TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/8 W134 2225864-2

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Veröffentlicht am 08.01.2020
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Entscheidungsdatum

08.01.2020

Norm

BVergG 2018 §327
BVergG 2018 §328 Abs1
BVergG 2018 §341
BVergG 2018 §36 Abs1 Z5
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

W134 2225864-1/4E

W134 2225864-2/25E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

1)

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Thomas Gruber als Vorsitzender sowie Mag. Lena Karasz als fachkundige Laienrichterin der Auftraggeberseite und Mag. Hagen Pleile als fachkundiger Laienrichter der Auftragnehmerseite betreffend das Vergabeverfahren "Kombiniertes Röntgenmess-Komplettsystem (Röntgenvollschutzgerät)" der Auftraggeberin Medizinische Universität Graz, Auenbruggerplatz 2, 8036 Graz, vertreten durch Schramm Öhler Rechtsanwälte OG, Bartensteingasse 2, 1010 Wien, aufgrund des Antrages der XXXX , vertreten durch Saxinger, Chalupsky & Partner Rechtsanwälte GmbH, Böhmerwaldstraße 14, 4020 Linz, vom 27.11.2019 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 13.12.2019 zu Recht erkannt:

A)

I. Der Antrag, das Bundesverwaltungsgericht möge "feststellen, dass die Durchführung des Verhandlungsverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung "Kombiniertes Röntgenmess-Komplettsystem (Röntgenvollschutzgerät)" durch die MedUni Graz wegen Verstoßes gegen das Bundesvergabegesetz 2018 rechtswidrig war" wird gem. § 334 BVergG 2018 abgewiesen.

II. Der Antrag, das Bundesverwaltungsgericht möge "den am 30.10.2019 geschlossenen Vertrag zwischen der MedUni Graz und der XXXX über die Lieferung eines kombinierten Röntgenmess-Komplettsystems (Röntgenvollschutzgerät) gemäß Bekanntgabe vergebener Aufträge im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union vom 31.10.2019, 2019/S 211-516414, für nichtig erklären" wird gem. § 334 BVergG 2018 abgewiesen.

III. Der Antrag, das Bundesverwaltungsgericht möge "in eventu über die Auftraggeberin MedUni Graz eine Geldbuße verhängen" wird gem. § 334 BVergG 2018 abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

2)

Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch den Richter Mag. Thomas Gruber betreffend das Vergabeverfahren "Kombiniertes Röntgenmess-Komplettsystem (Röntgenvollschutzgerät)" der Auftraggeberin Medizinische Universität Graz, Auenbruggerplatz 2, 8036 Graz, vertreten durch Schramm Öhler Rechtsanwälte OG, Bartensteingasse 2,1010 Wien, aufgrund des Antrages der XXXX , vertreten durch Saxinger, Chalupsky & Partner Rechtsanwälte GmbH, Böhmerwaldstraße 14, 4020 Linz, vom 27.11.2019 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 13.12.2019 folgenden Beschluss:

A)

Der Antrag gerichtet auf Ersatz der entrichteten Pauschalgebühren durch die Auftraggeberin wird gemäß § 341 BVergG 2018 abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Vorbringen der Parteien:

Mit Schreiben vom 27.11.2019, beim BVwG eingelangt am 28.11.2019, stellte die Antragstellerin die im Spruch genannten Anträge. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Auftraggeberin ein Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung zur Beschaffung eines kombinierten Röntgenmeßkomplettsystems durchgeführt habe. Erst aufgrund der erfolgten Bekanntmachung eines vergebenen Auftrags im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union vom 31.10.2019 sei der Antragstellerin bekannt geworden, dass die Auftraggeberin das gegenständliche Vergabeverfahren durchgeführt habe und der XXXX der Zuschlag erteilt worden sei. Die Auftraggeberin begründe die Zulässigkeit eines Verhandlungsverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung damit, dass es sich bei dem gegenständlichen Lieferauftrag um Leistungen im Sinne des § 36 Abs. 1 Z. 3 lit. a BVergG handle, die aus technischen Gründen nur von einem bestimmten Unternehmen ausgeführt werden könnten. Diese Begründung sei unzulässig, die Voraussetzungen zur Durchführung eines Verhandlungsverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung würden im vorliegenden Fall nicht vorliegen. Die Antragstellerin könnte die zu beschaffende Leistung ebenfalls erbringen.

