gab sie fragend an, wieso sie zu dieser sollten, wenn diese doch ihren Ehemann hätte. Befragt, was gegen ihre Rückkehr nach Afghanistan spreche, gab sie an, es nicht zu wissen. Es gebe sicher einen Grund, aber sie wisse es nicht.

Der BF3 gab ebenfalls an, in Daikundi geboren zu sein. Er hätte nur vier Klassen in der Schule absolviert und daraufhin als Bauer gearbeitet. Er könne aber lesen und schreiben. Vor fünf Jahren sei er mit der BF1, BF2 und XXXX in den Iran gegangen. Als der BF3 aus dem Iran abgeschoben worden sei, hätte er drei Monate in Daikundi und in Kabul bei seinen Schwestern verbracht. Danach sei er wieder in den Iran gereist und von dort nach Europa. Im Iran hätte er auf Baustellen gearbeitet. Er hätte zwei Schwestern. Zudem hätte er einen Onkel in Mashdad. Er hätte Kontakt zu seiner Familie. Auf Vorhalt, dass sein Bruder XXXX in der Einvernahme 2016 gesagt hätte, er wäre in Kabul geboren und in die Schule dort gegangen, gab der BF3 an, dass dies nicht stimme, da XXXX in Daikundi geboren sei. Es stimme aber, dass sein Bruder in Daikundi und Kabul die Schule besucht hätte. Der BF3 führte sodann aus, dass er mit seiner Familie und dem Bruder ein Jahr lang in Kabul gelebt hätte. Befragt zum Fluchtgrund gab er an, dass es unsicher in Afghanistan gewesen sei. Aus Angst seien sie in den Iran geflohen. In Afghanistan würde jeder Hazara umgebracht werden. Da er im Iran nicht legal arbeiten und seine Geschwister nicht die Schule besuchen hätten können, seien sie nach Europa gereist. Sie hätten schon früher kommen wollen, da die Grenzen offen gewesen seien, er sei jedoch aufgegriffen und nach Afghanistan abgeschoben worden, da er sich geweigert hätte, nach Syrien in den Krieg zu ziehen. Nach drei Monaten sei er wieder illegal in den Iran gekommen und sodann ausgereist. Er sei nie selbst direkt bedroht worden. Aufgrund des Krieges sei ihnen eine Rückkehr nach Afghanistan nicht möglich. Der BF3 legte eine Deutschkursbestätigung A1 vor.

Mit Bescheiden vom 05.02.2018 wurden die Anträge auf internationalen Schutz der BF1 bis BF3 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde den Beschwerdeführern nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Es wurde gegen die Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt V.). Schließlich wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt VI.).

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beschwerdeführer keine asylrelevanten Fluchtgründe glaubhaft gemacht hätten. Es drohe den Beschwerdeführern auch keine Gefahr, die die Erteilung eines subsidiären Schutzes rechtfertigen würde. Die Beschwerdeführer würden in Österreich – abgesehen voneinander – zudem über kein schützenswertes Privat- und Familienleben, das einer Rückkehrentscheidung entgegenstehe, verfügen.

Die Beschwerdeführer erhoben fristgerecht Beschwerden, in denen sie die gegenständlichen Bescheide bekämpfen und im Wesentlichen ein mangelhaftes Verfahren, unrichtige Feststellungen und eine unrichtige rechtliche Beurteilung geltend machen und ihr bisheriges Vorbringen bekräftigen. Überdies liege eine westliche Orientierung bei den weiblichen Beschwerdeführerinnen vor und würden sie allesamt auch aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit verfolgt. Eine Rückkehr nach Afghanistan wäre zudem mangels sozialem Auffangnetz und aufgrund der schlechten Sicherheitslage nicht möglich.

Das BVwG führte in der gegenständlichen Rechtssache am 12.07.2019 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in der die BF1 – BF3 und XXXX im Beisein ihres bevollmächtigten Vertreters sowie eines Dolmetschers für die Sprache Dari persönlich einvernommen wurden. Es nahm kein Vertreter des BFA an der Verhandlung teil. Die Beschwerdeführer legten Integrationsunterlagen vor.

Mit Stellungnahme vom 16.07.2019 beantragte das BFA erneut die Abweisung der Beschwerde in allen Punkten.

Das BVwG übermittelte den Beschwerdeführern am 17.07.2019 aktuelle Länderberichte mit einer zweiwöchigen Frist zur Stellungnahme.

Mit Schreiben vom 23.07.2019 übermittelten die Beschwerdeführer medizinische Unterlagen betreffend die BF1 (Schilddrüsenoperation) sowie Kursbestätigungen betreffend XXXX und eine Schulbesuchsbestätigung einer Neuen Mittelschule der BF2.

Mit Schreiben vom 05.08.2019 übermittelten die Beschwerdeführer eine Stellungnahme zu den Länderberichten zu Afghanistan. Überdies wiesen die weiblichen Beschwerdeführerinnen erneut auf ihre westliche Orientierung hin. Die Lage der Hazara in Afghanistan hätte sich zudem verschlechtert.

Das BVwG übermittelte den Beschwerdeführern mit Schreiben vom 28.01.2020 erneut aktuelle Länderberichte, dieses Mal mit einer einwöchigen Frist zur Stellungnahme.

Mit Schreiben vom 06.02.2020 verwiesen die Beschwerdeführer diesbezüglich auf ihre Stellungnahme vom 05.08.2019.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

Zur Person der Beschwerdeführer:

Die Beschwerdeführer tragen die im Spruch angeführten Namen. Sie sind allesamt afghanische Staatsangehörige, schiitischen Glaubens, gehören der Volksgruppe der Hazara an und stammen aus Daikundi. Das letzte Jahr vor ihrer Ausreise in den Iran haben die Beschwerdeführer in Kabul gelebt. Die letzten drei Jahre unmittelbar vor ihrer Ausreise nach Europa verbrachten die Beschwerdeführer im Iran. Sie sprechen die Sprache Dari auf muttersprachlichem Niveau.

Der Ehemann der BF1 ist bereits krankheitsbedingt in Afghanistan vor ihrer Ausreise in den Iran verstorben.

