TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/5 W247 2230082-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.06.2020
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Entscheidungsdatum

05.06.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W247 2230082-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

1.) Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. HOFER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch den XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.02.2020, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, idgF., § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012, idgF., und §§ 52, 55 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. I Nr. 100/2005, idgF., als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Der Beschwerdeführer (BF) ist russischer Staatsangehöriger, der Volksgruppe der Tschetschenen und dem muslimischen Glauben zugehörig.

I. Verfahrensgang:

1. Der BF reiste spätestens am 03.12.2018 unrechtmäßig und schlepperunterstützt in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz, zu welchem er an ebendiesem Tag vor der Landespolizeidirektion XXXX erstbefragt, sowie am 16.01.2019 und am 16.07.2019 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), Regionaldirektion XXXX , jeweils im Beisein eines dem Beschwerdeführer einwandfrei verständlichen Dolmetschers für die Sprache RUSSISCH niederschriftlich einvernommen wurde. Am 09.01.2019 fand vor der Landespolizeidirektion XXXX die Beschuldigtenvernehmung des BF statt.

2. Der BF brachte im Rahmen seiner Erstbefragung am 03.12.2018 vor, dass er in Tschetschenien noch Familienangehörige, nämlich seine Eltern, seinen Bruder und seine 3 Schwestern habe. Seine letzte Wohnadresse sei in der Russischen Föderation, in Tschetschenien, XXXX gewesen. Er sei am 28.11.2018 illegal und schlepperunterstützt mit einem PKW aus der Russischen Föderation ausgereist. Hinsichtlich seiner Fluchtgründe gab er an, dass er am 25.11.2018 bei der Hochzeit eines Freundes gewesen sei, wobei die männlichen Gäste in der Nacht Freudenschüsse mit Pistolen und Gewehren in die Luft abgegeben hätten. Zunächst habe ein Freund von ihm mit einer Pistole in die Luft geschossen, die der BF ihm dann abgenommen und ebenfalls damit in die Luft geschossen habe. Er habe zwei Schüsse in die Luft abgegeben, es sei es zu einer Ladehemmung gekommen, die er habe beheben wollen. Dann habe sich ein Schuss gelöst und er habe unabsichtlich eine ihm unbekannte Frau getroffen, die ebenfalls zur Hochzeitsgesellschaft gehört habe. Der BF wisse nicht, wo er sie getroffen habe, jedoch habe er gesehen, dass sie umgefallen sei und geblutet habe. Er habe Schreie der Gäste gehört und sei gleich in Begleitung seines Freundes nach XXXX geflüchtet, von wo aus er am 28.11.2018 nach Österreich geflüchtet sei. Bei einer Rückkehr in sein Heimatland würde er zu 6-7 Jahren Haft verurteilt werden. Nach seiner Entlassung würde er sicher von den Verwandten der erschossenen Frau ermordet werden, da es Blutrache gäbe.

3. Bei seiner Beschuldigtenvernehmung am 09.01.2019 vor der LPD XXXX brachte der BF vor, dass er am 25.11.2018 bei der Hochzeitsfeier eines Freundes im Dorf XXXX , gewesen sei. Abends hätten mehrere Personen mit Pistolen und Gewehren in die Luft geschossen, das sei eine Tradition in Tschetschenien. Einer seiner Freund habe ebenfalls mit einer Pistole geschossen, die er ihm dann abgenommen habe. Er habe zwei Mal geschossen, dann sei es zu einer Ladehemmung gekommen, die er habe beheben wollen. Der Lauf habe von ihm weg nach vorne gezeigt, als sich ein Schuss gelöst habe und eine ihm unbekannte Frau, die 4 bis 5 Meter vor ihm gestanden habe, sei zu Boden gefallen und habe geblutet. Die umherstehenden Leute hätten "yella, yella" geschrien, das bedeute so viel wie "getötet". Ihm sei bewusst gewesen, dass er die Frau angeschossen habe, wisse jedoch nicht, wo er sie getroffen habe. Er habe sofort mit einem Freund die Örtlichkeit verlassen. Was mit der Waffe passiert sei, wisse er nicht. In XXXX habe er mit einem Freund Kontakt aufgenommen, dieser habe ihn von dort bis nach Österreich gebracht. Dass die Frau verstorben sei wisse er, weil ihm sein Freund das erzählt habe. Er habe ihm gesagt, er solle nicht mehr ins Dorf zurückkommen, weil er gesucht werde. Von wem er genau gesucht werde, habe er ihm nicht gesagt. Weitere Informationen habe der BF nicht. Auch wisse der BF nicht ob bereits Ermittlungen gegen ihn im Laufen sind.

4.1. Im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 16.01.2019 gab der BF im Wesentlichen an, dass seine Muttersprache Tschetschenisch sei, er jedoch gut Russisch spreche, gesund sei und keine Medikamente nehme. In Tschetschenien habe er noch seine Eltern, seinen Bruder und seine 3 Schwestern, zu denen er keinen Kontakt habe. Wann der letzte Kontakt gewesen sei, wisse er nicht. Seine letzte Wohnadresse wisse er ebenso nicht mehr. In Österreich bestreite er seinen Lebensunterhalt aus der Grundversorgung. In Tschetschenien habe er die 1. und 2. Klasse besucht, dann sei der Krieg ausgebrochen, weshalb sie nach XXXX gefahren seien. Dort sei er von der 2. bis zur 4. Klasse in die Schule gegangen. Sie seien zurück nach Tschetschenien gegangen, wo er die Schule beendet habe. Insgesamt habe er 9 Jahre lang die Schule besucht und Buchhaltung studiert. Zuletzt habe er selbständig als Fotograf gearbeitet.

4.2. Hinsichtlich seiner Fluchtgründe gab der BF an, dass er am 25.11.2018 bei der Hochzeit eines Freundes gewesen sei. Sie hätten gut gegessen und getrunken, er selbst trinke keinen Alkohol, und hätten nach tschetschenischer Tradition aus einer Waffe geschossen. Der BF habe die Waffe eines Freundes genommen, habe jedoch schon lange keine Übungen gemacht. Die Pistole habe nicht funktioniert, weshalb er versucht habe hineinzusehen. Es sei ein Schuss losgegangen und eine junge Frau sei getroffen worden. Es habe Panik geherrscht und alle hätten geschrien, dass sie tot sei. Der BF habe Blut gesehen und alle hätten geschrien "gestorben, gestorben". Die Eltern des Mädchens würden ihn suchen, sie seien sehr bekannte, berühmte Leute. Verwandte der Frau würden bei der Polizei in führenden Positionen arbeiten und er habe Angst vor Blutrache. Ein Freund habe ihn nach XXXX zurückgebracht.

