Index
41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1968 §1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des Jozef Dobra in Linz, geboren am 14. Juli 1970, vertreten durch Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in Linz, Mozartstraße 11, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 22. März 1996, Zl. 4.339.079/5-III/13/96, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der "Jugosl. Föderation", der am 11. Mai 1992 in das Bundesgebiet eingereist ist, hat den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 15. Juli 1992, mit dem festgestellt worden war, daß ihm die Flüchtlingseigenschaft nicht zukomme, mit Berufung bekämpft.
Nach der mit hg. Erkenntnis vom 30. Juni 1994, Zl. 94/01/0328, wegen der rechtsirrigen Anwendung des Asylgesetzes 1991 ausgesprochenen Aufhebung ihres über diese Berufung ergangenen Bescheides vom 14. Februar 1994 wies die belangte Behörde mit Bescheid vom 22. März 1996 die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG neuerlich ab.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Der Beschwerdeführer hat bei seiner Ersteinvernahme durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich am 14. Juli 1992 angegeben, er sei nicht Mitglied einer politischen Organisation, gehöre aber der ungarischen Minderheit in "Serbien-Vojvodina" an und habe aus diesem Grund schon vor Ausbruch des Krieges wiederholt "Probleme" gehabt, weil er von den Serben immer beschimpft worden sei und die serbische Miliz beim Einschreiten im Zusammenhang mit tätlichen Auseinandersetzungen immer nur Angehörigen der ungarischen Minderheit die Schuld zuschiebe. Ansonsten habe er vor Ausbruch des Krieges keine konkreten Probleme gehabt und habe auch seine Religion frei ausüben können. Er habe bis 15. Jänner 1992 seinen Militärdienst bei der Bundesarmee geleistet, sei aber nie bei Kampfhandlungen eingesetzt gewesen. Ende April 1992 sei der Gemeindediener bei ihm zu Hause erschienen und habe ihm erklärt, er müsse sich zwecks Eingliederung in die Volksverteidigung am Gemeindeamt melden. Dieser Vorladung sei der Beschwerdeführer nicht nachgekommen, weil er nicht mit den Serben gegen die Kroaten habe kämpfen wollen. Als Katholik verbiete ihm sein Glauben, Menschen zu töten; außerdem sei es der Krieg der Serben und nicht seiner. Da er im Fall seiner Verhaftung in Serbien wegen Wehrdienstverweigerung mit einer Freiheitsstrafe von fünf bis sechs Jahren zu rechnen habe, habe er sich zum Verlassen seines Heimatlandes entschlossen. Von seiner Mutter habe er in einem Brief erfahren, daß er nach seiner Flucht abermals einen Einberufungsbefehl "bekommen habe".
In seiner Berufung machte der Beschwerdeführer geltend, der Behörde erster Instanz müßten die Minderheitenvertreibungspolitik und die "Anwendungspraktiken" des serbischen Regimes sowie der militanten Gruppen bekannt sein. Dieses Regime beachte zur Durchsetzung seiner politischen Ziele weder Menschenrechte noch nehme es Rücksicht auf die eigene Bevölkerung; es gehe gegen jene Gruppen, die - wie der Beschwerdeführer auch - nicht mit der Vertreibungspolitik und dem damit verbundenen Töten einverstanden seien, grausamst vor. Für Minderheiten gebe es keine andere Möglichkeit als entweder Opfer unberechtigter Besitzansprüche zu werden oder als Kanonenfutter an vorderster Front zu stehen bzw. zu flüchten. Der Beschwerdeführer habe sich für letzteres entschieden, weil er das serbische Regime nicht in seiner "Rechtlosigkeit" unterstützen und nicht dadurch zu Tode kommen wolle. Mit seiner auf eine friedliche Lösung des Konfliktes gerichteten Einstellung sei er in seinem Staat aufs ärgste gefährdet. Er beantrage daher die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung und die Unterstützung durch einen Flüchtlingsberater.