Die BF1 ist die Mutter der minderjährigen BF2 und des volljährigen BF3 sowie von XXXX , dessen die Beschwerde abweisende Entscheidung gesondert mit heutigem Tag zu W162 2190495-1/14E ergangen ist. Zudem hat sie zwei weitere Töchter, die sich in Afghanistan aufhalten.

Die BF1 ist gesund, in der Provinz Daikundi geboren und dort mit ihrer Familie aufgewachsen. Sie hat keine Schule besucht und kann weder lesen noch schreiben. Sie war Hausfrau und hat keine Berufsausbildung. Den Lebensunterhalt haben ihr nunmehr bereits verstorbener Ehemann sowie der BF3 in Afghanistan als Bauer bestritten und für sie gesorgt. Nach dem Tod ihres Ehemannes, hat der BF3 alleine für die Familie gesorgt. Sie hatten keine finanziellen Schwierigkeiten. Neben der in Österreich aufhältigen Familie der BF1 hat sie zwei weitere Töchter, die sich in Afghanistan aufhalten. Eine Tochter lebt in Kabul, während die andere Tochter nach wie vor in der Provinz Daikundi lebt. Die BF1 hat regelmäßig Kontakt zu ihren Töchtern in Afghanistan. Sie leben in gesicherten wirtschaftlichen Verhältnissen mit ihren Ehemännern. Die BF1 und ihre Familie haben ein kleines Grundstück und Haus in Daikundi, das sie verpachtet haben. Die Pachteinnahmen des Hauses erhält die Tochter der BF1, die in Daikundi lebt. Die Töchter der BF1 würden die Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan finanziell unterstützen. Die BF1 hatte im April 2019 eine Schilddrüsenoperation, die eine vorübergehende postoperative Medikamenteneinnahme notwendig machte. Sie leidet an keiner lebensbedrohlichen Erkrankung oder sonstigen schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen.

Die BF2 ist gesund, ebenfalls in Daikundi geboren und dort mit ihrer Familie aufgewachsen. Sie hat in Afghanistan zwei Jahre lang die Schule besucht und kann lesen, schreiben und rechnen. Ihr mittlerweile verstorbener Vater und der BF3 haben für ihren Unterhalt gesorgt. Sie selbst hat noch nie gearbeitet.

Der BF3 ist ebenfalls gesund, in der Provinz Daikundi geboren und dort mit seiner Familie aufgewachsen. Den Lebensunterhalt hat der BF3 in Afghanistan als Bauer sowie im Iran als Baustellenarbeiter bestritten und für die Familie gesorgt. Er hat vier Jahre lang die Schule in Afghanistan besucht und kann lesen und schreiben. Der BF3 hat neben seinen Schwestern in Afghanistan auch einen Onkel im Iran, der in Mashdad lebt und als Mullah arbeitet. Er hat ebenfalls regelmäßig Kontakt zu seiner Familie. Auch der Onkel würde die Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan finanziell unterstützen. Im Iran wurde der BF3 einmal von der iranischen Polizei aufgegriffen und aufgrund seines illegalen Aufenthalts nach Afghanistan abgeschoben. Während seines dreimonatigen Aufenthalts in Afghanistan hat der BF3 sich bei seinen beiden Schwestern in Kabul bzw. Daikundi aufgehalten und wurde von ihnen versorgt, ehe er wieder in den Iran zu der BF1 und BF2 ausreiste.
XXXX ist ebenfalls gesund, in der Provinz Daikundi geboren und dort mit seiner Familie aufgewachsen. Er hat vier Jahre lang die Schule in Afghanistan besucht und hat im Iran als Baustellenarbeiter gearbeitet und seine Familie unterstützt.

Die Beschwerdeführer reisten im Familienverband unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich ein und stellten am 13.11.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz. XXXX reiste hingegen bereits im Jahr 2016 alleine unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich ein und stellte bereits am 26.01.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Die Beschwerdeführer leiden nicht an lebensbedrohlichen Erkrankungen oder sonstigen schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen.

Es wird festgestellt, dass die Familie der Beschwerdeführer in Afghanistan und im Iran in gesicherten wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen lebt und ihnen ebenfalls keine Verfolgung droht. Die Beschwerdeführer halten Kontakt zu ihren Verwandten in Afghanistan und im Iran.

Zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführer:

Die Beschwerdeführer waren in Afghanistan keiner konkreten individuellen Verfolgung ausgesetzt und wurden von ihnen asylrelevante Gründe für das Verlassen ihres Heimatstaates nicht glaubhaft dargetan. Es ist nicht glaubhaft, dass den Beschwerdeführern in Afghanistan aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung Verfolgung droht.

Festgestellt wird, dass den Beschwerdeführern nicht wegen ihrer Zugehörigkeit zum schiitischen Islam oder der Volksgruppe der Hazara konkret und individuell physische und/oder psychische Gewalt in Afghanistan droht.

Bei den BF1 und BF2 handelt es sich auch nicht um auf Eigenständigkeit bedachte Frauen, die in ihrer persönlichen Wertehaltung und in ihrer Lebensweise an dem in Europa mehrheitlich gelebten, allgemein als westlich bezeichneten Frauen- und Gesellschaftsbild orientiert sind. Die Beschwerdeführer verließen ihre Heimat nicht deshalb, weil sich die Beschwerdeführerinnen von den vorherrschenden gesellschaftlich-religiösen Sitten ihres Heimatlandes lösen wollten und es gibt auch seit ihrem Aufenthalt in Österreich keine substantiellen Hinweise, dass sie ein selbstbestimmtes Leben einer „westlich“ orientierten Frau führen oder führen wollen. Die Beschwerdeführer halten sich erst seit November 2017 in Österreich auf. Es konnte nicht glaubhaft dargelegt werden, dass sie während dieses relativ kurzen Aufenthalts in Österreich eine Lebensweise angenommen hätten, die einen deutlichen und nachhaltigen Bruch mit den allgemein verbreiteten gesellschaftlichen Werten in Afghanistan darstellen würde. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass es den weiblichen Beschwerdeführerinnen unmöglich oder unzumutbar wäre, sich (wieder) in das afghanische Gesellschaftssystem zu integrieren.