Die Auftraggeberin brachte, soweit entscheidungsrelevant, zusammengefasst vor, dass die Wahl des Verhandlungsverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung mit einem Unternehmer gemäß § 36 Abs. 1 Z. 3 lit. a BVergG aufgrund des Vorliegens von technischen Besonderheiten des benötigten Leistungsgegenstandes im konkreten Fall zulässig sei. Die Zulässigkeit des Verhandlungsverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung gemäß § 36 Abs. 1 Z. 5 BVergG sei ebenfalls gegeben. Das Röntgenvollschutzgerät mit den von der MedUni Graz benötigten technischen Anforderungen sei eine Sonderanfertigung.

Am 15.11.2019 wurde eine mündliche Verhandlung im BVwG durchgeführt. Dabei wurde unter anderem Folgendes vorgebracht:

" XXXX : Zu welchen Zwecken wird das zu beschaffende Röntgenvollschutzgerät hergestellt?

XXXX : Das Röntgenvollschutzgerät wird zum Zweck der Entwicklung und Lieferung und anschließender Erprobung der Funktionalität des Röntgenvollschutzgerätes hergestellt. Dieses Gerät gibt es weltweit noch nicht und wird daher vom steirischen Forschungscluster erstmals entwickelt. Es besteht im Wesentlichen aus drei Komponenten: einer Röntgenkleinwinkelanlage ( XXXX ), einem Einkristall-Röntgendiffraktometer (SC-XRD) und einer MetalJet-Röntgenquelle. Diese drei Komponenten sind am Markt verfügbar und gilt es diese zusammenzustellen und zu integrieren. Damit die Kombination der genannten drei Geräte, also das Röntgenvollschutzgerät funktionsfähig wird, sind eine Vielzahl von Entwicklungs- und Erprobungsleistungen zu erbringen wie z.B. die Entwicklung einer neuen Software, die am Markt nicht erhältlich ist, der Röntgenschutz des Gesamtgerätes, der auch noch nicht am Markt erhältlich ist und die Entwicklung der Hardwarekomponenten, um das Zusammenspiel diese drei Geräte zu ermöglichen. Dabei müssen die beiden Teile ( XXXX und SC-XRD) unabhängig betreibbar sein und dürfen nicht interferieren (sich gegenseitig in ihrer Funktionalität stören). Die zu entwickelnde Software hat zwei Funktionen: das Betreiben und Steuern der beiden Teile ( XXXX und SC-XRD) und die Speicherung und Verwaltung der erhaltenen Daten. Es handelt sich um einen Prototypen, der das erste Röntgenvollschutzgerät der Welt mit den genannten Funktionalitäten darstellt.

XXXX : Wird dieses Gerät zu einem bestimmten Forschungs-, Versuchs-, Untersuchungsoder Entwicklungszweck hergestellt?

XXXX : Ich verweise auf das bisherige Vorbringen und auf die Beilage ./2. Es hat nur den Zweck der Herstellung.

XXXX : Wird dieses Gerät ausschließlich zu einem bestimmten Forschungszweck hergestellt und wenn ja, welcher?

XXXX : Der Zweck ist die Entwicklung und Überprüfung der Funktionalität des Röntgenvollschutzgerätes. Es handelt sich um eine Herstellung mit einem Forschungszweck.

XXXX : Der Forschungszweck bei der Herstellung des Röntgenvollschutzgerätes ist, ob das Gerät unseren Anforderungen die wir im Leistungsverzeichnis haben entspricht.

XXXX : Ist die Herstellung mit einem Forschungszweck verbunden?

XXXX : Ja.

XXXX : Wird das Röntgenvollschutzgerät zu einem Versuchszweck hergestellt und wenn ja, zu welchem?

XXXX : Ja und zwar zum Erproben, ob es prinzipiell möglich ist mit so einem Gerät für die Forschung verwertbare Daten zu bekommen.

XXXX : Es ist aus derzeitiger Sicht nicht sicher, dass wir mit dem Röntgenvollschutzgerät für die Forschung verwertbare Daten bekommen werden.

XXXX : Wird das Röntgenvollschutzgerät zu einem Untersuchungszweck hergestellt und wenn ja, zu welchem?

XXXX : Ja mit dem Zweck der Untersuchung, ob mit dem zu entwickelndem Röntgenvollschutzgerät die Forschungsaufgaben durchgeführt werden können. Ob dies gelingt ist nicht garantiert.

