TE Vwgh Erkenntnis 1998/1/14 95/01/0486

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Veröffentlicht am 14.01.1998
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1968 §1;
AVG §37;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des Seddoh Ahadji, geboren am 30. Juni 1955, vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in Graz, Jakominiplatz 16/II, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 5. September 1995, Zl. 4.339.540/9-III/13/95, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Togo, der am 26. Juli 1991 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 30. Juli 1991 den Asylantrag gestellt hat, gab bei seiner niederschriftlichen Vernehmung durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark am 20. März 1992 zu seinen Fluchtgründen im wesentlichen folgendes an:

Es habe seit seiner Geburt in Ghana gelebt. Am 5. Juli 1991 sei er nach Togo gereist, um dort seine Kinder zu besuchen. Anläßlich der Einreise sei er festgenommen worden, weil kurz davor ein (versuchter) Regierungsumsturz stattgefunden habe und jene Staatsangehörigen von Togo, die in Ghana lebten, dafür verantwortlich gemacht worden seien. Vom 6. bis 9. Juli 1991 habe er sich in Polizeihaft befunden. Bei einem Häftlingsausgang sei ihm die Flucht gelungen. Bis zu diesem Vorfall habe er weder in Togo noch in Ghana Probleme mit den Behörden gehabt. Er sei nie verfolgt oder grundlos in Haft genommen worden.

Mit Bescheid vom 25. August 1992 hat die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich festgestellt, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling sei.

In der dagegen gerichteten Berufung führte der Beschwerdeführer neuerlich aus, daß er wegen der ihm unterstellten Beteiligung an regierungsfeindlichen Aktionen bzw. an einem Putschversuch verhaftet worden und ihm daher die Rückkehr nach Togo nicht möglich sei. Bei einer neuerlichen Einreise in dieses Land würde er sofort wieder verhaftet werden. Auch in Ghana würde er wegen seines kurzfristigen Aufenthaltes in Togo regierungsfeindlicher Aktivitäten beschuldigt.

Der Bescheid der belangten Behörde vom 18. Juli 1994, mit welchem diese Berufung abgewiesen worden war, wurde mit hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 1995, Zl. 94/19/1312, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, weil die belangte Behörde zu Unrecht bereits das Asylgesetz 1991 angewendet hatte und zu dem Ergebnis gekommen war, daß der in diesem Gesetz normierte Asylausschließungsgrund der "Verfolgungssicherheit" gegeben sei.

Mit Bescheid vom 5. September 1995 hat der Bundesminister für Inneres die Berufung neuerlich abgewiesen und ausgesprochen, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes (1968) sei.

Die belangte Behörde stellte dabei entsprechend dem Vorbringen des Beschwerdeführers fest, daß dieser am 5. Juli 1991 anläßlich seiner Einreise nach Togo verhaftet und anschließend in Polizeihaft genommen worden sei, aus der er am 9. Juli 1991 habe fliehen können. Grund dafür sei gewesen, daß die Behörden von Togo die Verantwortlichen für einen kurz zuvor versuchten Regierungsumsturz unter jenen togoischen Staatsangehörigen vermutet hätten, die in Ghana lebten. Sie kam jedoch zu dem Ergebnis, daß aus diesem Sachverhalt eine Verfolgung des Beschwerdeführers aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen nicht ableitbar sei.

Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die belangte Behörde geht davon aus, daß es sich bei der Beteiligung an einem Putschversuch, welche dem Beschwerdeführer als in Ghana lebender Staatsangehöriger von Togo von den Behörden dieses Staates unterstellt werde, um ein gerichtlich strafbares Delikt handle und daraus eine politische Verfolgung nicht abgeleitet werden könne, zumal der Beschwerdeführer davor nie Probleme mit den Behörden gehabt habe. Dem ist zu entgegnen, daß eine Verfolgung wegen politischer Gesinnung auch vorliegt, wenn dem Asylwerber von den Behörden seines Heimatlandes eine politische Gesinnung unterstellt wird, die er in Wahrheit gar nicht hat. Es kann aber wohl kein Zweifel daran bestehen, daß jemandem, dem vorgeworfen wird, an einem Putschversuch beteiligt gewesen zu sein, damit auch eine regimefeindliche politische Gesinnung unterstellt wird (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 30. September 1997, Zl. 96/01/0871). Die Strafbarkeit eines solchen Verhaltens vermag daran nichts zu ändern. Insofern hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt.

Soweit den Ausführungen im angefochtenen Bescheid entnommen werden kann, daß dem Beschwerdeführer nach Ansicht der belangten Behörde zugemutet werden könne, sich einem Gerichtsverfahren wegen des Verdachts der Beteiligung an dem Putschversuch zu stellen - und sich dabei seine Unschuld herausstellen werde -, ist ihr zu entgegnen, daß sie keine dazu notwendigen Feststellungen über die Vorgangsweise der Behörden und Gerichte von Togo gegenüber Personen, die eines politischen Deliktes verdächtig sind, getroffen hat. Aus der Tatsache, daß sich der Beschwerdeführer nur drei Tage in Haft befunden hat, läßt sich für diese Frage nichts gewinnen, weil der Beschwerdeführer nach den Feststellungen der belangten Behörde aus dem Gefängnis geflohen ist.

Es sei hinzugefügt, daß der Verwaltungsgerichtshof der Anregung des Beschwerdeführers, ein Gesetzesprüfungsverfahren bezüglich § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 einzuleiten, schon deshalb nicht folgen kann, weil im vorliegenden Fall nicht das Asylgesetz 1991, sondern das Asylgesetz (1968) angewendet wurde.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Von der vom Beschwerdeführer beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1995010486.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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