In Afghanistan besteht Schulpflicht, wo ein Schulangebot faktisch auch vorhanden ist. Es wird festgestellt, dass die minderjährige BF2 in Afghanistan Zugang zu Bildung hätte. Vor diesem Hintergrund besteht keine Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung, wenn die BF1 ihrer minderjährigen Tochter eine grundlegende Bildung zukommen lässt, wie es auch vor ihrer Ausreise in den Iran der Fall war. Ihr drohen auch keine körperliche Züchtigung oder Übergriffe im familiären Umfeld oder eine Zwangsverheiratung.

Des Weiteren droht ihnen auch keine konkrete und individuelle Verfolgung aufgrund der Tatsache, dass sie in Europa bzw. dem Iran gelebt haben. Gleichsam wird festgestellt, dass nicht jedem afghanischen Rückkehrer aus Europa/Iran physische und/oder psychische Gewalt in Afghanistan droht.

Ebenso wenig droht den Beschwerdeführern aus etwaigen anderen Gründen eine asylrelevante Verfolgung in Afghanistan.

Die Beschwerdeführer verließen den Iran aufgrund der schwierigen Lebensbedingungen für dort aufhältige Afghanen.

Zu einer möglichen Rückkehr der Beschwerdeführer in ihren Herkunftsstaat:

Den Beschwerdeführern steht eine zumutbare innerstaatliche Flucht- bzw. Schutzalternative in den Städten Mazar-e Sharif und Herat zur Verfügung. Dort können die Beschwerdeführer grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Sie können zumindest anfänglich auf die finanzielle Unterstützung durch die in Kabul lebende Tochter der BF1 und jene in Daikundi und deren Familien zurückgreifen, wie es auch der BF3 tat, als er aus dem Iran nach Afghanistan abgeschoben wurde und drei Monate bei seinen Schwestern war. Zudem verfügen die Beschwerdeführer über ein Haus in Daikundi, das sie verpachtet haben und deren Pachteinnahmen die Tochter der BF1 in Daikundi verwaltet. Überdies lebt ein Onkel des BF3 im Iran, mit dessen finanzieller Unterstützung sie ebenfalls rechnen können. Darüber hinaus können insbesondere auch der BF3 und XXXX für ihr Auskommen und Fortkommen sowie für das der BF1 und BF2 sorgen. Sie leiden an keinen lebensbedrohlichen Krankheiten, sind arbeitsfähig und haben bereits Berufserfahrung und die Familie bereits zuvor versorgt. Die Beschwerdeführer haben auch die Möglichkeit, Rückkehrunterstützung in Anspruch zu nehmen und damit eine weitere finanzielle Hilfe sowie Hilfe vor Ort zu erhalten.

Es ist den Beschwerdeführern nicht zuletzt auch aufgrund des vorhandenen sozialen Auffangnetzes somit möglich, nach einer Neuansiedlung in den Städten Herat oder Mazar-e Sharif Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können.

Insbesondere wird in Bezug auf die minderjährigen BF2 festgestellt, dass im konkreten Fall das Kindeswohl der Sechzehnjährigen bei einer Rückkehr in den Heimatstaat nicht gefährdet ist. Die Beschwerdeführer führen ein von gegenseitigem Respekt erfülltes Familienleben. Die BF2 besuchte zudem bereits vor ihrer Ausreise in den Iran eine Schule in Afghanistan. Es ist daher davon auszugehen, dass sie erneut die Möglichkeit erhalten wird, eine Schule zu besuchen. Es besteht aufgrund der stabilen Familienverhältnisse auch keine erhöhte Gefahr, in diesen beiden Städten Opfer von Gewalt, Missbrauch oder Kinderarbeit zu werden.

Zum Privat- und Familienleben der Beschwerdeführer:

Die Beschwerdeführer reisten im November 2017 vom Iran aus illegal nach Österreich und sind seit ihrer Antragstellung am 13.11.2017 aufgrund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz durchgehend rechtmäßig in Österreich aufhältig. Sie verfügen über keine schützenswerten familiären oder privaten Bindungen.

Der BF3 hat Deutschkurse besucht und verfügt über grundlegende Deutschkenntnisse. Er hat die ÖSD Integrationsprüfung A2 positiv absolviert. Er lebt von der Grundversorgung und hat keine österreichischen Freunde. Er geht in Österreich keiner beruflichen Tätigkeit nach. Er hat im Mai 2019 gemeinnützige Hilfstätigkeiten im Ausmaß von fünf Tagen bei einer Marktgemeinde und im örtlichen Pflege- und Betreuungszentrum erfüllt und im Zeitraum Juni und Juli 2019 ehrenamtlich in der örtlichen Pfarre mitgearbeitet.

Die BF1 hat keine Deutschkurse besucht und verfügt über keinerlei Deutschkenntnisse. Sie lebt ebenso von der Grundversorgung und hat keine österreichischen Freunde. Sie geht in Österreich weder einer beruflichen Tätigkeit nach, noch übt sie gemeinnützige Tätigkeiten aus, oder beteiligt sich aktiv in einem Verein oder ihrer Nachbarschaft.

Die BF2 besucht zwar die Neue Mittelschule, verfügt jedoch ebenfalls über keinerlei Deutschkenntnisse und kann keine Konversation führen. Sie übt weder gemeinnützige Tätigkeiten in Österreich aus, noch beteiligt sie sich aktiv in einem Verein oder ihrer Nachbarschaft. Sie lebt ebenfalls von der Grundversorgung.

Die Beschwerdeführer sind allesamt strafgerichtlich unbescholten.

Die Beschwerdeführer haben mit Ausnahme von XXXX keine weiteren Familienangehörigen oder Verwandten im Bundesgebiet, zu denen ein familiäres Verhältnis bestünde. Ihre Bindung zu Afghanistan ist deutlich intensiver als jene zu Österreich.

