TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/14 W255 2167250-1

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Veröffentlicht am 14.04.2020
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Entscheidungsdatum

14.04.2020

Norm

AlVG §33 Abs2
AlVG §38
AlVG §7
AsylG 2005 §13
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W255 2167250-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Ronald EPPEL, MA als Vorsitzenden sowie die fachkundigen Laienrichterinnen Mag. Sandra FOITL und Mag. Jutta HAIDNER als Beisitzer über die Beschwerde und den Vorlageantrag von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Wien XXXX vom 08.03.2017, VN: XXXX , in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 08.06.2017, GZ: 2017-0566-9-000707, betreffend den Antrag auf Zuerkennung von Notstandshilfe vom 02.02.2017, gemäß § 7 iVm. §§ 33 Abs. 2 und 38 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG), zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und die Beschwerdevorentscheidung bestätigt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) beantragte am 02.02.2017 (Tag der Geltendmachung: 25.01.2017) die Zuerkennung von Notstandshilfe beim Arbeitsmarktservice Wien XXXX (im Folgenden: AMS).

1.2. Mit Bescheid des AMS vom 08.03.2017, VN: XXXX , wurde dem Antrag des BF auf Zuerkennung der Notstandshilfe vom 02.02.2017 gemäß § 7 iVm §§ 33 Abs. 2 und 38 AlVG mangels Verfügbarkeit am Arbeitsmarkt keine Folge gegeben. Begründend wurde ausgeführt, dass der BF keine aufenthaltsrechtliche Berechtigung zur Aufnahme einer unselbständigen Beschäftigung in Österreich habe und daher dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehe.

1.3. Gegen diesen Bescheid erhob der BF fristgerecht Beschwerde. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass, da dem BF die Eigenschaft eines Asylwerbers zukomme und sein Verfahren noch nicht abgeschlossen sei, weshalb er am Arbeitsmarkt vermittelbar sei. Ihm stünden aufgrund der erworbenen Versicherungszeiten Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung zu. Der BF habe auch in der Vergangenheit zu Recht Leistungen des AMS bezogen.

1.4. Mit Bescheid (Beschwerdevorentscheidung) des AMS vom 08.06.2017, GZ: 2017-0566-9-000707, wurde die Beschwerde abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der BF nach der Aktenlage im Jahr 2012 einen Asylantrag gestellt habe. Laut Mitteilung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.03.2017 sei das Asylverfahren bereits negativ abgeschlossen und liege eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung vor. Betreffend den Einwand des BF, das Beschwerdeverfahren sei nach wie vor anhängig, seien keine Unterlagen übermittelt worden. Seitens des Bundesverwaltungsgerichts sei keine Bestätigung über ein offenes Verfahren übermittelt worden. Es sei daher davon auszugehen, dass das Asylverfahren in zweiter Instanz bereits abgeschlossen worden sei.

Der BF verfüge seit der rechtskräftigen Beendigung des Asylverfahrens über keine ausreichende aufenthaltsrechtliche Position zur Aufnahme einer unselbständigen Beschäftigung. Für die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung müsse der BF gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 AuslBG über einen Aufenthaltstitel nach dem NAG bzw. dem FPG oder AsylG verfügen.

Die gesetzlichen Bestimmungen des AlVG würden eine eindeutige Verknüpfung zwischen der Berechtigung zum Aufenthalt mit dem Zweck der Aufnahme und Ausübung einer unselbständigen Beschäftigung und der Leistungsverpflichtung nach dem AlVG vorsehen. Eine Leistung sei nur dann zu gewähren, wenn auch grundsätzlich eine unselbständige Beschäftigung entsprechend der rechtlichen Vorgaben aufgenommen werden könne und dürfe.

Da der BF derzeit über keinen Aufenthaltstitel mit Arbeitsmarktzugang verfüge, stehe er der Arbeitsvermittlung nicht im Sinne des § 7 Abs. 1 Z 1 iVm § 38 AlVG zur Verfügung. Für einen Anspruch auf Notstandshilfe müssten alle Anspruchsvoraussetzungen gemäß § 7 erfüllt sein. Der Antrag auf Notstandshilfe vom 02.02.2017 sei daher mangels Vorliegen der Verfügbarkeit gemäß § 7 Abs. 3 Z 2 iVm §§ 33 Abs. 2 und 38 AlVG abzuweisen gewesen.

