TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/29 I407 2219574-1

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Veröffentlicht am 29.02.2020
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Entscheidungsdatum

29.02.2020

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §54
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §55 Abs1
AsylG 2005 §58 Abs1
AsylG 2005 §8
AVG §13 Abs7
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §52
VwGVG §17
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §31 Abs1
VwGVG §7 Abs2

Spruch

I407 2219574-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Stefan MUMELTER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. am XXXX, StA. Nigeria, vertreten durch MigrantInnenverein St. Marx, Pulverturmgasse 4/2/R1, 1090 Wien gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX, Zl. XXXX beschlossen und zu Recht erkannt:

A)

1. Das Beschwerdeverfahren gegen die Spruchpunkte I. und II. des Bescheides des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX wird wegen Zurückziehung der Beschwerde gem. §§ 28 Abs. 1 iVm 31 Abs. 1, 7 Abs 2 VwGVG eingestellt.

2. Der Beschwerde gegen die Spruchpunkte III., IV., V. und VI. wird stattgegeben, eine Rückkehrentscheidung gemäß § 9 BFA-Verfahrensgesetz auf Dauer für unzulässig erklärt und XXXX gemäß §§ 54, 55 Abs. 1 und 58 Abs. 1 AsylG 2005 der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Am XXXX wurde der mj. Beschwerdeführer in Wien, Österreich, als Sohn der XXXX, geb. am XXXX, StA. Nigeria, geboren und ist diese seine gesetzliche Vertreterin. Am 28.11.2018 wurde die Geburt dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) angezeigt und damit gem. § 17a AsylG der verfahrensgegenständliche Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

Mit Bescheid vom XXXX, Zl. XXXX, wies das BFA den Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.). Der Antrag wurde gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria abgewiesen (Spruchpunkt II.). Dem Beschwerdeführer wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG in Verbindung mit § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 mit 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).

Gegen diesen Bescheid richtet sich die am 27.05.2019 erhobene Beschwerde, mit welcher der Bescheid in vollem Umfang angefochten wurde. Es wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge den gegenständlichen Bescheid dahingehend abändern, dass dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt werde; feststellen, dass eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist; die Unzulässigkeit der Abschiebung feststellen; eine Duldungskarte erteilen sowie eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.

Beschwerde und Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 03.06.2019 vorgelegt.

Mit Schreiben vom 29.11.2019 wurde die Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. zurückgezogen und beantragt, den der Mutter des Beschwerdeführers mit Erkenntnis vom 01.08.2019 erteilten Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung Plus" auf den Beschwerdeführer zu erstrecken.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zum Sachverhalt ist zunächst auf die unter Punkt I. getroffenen Ausführungen zu verweisen.

Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens steht nachfolgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt als erwiesen fest:

Der Beschwerdeführer weist den im Spruch genannten Namen und Geburtsdatum auf und ist nigerianischer Staatsbürger. Seine Identität sowie die Familieneigenschaft stehen fest.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX, wurde der Mutter des Beschwerdeführers der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung Plus" für die Dauer von zwölf Monaten erteilt sowie eine Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig erklärt.

Der Beschwerdeführer hat seine Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheids mit Schreiben vom 29.11.2019 zurückgezogen.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus dem Akt der belangten Behörde und den Gerichtsakten welche insoweit unbedenklich sind.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Entfall der mündlichen Verhandlung

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG wonach das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen hat.

Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur vergleichbaren Regelung des § 67d AVG (vgl. VwGH 24.04.2003, 2002/07/0076) wird die Durchführung der Verhandlung damit ins pflichtgemäße Ermessen des Verwaltungsgerichts gestellt, wobei die Wendung "wenn es dies für erforderlich hält" schon iSd rechtsstaatlichen Prinzips nach objektiven Kriterien zu interpretieren sein wird (vgl. VwGH 20.12.2005, 2005/05/0017). In diesem Sinne ist eine Verhandlung als erforderlich anzusehen, wenn es nach Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 Abs. 2 GRC geboten ist, wobei gemäß Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes der Umfang der Garantien und des Schutzes der Bestimmungen ident sind. Zudem wurde vom Beschwerdeführer kein Vorbringen erstattet, welches eine weitere Erörterung im Rahmen einer mündlichen Verhandlung notwendig erschienen ließ.