5.1. Im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 16.07.2019 machte der BF geltend, er sei gesund. Weiters wies er darauf hin, dass er demnächst ein MRT habe, weil er nachts nicht schlafen könne, wogegen er auch Tabletten habe, diese nehme er jedoch nicht regelmäßig. Seine Angehörigen würden in Tschetschenien im Bezirk XXXX leben. Seine Eltern und Geschwister würden in einem gemeinsamen Haus wohnen, welches vor seiner Ausreise auch sein zu Hause gewesen sei. Im Übrigen würden noch etliche Tanten, Onkel und weitere Angehörige in XXXX leben. Er habe am 16. oder 17. Jänner 2019 zuletzt mit seiner Familie telefoniert. Sein Vater sei im Straßenbau tätig, seine Mutter, sowie Schwestern würden im Geschäft seiner Mutter arbeiten und sein Bruder sei Sporttrainer. 9 Jahre lang habe er die Pflichtschule und anschließend in XXXX ein College für Buchhaltung besucht. Zuletzt habe er als Berufsfotograf gearbeitet.

5.2. Befragt zum Rechercheergebnis der LPD XXXX , wonach das LKA XXXX bei Interpol XXXX nach dem vom BF angegebenen Sachverhalt angefragt habe und nach deren Angaben in der Russischen Föderation zum BF keine kriminalpolizeilichen Erkenntnisse vorliegen würden, gab der BF an, dass das Opfer Verwandte habe, die bei der Polizei seien, weshalb es keine Strafakte und keine offiziellen Ermittlungen gäbe. Schließlich sei Blutrache das Ziel. Seine Familie lebe nicht unbehelligt in der Russischen Föderation, er habe erfahren, dass sein Bruder im Jänner 2019 verprügelt worden sei, das habe ihm seine Mutter beim letzten Telefonat erzählt. Seine Mutter habe unter Schock gestanden und ihm nur erzählt, dass sein Bruder mitgenommen und verprügelt worden sei. Das habe mit dem Schusswaffenvorfall zu tun, weil seine Familie zuvor nie Probleme gehabt hatte, sondern zusammen in Frieden gelebt habe. Befragt nach der Möglichkeit Zuflucht in einer anderen Region der Russischen Föderation zu nehmen, gab er an, er könne in anderen Teilen der Russischen Föderation vielleicht ein oder zwei Monate leben, aber nicht dauerhaft. Egal wo er lande, würde man die tschetschenische Polizei anrufen, die ihn abholen würden. Für die Lösung der Sache sei Zeit erforderlich. Befragt, was er damit meine, sagte der BF, dass der seelische Schmerz des Unfalls mit der Zeit weniger werde, vielleicht könne man es dann mit Geld lösen. In Österreich habe der BF keine Familie, wäre in keinem Verein und würde die Freizeit mit Syrern und Iranern in der Pension verbringen. Ansonsten betreibe er Sport um die Zeit totzuschlagen, putze für ein paar Euro in der Pension und habe bislang kein Sprachprüfung positiv ablegen können.

6. Am 19.11.2019 wurde dem BF ein Parteiengehör samt Länderfeststellungen übermittelt und er aufgefordert binnen 7 Tagen Stellung zu nehmen. Die beschwerdeseitige Stellungnahme wurde am 25.11.2019 übermittelt.

Der Beschwerdeführer brachte erstinstanzlich folgende Unterlagen in Vorlage:

* Kopie des russischen Inlandsreisepasses;

* Kopie des russischen Führerscheins mit der Nr XXXX

* Prüfungsergebnis vom 26.06.2019 und Bestätigung über die Teilnahme an der ÖIF Integrationsprüfung A1 vom 06.06.2019; BF hat diese nicht bestanden;

* Unterstützungsschreiben vom 13.05.2019 von Prof. XXXX ;

* Bestätigung vom 25.11.2019 des Psychosozialen Zentrums für Flüchtlinge und Opfer von Gewalt;

* Nachweis vom 21.11.2019 der Caritas XXXX über die freiwillige Tätigkeit des BF;

7.1. Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde (BFA) vom 28.02.2020 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung der Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG hinsichtlich der Zuerkennung der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 57 AsylG wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen, sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig ist (Spruchpunkt III., IV., V). Gem. § 55 Abs. 1 bis 3 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).

7.2. In der Bescheidbegründung traf die belangte Behörde Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, zur Lage in seinem Herkunftsstaat und führte rechtlich aus, dass die Ausführungen zu den Fluchtgründen nicht glaubhaft gewesen seien bzw. diese keine Asylrelevanz hätten. Es hätte keine Verfolgung im Konventionssinn glaubhaft gemacht werden können. Auch habe nicht festgestellt werden können, dass dem Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr eine Verfolgung drohen würde. Weiters stünde eine innerstaatliche Fluchtalternative offen.

7.3. Beweiswürdigend führte das BFA im angefochtenen Bescheid im Wesentlichen aus, dass es unglaubhaft sei, dass sämtliche Verwandte des BF unbehelligt in der Russischen Föderation leben könnten und nie einer Befragung durch die Behörden unterzogen worden seien. Seinem Vorbringen sei auch kein Glaube zu schenken gewesen, weil sich das LKA XXXX mit Interpol XXXX in Verbindung gesetzt habe und mitgeteilt worden sei, dass keine kriminalpolizeilichen Erkenntnisse über den BF vorliegen würden. In Zusammenhalt mit den widersprüchlichen und unwahren Angaben sei die Behörde davon überzeugt, dass von einer Verfolgung keinesfalls ausgegangen werden könne.

7.4. Die belangte Behörde kam zu dem Schluss, dass der Beschwerdeführer keine asylrelevante Verfolgung im Herkunftsstaat geltend gemacht hätte. Es ergebe sich auch keine Gefährdungslage nach § 8 AsylG und erscheint eine Rückkehr in die Russische Föderation zumutbar. Zudem stünde ihm eine innerstaatliche Fluchtalternative in anderen Gebieten der Russischen Föderation offen.