Zu Afghanistan:

1.       Sicherheitslage

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor volatil (UNGASC 3.9.2019), nachdem im Frühjahr sowohl die Taliban als auch die afghanische Regierung neue Offensiven verlautbart hatten (USDOD 6.2019). Traditionell markiert die Ankündigung der jährlichen Frühjahrsoffensive der Taliban den Beginn der sogenannten Kampfsaison – was eher als symbolisch gewertet werden kann, da die Taliban und die Regierungskräfte in den vergangenen Jahren auch im Winter gegeneinander kämpften (AJ 12.4.2019). Die Frühjahrsoffensive des Jahres 2019 trägt den Namen al-Fath (UNGASC 14.6.2019; vgl. AJ 12.4.2019; NYT 12.4.2019) und wurde von den Taliban trotz der Friedensgespräche angekündigt (AJ 12.4.2019; vgl. NYT 12.4.2019). Landesweit am meisten von diesem aktiven Konflikt betroffen, waren die Provinzen Helmand, Farah und Ghazni (UNGASC 14.6.2019). Offensiven der afghanischen Spezialeinheiten der Sicherheitskräfte gegen die Taliban wurden seit Dezember 2018 verstärkt – dies hatte zum Ziel die Bewegungsfreiheit der Taliban zu stören, Schlüsselgebiete zu verteidigen und damit eine produktive Teilnahme der Taliban an den Friedensgesprächen zu erzwingen (SIGAR 30.7.2019). Seit Juli 2018 liefen auf hochrangiger politischer Ebene Bestrebungen, den Konflikt zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban politisch zu lösen (TS 22.1.2019). Berichten zufolge standen die Verhandlungen mit den Taliban kurz vor dem Abschluss. Als Anfang September der US-amerikanische Präsident ein geplantes Treffen mit den Islamisten – als Reaktion auf einen Anschlag – absagte (DZ 8.9.2019). Während sich die derzeitige militärische Situation in Afghanistan nach wie vor in einer Sackgasse befindet, stabilisierte die Einführung zusätzlicher Berater und Wegbereiter im Jahr 2018 die Situation und verlangsamte die Dynamik des Vormarsches der Taliban (USDOD 12.2018).

Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, die wichtigsten Bevölkerungszentren und Transitrouten sowie Provinzhauptstädte und die meisten Distriktzentren (USDOD 6.2019). Die afghanischen Kräfte sichern die Städte und andere Stützpunkte der Regierung; die Taliban verstärken groß angelegte Angriffe, wodurch eine Vielzahl afghanischer Kräfte in Verteidigungsmissionen eingebunden ist, Engpässe entstehen und dadurch manchmal auch Kräfte fehlen können, um Territorium zu halten (SIGAR 30.4.2019; vgl. NYT 19.7.2019). Kämpfe waren auch weiterhin auf konstant hohem Niveau. Die Ausnahme waren islamische Festtage, an denen, wie bereits in der Vergangenheit auch schon, das Kampfniveau deutlich zurückging, als sowohl regierungsfreundliche Kräfte, aber auch regierungsfeindliche Elemente ihre offensiven Operationen reduzierten. Im Gegensatz dazu hielt das Kampftempo während des gesamten Fastenmonats Ramadan an, da regierungsfeindliche Elemente mehrere Selbstmordattentate ausführten und sowohl regierungsfreundliche Truppen, als auch regierungsfeindliche Elemente, bekundeten, ihre operative Dynamik aufrechtzuerhalten (UNGASC 3.9.2019). Die Taliban verlautbarten, eine asymmetrische Strategie zu verfolgen: die Aufständischen führen weiterhin Überfälle auf Kontrollpunkte und Distriktzentren aus und bedrohen Bevölkerungszentren (UNGASC 7.12.2018). Angriffe haben sich zwischen November 2018 und Jänner 2019 um 19% im Vergleich zum Vorberichtszeitraum (16.8. - 31.10.2018) verstärkt. Insbesondere in den Wintermonaten wurde in Afghanistan eine erhöhte Unsicherheit wahrgenommen. (SIGAR 30.4.2019). Seit dem Jahr 2002 ist die Wintersaison besonders stark umkämpft. Trotzdem bemühten sich die ANDSF und Koalitionskräfte die Anzahl ziviler Opfer zu reduzieren und konzentrierten sich auf Verteidigungsoperationen gegen die Taliban und den ISKP. Diese Operationen verursachten bei den Aufständischen schwere Verluste und hinderten sie daran ihr Ziel zu erreichen (USDOD 6.2019). Der ISKP ist auch weiterhin widerstandsfähig: Afghanische und internationale Streitkräfte führten mit einem hohen Tempo Operationen gegen die Hochburgen des ISKP in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch, was zu einer gewissen Verschlechterung der Führungsstrukturen der ISKP führt. Dennoch konkurriert die Gruppierung auch weiterhin mit den Taliban in der östlichen Region und hat eine operative Kapazität in der Stadt Kabul behalten (UNGASC 3.9.2019).

So erzielen weder die afghanischen Sicherheitskräfte noch regierungsfeindliche Elemente signifikante territoriale Gewinne. Das aktivste Konfliktgebiet ist die Provinz Kandahar, gefolgt von den Provinzen Helmand und Nangarhar. Wenngleich keine signifikanten Bedrohungen der staatlichen Kontrolle über Provinzhauptstädte gibt, wurde in der Nähe der Provinzhauptstädte Farah, Kunduz und Ghazni über ein hohes Maß an Taliban-Aktivität berichtet (UNGASC 3.9.2019). In mehreren Regionen wurden von den Taliban vorübergehend strategische Posten entlang der Hauptstraßen eingenommen, sodass sie den Verkehr zwischen den Provinzen erfolgreich einschränken konnten (UNGASC 7.12.2018). So kam es beispielsweise in strategisch liegenden Provinzen entlang des Highway 1 (Ring Road) zu temporären Einschränkungen durch die Taliban (UNGASC 7.12.2018; vgl. ARN 23.6.2019). Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte stellen erhebliche Mittel für die Verbesserung der Sicherheit auf den Hauptstraßen bereit – insbesondere in den Provinzen Ghazni, Zabul, Balkh und Jawzjan. (UNGASC 3.9.2019).

Für das gesamte Jahr 2018, registrierten die Vereinten Nationen (UN) in Afghanistan insgesamt 22.478 sicherheitsrelevante Vorfälle. Gegenüber 2017 ist das ein Rückgang von 5%, wobei die Anzahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle im Jahr 2017 mit insgesamt 23.744 ihren bisherigen Höhepunkt erreicht hatte (UNGASC 28.2.2019).