1.5. Mit Schreiben vom 26.06.2017 (fälschlicherweise mit 26.06.2016 datiert) stellte der BF fristgerecht einen Vorlageantrag, in welchem im Wesentlichen ausgeführt wurde, dass zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung (des AMS) das Asylverfahren beim Bundesverwaltungsgericht anhängig gewesen sei. In der Beschwerde sei exakt angegeben worden, unter welcher Geschäftszahl und in welcher Außenstelle des Bundesverwaltungsgerichtes das Asylverfahren anhängig sei. Eine Überprüfung dieser Angaben hätte ergeben, dass dieses Asylverfahren tatsächlich anhängig und somit offen sei.

1.6. Am 10.08.2017 wurde der Beschwerdeakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

1.7. Im Rahmen des Parteiengehörs vom 31.10.2019 wurde sowohl dem BF als auch dem AMS jeweils der Spruch der Erkenntnisse im Asylverfahren zu den Zahlen W153 1434377-1/8E und I417 1434377-2/21E übermittelt und eine dreiwöchige Frist zur Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt.

1.8. Mit Stellungnahme vom 19.11.2019 führte das AMS aus, dass nach dem übermittelten Erkenntnis vom 19.06.2017, W153 1434377-1/8E, davon auszugehen sei, dass der BF bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts über ein Aufenthaltsrecht als Asylwerber verfügt habe. Bis zur rechtskräftigen Beendigung des Asylverfahrens habe er damit über eine ausreichende aufenthaltsrechtliche Position zur Aufnahme einer unselbständigen Beschäftigung iSd § 7 Abs. 3 Z 2 iVm §§ 33 Abs. 2 und 38 AlVG verfügt.

1.9. Im Rahmen des Parteiengehörs vom 28.11.2019 wurde das AMS aufgefordert, bekanntzugeben, ob der Zuerkennung des Arbeitslosengeldes zum Zeitpunkt der Antragstellung sonstige Gründe entgegengestanden seien, sowie in welcher Höhe dem BF der entsprechende Tagsatz gebührt habe.

1.10. Am 20.12.2019 langte beim Bundesverwaltungsgericht eine Stellungnahme des AMS ein, in welcher u.a. angeführt wurde, dass dem BF zum Zeitpunkt des Antrages auf Notstandshilfe vom 02.02.2017 Notstandshilfe im Ausmaß von ? 20,57 täglich gebührt habe. Sonstige Gründe, die einer Zuerkennung der Notstandshilfe zu diesem Zeitpunkt entgegengestanden seien, seien nicht dokumentiert.

1.11. Auf Grund der Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.01.2020 wurde die Rechtssache der Gerichtsabteilung W263 abgenommen und der Gerichtsabteilung W255 neu zugeteilt.

2. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

2.1. Feststellungen:

2.1.1. Zum Asylverfahren:

2.1.1.1. Der BF stellte am 08.02.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Das Asylverfahren des BF wurde unmittelbar nach seinem Antrag in Österreich zugelassen.

2.1.1.2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 21.03.2013, Zl. 1204.590-BAW, wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 wurde der BF aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Gambia ausgewiesen (Spruchpunkt III.).

2.1.1.3. Gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 21.03.2013, Zl. 1204.590-BAW erhob der BF fristgerecht Beschwerde.

2.1.1.4. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 28.09.2016, GZ: W153 1434377-1/8E, wurde die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkte I. und II. abgewiesen (Spruchpunkt 1.). Gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 wurde das Verfahren hinsichtlich Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen (Spruchpunkt 2.).

2.1.1.5. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.01.2017, Zl. 820459004-1479096, wurde dem BF kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt und gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt I.), Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl stellte fest, dass seine Abschiebung nach Gambia zulässig sei (Spruchpunkt II.). Dem BF wurde keine Frist für seine freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt III.). Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde wurde aberkannt (Spruchpunkt IV.). Gegen den BF wurde ein auf die Dauer von acht Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt V.)

2.1.1.6. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.02.2018, GZ: I417 1434377-2/21E, wurde die Beschwerde des BF mit der Maßgabe abgewiesen, dass Spruchpunkt V. zu lauten hat: "Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Absatz 3 Ziffer 1 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. Nr. 100/2005 (FPG) idgF, wird gegen Sie ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen." Dieses Erkenntnis ist rechtskräftig.

2.1.1.7. Seitens des (damaligen) Bundesasylamtes bzw. des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde nicht bescheidmäßig über den Verlust des Aufenthaltsrechtes des BF gemäß § 13 Abs. 2 AsylG 2005 abgesprochen.