XXXX : Wird das Röntgenvollschutzgerät zu einem Entwicklungszweck hergestellt und wenn ja, zu welchem?

XXXX : Ja, zum Zweck der Entwicklung eines Gerätes mit dem geprüft werden kann, ob die Forschungsziele erreichbar sind.

XXXX : Gegenständlich geht es um das Kombinieren von am Markt erhältlichen Komponenten, namentlich des XXXX einerseits und des SC-XRD andererseits und Anschluss dieser beiden Komponenten an eine gemeinsame MetaUet-Röntgenquelle. Dafür sind Anpassungsleistungen erforderlich. Dieses Kombinieren und das dafür erforderliche Anpassen hätte die Firma XXXX auch genauso ausgeführt wie die Firma XXXX , sie hatte auch bereits Komponenten kombiniert, wie beispielsweise bei einem Projekt in den USA. Die Komponente des SC-XRD kauft die Firma XXXX dabei von einem anderen Marktteilnehmer zu, wie dies auch die Firma XXXX bewerkstelligt. Genauso wird der MetaUet zugekauft. In der Folge wird dann eine integrale Einheit hergestellt, die allen Anforderungen der MedUni Graz gerecht wird bzw. gerecht geworden wäre.

Was hier gegenständlich von Seiten der Auftraggeberin nunmehr als Forschungs-, Entwicklungs-, Versuchs-, und Untersuchungsleistungen dargestellt wird ist tatsächlich nichts anderes als das Durchführen von hardware- und softwaretechnischen Anpassungen. Das können im Übrigen neben der Firma XXXX und der Firma XXXX auch die Firma XXXX und auch die Firma XXXX , welche ebenso in der Lage sind Röntgenkomplettsysteme unter Integration der gegenständlichen Komponenten und gewünschten Funktionalitäten zu erbringen. Verwiesen wird hier etwa auch auf das Fotobild auf Seite 17 der Stellungnahme OZ13. Die Softwareinteraktion zwischen den Komponenten ist überschaubar und wird von der Firma XXXX problemlos softwaretechnisch und programmierungstechnisch problemlos genauso durchgeführt.

Hätte die Auftraggeberin ein Verhandlungsverfahren durchgeführt, welches nach Ansicht der Antragstellerin ohne weiteres bereits Anfang 2019, nachdem die Förderzusage erhalten gewesen war, bekannt gemacht und durchgeführt, dann hätte die Firma XXXX ein entsprechendes Gesamtröntgenkomplettsystem anbieten und auch die erforderlichen Adaptionsleistungen anbieten können. Wie sich auch aus dem Leistungsverzeichnis ergibt handelt es sich gegenständlich um sehr konkret vereinbarte Leistungsdetails, was bereits widerlegt, das beim Auftrag Forschungs-, Entwicklungs-, Untersuchungs- und Versuchszwecke maßgeblich wären. Es ist auch logisch, dass diese nicht maßgeblich sind, denn wie vorgebracht sind alle Komponenten am Markt verfügbar und sind diese lediglich an die Bedürfnisse und Anforderungen des gegenständlichen Falles anzupassen, wie das die Firma XXXX bereits in vielen Beschaffungen gemacht hat.

XXXX : Grundsätzlich schließen wir uns den Ausführungen von XXXX und XXXX an. Natürlich sind es Anpassungen, aber diese Anpassungen erfolgen im Rahmen einer Entwicklungs- bzw. Forschungstätigkeit und darauf ist abzustellen. Mit diesem Gerät soll unter anderem die Realisierung der Forschungsziele und die Einhaltung der Funktionalität an das Gerät erprobt werden.

XXXX : Ich verweise auf die Beilage ./2, der OZ13 und übergebe der Antragstellerin die Seiten 1 und 2 des Forschungsförderungsantrages (= Seiten 1 und 2 der Beilage ./2). Die Tatsache, dass die Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) für die Herstellung dieser Infrastruktur (des Röntgenvollschutzgerätes) eine Förderung gewährt, belegt, dass es sich nicht um eine bloße Anpassungsleistung handelt, sondern um eine Forschungs- und Entwicklungsleistung. Ich übergebe weiters der Antragstellerin einen Teil der Seite 13 des Forschungsförderungsantrages und zwar ab der Überschrift "relevant Products..." bis zum Ende der Seite. Daraus ist ersichtlich, dass das herzustellende Röntgenvollschutzgerät in der EU und auch international das erste seiner Art sein wird.

