TE Bvwg Beschluss 2020/4/16 I422 2229887-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.04.2020
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Entscheidungsdatum

16.04.2020

Norm

ABGB §1332
BFA-VG §21 Abs7
B-VG Art133 Abs4
FPG §52
FPG §53
MeldeG §2
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1
VwGVG §33
VwGVG §33 Abs1
VwGVG §33 Abs2
VwGVG §33 Abs3
VwGVG §33 Abs4
VwGVG §7 Abs4 Z1
ZustG §23 Abs2
ZustG §8 Abs1
ZustG §8 Abs2

Spruch

I422 2229887-1/7E

I422 2229887-2/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. Thomas BURGSCHWAIGER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA Serbien, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, Alser Straße 20, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.02.2020, Zl. 139428801/190517255:

A)

I. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG wird als unbegründet abgewiesen.

II. Die Beschwerde wird als verspätet zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Aufgrund einer Straffälligkeit erließ die belangte Behörde mit Bescheid vom 04.02.2020, Zahl: 139428801/190517255, über den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt I.) und erklärte seine Abschiebung nach Serbien für zulässig (Spruchpunkt II.). Des Weiteren verhängte sie über ihn ein befristetes Einreiseverbot in der Dauer von acht Jahren (Spruchpunkt III.), gewährte ihm keine Frist für eine freiwillige Ausreise (Spruchpunkt IV.) und erkannte sie einer Beschwerde gegen ihre Entscheidung die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt V.).

2. In Ermangelung einer aufrechten Meldeadresse des Beschwerdeführers wurde der Bescheid am 10.02.2020 gemäß § 8 iVm § 23 Abs. 2 ZustellG durch Hinterlegung ohne vorhergehenden Zustellversuch bei der Behörde hinterlegt.

3. Die belangte Behörde erlangte am 19.02.2020 Kenntnis davon, dass sich der Beschwerdeführer in die Justizanstalt Wels in Untersuchungshaft befindet. In Kenntnis des neuen Aufenthaltsortes ersuchte die belangten Behörde noch am selben Tag die Justizanstalt Wels um eine neuerliche Zustellung des verfahrensgegenständlichen Bescheides. Die vom Beschwerdeführer unterfertige Zustellbestätigung langte am 20.02.2020 bei der belangten Behörde ein.

4. Gegen den verfahrensgegenständlichen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz seiner Rechtsvertretung vom 16.03.2020, welcher am selben Tag bei der belangten Behörde einlangte, Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Zur Rechtzeitigkeit seiner Beschwerde wurde ausgeführt, dass der Bescheid am 20.02.2020 ausgefolgt worden sei und die Erhebung der Beschwerde damit binnen offener Frist erfolgen würde.

5. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.03.2020 wurde dem Beschwerdeführer mit einem Verspätungsvorhalt mitgeteilt, dass nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes die Beschwerde verspätet eingebracht wurde. Der Beschwerdeführer wurde aufgefordert, binnen zweiwöchiger Frist zum übermittelten Parteiengehör eine schriftliche Stellungnahme abzugeben.