2.1.2. Zum Strafverfahren:

Der BF wurde mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 24.08.2015, GZ: 152 Hv 93/15h, wegen § 28a Abs. 1 fünfter Fall SMG, 15 StGB und § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG, zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt. Dieses Urteil erwuchs mit 27.08.2015 in Rechtskraft.

2.1.3. Zum Verfahren vor dem Arbeitsmarktservice:

2.1.3.1. Der BF stellte am 23.01.2017 einen Antrag auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld. Diesem Antrag wurde mit Bescheid des AMS vom 08.03.2017, VN: 9587 010195, keine Folge gegeben und dies damit begründet, dass der BF über keine aufenthaltsrechtliche Berechtigung zur Aufnahme einer unselbständigen Beschäftigung in Österreich verfüge und daher dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehe. Dieser Bescheid wurde nicht angefochten und erwuchs in Rechtskraft.

2.1.3.2. Der BF stellte am 02.02.2017 (Tag der Geltendmachung: 25.01.2017) einen Antrag auf Zuerkennung der Notstandshilfe.

2.1.3.3. Der Antrag des BF vom 02.02.2017 wurde mit Bescheid des AMS vom 08.03.2017, VN: XXXX , abgewiesen und dies damit begründet, dass der BF über keine aufenthaltsrechtliche Berechtigung zur Aufnahme einer unselbständigen Beschäftigung in Österreich verfügt und daher dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung steht. Die fristgerecht gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Bescheid (Beschwerdevorentscheidung) des AMS vom 08.06.2017, GZ: 2017-0566-9-000707, abgewiesen und der Bescheid des AMS vom 08.03.2017, VN: XXXX , vollinhaltlich bestätigt.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus den zur gegenständlichen Rechtssache vorliegenden, soweit unbedenklichen Verfahrensakten des AMS und des Bundesverwaltungsgerichts. Insbesondere liegen der gegenständliche Antrag auf Notstandshilfe sowie die diesbezüglich abweisenden Bescheide (Bescheid und Beschwerdevorentscheidung des AMS) im Akt ein.

Die Feststellungen zum Asylverfahren ergeben sich aus der Einsichtnahme in die seitens des Bundesverwaltungsgerichts zu den GZ W153 1434377-1/8E und I417 1434377-2/21E, geführten Akten sowie einer vom Bundesverwaltungsgericht beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 02.04.2020/03.04.2020 eingeholten Auskunft bezüglich des nicht erfolgten bescheidmäßigen Abspruches über den Verlust des Aufenthaltsrechtes des BF durch das BFA.

Die Feststellung zur Verurteilung des BF stützt sich auf die Einsichtnahme in das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 24.08.2015, GZ: 152 Hv 93/15h, sowie den eingeholten Strafregisterauszug.

2.3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat unter Mitwirkung fachkundiger Laienrichter ergeben sich aus §§ 6, 7 BVwGG iVm § 56 Abs. 2 AlVG. Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig.

Zu A)

2.3.1. Die im vorliegenden Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977 (AlVG) lauten:

Arbeitslosengeld

Voraussetzungen des Anspruches

§ 7. (1) Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, wer

1. der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht,

2. die Anwartschaft erfüllt und

3. die Bezugsdauer noch nicht erschöpft hat.

(2) Der Arbeitsvermittlung steht zur Verfügung, wer eine Beschäftigung aufnehmen kann und darf (Abs. 3) und arbeitsfähig (§ 8), arbeitswillig (§ 9) und arbeitslos (§ 12) ist. [...]

(3) Eine Beschäftigung aufnehmen kann und darf eine Person,

1. die sich zur Aufnahme und Ausübung einer auf dem Arbeitsmarkt üblicherweise angebotenen, den gesetzlichen und kollektivvertraglichen Vorschriften entsprechenden zumutbaren versicherungspflichtigen Beschäftigung bereithält,

2. die sich berechtigt im Bundesgebiet aufhält, um eine unselbständige Beschäftigung aufzunehmen und auszuüben sowie, wenn ihr eine unselbständige Beschäftigung nur nach Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung gestattet ist, keine dieser gemäß § 4 Abs. 1 Z 3 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, BGBl. Nr. 218/1975, entgegenstehenden wichtigen Gründe wie insbesondere wiederholte Verstöße infolge Ausübung einer Beschäftigung ohne Beschäftigungsbewilligung während der letzten zwölf Monate vorliegen. [...]