XXXX : Das Projekt wurde beim FFG von internationalen Gutachtern begutachtet und als förderungswürdig eingestuft. Entsprechend meiner Internetrecherche auf www.ffg.at wurden im Jahr 2018 16% der Förderanträge für Infrastruktur bewilligt.

XXXX : Zur bewilligten Förderung des FFG verweise ich auf die Beilage ./1 der OZ13, dem Förderungsvertrag der FFG vom 21.01.2019.

XXXX : Ein Forschungsziel ist die Herstellung und Entwicklung eines solchen Röntgenvollschutzgerätes. Des Weiteren ist die Förderung auch für die Infrastruktur des Röntgenvollschutzgerätes erfolgt, woraus sich ergibt, dass es sich hier eindeutig um eine Forschungstätigkeit handelt.

XXXX : Ich bestätige den Erhalt der von XXXX genannten Dokumente. Dazu folgendes: Daraus ergibt sich, dass nicht die Infrastruktur (das heißt, die Röntgenkomplettanlage) das Forschungsobjekt ist, sondern es wird darin klar festgehalten, dass es sich um eine Anschaffung von auf dem Markt bereits befindlichen Komponenten handelt. Verwiesen wird dabei auf die Überschrift auf Seite 13 sowie auf die Synopsis auf Seite 1 der Beilage ./2, dies ist stringent, denn die Firma XXXX bietet derartig kombinierte Geräte schon seit Jahren an, wie sich auch aus der Website www. XXXX .com/products/x-ray-diffraction-and-elemental- analysis/small-angle-x-ray-scattering/dual-port-metaljet.html ergibt.

Außerdem heißt der Hinweis auf Seite 13 drittletzter Absatz der Beilage 2, wonach eine solche Infrastruktur die erste in Österreich wäre ja gerade nicht, dass die XXXX die einzige Firma ist, die eine solche bereit stellen kann.

Nach der Argumentation der Auftraggeberin würde jede Beschaffung im Rahmen eines genehmigten FFG-Projektes dazu führen, dass der Auftraggeber diese nicht öffentlich bekanntmachen muss.

Es ist nicht nur nicht davon auszugehen, dass dies im Sinne der FFG ist. Es widerspricht überdies auch den dem Antragstellervertreter bekannten FFG-Bedingungen, wonach grundsätzlich mehrere Angebote einzuholen sind und eine öffentliche Ausschreibung gemäß BVergG durchzuführen ist, dies findet sich in den öffentlich einsehbaren Förderungsrichtlinien auf der FFG-Homepage, nicht zuletzt auch aus beihilfenrechtlichen Gründen. Zusammenfassend spricht der unstrittige Umstand, dass diese Beschaffung im Rahmen eines FFG-Vorhabens getätigt wird, nicht dafür, dass ein Verhandlungsverfahren ohne Bekanntmachung mit nur einem Bieter durchgeführt werden darf."

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt (schlüssiges Beweismittel)

Die Auftraggeberin Medizinische Universität Graz führte zur Beschaffung eines kombinierten Röntgenmess-Komplettsystems (Röntgenvollschutzgerät) ein Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung durch. Der Lieferauftrag wurde mit Beauftragungsschreiben vom 22.10.2019, gegengefertigt am 30.10.2019, an die XXXX , vergeben. Die Bekanntgabe der Zuschlagssentscheidung erfolgte in der EU am 31.10.2019 und in Österreich am 30.10.2019. Der Gesamtpreis ohne Ust beträgt Euro 1.249.500,--. (Schreiben der Auftraggeberin vom 02.12.2019)