6. Mit Schriftsatz seiner Rechtsvertretung vom 08.04.2020, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 09.04.2020, teilte der Beschwerdeführer im Wesentlichen mit, dass er am 16.01.2020 von seiner Unterkunftgeberin ohne seines Wissens von seiner Meldeadresse abgemeldet worden sei und habe er sich zu dieser Zeit hauptsächlich bei seiner Familie, nämlich seinem Vater und seiner Schwester in 4800 Attnang-Puchheim aufgehalten. Bei der Ausfolgung des Bescheides am 20.02.2020 sei er davon ausgegangen, dass es sich hierbei um einen "ganz normalen" Zustellvorgang gehandelt habe, zumal ihm nichts Gegenteiliges mitgeteilt worden sei und er zu diesem Zeitpunkt noch keinen bevollmächtigten Vertreter gehabt habe. Dieses Datum habe er in weiterer Folge seiner Rechtsvertretung als Zustelldatum bekannt gegeben und sei man von der Berechnung der Beschwerdefrist auch von diesem Datum ausgegangen. Des Weiteren führte der Beschwerdeführer aus, dass die Voraussetzung für eine Hinterlegung im Akt seines Erachtens in seinem Fall nicht erfüllt sei. So habe er in seiner Stellungnahme vom 11.11.2019 sowohl den Namen, als auch die Anschrift seiner Familienangehörigen sowie die Daten der Unterkunftgeberin angegeben. Es wäre daher zum Zeitpunkt der geplanten Zustellung ohne Schwierigkeiten möglich gewesen, über diese Personen seinen Aufenthaltsort des Beschwerdeführers herauszufinden. In seinem Fall sei es geradezu naheliegend, dass er sich angesichts der bevorstehenden Inhaftierung und der Abmeldung von der Meldeadresse bei seiner Familie aufhalte. Des Weiteren verweise er auf die Bestimmungen des § 2 Abs. 3 Z 1 MeldeG, wonach er keine Verpflichtung zu einer Ummeldung gehabt habe. In seiner Stellungnahme beantragte der Beschwerdeführer zugleich die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 71 AVG.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Zustellung des verfahrensgegenständlichen Bescheides vom 04.02.2020, Zahl: 139428801/190517255, erfolgte am 10.02.2020 - ohne vorhergehenden Zustellversuch - aufgrund einer von der belangten Behörde verfügten Hinterlegung im Akt gemäß § 8 iVm § 23 Abs. 2 ZustG.

Zum Zeitpunkt der Hinterlegung des Bescheides im Akt verfügte der Beschwerdeführer über keinen gemeldeten Wohnsitz und auch über keinen Zustellbevollmächtigten.

Der verfahrensgegenständliche Bescheid erwuchs am 10.03.2020 in Rechtskraft.

Der Beschwerdeführer brachte seine Beschwerde gegen den bezeichneten Bescheid am 16.03.2020 bei der belangten Behörde ein. Die Beschwerde ist jedenfalls verspätet.

2. Beweiswürdigung:

Auf der sich im Verwaltungsakt befindlichen Beurkundung über die Hinterlegung im Akt, die mit 10.02.2020 datiert ist, basiert die Feststellung über die Zustellung des verfahrensgegenständlichen Bescheides.

Dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Hinterlegung über keinen gemeldeten Wohnsitz und auch über keinen Zustellbevollmächtigten verfügte, gründet einerseits ebenfalls aus dem Verwaltungsakt und seinen diesbezüglichen Ausführungen sowie andererseits aus der Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister. Demzufolge wurde der Beschwerdeführer am 16.01.2020 von seinem letzten Hauptwohnsitz in der O[...], 4810 Gmunden abgemeldet und wurde er erst wieder am 18.02.2020 mit Hauptwohnsitz Justizanstalt Wels meldebehördlich erfasst.

Die Feststellung betreffend der verspätet eingegangenen Beschwerde ergibt sich aufgrund der Fristberechnung zwischen der beurkundeten Hinterlegung im Akt vom 10.02.2020 und der am 16.03.2020 eingebrachten Beschwerde. Eine fristgerechte Beschwerde hätte somit spätestens am 09.03.2020 bei der belangten Behörde einlangen müssen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Zur Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (Spruchpunkt I.) und Zurückweisung der Beschwerde wegen Verspätung (Spruchpunkt II.)

3.1. Zur Wiedersetzung in den vorigen Stand:

3.1.1. Zur Rechtsgrundlage:

In einem Verfahren über eine im VwGVG geregelte Beschwerde ist bei Versäumen der Beschwerdefrist für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand § 33 VwGVG (und nicht die hinsichtlich der Voraussetzungen der Wiedereinsetzungsgründe, des Verschuldens und der Frist inhaltsgleichen §§ 71, 72 AVG) die maßgebliche Bestimmung.

Gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG ist, wenn eine Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, auf Antrag dieser Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Gemäß § 33 Abs. 3 VwGVG ist der Wiedereinsetzungsantrag binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen.