Für den Berichtszeitraum 10.5.-8.8.2019 registriert die Vereinten Nationen (UN) insgesamt 5.856 sicherheitsrelevanter Vorfälle – eine Zunahme von 1% gegenüber dem Vorjahreszeitraum. 63% Prozent aller sicherheitsrelevanten Vorfälle, die höchste Anzahl, wurde im Berichtszeitraum in den südlichen, östlichen und südöstlichen Regionen registriert (UNGASC 3.9.2019). Für den Berichtszeitraum 8.2-9.5.2019 registrierte die UN insgesamt 5.249 sicherheitsrelevante Vorfälle – ein Rückgang von 7% gegenüber dem Vorjahreswert; wo auch die Anzahl ziviler Opfer signifikant zurückgegangen ist (UNGASC 14.6.2019).

Für den Berichtszeitraum 10.5.-8.8.2019 sind 56% (3.294) aller sicherheitsrelevanten Vorfälle bewaffnete Zusammenstöße gewesen; ein Rückgang um 7% im Vergleich zum Vorjahreswert. Sicherheitsrelevante Vorfälle bei denen improvisierte Sprengkörper verwendet wurden, verzeichneten eine Zunahme von 17%. Bei den Selbstmordattentaten konnte ein Rückgang von 44% verzeichnet werden. Die afghanischen Sicherheitskräfte führen gemeinsam mit internationalen Kräften, weiterhin eine hohe Anzahl von Luftangriffen durch: 506 Angriffe wurden im Berichtszeitraum verzeichnet – 57% mehr als im Vergleichszeitraum des Jahres 2018 (UNGASC 3.9.2019).

Im Gegensatz dazu, registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) für das Jahr 2018 landesweit 29.493 sicherheitsrelevante Vorfälle, welche auf NGOs Einfluss hatten. In den ersten acht Monaten des Jahres 2019 waren es 18.438 Vorfälle. Zu den gemeldeten Ereignissen zählten, beispielsweise geringfügige kriminelle Überfälle und Drohungen ebenso wie bewaffnete Angriffe und Bombenanschläge (INSO o.D.).

Global Incident Map (GIM) verzeichnete in den ersten drei Quartalen des Jahres 2019 3.540 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahr 2018 waren es 4.433.

Jänner bis Oktober 2018 nahm die Kontrolle oder der Einfluss der afghanischen Regierung von 56% auf 54% der Distrikte ab, die Kontrolle bzw. Einfluss der Aufständischen auf Distrikte sank in diesem Zeitraum von 15% auf 12%. Der Anteil der umstrittenen Distrikte stieg von 29% auf 34%. Der Prozentsatz der Bevölkerung, welche in Distrikten unter afghanischer Regierungskontrolle oder -einfluss lebte, ging mit Stand Oktober 2018 auf 63,5% zurück. 8,5 Millionen Menschen (25,6% der Bevölkerung) leben mit Stand Oktober 2018 in umkämpften Gebieten, ein Anstieg um fast zwei Prozentpunkte gegenüber dem gleichen Zeitpunkt im Jahr 2017. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an von den Aufständischen kontrollierten Distrikten waren Kunduz, Uruzgan und Helmand (SIGAR 30.1.2019).

Ein auf Afghanistan spezialisierter Militäranalyst berichtete im Januar 2019, dass rund 39% der afghanischen Distrikte unter der Kontrolle der afghanischen Regierung standen und 37% von den Taliban kontrolliert wurden. Diese Gebiete waren relativ ruhig, Zusammenstöße wurden gelegentlich gemeldet. Rund 20% der Distrikte waren stark umkämpft. Der Islamische Staat (IS) kontrollierte rund 4% der Distrikte (MA 14.1.2019).

Die Kontrolle über Distrikte, Bevölkerung und Territorium befindet sich derzeit in einer Pattsituation (SIGAR 30.4.2019). Die Anzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle Ende 2018 bis Ende Juni 2019, insbesondere in der Provinz Helmand, sind als verstärkte Bemühungen der Sicherheitskräfte zu sehen, wichtige Taliban-Hochburgen und deren Führung zu erreichen, um in weiterer Folge eine Teilnahme der Taliban an den Friedensgesprächen zu erzwingen (SIGAR 30.7.2019). Intensivierte Kampfhandlungen zwischen ANDSF und Taliban werden von beiden Konfliktparteien als Druckmittel am Verhandlungstisch in Doha erachtet (SIGAR 30.4.2019; vgl. NYT 19.7.2019).

Zivile Opfer

Die Vereinten Nationen dokumentierten für den Berichtszeitraum 1.1.-30.9.2019 8.239 zivile Opfer (2.563 Tote, 5.676 Verletzte) – dieser Wert ähnelt dem Vorjahreswert 2018. Regierungsfeindliche Elemente waren auch weiterhin Hauptursache für zivile Opfer; 41% der Opfer waren Frauen und Kinder. Wenngleich die Vereinten Nationen für das erste Halbjahr 2019 die niedrigste Anzahl ziviler Opfer registrierten, so waren Juli, August und September – im Gegensatz zu 2019 – von einem hohen Gewaltniveau betroffen. Zivilisten, die in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Helmand, Ghazni, und Faryab wohnten, waren am stärksten vom Konflikt betroffen (in dieser Reihenfolge) (UNAMA 17.10.2019).

Für das gesamte Jahr 2018 wurde von mindestens 9.214 zivilen Opfern (2.845 Tote, 6.369 Verletzte) (SIGAR 30.4.2019) berichtet bzw. dokumentierte die UNAMA insgesamt 10.993 zivile Opfer (3.804 Tote und 7.189 Verletzte). Den Aufzeichnungen der UNAMA zufolge, entspricht das einem Anstieg bei der Gesamtanzahl an zivilen Opfern um 5% bzw. 11% bei zivilen Todesfällen gegenüber dem Jahr 2017 und markierte einen Höchststand seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 2009. Die meisten zivilen Opfer wurden im Jahr 2018 in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Helmand, Ghazni und Faryab verzeichnet, wobei die beiden Provinzen mit der höchsten zivilen Opferanzahl – Kabul (1.866) und Nangarhar (1.815) – 2018 mehr als doppelt so viele Opfer zu verzeichnen hatten, wie die drittplatzierte Provinz Helmand (880 zivile Opfer) (UNAMA 24.2.2019; vgl. SIGAR 30.4.2019). Im Jahr 2018 stieg die Anzahl an dokumentierten zivilen Opfern aufgrund von Handlungen der regierungsfreundlichen Kräfte um 24% gegenüber 2017. Der Anstieg ziviler Opfer durch Handlungen regierungsfreundlicher Kräfte im Jahr 2018 wird auf verstärkte Luftangriffe, Suchoperationen der ANDSF und regierungsfreundlicher bewaffneter Gruppierungen zurückgeführt (UNAMA 24.2.2019).