Das zu beschaffende Röntgenvollschutzgerät wird zum Zweck der Entwicklung und Lieferung und anschließender Erprobung der Funktionalität des Röntgenvollschutzgerätes hergestellt. Dieses Gerät gibt es weltweit noch nicht und wird daher vom steirischen Forschungscluster erstmals entwickelt. Es besteht im Wesentlichen aus drei Komponenten: einer Röntgenkleinwinkelanlage ( XXXX ), einem Einkristall-Röntgendiffraktometer (SC-XRD) und einer MetalJet-Röntgenquelle. Diese drei Komponenten sind am Markt verfügbar und gilt es diese zusammenzustellen und zu integrieren. Damit die Kombination der genannten drei Geräte, also das Röntgenvollschutzgerät funktionsfähig wird, sind eine Vielzahl von Entwicklungs- und Erprobungsleistungen zu erbringen wie z.B. die Entwicklung einer neuen Software, die am Markt nicht erhältlich ist, der Röntgenschutz des Gesamtgerätes, der auch noch nicht am Markt erhältlich ist und die Entwicklung der Hardwarekomponenten, um das Zusammenspiel diese drei Geräte zu ermöglichen. Dabei müssen die beiden Teile ( XXXX und SC-XRD) unabhängig betreibbar sein und dürfen nicht interferieren (sich gegenseitig in ihrer Funktionalität stören). Die zu entwickelnde Software hat zwei Funktionen: das Betreiben und Steuern der beiden Teile ( XXXX und SC-XRD) und die Speicherung und Verwaltung der erhaltenen Daten. Es handelt sich um einen Prototypen, der das erste Röntgenvollschutzgerät der Welt mit den genannten Funktionalitäten darstellt. (schlüssiges und nachvollziehbares Vorbringen der Auftraggeberin in der mündlichen Verhandlung)

Der Auftrag umfasst keine Serienfertigung des Röntgenvollschutzgerätes. (Ausschreibungsunterlagen; Schreiben der Auftraggeberin vom 07.01.2020)

2. Beweiswürdigung:

Der Sachverhalt ergibt sich schlüssig aus den oben in Klammer genannten Quellen. Bei der Beweiswürdigung haben sich gegen die Echtheit und Richtigkeit der Vergabeunterlagen des Auftraggebers keine Bedenken ergeben.

3. Rechtliche Beurteilung

3.a) Zu Spruchpunkt 1) A):

Die Ausschreibungsunterlagen, welche mangels rechtzeitiger Anfechtung bestandsfest wurden und an welche daher alle am Vergabeverfahren Beteiligten gebunden sind, sind nach dem objektiven Erklärungswert für einen durchschnittlich fachkundigen Bieter bei Anwendung der üblichen Sorgfalt auszulegen (VwGH 17. 6. 2014, 2013/04/0029; VwGH 14. 4. 2011, 2008/04/0065; VwGH 15. 3. 2017, Ra 2014/04/0052).

Die Antragstellerin hat zusammengefasst vorgebracht, dass die Auftraggeberin die Wahl des Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung gestützt auf § 36 Abs. 1 BVergG rechtswidrig sei, da die im Gesetz genannten Gründe für die Wahl dieser Vergabeverfahrensart nicht vorliegen würden. Weder könne die Lieferung nur von einem bestimmten Unternehmer erbracht werden, weil aus technischen Gründen ein Wettbewerb nicht vorhanden sei (§ 36 Abs. 1 Z. 3 lit. a BVergG), noch könnte der Lieferauftrag im Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung vergeben werden, weil es sich um Waren handle, die ausschließlich zu Forschung-, Versuchs-, Untersuchung- oder Entwicklungszwecken hergestellt würden (§ 36 Abs. 1 Z. 5 BVergG). Gegenständlich gehe es um das Kombinieren von am Markt erhältlichen Komponenten, namentlich des XXXX einerseits und des SC-XRD andererseits und Anschluss dieser beiden Komponenten an eine gemeinsame Metaljet-Röntgenquelle. Dafür seien Anpassungsleistungen erforderlich. Dieses Kombinieren und das dafür erforderliche Anpassen hätte die Firma XXXX auch genauso ausgeführt wie die Firma XXXX . Was hier gegenständlich von Seiten der Auftraggeberin als Forschungs-, Entwicklungs-, Versuchs-, und Untersuchungsleistungen dargestellt werde, sei tatsächlich nichts anderes als das Durchführen von hardware- und softwaretechnischen Anpassungen. Das könnten im Übrigen neben der Firma XXXX und der Firma XXXX auch die Firma XXXX und auch die Firma XXXX . Die Softwareinteraktion zwischen den Komponenten sei überschaubar und könnte von der Firma XXXX problemlos softwaretechnisch und programmierungstechnisch problemlos genauso durchgeführt werden.