7.5. Demnach - so die belangte Behörde - könnte der vom Beschwerdeführer behauptete Fluchtgrund nicht zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft und in weiterer Folge zur Gewährung des Asylstatus führen. Aus seinem Vorbringen sei nichts ersichtlich, das im Falle ihrer Rückkehr eine unmenschliche Behandlung oder sonst extreme Gefährdungslage erkennen lassen würde. Es seien im Verfahren keine Ansatzpunkte einer besonderen Integration des Beschwerdeführers in Österreich hervorgekommen, zumal dieser weder ausreichend Deutsch spreche, noch einer Arbeit nachgehe, nicht selbsterhaltungsfähig sei und keine besonderen privaten Bindungen in Österreich geltend gemacht habe. Auch sein erst kurzer Aufenthalt in Österreich spreche gegen eine solche Bindung, sodass eine Rückkehrentscheidung zulässig sei.

8. Mit Verfahrensanordnung vom 28.02.2020 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG ein Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.

9. Mit fristgerecht eingebrachtem Schriftsatz vom 13.03.2020 wurde für den BF durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter das Rechtsmittel der Beschwerde gegen den gegenständlichen Bescheid des BFA, zugestellt am 03.03.2020, in vollem Umfang wegen Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften, insbesondere wegen Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens, infolge mangelhafter Beweiswürdigung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhoben. Begründend wurde beschwerdeseitig ausgeführt, dass die belangte Behörde es unterlassen habe auf das individuelle Vorbringen des BF einzugehen, sowie die Gesamtbeurteilung anhand der verfügbaren Länderinformationen und entsprechend der bisherigen Rechtsprechung vorzunehmen. Mittlerweile sei auch die Mutter des BF von seinen Feinden im Dezember 2019 verprügelt worden. Seine Schwester habe ihm diesbezüglich Fotos von seiner verletzten Mutter geschickt und wurde ihm mitgeteilt, dass die Mutter wegen ihm geschlagen und bedroht worden sei. Der BF legte Fotos seiner verletzten Mutter vor. Im Übrigen sei der BF gefährdet in der Russischen Föderation aufgrund von Blutrache verfolgt zu werden und untergrabe Präsident Kadyrow die Rechtsstaatlichkeit in Tschetschenien. Eine innerstaatliche Fluchtalternative bestehe nicht, weil russische Behörden Personen aus dem Nordkaukasus oft willkürlich für Straftaten beschuldigen würden, wobei anschließend Geständnisse mittels Folter erpresst würden. Die in der Beschwerde angeführten Länderinformationen würden das Vorbingen des BF stützen, wonach er mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung in seinem Heimatland zu befürchten habe. Als Rückkehrer aus dem Nordkaukasus stehe er vor allem vor wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen und der Kontrolldruck gegenüber kaukasisch aussehenden Personen sei erheblich. Russische Menschenrechtsorganisationen würden häufig von willkürlichem Vorgehen der Miliz gegen Kaukasier, alleine wegen deren ethnischer Zugehörigkeit, berichten. In einer Zusammenschau sei daher von einem realen Risiko einer Verletzung von Art. 2 und Art. 3 EMRK bzw. der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention auszugehen. In der Beschwerde wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge 1.) eine mündliche Verhandlung anberaumen 2.1.) in der Sache selbst entscheiden und dem Antrag des BF auf internationalen Schutz stattgeben und ihm den Status des Asylberechtigten zuerkennen; 2.2.) in eventu ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation zuerkennen; 2.3.). in eventu ihm einen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG erteilen; 3.) in eventu feststellen, dass die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig sei sowie 4.) in eventu den Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Gänze mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen.

Gemeinsam mit der Beschwerdeschrift wurden undeutliche Fotografien, sowie ein Unterstützungsschreiben von Mag. Dr. XXXX , datiert mit 25.11.2019, übermittelt.

10. Die Beschwerdevorlage vom 20.03.2020 und die Verwaltungsakte langten beim Bundesverwaltungsbericht (BVwG) am 01.04.2020 ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage des Antrags des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 03.12.2018, der polizeilichen Erstbefragung des BF am 03.12.2018, der Beschuldigtenvernehmung des BF am 09.01.2019 vor der LPD XXXX , der Eivernahmen am 16.01.2019 und am 16.07.2019 vor dem BFA, der für den Beschwerdeführer eingebrachten Beschwerde vom 13.03.2020 gegen den angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 28.02.2020, der vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen und der Einsichtnahme in den Verwaltungsakt, der Auszüge des Zentralen Melderegisters, des Fremden- und Grundversorgungsinformationssystems, des Strafregisters der Republik Österreich und des AJ-Web, werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zu Grunde gelegt:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation, der Volksgruppe der Tschetschenen und dem muslimischen Glauben zugehörig. Der BF reiste spätestens am 03.12.2018 illegal und schlepperunterstützt in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz. Er wurde in XXXX geboren und ist überwiegend dort aufgewachsen. Zwischenzeitig befand er sich mit seiner Familie für etwa 2 Jahre in XXXX . Zuletzt lebte der BF in XXXX . Der BF spricht Tschetschenisch auf muttersprachlichem Niveau und gut Russisch. Der BF ist ledig und kinderlos.

Der BF hat in der Russischen Föderation 9 Jahre Grundschule, sowie in XXXX 3 Jahre ein College für Buchhaltung besucht und als selbständiger Fotograf gearbeitet. Der BF verfügt noch über Verwandte in den Personen seiner Eltern, seiner drei Schwestern, seines Bruders sowie etlicher Tanten und Onkel und noch weitere Angehörige in der Russischen Föderation. Seine Familie lebt gemeinsam in einem Haus, in dem der BF zuletzt auch mit ihnen gewohnt hat. Alle seine Angehörigen leben in XXXX . Der BF hatte mit seiner Kernfamilie zumindest einmal Kontakt, seit seiner Ankunft in Österreich.

Der Beschwerdeführer verfügt über keine weiteren Familienangehörigen im Bundesgebiet. Er hat einen Deutschkurs von Februar bis Juni 2019 besucht, jedoch die Integrationsprüfung des ÖIF auf Niveau A1 nicht bestanden. Der BF ist im Bundesgebiet seit 19.11.2019 ehrenamtlich bei der Caritas XXXX tätig. Er ist jedoch weder vereinsmäßig aktiv, noch verfügt er über österreichische Freunde, noch ist er im Bundesgebiet einer sonstigen Aus-, Fort- oder Weiterbildung nachgegangen. Der BF ist nicht selbsterhaltungsfähig und befindet sich in Grundversorgung.