Notstandshilfe

Voraussetzungen des Anspruches

§ 33. (1) Arbeitslosen, die den Anspruch auf Arbeitslosengeld oder Übergangsgeld erschöpft haben, kann auf Antrag Notstandshilfe gewährt werden.

(2) Notstandshilfe ist nur zu gewähren, wenn der (die) Arbeitslose der Vermittlung zur Verfügung steht (§ 7 Abs. 2 und 3) und sich in Notlage befindet.

(3) Notlage liegt vor, wenn dem Arbeitslosen die Befriedigung der notwendigen Lebensbedürfnisse unmöglich ist.

(4) Notstandshilfe kann nur gewährt werden, wenn sich der Arbeitslose innerhalb von fünf Jahren nach Erschöpfung des Anspruches auf Arbeitslosengeld oder Übergangsgeld um die Notstandshilfe bewirbt. Die vorstehende Frist verlängert sich darüber hinaus um Zeiträume gemäß § 15 und gemäß § 81 Abs. 10."

Gemäß § 38 AlVG sind diese Bestimmungen sinngemäß auf die Notstandshilfe anzuwenden.

2.3.2. Die im vorliegenden Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005) lauten:

Aufenthaltsrecht

§ 13. (1) Ein Asylwerber, dessen Asylverfahren zugelassen ist, ist bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung, bis zur Einstellung oder Gegenstandslosigkeit des Verfahrens oder bis zum Verlust des Aufenthaltsrechtes (Abs. 2) zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt. Ein auf Grund anderer Bundesgesetze bestehendes Aufenthaltsrecht bleibt unberührt.

(2) Ein Asylwerber verliert sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet, wenn

1. dieser straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3),

2. gegen den Asylwerber wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung, die nur vorsätzlich

begangen werden kann, eine Anklage durch die Staatsanwaltschaft eingebracht worden ist,

3. gegen den Asylwerber Untersuchungshaft verhängt wurde (§§ 173 ff StPO, BGBl.

Nr. 631/1975) oder

4. der Asylwerber bei der Begehung eines Verbrechens (§ 17 StGB) auf frischer Tat betreten

worden ist.

Der Verlust des Aufenthaltsrechtes ist dem Asylwerber mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Wird ein Asylwerber in den Fällen der Z 2 bis 4 freigesprochen, tritt die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung der Straftat zurück (§§ 198 ff StPO) oder wird das Strafverfahren eingestellt, lebt sein Aufenthaltsrecht rückwirkend mit dem Tage des Verlustes wieder auf.

(3) Hat ein Asylwerber sein Recht auf Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß Abs. 2 verloren, kommt ihm faktischer Abschiebeschutz (§ 12) zu.

(4) Das Bundesamt hat im verfahrensabschließenden Bescheid über den Verlust des Aufenthaltsrechtes eines Asylwerbers abzusprechen.

§ 2. (1) Im Sinne dieses Bundesgesetzes ist

(3) Ein Fremder ist im Sinne dieses Bundesgesetzes straffällig geworden, wenn er

1. wegen einer vorsätzlich begangenen gerichtlich strafbaren Handlung, die in die

Zuständigkeit des Landesgerichtes fällt, oder

2. mehr als einmal wegen einer sonstigen vorsätzlich begangenen gerichtlich strafbaren

Handlung, die von Amts wegen zu verfolgen ist

rechtskräftig verurteilt worden ist.

2.3.3. Abweisung der Beschwerde

Der BF stellte am 08.02.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Das Asylverfahren des BF wurde unmittelbar nach seinem Antrag in Österreich zugelassen. Ab diesem Zeitpunkt hat der BF über ein (vorläufiges) Aufenthaltsrecht in Österreich gemäß § 13 AsylG 2005 verfügt. Dieses entstand mit Zulassung des Verfahrens und Ausfolgung der Berechtigungskarte gemäß § 51 AsylG 2005 (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, Kommentar, 2016, § 13, K3).

Das in § 13 AsylG 2005 normierte vorläufige Aufenthaltsrecht eines zugelassenen Asylwerbers endet mit Erlass einer durchsetzbaren Entscheidung (über den Antrag auf internationalen Schutz). Weiters endet es mit Einstellung oder Gegenstandslosigkeit des Verfahrens sowie im Falle des Verlustes des Aufenthaltsrechts aufgrund bestimmter strafrechtlich relevanter Sachverhalte (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, Kommentar, 2016, § 13, K5 und K7). Im letztgenannten Fall (strafrechtlich relevanter Sachverhalt) tritt der Verlust des Aufenthaltsrechtes ex lege ein. Der Verlust des Aufenthaltsrechts ist dem Asylwerber mit Verfahrensanordnung mitzuteilen, gegen diese ist mangels Bescheidqualität keine gesonderte Anfechtung möglich. Mit Verlust des Aufenthaltsrechts geht auch der Anspruch auf die gemäß § 51 erteilte Aufenthaltsberechtigungskarte verloren und ist diese dem Fremden durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl durch Bescheid gemäß § 53 Abs. 1 Z 2 zu entziehen (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, Kommentar, 2016, § 13, K11).