Sowohl im gesamten Jahr 2018 (USDOD 12.2018), als auch in den ersten fünf Monaten 2019 führten Aufständische, Taliban und andere militante Gruppierungen, insbesondere in der Hauptstadtregion weiterhin Anschläge auf hochrangige Ziele aus, um die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zu ziehen, die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben und die Wahrnehmung einer weit verbreiteten Unsicherheit zu schaffen (USDOD 6.2019; vgl. USDOD 12.2018). Diese Angriffe sind stetig zurückgegangen (USDOD 6.2019). Zwischen 1.6.2018 und 30.11.2018 fanden 59 HPAs in Kabul statt (Vorjahreswert: 73) (USDOD 12.2018), zwischen 1.12.2018 und15.5.2019 waren es 6 HPAs (Vorjahreswert: 17) (USDOD 6.2019).

Anschläge gegen Gläubige und Kultstätten, religiöse Minderheiten

Die Zahl der Angriffe auf Gläubige, religiöse Exponenten und Kultstätten war 2018 auf einem ähnlich hohen Niveau wie 2017: bei 22 Angriffen durch regierungsfeindliche Kräfte, meist des ISKP, wurden 453 zivile Opfer registriert (156 Tote, 297 Verletzte), ein Großteil verursacht durch Selbstmordanschläge (136 Tote, 266 Verletzte) (UNAMA 24.2.2019).

Für das Jahr 2018 wurden insgesamt 19 Vorfälle konfessionell motivierter Gewalt gegen Schiiten dokumentiert, bei denen es insgesamt zu 747 zivilen Opfern kam (223 Tote, 524 Verletzte). Dies ist eine Zunahme von 34% verglichen mit dem Jahr 2017. Während die Mehrheit konfessionell motivierter Angriffe gegen Schiiten im Jahr 2017 auf Kultstätten verübt wurden, gab es im Jahr 2018 nur zwei derartige Angriffe. Die meisten Anschläge auf Schiiten fanden im Jahr 2018 in anderen zivilen Lebensräumen statt, einschließlich in mehrheitlich von Schiiten oder Hazara bewohnten Gegenden. Gezielte Attentate und Selbstmordangriffe auf religiöse Führer und Gläubige führten, zu 35 zivilen Opfern (15 Tote, 20 Verletzte) (UNAMA 24.2.2019).

Angriffe im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen im Oktober 2018

Die afghanische Regierung bemühte sich Wahllokale zu sichern, was mehr als 4 Millionen afghanischen Bürgern ermöglichte zu wählen (UNAMA 11.2018). Und auch die Vorkehrungen der ANDSF zur Sicherung der Wahllokale ermöglichten eine Wahl, die weniger gewalttätig war als jede andere Wahl der letzten zehn Jahre (USDOS 12.2018). Die Taliban hatten im Vorfeld öffentlich verkündet, die für Oktober 2018 geplanten Parlamentswahlen stören zu wollen. Ähnlich wie bei der Präsidentschaftswahl 2014 warnten sie Bürger davor, sich für die Wahl zu registrieren, verhängten „Geldbußen“ und/oder beschlagnahmten Tazkiras und bedrohten Personen, die an der Durchführung der Wahl beteiligt waren (UNAMA 11.2018; vgl. USDOS 13.3.2019). Von Beginn der Wählerregistrierung (14.4.2018) bis Ende des Jahres 2018, wurden 1.007 Opfer (226 Tote, 781 Verletzte) sowie 310 Entführungen aufgrund der Wahl verzeichnet (UNAMA 24.2.2019). Am Wahltag (20.10.2018) verifizierte UNAMA 388 zivile Opfer (52 Tote und 336 Verletzte) durch Wahl bedingte Gewalt. Die höchste Anzahl an zivilen Opfern an einem Wahltag seit Beginn der Aufzeichnungen durch UNAMA im Jahr 2009 (UNAMA 11.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen

In Afghanistan sind unterschiedliche regierungsfeindliche Gruppierungen aktiv – insbesondere die Grenzregion zu Pakistan bleibt eine Zufluchtsstätte für unterschiedliche Gruppierungen, wie Taliban, Islamischer Staat, al-Qaida, Haqqani-Netzwerk, Lashkar-e Tayyiba, Tehrik-e Taliban Pakistan, sowie Islamic Movement of Uzbekistan (USDOD 6.2019; vgl. CRS 12.2.2019) und stellt nicht nur für die beiden Länder eine Sicherheitsherausforderung dar, sondern eine Bedrohung für die gesamte regionale Sicherheit und Stabilität (USDOD 6.2019):

Taliban

Die USA sprechen seit rund einem Jahr mit hochrangigen Vertretern der Taliban über eine politische Lösung des langjährigen Afghanistan-Konflikts. Dabei geht es vor allem um Truppenabzüge und Garantien der Taliban, dass Afghanistan kein sicherer Hafen für Terroristen wird. Beide Seiten hatten sich jüngst optimistisch gezeigt, bald zu einer Einigung zu kommen (FAZ 21.8.2019). Während dieser Verhandlungen haben die Taliban Forderungen eines Waffenstillstandes abgewiesen und täglich Operationen ausgeführt, die hauptsächlich die afghanischen Sicherheitskräfte zum Ziel haben. (TG 30.7.2019). Zwischen 1.12.2018 und 31.5.2019 haben die Talibanaufständischen mehr Angriffe ausgeführt, als in der Vergangenheit üblich, trotzdem war die Gesamtzahl effektiver feindlicher Angriffe stark rückläufig. Diese Angriffe hatten hauptsächlich militärische Außenposten und Kontrollpunkte sowie andere schlecht verteidigte ANDSF-Posten zu Ziel. Das wird als Versuch gewertet, in den Friedensverhandlungen ein Druckmittel zu haben (USDOD 6.2019).