Der Beschwerdeführer leidet weder an schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheiten, noch an einer schweren psychischen Störung, die bei einer Rückkehrentscheidung in den Herkunftsstaat eine unzumutbare Verschlechterung seines Gesundheitszustandes bewirken würden. Er ist gesund und arbeitsfähig.

Der BF ist strafrechtlich unbescholten.

1.2. Zum Fluchtgrund des Beschwerdeführers:

Das Vorbringen der Beschwerdeseite betreffend die Furcht des Beschwerdeführers vor Verfolgung wird den Feststellungen mangels Glaubhaftmachung nicht zugrunde gelegt. Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer in der Russischen Föderation eine an asylrelevante Merkmale anknüpfende Verfolgung droht.

Dem Beschwerdeführer steht eine zumutbare, innerstaatliche Schutz- bzw. Fluchtalternative in anderen Teilen der Russischen Föderation, außerhalb Tschetscheniens, zur Verfügung.

1.3. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

Im Falle einer Verbringung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat droht diesem kein reales Risiko einer Verletzung der Art. 2 oder 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958 (in Folge EMRK), oder der Prot. Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention.

1.4. Zur maßgeblichen Situation in der Russischen Föderation

Hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers wird auf die dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden, nach wie vor in den fallgegenständlich relevanten Teilen als aktuell anzusehenden, Länderfeststellungen verwiesen, denen sich das Bundesverwaltungsgericht vollinhaltlich anschließt und welche das Bundesverwaltungsgericht in casu seinem Erkenntnis zugrunde legt.

Coronavirus disease 2019 (COVID-19) Situation Report - 100 der WHO (World Health Organization)

vom 28.05.2020

Nach aktuellem Stand zum Entscheidungszeitpunkt gibt es im ganzen Land 379.051 bestätigte Infektionen mit dem Coronavirus und 4.142 Todesfälle.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der oben ausgeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakte des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des Verfahrensaktes des Bundesverwaltungsgerichts.

2.2. Der oben festgestellte Sachverhalt beruht auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht aufgrund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens.

2.3. Die Feststellungen zu Identität, Alter, Nationalität, Volksgruppe, Herkunft und den Familienverhältnissen des Beschwerdeführers gründen auf seinen insofern unbedenklichen Angaben vor dem BFA, der LPD, sowie auf den in seiner Beschwerde gemachten Angaben. Der Beschwerdeführer hat im Verfahren keine unbedenklichen Dokumente zu seiner Identität vorgelegt, weshalb die Feststellung ausschließlich für die Identifizierung der Person des Beschwerdeführers im Verfahren gilt.

2.4. Die Feststellung zur unrechtmäßigen Einreise nach Österreich stützt sich auf die Tatsache, dass der Beschwerdeführer in Umgehung der für die Einreise geregelten Vorschriften - ohne die erforderlichen Dokumente - spätestens am 03.12.2018 nach Österreich eingereist ist.

2.5. Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers beruhen auf seinen eigenen Angaben vor dem BFA, wonach er bei seiner niederschriftlichen Einvernahme am 16.01.2019 und am 16.07.2019 angab, gesund zu sein (jeweils S. 2 des BFA-Prot.). Der Stellungnahme des BF vom 25.11.2019, wonach er Medikamente gegen Schlaflosigkeit nimmt, ist, wie von der Behörde bereits zutreffend ausgeführt, entgegenzuhalten, dass dazu weder Befunde, noch Rezepte oder sonstige medizinische Unterlagen vorgelegt wurden. Ebenso wurde für die vom BF vorgebrachte Wirbelsäulenproblematik kein Befund bzw. medizinische Unterlagen vorgelegt. Auch finden sich keine Unterlagen dazu in der Beschwerdeschrift, weshalb den Feststellungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid zur Gesundheit des BF nicht substantiiert entgegengetreten wurde. Auch hinsichtlich seiner psychischen Gesundheit hat der BF im bisherigen Verfahren lediglich angegeben an Schlaflosigkeit zu leiden und seit ca. Mitte November 2019 in psychotherapeutischer Behandlung zu sein, jedoch im bisherigen Verfahren weder eine psychische Erkrankung seiner Person behauptet, noch dazu ärztliche Befunde oder medizinische Unterlagen vorgelegt.

2.6. Angesichts seiner vorgebrachten autonomen Selbsterhaltungsfähigkeit im Herkunftsland ist von einer Arbeits- und Versorgungsfähigkeit des Beschwerdeführers grundsätzlich auszugehen.

2.7. Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit des BF fußt auf einem aktuellen Strafregisterauszug.

2.8. Primär ist festzuhalten, dass das BFA ein durchwegs mängelfreies Ermittlungsverfahren durchgeführt hat. Dem Beschwerdeführer wurde ausreichend die Möglichkeit eingeräumt, seine persönlichen Fluchtgründe in Bezug auf seinen Herkunftsstaat geltend zu machen und es kann daher nicht der belangten Behörde angelastet werden, wenn der Beschwerdeführer davon nicht mit Erfolg Gebrauch gemacht hat.

2.9. Zu den Vorbringen im Zusammenhang mit den gegenständlichen Fluchtgründen:

2.9.1. Mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers zur Furcht vor Verfolgung im Herkunftsstaat Russische Föderation vermochte der Beschwerdeführer eine asylrelevante Bedrohung nicht darzutun:

Die beschwerdeseitig vorgebrachte Gefährdungslage des Beschwerdeführers beruht auf der Behauptung, dass der BF als Hochzeitsgast nach tschetschenischer Tradition Freudenschüsse mit einer Pistole in die Luft abgegeben habe und sich aufgrund einer Ladehemmung, die er habe beheben wollen, ein Schuss gelöst habe und eine Frau getroffen worden sei. Die Frau sei verstorben und ihre Eltern sehr bekannte, berühmte Leute. Verwandte ihrerseits würden bei der Polizei in führenden Positionen arbeiten und fürchte der BF Blutrache.