§ 36 Abs 1 Z 5 BVergG 2018, BGBl. I Nr. 65/2018, lautet:

"§ 36. (1) Lieferaufträge können im Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung vergeben werden, wenn

5. es sich um Waren handelt, die ausschließlich zu Forschungs-, Versuchs-, Untersuchungs- oder Entwicklungszwecken hergestellt werden, wobei der Lieferauftrag jedoch nicht die Serienfertigung zum Nachweis der Marktfähigkeit der Ware oder zur Deckung der Forschungs- und Entwicklungskosten umfassen darf, oder"

Die Erläuterungen zu § 36 Abs 1 Z 5 BVergG 2018, 69 der Beilagen XXVI. GP, 70, lauten:

"Abs. 1 Z 5 trifft Vorkehrungen für den Fall, dass bei Forschungsarbeiten mit besonders vertraulichen Daten diesem Umstand durch die Wahl des Verhandlungsverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung Rechnung getragen können werden soll. Unter die Forschungs- und Entwicklungskosten sind auch die Kosten für Forschungs- und Versuchslaboratorien zu subsumieren. Aus dem Gebot der restriktiven Interpretation ergibt sich, dass von diesem Ausnahmetatbestand nur die Lieferung von Prototypen oder limitierten Testserien umfasst ist; bereits fertig entwickelte/getestete Produkte fallen hingegen nicht unter die Z 5, selbst wenn sie von Forschungsinstituten für ihre Forschungstätigkeit verwendet werden (vgl. auch EuG Rs T-54/11, Kommission gegen Spanien, Rz 41)."

Aus dem schlüssigen und nachvollziehbaren Vorbringen der Auftraggeberin in der mündlichen Verhandlung ergibt sich folgendes: Das zu beschaffende Röntgenvollschutzgerät wird zum Zweck der Entwicklung und Lieferung und anschließender Erprobung der Funktionalität des Röntgenvollschutzgerätes hergestellt. Dieses Gerät gibt es weltweit noch nicht und wird daher vom steirischen Forschungscluster erstmals entwickelt. Es besteht im Wesentlichen aus drei Komponenten: einer Röntgenkleinwinkelanlage ( XXXX ), einem Einkristall-Röntgendiffraktometer (SC-XRD) und einer MetalJet-Röntgenquelle. Diese drei Komponenten sind am Markt verfügbar und gilt es diese zusammenzustellen und zu integrieren. Damit die Kombination der genannten drei Geräte, also das Röntgenvollschutzgerät funktionsfähig wird, sind eine Vielzahl von Entwicklungs- und Erprobungsleistungen zu erbringen wie z.B. die Entwicklung einer neuen Software, die am Markt nicht erhältlich ist, der Röntgenschutz des Gesamtgerätes, der auch noch nicht am Markt erhältlich ist und die Entwicklung der Hardwarekomponenten, um das Zusammenspiel diese drei Geräte zu ermöglichen. Dabei müssen die beiden Teile ( XXXX und SC-XRD) unabhängig betreibbar sein und dürfen nicht interferieren (sich gegenseitig in ihrer Funktionalität stören). Die zu entwickelnde Software hat zwei Funktionen: das Betreiben und Steuern der beiden Teile (SAXS und SC-XRD) und die Speicherung und Verwaltung der erhaltenen Daten. Es handelt sich um einen Prototypen, der das erste Röntgenvollschutzgerät der Welt mit den genannten Funktionalitäten darstellt.

Bei dem zu beschaffenden Röntgenvollschutzgerät handelt es sich im Sinne des § 36 Abs. 1 Z. 5 BVergG 2018 um eine Ware, die ausschließlich zu Forschungszwecken hergestellt wird. Wie die Auftraggeberin in der mündlichen Verhandlung schlüssig und nachvollziehbar angegeben hat besteht der Forschungszweck bei der Herstellung des Röntgenvollschutzgerätes darin zu erforschen, ob das Gerät den Anforderungen der Auftraggeberin, die sie im Leistungsverzeichnis aufgestellt hat, entspricht.

Bei dem zu beschaffenden Röntgenvollschutzgerät handelt es sich im Sinne des § 36 Abs. 1 Z. 5 BVergG 2018 um eine Ware, die auch ausschließlich zu Versuchszwecken hergestellt wird. Wie die Auftraggeberin in der mündlichen Verhandlung schlüssig und nachvollziehbar angegeben hat besteht der Versuchszweck bei der Herstellung des Röntgenvollschutzgerätes darin zu erproben, ob ob es prinzipiell möglich ist mit so einem Gerät für die Forschung verwertbare Daten zu bekommen, wobei es aus derzeitiger Sicht nicht sicher ist, dass die Auftraggeberin mit dem Röntgenvollschutzgerät für die Forschung verwertbare Daten bekommen wird.