Der derzeitige Taliban-Führer ist nach wie vor Haibatullah Akhundzada (REU 17.8.2019; vgl. FA 3.1.2018) – Stellvertreter sind Mullah Mohammad Yaqub – Sohn des ehemaligen Taliban-Führers Mullah Omar – und Serajuddin Haqqani (CTC 1.2018; vgl. TN 26.5.2016) Sohn des Führers des Haqqani-Netzwerkes (TN 13.1.2017). Die Taliban bezeichnen sich selbst als das Islamische Emirat Afghanistan (VOJ o.D.). Die Regierungsstruktur und das militärische Kommando sind in der Layha, einem Verhaltenskodex der Taliban, definiert (AAN 4.7.2011), welche zuletzt 2010 veröffentlicht wurde (AAN 6.12.2018).

Ein Bericht über die Rekrutierungspraxis der Taliban teilt die Taliban-Kämpfer in zwei Kategorien: professionelle Vollzeitkämpfer, die oft in den Madrassen rekrutiert werden, und Teilzeit-Kämpfer vor Ort, die gegenüber einem lokalen Kommandanten loyal und in die lokale Gesellschaft eingebettet sind (LI 29.6.2017). Die Gesamtstärke der Taliban wurde von einem Experten im Jahr 2017 auf über 200.000 geschätzt, darunter angeblich 150.000 Kämpfer (rund 60.000 Vollzeitkämpfer mobiler Einheiten, der Rest sein Teil der lokalen Milizen). Der Experte schätzte jedoch, dass die Zahl der Vollzeitkämpfer, die gleichzeitig in Afghanistan aktiv sind, selten 40.000 übersteigt (LI 23.8.2017). Im Jänner 2018 schätzte ein Beamter des US-Verteidigungsministeriums die Gesamtstärke der Taliban in Afghanistan auf 60.000 (NBC 30.1.2018). Laut dem oben genannten Experten werden die Kämpfe hauptsächlich von den Vollzeitkämpfern der mobilen Einheiten ausgetragen (LI 23.8.2017; vgl. AAN 3.1.2017; AAN 17.3.2017).

Die Taliban betreiben Trainingslager in Afghanistan. Seit Ende 2014 wurden 20 davon öffentlich zur Schau gestellt. Das Khalid bin Walid-Camp soll12 Ableger, in acht Provinzen betreibt (Helmand, Kandahar, Ghazni, Ghor, Saripul, Faryab, Farah und Maidan Wardak). 300 Militärtrainer und Gelehrte sind dort tätig und es soll möglich sein, in diesem Camp bis zu 2.000 Rekruten auf einmal auszubilden (LWJ 14.8.2019).

Die Mehrheit der Taliban sind immer noch Paschtunen, obwohl es eine wachsende Minderheit an Tadschiken, Usbeken, Belutschen und sogar mehreren hundert Hazara (einschließlich Schiiten) gibt (LI 23.8.2017). In einigen nördlichen Gebieten sollen die Taliban bereits überwiegend Nicht-Paschtunen sein, da sie innerhalb der lokalen Bevölkerung rekrutieren (LI 23.8.2017).

Haqqani-Netzwerk

Das seit 2012 bestehende Haqqani-Netzwerk ist eine teilautonome Organisation, Bestandteil der afghanischen Taliban und Verbündeter von al-Qaida (CRS 12.2.2019). Benannt nach dessen Begründer, Jalaluddin Haqqani (AAN 1.7.2010; vgl. USDOS 19.9.2018; vgl. CRS 12.2.2019), einem führenden Mitglied des antisowjetischen Jihad (1979-1989) und einer wichtigen Taliban-Figur; sein Tod wurde von den Taliban im September 2018 verlautbart. Der derzeitige Leiter ist dessen Sohn Serajuddin Haqqani, der seit 2015, als stellvertretender Leiter galt (CTC 1.2018).

Als gefährlichster Arm der Taliban, hat das Haqqani-Netzwerk, seit Jahren Angriffe in den städtischen Bereichen ausgeführt (NYT 20.8.2019) und wird für einige der tödlichsten Angriffe in Afghanistan verantwortlich gemacht (CRS 12.2.2019).

Islamischer Staat (IS/ISIS/ISIL/Daesh), Islamischer Staat Khorasan Provinz (ISKP)

Erste Berichte über den Islamischen Staat (IS, auch ISIS, ISIL oder Daesh genannt) in Afghanistan gehen auf den Sommer 2014 zurück (AAN 17.11.2014; vgl. LWJ 5.3.2015). Zu den Kommandanten gehörten zunächst oft unzufriedene afghanische und pakistanische Taliban (AAN 1.8.2017; vgl. LWJ 4.12.2017). Schätzungen zur Stärke des ISKP variieren zwischen 1.500 und 3.000 (USDOS 18.9.2018), bzw. 2.500 und 4.000 Kämpfern (UNSC 13.6.2019). Nach US-Angaben vom Frühjahr 2019 ist ihre Zahl auf 5.000 gestiegen. Auch soll der Islamische Staat vom zahlenmäßigen Anstieg der Kämpfer in Pakistan und Usbekistan sowie von aus Syrien geflohenen Kämpfern profitieren (BAMF 3.6.2019; vgl. VOA 21.5.2019).

Berichten zufolge, besteht der ISKP in Pakistan hauptsächlich aus ehemaligen Teherik-e Taliban Mitgliedern, die vor der pakistanischen Armee und ihrer militärischen Operationen in der FATA geflohen sind (CRS 12.2.2019 ;vgl. CTC 12.2018). Dem Islamischen Staat ist es gelungen, seine organisatorischen Kapazitäten sowohl in Afghanistan als auch in Pakistan dadurch zu stärken, dass er Partnerschaften mit regionalen militanten Gruppen einging. Seit 2014 haben sich dem Islamischen Staat mehrere Gruppen in Afghanistan angeschlossen, z.B. Teherik-e Taliban Pakistan (TTP)-Fraktionen oder das Islamic Movement of Uzbekistan (IMU), während andere ohne formelle Zugehörigkeitserklärung mit IS-Gruppierungen zusammengearbeitet haben, z.B. die Jundullah-Fraktion von TTP oder Lashkar-e Islam (CTC 12.2018).