2.9.1.2. Zunächst gilt es festzuhalten, dass die beschwerdeseitigen Schilderungen zum gegenständlichen Fluchtvorbringen vor der belangten Behörde in nicht unwesentlichen Aspekten vom Fluchtvorbringen des BF bei der Ersteinvernahme abgewichen sind bzw. weitere inhaltliche Steigerungen erfahren haben bzw. teils in sich selbst widersprüchlich waren:

Es gilt primär festzuhalten, dass der BF bei der Frage nach seinen Fluchtgründen ihm Rahmen seiner Erstbefragung von dem erst in der Beschuldigtenvernehmung vor der BFA LPD ins Treffen geführten Tod der Frau, nicht auch nur ansatzweise berichtet hat. Er hat lediglich angegeben, dass er nicht wisse, wo er sie getroffen habe, er habe jedoch gesehen, dass sie umgefallen sei und geblutet habe. Bei seiner Rückkehr fürchte er eine 6-7-jährige Haftstrafe und nach seiner Entlassung Blutrache (S. 6 des EE-Prot.).

Erstmals vor der LPD am 09.01.2019 vermochte der BF zu berichten, dass die umherstehenden Leute der Hochzeitsgesellschaft, nachdem der BF die Frau getroffen habe, "yella, yella" geschrien hätten, was so viel bedeute wie "getötet". Befragt dazu, warum er wisse, dass die von ihm angeschossene Frau verstorben sei, meinte er auf S. 4 des LPD-Prot.: "Mein Freund hat mir am 28.11.2018 eine Reisepasskopie nach XXXX gebracht. Dabei erzählte er mir, dass die angeschossene Frau verstorben ist und ich nicht mehr ins Dorf zurückkommen soll, weil ich gesucht werde. Von wem genau ich gesucht werde, sagte er mir nicht. Außer dieser Information habe ich keine weiteren aus meinem Heimatland erhalten. Auch weiß ich nicht, ob bereits Ermittlungen gegen mich im Laufen sind". Zu diesem Vorbringen ist Folgendes festzuhalten: Sollte der BF über einen Freund bereits am 28.11.2018 erfahren haben, dass die von ihm behaupteterweise angeschossene Frau auch tatsächlich verstorben sei, so erscheint es wenig glaubhaft, dass der BF im Rahmen seiner Ersteinvernahme am 03.12.2018 über diesen Umstand nicht explizit zu berichten wusste.

Vor dem BFA am 16.01.2019 gab der BF erstmals an, dass ihn die Eltern des Mädchens suchen würden. Dabei handelt es sich nicht um ein schlicht unwesentliches Detail, schließlich behauptete der BF, dass diese "bekannte, berühmte" Leute seien. Im Übrigen brachte er vor, dass Verwandte des Mädchens in führenden Positionen bei der Polizei arbeiten würden (S. 5 des BA-Prot.), worin auch eine eindeutige inhaltliche Steigerung des Fluchtvorbringens zu sehen ist. Im Übrigen widerspricht sich der BF auch, wenn er zunächst vor der LPD am 09.01.2019 noch behauptet hat nicht zu wissen, von wem er gesucht werde. Aufgrund des anfänglichen Weglassens essentieller Details in der Ersteinvernahme, insbesondere des Todes der vom BF angeschossenen Frau, sowie der nachfolgenden Steigerung des Vorbringens ist davon auszugehen, dass diese Aspekte die Gefährdungssituation des BF nachträglich erhöhen sollen.

Grundsätzlich hält das erkennende Gericht dem Beschwerdeführer zu Gute, dass eine Ersteinvernahme in einem fremden Land eine für jeden Asylwerber außergewöhnliche Situation ist. Eine gewisse, anfängliche Verlegenheit in der Erzählung persönlicher Erlebnisse ist daher im Allgemeinen verständlich. Ebenso ist klar, dass im Rahmen einer Ersteinvernahme in keine allzu große Detailtiefe bei der Schilderung des eigentlichen Fluchtgrundes vorgestoßen werden kann. Trotzdem trifft auch den Schutzsuchenden im Asylverfahren eine Mitwirkungspflicht an der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts, über welche der Beschwerdeführer im Rahmen der Ersteinvernahme nachweislich aufgeklärt worden ist. Das vom Beschwerdeführer im Rahmen der Ersteinvernahme erfolgte Weglassen grundlegender Aspekte des gegenständlichen Fluchtgrundes steht dieser Mitwirkungspflicht klar entgegen. Nach Ansicht des erkennenden Gerichts kann es einem erwachsenen Menschen durchaus zugemutet werden, bei den Behörden jenes Landes, von dem er sich Schutz und Hilfe vor behaupteter Verfolgung und Tod erwartet, möglichst zeitnahe zum Antrag auf internationalen Schutz zumindest ansatzweise Angaben zu den eigentlichen Gründen der behaupteten, gegenständlichen Verfolgung im Heimatland zu machen, und sei es um nicht Gefahr zu laufen, sich dem Vorwurf einer möglichen Steigerung des Fluchtvorbringens im weiteren Verfahren auszusetzen.

Es geht auch der VwGH davon aus, dass ein spätes, gesteigertes Vorbringen als unglaubwürdig qualifiziert werden kann. Denn kein Asylwerber würde wohl eine sich bietende Gelegenheit zentral entscheidungsrelevantes Vorbringen zu erstatten, ungenützt vorübergehen lassen (VwGH 07.06.2000, 2000/01/0250).

Grundsätzlich ist dem Fluchtvorbringen des BF entgegenzuhalten, wie auch die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zutreffend ausgeführt hat, dass eine Anfrage des LKA XXXX an Interpol XXXX ergeben hat, dass laut den Polizeidienststellen in Tschetschenien gegen den BF keine Informationen zum behaupteten Vorfall und keine kriminalpolizeilichen Erkenntnisse vorliegen (AS 69ff). Dazu in seiner Einvernahme am 16.07.2019 vor dem BFA befragt, gab der BF erneut an, dass Verwandte des Mädchens bei der Polizei seien, weshalb es keine Strafakte gäbe, weil die Sache nicht offiziell geregelt werden solle (S. 5 des BFA-Prot.). Nicht nachvollziehbar ist demgegenüber, wenn der BF wenig später in derselben Einvernahme auf Frage, ob er an einem Rückkehrprogramm teilnehmen würde, antwortet: "[...] Wenn die Angelegenheit nicht offiziell wurde, glauben Sie, dass man mich einfach gehen lassen würde. Die Polizei hilft einander ja. Ich bin ja Tschetschene, egal wo ich lande, man würde die tschetschenische Polizei anrufen und die würden mich abholen" (S. 6 des BFA-Prot.). Warum die Polizei den BF ohne offizielle Ermittlung, wie er selbst zugesteht, abholen bzw. festnehmen solle, ist für das Gericht nicht plausibel.

