TE Lvwg Erkenntnis 2020/7/13 LVwG-2020/44/0939-3

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Veröffentlicht am 13.07.2020
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Entscheidungsdatum

13.07.2020

Index

81/01 Wasserrechtsgesetz
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

WRG 1959 §32b Abs1
WRG 1959 §1637 Abs3 Z3
VStG §44a Z1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Mag. Spielmann über die Beschwerde (1.) des AA, Adresse 1, ZZ, und (2.) der BB GmbH, Adresse 2, Y, beide vertreten durch Rechtsanwalt CC, Adresse 3, X, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt X vom 15.11.2019, Zahl ***, betreffend eines Strafverfahrens nach dem WRG 1959, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung,

zu Recht:

1.       Der Beschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahren und Sachverhalt:

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde AA spruchgemäß Folgendes zur Last gelegt:

„§ 32b Abs. 1 letzter Satz Wasserrechtsgesetz 1959 i.d.g.F. legt fest, dass Einleitungen (Anm. d. Behörde: in eine wasserrechtlich bewilligte Kanalisationsanlage) der Zustimmung des Kanalisationsunternehmens (Anm. d. Behörde: im gegenständlichen Fall der DD AG) bedürfen.

Sie, Herr AA, geb. am xx.xx.xxxx, haben es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als zur Vertretung nach außen befugtes Organ (§ 9 Abs. 1 VStG) der BB GmbH (FN 291447 z) mit Sitz in Y, Adresse 2, zu verantworten, dass es zumindest im Zeitraum vom 19.06.2019 bis zum 23.06.2019 zu einer Indirekteinleitung gemäß § 32b Wasserrechtsgesetz 1959 i.d.g.F. von Grundwasser aus dem Anwesen Adresse 4 in die Kanalisation der DD AG kam, ohne dass Sie gemäß § 32b Abs. 1 WRG die Zustimmung der DD AG als Kanalisationsunternehmen eingeholt haben.“

Dadurch habe er gegen § 137 Abs 2 Z 5 WRG 1959 iVm § 32b Abs 1 WRG 1959 verstoßen und sei mit einer Geldstrafe in Höhe von € 2.179,50,- (Ersatzfreiheitsstrafe 4 Tage) zu bestrafen. Außerdem wurde er zur Bezahlung eines Beitrages zu den Kosten des Behördenverfahrens in Höhe von € 217,95,- verpflichtet.

Mit Schreiben vom 28.12.2019 haben AA (Erstbeschwerdeführer) und die BB GmbH (Zweitbeschwerdeführerin) dagegen fristgerecht Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Tirol erhoben. Zusammengefasst wurde vorgebracht, dass die BB GmbH vom Hausmeister der gegenständlichen Liegenschaft beauftragt worden sei, das Grundwasser aufgrund einer Hochwassersituation in die öffentliche Kanalisation zu pumpen. Bereits zuvor habe die Feuerwehr das Wasser in gleicher Weise entsorgt, sodass von einer (schlüssigen) Zustimmung zur Einleitung auszugehen sei. Es habe Gefahr in Verzug bestanden und keine andere Handlungsmöglichkeit gegeben.

Auf Antrag der Beschwerdeführer hat das Landesverwaltungsgericht am 07.07.2020 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, in der neben dem Erstbeschwerdeführer auch der Hausmeister der betroffenen Liegenschaft und der Disponent der Zweitbeschwerdeführerin als Zeugen einvernommen wurden.

II.      Rechtslage:

Die relevanten Bestimmungen des Wasserrechtsgesetzes 1959 (WRG 1959) lauten wie folgt:

„Indirekteinleiter

§ 32b.

(1) Wer Einleitungen in eine wasserrechtlich bewilligte Kanalisationsanlage eines anderen vornimmt, hat die gemäß § 33b Abs. 3 vom Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft erlassenen Emissionsbegrenzungen einzuhalten. Abweichungen von diesen Anforderungen können vom Kanalisationsunternehmen zugelassen werden, soweit dieses sein bewilligtes Maß der Wasserbenutzung einhält. Einleitungen bedürfen der Zustimmung des Kanalisationsunternehmens.

(…)

Strafen

§ 137.