Der islamische Staat hat eine Präsenz im Osten des Landes, insbesondere in der Provinz Nangarhar, die an Pakistan angrenzt (CRS 12.2.2019; vgl. CTC 12.2018). In dieser sind vor allem bestimmte südliche Distrikte von Nangarhar betroffen (AAN 27.9.2016; vgl. REU 23.11.2017; AAN 23.9.2017; AAN 19.2.2019), wo sie mit den Taliban um die Kontrolle kämpfen (RFE/RL 30.10.2017; vgl. AAN 19.2.2019). Im Jahr 2018 erlitt der ISKP militärische Rückschläge sowie Gebietsverluste und einen weiteren Abgang von Führungspersönlichkeiten. Einerseits konnten die Regierungskräfte die Kontrolle über ehemalige IS-Gebiete erlangen, andererseits schwächten auch die Taliban die Kontrolle des ISKP in Gebieten in Nangarhar (UNSC 13.6.2019; vgl. CSR 12.2.2019). Aufgrund der militärischen Niederlagen war der ISKP dazu gezwungen, die Anzahl seiner Angriffe zu reduzieren. Die Gruppierung versuchte die Provinzen Paktia und Logar im Südosten einzunehmen, war aber schlussendlich erfolglos (UNSC 31.7.2019). Im Norden Afghanistans versuchten sie ebenfalls Fuß zu fassen. Im August 2018 erfuhr diese Gruppierung Niederlagen, wenngleich sie dennoch als Bedrohung in dieser Region wahrgenommen wird (CSR 12.2.2019). Berichte über die Präsenz des ISKP könnten jedoch übertrieben sein, da Warnungen vor dem Islamischen Staat laut einem Afghanistan-Experten „ein nützliches Fundraising-Tool“ sind: so kann die afghanische Regierung dafür sorgen, dass Afghanistan im Bewusstsein des Westens bleibt und die Auslandshilfe nicht völlig versiegt (NAT 12.1.2017). Die Präsenz des ISKP konzentrierte sich auf die Provinzen Kunar und Nangarhar. Außerhalb von Ostafghanistan ist es dem ISKP nicht möglich, eine organisierte oder offene Präsenz aufrechtzuerhalten (UNSC 13.6.2019).

Neben komplexen Angriffen auf Regierungsziele, verübte der ISKP zahlreiche groß angelegte Anschläge gegen Zivilisten, insbesondere auf die schiitische-Minderheit (CSR 12.2.2019; vgl. UNAMA 24.2.2019; AAN 24.2.2019; CTC 12.2018; UNGASC 7.12.2018; UNAMA 10.2018). Im Jahr 2018 war der ISKP für ein Fünftel aller zivilen Opfer verantwortlich, obwohl er über eine kleinere Kampftruppe als die Taliban verfügt (AAN 24.2.2019). Die Zahl der zivilen Opfer durch ISKP-Handlungen hat sich dabei 2018 gegenüber 2017 mehr als verdoppelt (UNAMA 24.2.2019), nahm im ersten Halbjahr 2019 allerdings wieder ab (UNAMA 30.7.2019).

Der ISKP verurteilt die Taliban als "Abtrünnige", die nur ethnische und/oder nationale Interessen verfolgen (CRS 12.2.2019). Die Taliban und der Islamische Staat sind verfeindet. In Afghanistan kämpfen die Taliban seit Jahren gegen den IS, dessen Ideologien und Taktiken weitaus extremer sind als jene der Taliban (WP 19.8.2019; vgl. AP 19.8.2019). Während die Taliban ihre Angriffe weitgehend auf Regierungsziele und afghanische und internationale Sicherheitskräfte beschränken (AP 19.8.2019), zielt der ISKP darauf ab, konfessionelle Gewalt in Afghanistan zu fördern, indem sich Angriffe gegen Schiiten richten (WP 19.8.2019).

Al-Qaida und ihr verbundene Gruppierungen

Al-Qaida sieht Afghanistan auch weiterhin als sichere Zufluchtsstätte für ihre Führung, basierend auf langjährigen und engen Beziehungen zu den Taliban. Beide Gruppierungen haben immer wieder öffentlich die Bedeutung ihres Bündnisses betont (UNSC 15.1.2019). Unter der Schirmherrschaft der Taliban ist al-Qaida in den letzten Jahren stärker geworden; dabei wird die Zahl der Mitglieder auf 240 geschätzt, wobei sich die meisten in den Provinzen Badakhshan, Kunar und Zabul befinden. Mentoren und al-Qaida-Kadettenführer sind oftmals in den Provinzen Helmand und Kandahar aktiv (UNSC 13.6.2019).

Al-Qaida will die Präsenz in der Provinz Badakhshan stärken, insbesondere im Distrikt Shighnan, der an der Grenze zu Tadschikistan liegt, aber auch in der Provinz Paktika, Distrikt Barmal, wird versucht die Präsenz auszubauen. Des Weiteren fungieren al-Qaida-Mitglieder als Ausbilder und Religionslehrer der Taliban und ihrer Familienmitglieder (UNSC 13.6.2019).

Im Rahmen der Friedensgespräche mit US-Vertretern haben die Taliban angeblich im Jänner 2019 zugestimmt, internationale Terrorgruppen wie Al-Qaida aus Afghanistan zu verbannen (TEL 24.1.2019).

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-        LWJ – Long War Journal (6.11.2017): Taliban touts “Special Forces Unit”, https://www.longwarjournal.org/archives/2017/11/talibantoutsspecialforcesunit.php, Zugriff 5.6.2019

-        LWJ – Long War Journal (5.3.2015): Mapping the emergence of the Islamic State in Afghanistan, https://www.longwarjournal.org/archives/2015/03/mappingtheemergenceoftheislamicstateinafghanistan.php, Zugriff 6.6.2019

-        NAT – National, The (12.1.2017): Did ISIL, the Taliban or the Haqqani Network carry out the Kandahar attack?, https://www.thenational.ae/world/didisilthetalibanorthehaqqaninetworkcarryoutthekandaharattack1.74944, Zugriff 5.6.2019

-        NATO – North Atlantic Treaty Organization (12.12.2018): Improvised explosive devices, https://www.nato.int/cps/en/natohq/topics_72809.htm, Zugriff 3.6.2019

-        NBC – National Broadcasting Company News (30.1.2018): The Taliban is gaining strength and territory in Afghanistan, https://www.nbcnew

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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