Darüber hinaus ist es nicht glaubhaft, wie bereits von der belangten Behörde zutreffend ausgeführt, dass alle Verwandten des BF seit November 2018 unbehelligt in der Russischen Föderation weiterleben, wenn tatsächlich Blutrache drohe. Dann würde mit allen verfügbaren Mitteln versucht die gesamte Familie zumindest massiv unter Druck zu setzen. Dazu am 16.07.2019 vor dem BFA befragt, brachte der BF vor, dass sein Bruder verprügelt worden sei, worin eine neuerliche inhaltliche Steigerung zu sehen ist. Nachgefragt, warum der BF wisse, dass sein Bruder gerade wegen des Schusswaffenvorfalls verprügelt worden sei, meinte der BF: "Weil meine Familie bis dorthin nie Probleme hatte". Erneut gefragt, ob er es für möglich halte, dass sein Bruder eigene Probleme habe und deshalb verprügelt worden sei, gab er an: "Ich weiß es einfach, weil wir in Frieden gelebt haben und zusammen waren". Der BF vermochte daher auch auf mehrfache Nachfrage einen konkreten Konnex zwischen seinem Fluchtgrund und der Verprügelung seines Bruders nicht substantiiert und glaubhaft darzutun. Hinsichtlich des Vorbringens und der vorgelegten Fotos in der Beschwerde, wonach nun mittlerweile auch die Mutter des BF im Dezember 2019 verprügelt worden sei, bleibt festzuhalten, dass auch in der Beschwerde kein konkreter Nachweis darüber vorgelegt werden konnte, dass einen nachvollziehbaren Konnex zwischen dem Fluchtgrund des BF und der behaupteten Verprügelung seiner Mutter vorläge. In der Beschwerde wird lediglich ausgeführt: "Es wurde ihm mitgeteilt, dass die Mutter wegen ihm geschlagen und bedroht wurde". Die Beschwerde entbehrt einer weitergehenden Konkretisierung und ist das Vorbringen daher ebenfalls nicht hinreichend substantiiert, was sein Vorbringen insgesamt massiv mit Unglaubhaftigkeit belastet.

Darüber hinaus räumte der BF bei seiner Einvernahme vor dem BFA am 16.07.2019 ein, dass für die Lösung der Sache eben Zeit erforderlich sei, schließlich werde der seelische Schmerz des Unfalls mit der Zeit weniger und man könne die "Sache" dann vielleicht mit Geld lösen (S. 6 des BFA-Prot.). Diese Relativierung durch den BF bestätigt den Eindruck eines wenig durchdachten Erzählkonstruktes, welches der BF im bisherigen Verfahren nach Belieben inhaltlich gesteigert, weiter ausgeschmückt und schließlich wieder relativiert hat.

In einer Gesamtschau sind die von Beschwerdeseite zum gegenständlichen Fluchtgrund vorgebrachten Angaben in sich widersprüchlich, unplausibel und in der inhaltlich gesteigerten Darstellung des behaupteten Geschehens unglaubhaft. Es ist dem Beschwerdeführer somit nicht gelungen, eine Verfolgung aus asylrelevanten Gründen in seinem Herkunftsstaat Russische Föderation in ausreichendem Maße substantiiert vorzubringen und glaubhaft zu machen.

Abschließend bleibt festzuhalten, dass sich nach den Länderberichten die Tradition der Blutrache im Nordkaukasus in den Clans zur Verteidigung von Ehre, Würde und Eigentum entwickelt hat. Dieser Brauch impliziert, dass Personen am Täter oder dessen Verwandten Rache für die Tötung eines ihrer eigenen Verwandten üben, und kommt heutzutage nach den Länderberichten noch vereinzelt vor. In casu konnte eine Verfolgung aufgrund von Blutrache aber gerade nicht glaubhaft gemacht werden.

2.9.2. Unabhängig von der Glaubhaftigkeitsbeurteilung des Vorbringens, könnte der BF, wie behördenseitig bereits ausgeführt, vor einer Bedrohung der behaupteten Art durch eine Niederlassung in anderen Teilen der Russischen Föderation, wie beispielsweise in XXXX , St. Petersburg, Rostow, Krasnodar, Stawropol und Astrachen, Sicherheit erlangen:

In jenen Gebieten gibt es nach den Länderberichten größere tschetschenische Bevölkerungsanteile. Aus den Länderberichten ergibt sich, dass die Bewegungsfreiheit innerhalb der Russischen Föderation gewährleistet ist. Tschetschenen steht genauso wie allen russischen Staatsbürgern das in der Verfassung verankerte Recht der freien Wahl des Wohnsitzes, sowie des Aufenthalts in der Russischen Föderation zu und können sie grundsätzlich problemlos in andere Teile der Russischen Föderation flüchten und leben. Zutreffend ist jedoch nach den Länderberichten, dass Tschetschenen dort immer noch auf anti-kaukasische Einstellungen treffen. Wird jemand offiziell von der Polizei gesucht, so ist es für die Behörden möglich, diesen aufzufinden und zurück in den Nordkaukasus zu bringen. Wie bereits beweiswürdigend ausgeführt, laufen in der Russischen Föderation zur Person des Beschwerdeführers jedoch keine kriminalpolizeilichen Ermittlungen. Der Beschwerdeführer würde daher die Möglichkeit haben, wie bereits zutreffend von der belangten Behörde ausgeführt, vor einer behaupteten Verfolgung durch die Niederlassung in einem Landesteil seines Herkunftlandes außerhalb seiner Herkunftsregion Sicherheit zu finden. Das erscheint für den Beschwerdeführer auch zumutbar. Der BF hat Arbeitserfahrung als Berufsfotograf und hat Buchhaltung studiert. Es wäre ihm daher möglich und zumutbar, seinen Lebensunterhalt, wie bereits zuvor, selbst zu erwirtschaften, wenn auch zunächst durch etwaige Gelegenheitsjobs. Aufgrund der obigen Überlegungen und dem Umstand, dass der BF im Herkunftsstaat über zahlreiche familiäre Anknüpfungspunkte verfügt, wird es dem BF mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit möglich mit Unterstützung seiner Familie - vorallem in der Anfangsphase - im Herkunftsstaat wieder Fuß zu fassen, sich bald ein ausreichendes Einkommen zu sichern und in keine aussichtslose Lage geraten.