Bei dem zu beschaffenden Röntgenvollschutzgerät handelt es sich im Sinne des § 36 Abs. 1 Z. 5 BVergG 2018 um eine Ware, die auch ausschließlich zu Untersuchungszwecken hergestellt wird. Wie die Auftraggeberin in der mündlichen Verhandlung schlüssig und nachvollziehbar angegeben hat besteht der Untersuchungszweck bei der Herstellung des Röntgenvollschutzgerätes darin zu erproben, ob mit dem zu entwickelnden Röntgenvollschutzgerät die Forschungsaufgaben durchgeführt werden können, wobei es nicht garantiert ist, ob dies gelingt.

Bei dem zu beschaffenden Röntgenvollschutzgerät handelt es sich im Sinne des § 36 Abs. 1 Z. 5 BVergG 2018 um eine Ware, die auch ausschließlich zu Entwicklungszwecken hergestellt wird. Wie die Auftraggeberin in der mündlichen Verhandlung schlüssig und nachvollziehbar angegeben hat besteht der Entwicklungszweck bei der Herstellung des Röntgenvollschutzgerätes darin zu prüfen, ob die Forschungsziele erreichbar sind.

Da es sich bei dem zu beschaffenden Röntgenvollschutzgerät um einen Prototypen handelt und eine Serienfertigung offenkundig entsprechend den Ausschreibungsunterlagen und auch dem Schreiben der Auftraggeberin vom 07.01.2020 nicht umfasst ist, umfasst der Lieferauftrag iSd § 36 Abs 1 Z 5 BVergG 2018 nicht die Serienfertigung zum Nachweis der Marktfähigkeit der Ware oder zur Deckung der Forschungs- und Entwicklungskosten.

Es handelt sich somit bei dem zu beschaffenden Röntgenvollschutzgerät um einen Prototypen und iSd. § 36 Abs 1 Z 5 BVergG 2018 um eine Ware, die ausschließlich zu Forschung-,

Versuchs-, Untersuchungs- und Entwicklungzwecken hergestellt wird, wobei der Lieferauftrag jedoch nicht die Serienfertigung zum Nachweis der Marktfähigkeit der Ware oder zur Deckung der Forschungs- und Entwicklungskosten umfasst. Der gegenständliche Lieferauftrag konnte daher zu Recht aufgrund des Ausnahmetatbestandes des § 36 Abs 1 Z 5 BVergG 2018 im Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung vergeben werden.

Wenn die Antragstellerin vorbringt, gegenständlich gehe es um das Kombinieren von am Markt erhältlichen Komponenten, namentlich des XXXX einerseits und des SC-XRD andererseits und Anschluss dieser beiden Komponenten an eine gemeinsame MetalJet-Röntgenquelle; dafür seien Anpassungsleistungen erforderlich; dieses Kombinieren und das dafür erforderliche Anpassen hätte die Firma XXXX auch genauso ausgeführt wie die Firma XXXX , so ist ihr entgegenzuhalten, dass es sich auch bei der Kombination, Zusammenstellung und Integration von drei Geräten, die am Markt verfügbar sind zu einem Prototypen um eine Ware iSd § 36 Abs 1 Z 5 BVergG 2018 die ausschließlich zu Forschung-, Versuchs-, Untersuchungs- und Entwicklungzwecken hergestellt wird, handeln kann und gegenständlich auch handelt. Ob auch andere Unternehmer diesen Prototyp herstellen hätten können ist für den Ausnahmetatbestand des § 36 Abs. 1 Z. 5 BVergG 2018 nicht relevant.

3.b) Zu Spruchpunkt 2) A) - Gebührenersatz:

Da die Antragstellerin nicht obsiegt hat, hat sie gemäß § 341 BVergG 2018 keinen Anspruch auf Gebührenersatz durch die Auftraggeberin.

B) Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. dazu die im Erkenntnis zitierten Erkenntnisse des VwGH) ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Feststellungsantrag Feststellungsverfahren mündliche Verhandlung Pauschalgebührenersatz Vergabeverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W134.2225864.2.00

Im RIS seit

14.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

14.08.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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