TE OGH 2020/5/4 5Ob59/20t

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Veröffentlicht am 04.05.2020
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann, die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Grundbuchsache des Antragstellers S*****, vertreten durch Dr. Roland Kassowitz, Rechtsanwalt in Wien, wegen Eintragung eines Bestandrechts an der Liegenschaft EZ ***** KG *****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 19. Dezember 2019, AZ 47 R 241/19t, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 126 Abs 2 GBG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Im

Grundbuch kann nach § 9 GBG unter anderem das Bestandrecht (§ 1095 ABGB) eingetragen werden. Voraussetzung für die Verbücherung eines Bestandrechts ist nicht nur die Zustimmung (also die Aufsandungserklärung) des Bestandgebers und Eigentümers, sondern auch, dass in der (die Eintragungsgrundlage bildenden) Vertragsurkunde die wesentlichen Vertragspunkte festgelegt sind (Rassi in Kodek, Grundbuchsrecht² § 19 GBG Rz 13, 14, 17 mwN).

2.1 Die Prüfung eines Gesuchs auf Eintragung eines Bestandvertrags erfolgt nach den Erfordernissen der §§ 26 ff GBG, das insbesondere auch § 32 GBG genügen muss (5 Ob 157/07k). § 26 Abs 2 GBG erfordert ua für den Erwerb eines Rechts, dass die Urkunde einen gültigen Rechtsgrund enthält.

2.2 Nach § 87 Abs 1 GBG sind Urkunden, aufgrund deren eine Eintragung erfolgen soll, im Original beizulegen. Diese Voraussetzung bezieht sich auf Grundbuchsurkunden, die in materieller und formeller Hinsicht die konstitutiven Voraussetzungen der vorzunehmenden Grundbuchshandlung enthalten (RIS-Justiz RS0061070). Ergeben sich die konstitutiven Voraussetzungen der vorzunehmenden Grundbuchshandlung aus mehreren Urkunden zusammen, dann sind alle einzelnen von ihnen Urkunden, aufgrund deren im Sinn des § 87 Abs 1 GBG die betreffende Eintragung erfolgen soll (vgl RS0061072; RS0061050).

2.3 Der Fachsenat hat daher mit Bezug auf Bestandverhältnisse bereits wiederholt ausgesprochen, dass dann, wenn eine Nachtragsurkunde Bezug auf die Urkunde über das Titelgeschäft nimmt, auch die Urkunde über das Titelgeschäft (Mietvertrag) als Grundbuchsurkunde in einer Form vorgelegt werden muss, die eine Eintragung zulässt (RS0124536).

3.1 Die vom Antragsteller seinem Begehren zugrunde gelegte Vereinbarung vom 10. 4. 2019 enthält zwar die für eine Einverleibung eines Bestandrechts notwendige Aufsandungserklärung, bestätigt aber lediglich den Umstand, dass die Vermieter Eigentümer der Liegenschaft sind und der Antragsteller Mieter einer näher bezeichneten Wohnung ist. Sie nennt Bestimmungen, die offensichtlich ab 1. 1. 2018 abweichend von der ursprünglichen vertraglichen Vereinbarung gelten sollen, wie die Höhe des Bestandzinses und eine Vertragsdauer von unbestimmter Zeit sowie die Vereinbarung, dass das ordentliche Kündigungsrecht des Liegenschaftserwerbers gemäß § 1120 ABGB für die gesamte Dauer des Mietverhältnisses nicht gelten soll.

3.2 Ihrem Wortlaut nach legt die vorgelegte Urkunde gerade nicht den Rechtsgrund für die begehrte Eintragung fest, soll doch damit das Mietverhältnis nicht erst begründet werden. Von einem solchen Verständnis geht auch der Revisionsrekurswerber nicht aus, wenn er darauf verweist, dass er die Vereinbarung vom 10. 4. 2019 als „Bestätigungsurkunde“ verstanden wissen will. Eine Willens- und Wissenserklärung über den ursprünglichen Vertragsinhalt kann dieser Urkunde mit der für das Grundbuchsverfahren erforderlichen Deutlichkeit (vgl dazu RS0060878) aber nicht entnommen werden. Zutreffend hat daher bereits das Rekursgericht darauf hingewiesen, dass die Vereinbarung zwar die Vermieter- und Mieterpositionen wiedergibt, aber keine Bekräftigung des ursprünglich abgeschlossenen Vertrags im Sinn der Entscheidung zu 5 Ob 110/06x enthält. Wie der Hinweis auf ab 1. 1. 2018 geltende Bedingungen deutlich macht, soll die vorgelegte Vereinbarung den eigentlichen Bestandvertrag offensichtlich abändern/ergänzen und bildet damit einen Nachtrag zu diesem. Es ist daher im Einzelfall (RS0060573 [T18]; RS0060878 [T55]) nicht zu beanstanden, wenn das Rekursgericht der dem Grundbuchsgesuch angeschlossenen Urkunde iSd § 94 Abs 1 Z 3 GBG die Eignung zur Bewilligung der begehrten Eintragung absprach, zumal allein aus dieser die Vereinbarung einer zeitlichen Bindung in Form einer Kündigungsbeschränkung mit der für das Grundbuchsverfahren gebotenen Eindeutigkeit (RS0060573) nicht erschlossen werden kann.

3.3 Aus dem Verbot der Einverleibung von Bestandverträgen auf unbestimmte Zeit (dazu RS0020445) folgt nämlich, dass sich aus der vorzulegenden Vertragsurkunde auch die vereinbarte Bestanddauer oder die entsprechenden Modifikationen des ordentlichen Kündigungsrechts ergeben müssen (Rassi aaO § 19 GBG Rz 21). Es reicht dabei aus, dass der Inhalt eines verbücherbaren Vertrags insoweit für einen Bestandnehmer vorteilhaft ist, dass das Vertragsverhältnis ohne seine Zustimmung erst nach der bedungenen Zeit erlischt (5 Ob 142/17v). Dafür genügt, dass der Bestandgeber für sich und seine Rechtsnachfolger auf die Geltendmachung von Kündigungsgründen verzichtet, die sonst bei einem unverbücherten Bestandrecht zur ordentlichen Aufkündigung des Bestandvertrags herangezogen werden könnten (RS0108658; RS0020428 [T3, T4]; RS0020445 [T3, T4]). Das ist aber allein bei einem Verzicht auf die in § 1120 ABGB vorgesehenen Rechtswirkungen, die schon durch die Einverleibung des Bestandrechts in das Grundbuch beseitigt werden (RS0020428 [T1, T2]), nicht der Fall.

4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 126 Abs 2 GBG iVm § 71 Abs 3 AußStrG).

Textnummer

E128709

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0050OB00059.20T.0504.000

Im RIS seit

14.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

29.12.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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