Die belangte Behörde hat die Abweisung der Berufung des Beschwerdeführers zunächst in Übereinstimmung mit der hg. Rechtsprechung (vgl. für viele andere z.B. das hg. Erkenntnis vom 11. November 1997, Zl. 96/01/0455) damit begründet, daß die Zugehörigkeit zu einer Volksgruppe allein die Anerkennung als Konventionsflüchtling nicht zu rechtfertigen vermöge. Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren lediglich allgemeine Unbilden, der die ungarische Volksgruppe in der Vojvodina ausgesetzt sei, und insbesondere nicht näher konkretisierte Schwierigkeiten im Zusammenhang mit tätlichen Auseinandersetzungen ins Treffen geführt. Der belangten Behörde ist daher beizupflichten, wenn sie den vom Beschwerdeführer geschilderten Umständen nicht die für die Erlangung der Flüchtlingseigenschaft erforderliche Intensität im Hinblick auf eine Bedrohung der Lebensgrundlage beigemessen hat.
Die belangte Behörde hat weiters ausgeführt, daß die Einberufung zum Militärdienst bzw. die Verweigerung, diesen abzuleisten, aber auch die Furcht vor einer aus diesen Gründen drohenden Strafe nicht als asylbegründende Tatsachen angesehen werden könnten. Im Zusammenhang damit stellte die belangte Behörde die Praxis der jugoslawischen Militärbehörden bei der Einberufung dar und verwies darauf, daß weder bei der Einberufung noch bei der Strafverfolgung an ethnischen Kriterien anknüpfende Unterscheidungen getroffen würden.
Der belangten Behörde ist darin beizupflichten, daß die Verweigerung der Ableistung des Militärdienstes - sei es durch Nichtbefolgung eines Einberufungsbefehls, sei es durch Desertion - nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für sich allein nicht die Anerkennung eines Asylwerbers als Flüchtling rechtfertigt. Der Verwaltungsgerichtshof geht allerdings von einer asylrechtlich relevanten Furcht vor Verfolgung in solchen Fällen aus, in denen die Einberufung aus einem der in Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Gründe erfolgt, in denen damit gerechnet werden müßte, daß ein Asylwerber hinsichtlich seiner Behandlung oder seines Einsatzes während des Militärdienstes aus diesen Gründen im Vergleich zu Angehörigen anderer Gruppierungen in erheblicher, die Intensität einer Verfolgung erreichender Weise benachteiligt würde, oder in denen davon auszugehen ist, daß dem Asylwerber aus diesen Gründen eine - im Vergleich zu anderen Staatsangehörigen - härtere Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung droht (vgl. insbesondere das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 29. Juni 1994, Zl. 93/01/0377, Slg. Nr. 14.089/A). Soweit der Beschwerdeführer die Auffassung vertreten hat, er würde als Angehöriger der ungarischen Minderheit als "Kanonenfutter" an vorderster Front eingesetzt, hat die belangte Behörde auch darauf verwiesen, daß sich die Truppen der "ehemaligen SFRJ" bereits im April 1992 aus Bosnien-Herzegowina und bereits früher aus Kroatien zurückgezogen hätten. Hinsichtlich dieser Feststellungen hat die belangte Behörde zwar nicht das Parteiengehör gewahrt, sodaß der Beschwerdeführer nicht gehindert gewesen wäre, diesen Ausführungen in der Beschwerde eigenes, neues Tatsachenvorbringen entgegenzusetzen. Von dieser Möglichkeit hat der Beschwerdeführer aber in der Beschwerde keinen Gebrauch gemacht. Ebensowenig hat er in der Beschwerde ein Tatsachenvorbringen erstattet, das der Feststellung der belangten Behörde, es würden hinsichtlich der Strafverfolgung und -bemessung im Zusammenhang mit Wehrdienstverweigerung keine an ethnischen Kriterien anknüpfende Unterschiede gemacht, entgegenstünde. Da somit zu dem für die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides davon auszugehen ist, daß der Beschwerdeführer nicht befürchten mußte, im Fall seiner Einberufung zum Militär auf Grund seiner Zugehörigkeit zur ungarischen Minderheit an vorderster Front eingesetzt oder wegen der Wehrdienstverweigerung im Vergleich zu anderen Staatsangehörigen härter bestraft zu werden, kann der belangten Behörde nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie der Einberufung des Beschwerdeführers zum Militärdienst keine Asylrelevanz beigemessen hat.
Bei diesem Ergebnis konnte eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob der Beschwerdeführer gehalten gewesen wäre, bereits in Ungarn, wo er sich vor seiner Einreise in das Bundesgebiet aufgehalten hat, um Asyl anzusuchen, unterbleiben.
Die sich sohin als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1996010429.X00Im RIS seit
20.11.2000