Dafür spricht zuletzt auch die Tatsache, dass der BF in der Lage war, völlig auf sich alleine gestellt über ihm unbekannte Länder die Flucht bis nach Österreich zu meistern, wobei er sicherlich ein überdurchschnittliches Maß an Anpassungs- und Selbsterhaltungsfähigkeit unter Beweis stellen musste.

Zudem hast der BF die Möglichkeit, eine Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen.

Es ist dem erkennenden Gericht daher nicht nachvollziehbar, warum es dem BF nicht möglich und zumutbar sein soll, sich im eigenen Heimatland, wo er mit der Kultur, den Sitten und Gebräuche, sowie der Sprache vertraut ist und sich im Rahmen einer Großstadt rasch an die örtlichen Gegebenheiten anpassen könnte, ebenfalls eine Lebensgrundlage binnen kurzer Zeit für sich schaffen zu können.

Insgesamt konnte der BF eine Gefährdungssituation nicht hinreichend substantiieren, welcher er im Falle der Rückkehr in exponierter Weise ausgesetzt wäre. Unter Beachtung der zur Verfügung stehenden Berichtslage, sowie der sozialen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen (wie z.B. familiäre Anknüpfungspunkte, selbständige berufliche Tätigkeit, usw.) ergibt sich, dass eine Rückkehr des BF in die Russische Föderation möglich ist.

2.7. Zu den Länderfeststellungen:

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf den im angefochtenen Bescheid enthaltenen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für die Russische Föderation vom 03.12.2019 samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen. Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen, sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Die Beschwerdeführer traten diesen Quellen und deren Kernaussagen zur Situation im Herkunftsland nicht substantiiert entgegen. Aus den getroffenen Länderfeststellungen lässt sich keine derartige Situation im Herkunftsland ableiten, wonach dem BF allein aufgrund der allgemeinen Sicherheitslage ohne Hinzutreten individueller Faktoren in der Russischen Föderation aktuell und mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit seiner Person drohen würde oder dass ihm im Falle einer Rückkehr ins Herkunftsland die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre.

Die Situation im Herkunftsland hat sich auch seit dem Zeitpunkt der Einvernahme vom 16.07.2019 vor dem BFA in den gegenständlich relevanten Punkten nicht entscheidungswesentlich verändert. Hierbei ist anzumerken, dass es sich bei der Russischen Föderation um einen Staat handelt, der zwar im Hinblick auf menschenrechtliche Standards Defizite aufweist, darüber hinaus aber nicht - etwa im Vergleich zu Krisenregionen wie Afghanistan, Irak, Somalia, Syrien u.v.a. - als Staat mit sich rasch ändernder Sicherheitslage auffällig wurde, sondern sich im Wesentlichen über die letzten Dekaden als relativ stabil erwiesen hat (vgl. dazu etwa VfGH 21.09.2017, Zl. E 1323/2017-24, VwGH 13.12.2016, Zl. 2016/20/0098).

Letztlich ist noch anzumerken, dass unter Zugrundelegung der vom Bundesamt getroffenen Feststellungen zur Grundversorgung in der Russischen Föderation auch kein Grund erkannt werden kann, wonach der arbeitsfähige BF, der sich bis zu seiner Ausreise nach eigenen Angaben selbst erhalten konnte, sowie über ausreichend Arbeitserfahrung und eine fundierte Ausbildung verfügt, bei einer Rückkehr ins Herkunftsland in Ansehung existenzieller Grundbedürfnisse mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in eine ausweglose Situation geraten würde. Außerdem verfügt der Beschwerdeführer über ein großes familiäres Netz in der Russischen Föderation, das in der Lage ist ihn bei seiner Rückkehr zu unterstützten. Auch vor seiner Ausreise lebte der BF mit seinen Eltern und Geschwistern im gemeinsamen Haus, weshalb nicht erkannt werden kann, warum ihn diese nicht wieder, zumindest in der Anfangsphase, bei sich aufnehmen sollten.

Es wird nicht verkannt, dass der von der belangten Behörde dem angefochtenen Bescheid zugrunden gelegten Länderinformation vom 03.12.2019 inzwischen am 27.03.2020 ein neues Länderinformationsblatt gefolgt ist. Dieses betrifft insbesondere die angekündigten Verfassungsänderungen betreffend die Erweiterung der Machtbefugnisse des Präsidenten und die Ermöglichung seiner Wiederwahl, sohin politische Aspekte, welche zum gegenständlichen Fall aber keinen erkennbaren inhaltlichen Bezug haben.

Was die Ausbreitung des Corona Virus in der Russischen Föderation betrifft, ist festzuhalten, dass der BF an keinen schwerwiegenden Krankheiten leidet, sondern gesund ist. Es liegen keine konkreten Anhaltspunkte dafür vor, dass der BF persönlich bei einer Rückkehr eine Erkrankung mit schwerwiegendem oder tödlichem Verlauf erleiden würde, weil er nicht zur Risikogruppe zählt. Die absoluten Zahlen in der Russischen Föderation erweisen sich mit 379.051 Erkrankten als so hoch, wie in kaum einem anderen Land. Dennoch erweisen sich die Todesfälle, mit insgesamt 4.142 Toten als, verglichen mit anderen Ländern, verhältnismäßig gering. Sieht man die absolute Zahl der Erkrankten jedoch im Verhältnis zur Einwohnerzahl, zeigt sich die Zahl der Erkrankungen pro 100.000 Einwohner noch davon entfernt, ein für eine Schutzgewährung signifikantes Risiko aufzuzeigen, in der Russischen Föderation an einer Lungenkrankheit Covid-19 mit schweren Verlauf zu erkranken. Darüber hinaus gehört der BF, wie bereits erwähnt, nicht zur Risikogruppe an einem schwerwiegenden Verlauf zu erkranken.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 33/2013 idF BGBl. I 122/2013, geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

3.2. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.3. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Materiengesetzen (BFA-VG, AsylG 2005, FPG) nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

3.4. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

3.5. Zum Spruchteil A

3.5.1. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatssicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK), droht. (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).

Als Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Gemäß § 3 Abs. 2 AsylG kann die Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. z.B. 22.12.1999, 99/01/0334; 25.01.2001, 2001/20/0011).

Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. etwa VwGH 10.11.2015, Ra 2015/19/0185, mwN). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.

Für eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH 26.02.1997, Zl. 95/01/0454, VwGH 09.04.1997, Zl. 95/01/055), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse, sondern erfordert eine Prognose (vgl. VwGH 16.02.2000, Zl. 99/01/0397). Verfolgungshandlungen, die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318).

Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden Verfolgung nur dann Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten.

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793; 19.11.2010, 2007/19/0203). Entscheidend für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, ist vielmehr, ob für einen von dritter Seite aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen Verfolgten trotz staatlichen Schutzes der Eintritt eines - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteiles aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (vgl. VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191, mwN).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann die Gefahr der Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG 2005 in Verbindung mit Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Verfolgungshandlungen abgeleitet werden. Droht den Angehörigen bestimmter Personengruppen eine über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehende "Gruppenverfolgung", hat bei einer solchen, gegen eine ganze Personengruppe gerichteten Verfolgung jedes einzelne Mitglied schon wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Grund, auch individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu befürchten; diesfalls genügt für die geforderte Individualisierung einer Verfolgungsgefahr die Glaubhaftmachung der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe (vgl. VwGH vom 10. 12.2014, Ra 2014/18/0078, mwN).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist der Begriff der "Glaubhaftmachung" im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften iSd ZPO zu verstehen. Es genügt daher diesfalls, wenn der [Beschwerdeführer] die Behörde von der (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der zu bescheinigenden Tatsachen überzeugt. Diesen trifft die Obliegenheit zu einer erhöhten Mitwirkung, dh er hat zu diesem Zweck initiativ alles vorzubringen, was für seine Behauptung spricht (Hengstschläger/Leeb, AVG, § 45, Rz 3, mit Judikaturhinweisen). Die "Glaubhaftmachung" wohlbegründeter Furcht setzt positiv getroffene Feststellungen seitens der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit der "hierzu geeigneten Beweismittel", insbesondere des diesen Feststellungen zugrunde liegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (vgl. VwGH 19.03.1997, 95/01/0466). Die Frage, ob eine Tatsache als glaubhaft gemacht zu betrachten ist, unterliegt der freien Beweiswürdigung der Behörde (VwGH 27.05.1998, 97/13/0051).

3.5.1.1. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl begründete die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten damit, dass der Beschwerdeführer keine Bedrohung oder Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention glaubhaft machen konnte.

3.5.1.2. Mit dieser Beurteilung ist die belangte Behörde im Ergebnis im Recht.

3.5.1.3. Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die begründete Furcht des Beschwerdeführers, in seinem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der GFK genannten Gründen verfolgt zu werden, nicht vorliegt:

Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung anknüpft.

3.5.1.4. Die Verfolgung aus dem Grund der (unterstellten) politischen Gesinnung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK liegt in jenen Fällen vor, in denen der ungerechtfertigte Eingriff an die (wenn auch nur vermutete) politische Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung der betroffenen Person anknüpft.

3.5.1.5. Wie in der Beweiswürdigung des verfahrensgegenständlichen Erkenntnisses dargetan, ist es dem Beschwerdeführer insgesamt nicht gelungen eine konkret und gezielt gegen seine Person gerichtete aktuelle Verfolgung im Herkunftsstaat von maßgeblicher Intensität, welche ihre Ursache in einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe hätte, substantiiert vorzubringen und glaubhaft zu machen. Vor dem Hintergrund der Feststellungen zur Lage in der Russischen Föderation, sowie der Unglaubhaftigkeit des Vorbringens betreffend den ausreisekausalen Vorfall kann daher nicht erkannt werden, dass dem Beschwerdeführer im Herkunftsstaat eine asylrelevante Verfolgung droht.

3.5.1.6. Im Verfahren haben sich auch sonst keine Anhaltspunkte ergeben, die eine Verfolgung aus asylrelevanten Gründen im Herkunftsstaat für maßgeblich wahrscheinlich erscheinen ließen. Es kann nicht angenommen werden, dass der Beschwerdeführer, der der Volksgruppe der Tschetschenen angehört, muslimischen Glaubens ist und eine kriminalpolizeiliche Verfolgung, sowie Blutrache im Herkunftsstaat nicht glaubhaft machen konnte, im Herkunftsland aufgrund generalisierender Merkmale einer Verfolgung ausgesetzt wäre. Sonstige Anhaltspunkte für eine asylrelevante, gegen den BF gerichtete, Bedrohung sind nicht hervorgekommen und wurden solche von ihm auch gar nicht behauptet.

3.5.1.7. Da der Beschwerdeführer sohin keine Verfolgungshandlungen in Bezug auf die Russische Föderation glaubhaft gemacht hat, liegen die in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK geforderten Voraussetzungen nicht vor und war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides deshalb gemäß § 28Abs. 2 iVm 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abzuweisen.

3.5.2. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn er in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung oder Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 offen steht.

Ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Abs. 1 oder aus den Gründen des Abs. 3 oder 6 abzuweisen, so hat gemäß § 8 Abs. 3a AsylG 2005 eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt. Diesfalls ist die Abweisung mit der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dies gilt sinngemäß auch für die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist.

§ 8 AsylG 2005 beschränkt den Prüfungsrahmen auf den "Herkunftsstaat" des Asylwerbers. Dies ist dahin gehend zu verstehen, dass damit derjenige Staat zu bezeichnen ist, hinsichtlich dessen auch die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers auf Grund seines Antrages zu prüfen ist (VwGH 22.04.1999, 98/20/0561; 20.05.1999, 98/20/0300).

Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören - der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten (oder anderer in § 8 Abs. 1 AsylG 2005 erwähnter) Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwSlg. 15.437 A/2000; VwGH 25.11.1999, 99/20/0465; 08.06.2000, 99/20/0203; 08.06.2000, 99/20/0586; 21.09.2000, 99/20/0373; 25.01.2001, 2000/20/0367; 25.01.2001, 2000/20/0438; 25.01.2001, 2000/20/0480; 21.06.2001, 99/20/0460; 16.04.2002, 2000/20/0131). Diese in der Rechtsprechung zum AsylG 1997 erwähnten Fälle sind nun z.T. durch andere in § 8 Abs. 1 AsylG 2005 erwähnte Fallgestaltungen ausdrücklich abgedeckt. Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat (unter dem Gesichtspunkt des § 57 FremdenG, dies ist nun auf § 8 Abs. 1 AsylG 2005 zu übertragen) als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 27.02.2001, 98/21/0427).

Das Bundesverwaltungsgericht hat somit vorerst zu klären, ob im Falle der Rückführung des Fremden in seinen Herkunftsstaat Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würde. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger, noch zum Refoulementschutz nach der vor

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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