Im Falle des derartigen Verlustes des Aufenthaltsrechts durch Verwirklichung eines strafrechtlichen Sachverhaltes erweist sich der Aufenthalt des Fremden während seines noch offenen Verfahrens nicht länger als rechtmäßig, doch kommt diesem gemäß Absatz 3 faktischer Abschiebeschutz zu (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, Kommentar, 2016, § 13, K12).

Der BF wurde mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 24.08.2015, GZ: 152 Hv 93/15h, wegen § 28a Abs. 1 fünfter Fall SMG, 15 StGB und § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt. Dieses Urteil erwuchs mit 27.08.2015 in Rechtskraft.

Der BF wurde somit im Sinne des AsylG 2005 straffällig, da er wegen einer vorsätzlich begangenen gerichtlich strafbaren Handlung, die in die Zuständigkeit des Landesgerichtes fällt, rechtskräftig verurteilt worden ist.

Mit Rechtskraft des Urteils des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 24.08.2015, GZ: 152 Hv 93/15h, am 27.08.2015, verlor der BF ex lege sein (vorläufiges) Aufenthaltsrecht gemäß § 13 Abs. 2 AsylG 2005. Der Umstand, dass seitens des BFA diesbezüglich weder eine Verfahrensanordnung erlassen noch über den Verlust des Aufenthaltsrechts des BF mittels Bescheides abgesprochen wurde, ändert daran nichts. Der Verlust des Aufenthaltsrechts trat ex lege ein.

Ab diesem Zeitpunkt (27.08.2015) genoss er bis zur Rechtskraft des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.02.2018, GZ: I417 1434377-2/21E, "nur" mehr faktischen Abschiebeschutz gemäß § 12 FPG.

Gemäß § 7 Abs. 3 Z 2 AlVG darf eine Beschäftigung nur aufnehmen, wer sich - unter anderem - berechtigt im Bundesgebiet aufhält, um eine unselbständige Beschäftigung aufzunehmen und auszuüben.

Asylwerbende erfüllen während des Asylverfahrens grds die Voraussetzung des § 7 Abs. 3 Z 2 AlVG. Die Voraussetzung ist jedoch nach der Rsp dann nicht mehr erfüllt, wenn nur noch ein faktischer Abschiebeschutz gewährt wird (VwGH 21.12.2011, 2009/08/0263; 07.09.2011, 2008/08/0211; 01.04.2009, 2007/08/0208; 23.01.2008, 2007/08/0342; 21.11.2007, 2007/08/0244; Schörghofer in Pfeil, AlV-Komm, 4. Lfg. ( Mai 2016) , § 7, Rz 39).

Der BF verfügte somit ab 27.08.2015 über keine Berechtigung im Bundesgebiet mehr, die ihn zur Aufnahme einer Beschäftigung berechtigt hätte.

Anspruch auf Arbeitslosengeld und Notstandshilfe hat nur, wer der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht. Der Arbeitsvermittlung steht zur Verfügung, wer eine Beschäftigung aufnehmen kann und darf (Abs. 3). Da der BF ab 27.08.2015 mangels Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet keine Beschäftigung mehr aufnehmen durfte, stand er der Arbeitsvermittlung nicht mehr zur Verfügung.

Das AMS ging zu Recht davon aus, dass der Antrag des BF auf Zuerkennung von Notstandshilfe mangels Verfügbarkeit des BF abzuweisen war.

Die Beschwerde gegen den Bescheid (Beschwerdevorentscheidung) des AMS war daher abzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer diesbezüglichen Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. In der rechtlichen Beurteilung zu Punkt A) wurde ausführlich auf die Judikatur des VwGH eingegangen und diese zitiert.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Anspruchsverlust Asylverfahren Aufenthaltsberechtigung Notstandshilfe Straffälligkeit Verfügbarkeit am Arbeitsmarkt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W255.2167250.1.00

Im RIS seit

14.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

14.08.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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