Ab Vorlage der Beschwerde hat gemäß § 33 Abs. 4 VwGVG das Verwaltungsgericht mit Beschluss über den Antrag zu entscheiden. Im gegenständlichen Fall beantragte der Beschwerdeführer nach Beschwerdevorlage im Rahmen seiner Stellungnahme zum Verspätungsvorhalt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, sodass gemäß § 33 Abs. 4 VwGVG zur beschlussmäßigen Erledigung dieses Antrages zuständig ist.

Im gegenständlichen Fall irrte sich der rechtsvertretene Beschwerdeführer in der Rechtsnorm, indem er den Antrag über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auf § 71 AVG stützte. Nachdem sich der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auf die Beseitigung der Säumnisfolgen im Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgericht richtet, ist die maßgebliche Norm gemäß § 17 VwGVG die Bestimmung des § 33 VwGVG und nicht die des § 71 AVG (vgl. VwGH 05.12.2018, Ra 2018/20/0441). Dieses Vergreifen in der Norm führt aber nicht zur Zurückweisung des Antrages, da aus dem Gesamtzusammenhang klar ersichtlich war, dass das effektiv zuständige Bundesverwaltungsgericht (vgl. VwSlg 19.462 A/2016) berechtigt über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abzusprechen hat, deren Voraussetzungen (Wiedereinsetzungsgründe, Verschulden, Frist) nach § 33 VwGVG und § 71 AVG deckungsgleich sind.

3.1.2. Zur Anwendung im gegenständlichen Fall:

Für die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bedarf es zweier Voraussetzungen: Erstens die Glaubhaftmachung eines unvorhergesehenen oder unabwendbaren Ereignisses und zweitens, dass der Partei an der Versäumung kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens zur Last liegt.

Unvorhergesehen ist ein Ereignis, das die Partei nicht einberechnet hat und dessen Eintritt sie unter Bedachtnahme auf die nötige Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwarten durfte. Solche Gründe sind glaubhaft zu machen.

Der Beschwerdeführer moniert in seinem Antrag, dass die Hinterlegung im Akt ein derartiges unvorhergesehenes Ereignis darstelle. Dem konnte aus folgenden Gründen jedoch nicht beigetreten werden: Im Administrativverfahren wurde der Beschwerdeführer durch die belangte Behörde explizit über seine Mitwirkungspflichten (insbesondere auch seiner Meldepflichten) und deren Folgen für das Verfahren informiert. Das vom Beschwerdeführer nachweislich übernommene Parteiengehör vom 29.10.2019 enthielt den Hinweis, dass "jede Änderung der Zustelladresse der Behörde unverzüglich mitzuteilen" sei. Des Weiteren enthielt der Hinweis die Information über die Konsequenz der Unterlassung einer derartigen Meldung, nämlich die Zustellung weiterer Schriftstücke durch Hinterlegung ohne vorausgehender Zustellversuche, für den Fall, dass eine Abgabenstelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden könne. Dass die Hinterlegung im Akt ein unvorhergesehenes Ereignis darstellt, vermochte der Beschwerdeführer somit nicht glaubhaft zu machen. Es fehlt seinem Antrag somit an jeglichem glaubhaften Vorbringen, das auf ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis hindeuten würde.

Daher war dem Antrag auf aufschiebende Wirkung zunächst bereits mangels glaubhaft gemachter Wiedereinsetzungsgründe nicht stattzugeben.

Auch die weitere Voraussetzung, nämlich, dass die Partei von einer Zustellung ohne ihr Verschulden (bzw. lediglich aufgrund eines minderen Grades an Versehen) keine Kenntnis erlangt hat, ist im vorliegenden Fall nicht gegeben. Wie die nachstehenden Erläuterungen in weiterer Folge zeigen, trifft den Beschwerdeführer ein grobes Verschulden an der Versäumung der Beschwerdefrist.