Die Einstellung des Beschwerdeverfahrens wegen Zurückziehung der Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. kommt inhaltlich einer Zurückweisung gleich. Für eine Zurückweisung sieht § 24 Abs. 1 Z 1 VwGVG ausdrücklich die Möglichkeit des Entfalls der mündlichen Verhandlung vor.

Hinsichtlich der übrigen Spruchpunkte stand der Sachverhalt aufgrund der Aktenlage jedenfalls zweifelsfrei fest, sodass für den erkennenden Richter daher unter Beachtung der Wahrung der Verfahrensökonomie und -effizienz und im Hinblick auf die obigen Überlegungen von einer mündlichen Verhandlung abzusehen war, zumal auch eine weitere Klärung der Rechtssache hierdurch nicht zu erwarten war.

Spruchpunkt A 1)

3.2. Einstellung des Beschwerdeverfahrens

Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, erfolgen gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG die Entscheidungen und Anordnungen des Bundesverwaltungsgerichtes durch Beschluss.

In welchen Fällen das Verfahren einzustellen ist, regelt das VwGVG nicht. Die Einstellung steht nach allgemeinem Verständnis am Ende jener Verfahren, in denen ein Erledigungsanspruch nach Beschwerdeeinbringung verloren geht, worunter auch der Fall der Zurückziehung der Beschwerde zu subsumieren ist (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren [2013] § 28 VwGVG, Anm. 5).

Die Zurückziehung einer Beschwerde ist in jeder Lage des Verfahrens ab Einbringung der Beschwerde bis zur Erlassung der Entscheidung möglich (§ 7 Abs. 2 VwGVG, § 17 VwGVG iVm. § 13 Abs. 7 AVG).

Der angefochtene Bescheid ist aufgrund der vom Beschwerdeführer erklärten Zurückziehung der Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. rechtskräftig geworden. Damit ist einer Sachentscheidung insoweit die Grundlage entzogen, weshalb in diesem Umfang mit Beschluss die Einstellung des betreffenden Verfahrens auszusprechen ist.

Spruchpunkt A2)

3.3. Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung

Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" titulierte § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:

"(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden ingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.-die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2.-das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3.-die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4.-der Grad der Integration,

5.-die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6.-die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7.-Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8.-die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9.-die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre."

Im Hinblick darauf, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen 15 Monate alten Säugling handelt, ist aufgrund der Bindung zur Mutter jedenfalls von einer solchen Schutzwürdigkeit des Familienlebens auszugehen, welche im Sinne einer Abwägung gegenüber dem öffentlichen Interesse an geordneter Migration überwiegt, sodass über die angefochtene Rückkehrentscheidung spruchgemäß zu entscheiden war.

Spruchpunkt B)

3.4. Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Da sich das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung daher auf eindeutige Rechtsvorschriften gestützt hat, liegt keine erhebliche Rechtsfrage vor (vgl. OGH 11.08.2008, 1 Ob 137/08s; 30.03.1998, 8 ObA 296/97f und 22.03.1992, 5 Ob 105/90).

Schlagworte

Asylverfahren Aufenthaltsberechtigung plus Aufenthaltstitel befristete Aufenthaltsberechtigung Beschwerdeverzicht Beschwerdezurückziehung Einstellung Interessenabwägung Kind öffentliche Interessen Privat- und Familienleben private Interessen Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig Schutz des Familienlebens Schutzwürdigkeit subsidiärer Schutz Verfahrenseinstellung Zurückziehung Zurückziehung der Beschwerde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I407.2219574.1.00

Im RIS seit

14.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

14.08.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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