(2) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist, sofern die Tat nicht nach Abs. 3 oder 4 einer strengeren Strafe unterliegt, mit einer Geldstrafe bis zu 14 530 €, im Falle der Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu vier Wochen, zu bestrafen, wer

(…)

5.       ohne Bewilligung oder entgegen einer solchen eine gemäß § 32 bewilligungspflichtige Einwirkung auf Gewässer oder eine gemäß § 32b bewilligungspflichtige Indirekteinleitung vornimmt;

(…)

(3) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe bis zu 36 340 €, im Falle der Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen, zu bestrafen, wer

(…)

3.       Einleitungen in eine Kanalisationsanlage vornimmt, ohne die gemäß § 33b Abs. 3 erlassenen Emissionsbegrenzungen oder die vom Kanalisationsunternehmen zugelassenen Abweichungen einzuhalten, oder die Einleitungen ohne Zustimmung des Kanalisationsunternehmens vornimmt, und dadurch die Funktionsfähigkeit der Abwasserreinigungsanlage oder ein Gewässer schädigt;

(…)“

III.    Erwägungen:

Eingangs ist klarzustellen, dass die zustimmungslose Indirekteinleitung vom 19.06.2019 bis zum 23.06.2019 angedauert hat. Von daher ist die Annahme, es habe aufgrund von Gefahr im Verzug keine Zustimmung des Kanalisationsunternehmens eingeholt werden können, nicht gerechtfertigt. Auch wenn man davon ausginge, dass es zur Abwehr einer unmittelbar drohenden Gefahr erforderlich war, die Pumpanlage zur Ableitung des Grundwassers in die öffentliche Kanalisation ohne unnötigen Verzug einzurichten, so hätte die dafür gemäß § 32b Abs 1 WRG 1959 erforderliche Zustimmung während des folgenden viertägigen Betriebes ehestmöglich nachgeholt werden müssen. Wie die mündliche Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht ergeben hat, wurde der Erstbeschwerdeführer während der Einleitung von einem Mitarbeiter des Kanalisationsunternehmens sogar auf die Unzulässigkeit der Indirekteinleitung hingewiesen. Im Verfahren ist nicht hervorgekommen, dass seitens der Beschwerdeführer zumindest der Versuch unternommen wurde, ehestmöglich einen gesetzeskonformen Zustand herzustellen.

Dennoch ist das angefochtene Straferkenntnis zu beheben. Die Behörde hat dem Erstbeschwerdeführer nämlich vorgehalten, mit der zustimmungslosen Indirekteinleitung gegen § 137 Abs 2 Z 5 WRG 1959 verstoßen zu haben. Nach dieser Norm ist unter anderem zu bestrafen, wer ohne Bewilligung eine gemäß § 32b WRG 1959 bewilligungspflichtige Indirekteinleitung vornimmt. Dem Beschwerdeführer wird aber nicht vorgehalten, dass die Einleitung bewilligungspflichtig gewesen wäre, sondern, dass sie ohne Zustimmung des Kanalisationsunternehmens erfolgt sei. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Einleitung tatsächlich bewilligungspflichtig war. Nicht einmal die Verweigerung des Kanalisationsunternehmens hätte dazu geführt, dass die Indirekteinleitung bewilligungspflichtig geworden wäre. In diesem Fall hätte die Indirekteinleitung – abgesehen von allfälligen Zwangsrechten – bloß nicht stattfinden können (vgl VwGH 98/07/0003, 26.02.1998; 13.04.2000, 97/07/0167).

Der Gesetzgeber hat die Einleitung in eine Kanalisationsanlage ohne Zustimmung des Kanalisationsunternehmens in § 137 Abs 3 Z 3 WRG 1959 einem eigenen Straftatbestand unterstellt. Dieser setzt allerdings voraus, dass durch die Einleitung die Funktionsfähigkeit der Abwasserreinigungsanlage oder eines Gewässers geschädigt wird. Der Eintritt eines derartigen Schadens ist im vorliegenden Fall jedoch nicht ersichtlich und wurde dem Erstbeschwerdeführer auch nicht vorgehalten. Dieses wesentliche Sachverhaltselement fehlt im angefochtenen Spruch, weshalb dieser nicht den Anforderungen des § 44a Z 1 VStG für eine Bestrafung nach § 137 Abs 3 Z 3 WRG 1959 genügt.

Da hinsichtlich einer allfälligen Schädigung der Funktionsfähigkeit der Abwasserreinigungsanlage oder eines Gewässers innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist keine Verfolgungshandlung durch die Behörde gesetzt wurde, ist das Landesverwaltungsgericht auch nicht zu einer Korrektur des Schuldspruches berechtigt. Im Rechtsmittelverfahren kommt die Heranziehung eines anderen als des der Bestrafung zu Grunde gelegten Sachverhalts nämlich nicht mehr in Betracht (vgl VwGH 21.04.2020, Ra 2019/09/0099; 15.05.2017, Ra 2017/17/0214). Das angefochtene Straferkenntnis ist daher zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

IV.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.

Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen; dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Mag. Spielmann

(Richter)

Schlagworte

Indirekteinleiter

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2020:LVwG.2020.44.0939.3

Zuletzt aktualisiert am

14.08.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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