Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé und die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G***** G*****, vertreten durch Dr. Klaus Kollmann und andere Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagten Parteien 1. R***** GmbH, *****, und 2. D***** A*****, beide vertreten durch Dr. Helmut Destaller und andere Rechtsanwälte in Graz, wegen 56.307,98 EUR sA und Feststellung (Streitwert 10.000 EUR), über die außerordentliche Revision der erstbeklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 5. Dezember 2019, GZ 2 R 110/19t-35, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Die sich aus dem Vertrag ergebenden Nebenpflichten umfassen auch Schutz- und Sorgfaltspflichten (RS0017049 [T13]) und bestehen nicht nur zwischen den Vertragsparteien, sondern auch gegenüber bestimmten dritten Personen, die durch die Vertragserfüllung erkennbar in erhöhtem Maße gefährdet werden und der Interessenssphäre eines Vertragspartners angehören (RS0017195 [T6]), zu denen hier unstrittig auch der Kläger zählte. Die Frage, welche zumutbaren Schutzmaßnahmen vom Schutzpflichtigen zu treffen sind, ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und der Interessen der Beteiligten zu lösen (RS0026074).
2. Im vorliegenden Fall unterließ es der von der Erstbeklagten zur Behebung einer Störung bei dem von ihr dem Arbeitgeber des Klägers vermieteten „Backenbrecher“ abgestellte Zweitbeklagte, der nach dieser Störungsbehebung seine Unterstützung bei der Behebung eines weiteren Störfalls angeboten hatte, darauf hinzuweisen, dass mit weiteren Manipulationen an der Maschine bis zum gänzlichen Herunterfahren des Dieselaggregats zuzuwarten sei. Dies, obwohl er den weiterlaufenden Dieselmotor hören konnte und aufgrund früherer Wahrnehmungen damit rechnen musste, dass bei der Mieterin und ihren Mitarbeitern ein unzureichendes Gefahrenbewusstsein herrschte sowie, dass der Kläger und der Geschäftsführer der Mieterin bei der Behebung des weiteren Störfalls tätig werden würden. Tatsächlich kroch der Kläger, für den Zweitbeklagten nicht wahrnehmbar, bei abgestelltem Förderband, aber laufendem Dieselmotor in den Backenbrecher hinein, um ein dort eingekeiltes Eisenteil zu lösen. Während er danach wieder herunterstieg, setzte sich das Förderband in Bewegung, quetschte den Kläger ein und verletzte ihn schwer.
3. Das Berufungsgericht vertrat die Ansicht, dass die Wahrnehmung der die Sicherheitsvorschriften missachtenden Vorgangsweise der Mitarbeiter der Mieterin das Einschreiten des Zweitbeklagten als Repräsentanten der Erstbeklagten gefordert hätte, was sich jedenfalls auch auf die von ihm wahrgenommene Unterlassung der gänzlichen Abschaltung der Anlage trotz eines nur manuell behebbaren Störfalls bezieht. Wenn es angesichts dieses Sachverhalts von einem der Erstbeklagten zurechenbaren Verschulden des Zweitbeklagten im Ausmaß von einem Drittel ausging, ist darin keine Fehlbeurteilung im Einzelfall zu erkennen (RS0087606).
Textnummer
E128806European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2020:0020OB00020.20K.0629.000Im RIS seit
14.08.2020Zuletzt aktualisiert am
14.08.2020