Gemäß § 8 Abs. 1 ZustG hat eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen. § 8 Abs. 2 ZustG ordnet für den Fall, dass diese Mitteilung unterlassen wird, an, dass, soweit die Verfahrensvorschriften nicht anderes vorsehen, die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen ist, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann.

Wurde die Zustellung des Bescheides gemäß § 8 Abs. 2 iVm § 23 ZustG ohne vorausgehenden Zustellversuch durch Hinterlegung bei der Behörde (im Akt) vorgenommen, so setzt deren Rechtswirksamkeit voraus, dass der Fremde seine Mitteilungspflicht nach § 8 Abs. 1 ZustG verletzt hat. Das ist nur der Fall, wenn der Fremde die unverzügliche Mitteilung der Änderung seiner Abgabestelle unterlassen hat, wobei auch die Aufgabe einer Abgabestelle (bei anschließender Obdachlosigkeit) eine solche Änderung darstellt (VwGH 19.03.2013, 2011/21/0244; vgl. VwGH 18.04.2002, 2001/01/0559).

Hat ein Fremder mit der Erlassung einer fremdenpolizeilichen Maßnahme zu rechnen, handelt er auffallend sorglos, wenn er seine neue Adresse nicht bekannt gibt und allenfalls darauf vertraut, dass einem Zusteller durch entsprechende Mitteilung die neue Adresse bekannt werden könnte. Den Beschwerdeführer trifft daher an der Unkenntnis der Behörde über seinen neuen Wohnsitz, hervorgerufen durch die Unterlassung der Verständigung der Behörde bzw. einer sofortigen polizeilichen Meldung, ein grobes Verschulden (vgl. VwGH 13.12.2011, 2010/22/0145).

Der Beschwerdeführer war infolge der von ihm übernommenen Verständigungen vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 29.10.2019 darüber in Kenntnis, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung nach Serbien und eines Einreiseverbotes durch die Behörde beabsichtigt ist. Zudem enthielt diese Verständigung den zuvor erwähnten Hinweis über die ihn aus § 8 ZustG treffende Meldepflicht und die bei einem Verstoß allenfalls daraus resultierenden Konsequenzen. Der Beschwerdeführer hat seine diesbezügliche, aus § 8 Abs. 1 ZustG erfließende Pflicht zur unverzüglichen Mitteilung der Änderung der Abgabestelle verletzt.

Dem Beschwerdeeinwand, wonach er in Unkenntnis seiner Abmeldung gewesen sei, kann nicht gefolgt werden. Einerseits entspricht es nicht der Erfahrung des täglichen Lebens, dass ein Unterkunftgeber - im gegenständlichen Fall die Mutter eines Freundes - bei aufrechter Bewohnung eines Mietobjektes und in tatsächlicher Kenntnis des Verbleibes des Beschwerdeführers (bzw. in weiterer Folge auch bei Bestehen eines aufrechten Mietverhältnisses und der laufenden Zahlung eines Mietzinses) eine behördliche Abmeldung vornimmt. Andererseits führt dieser Einwand im Ergebnis zu keiner Änderung. So bringt der Beschwerdeführer im Beschwerdeschriftsatz vor, dass er sich angesichts der bevorstehenden Inhaftierung bei seinen Eltern aufgehalten habe. Allerdings ergaben sich weder aus seinen Angaben im Beschwerdeschriftsatz, noch im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer an einer allfälligen Bekanntgabe dieser (wenn auch nur vorübergehenden) "neuen" Abgabenstelle gehindert gewesen wäre. Sein Beschwerdeeinwand, dass ihn laut den Bestimmungen des § 2 Abs. 3 MeldeG keine Verpflichtung zu einer behördlichen (Um)Meldung getroffen hätte, vermag seine mangelnde Sorgfaltspflicht nicht zu entschuldigen. Der Beschwerdeführer hätte nämlich unabhängig vom Bestehen allfälliger melderechtlicher Verpflichtungen seinen (offenbar länger geplanten bzw. andauernden) Aufenthalt bei seiner Familie oder eine zustellfähige Adresse der belangten Behörde bekannt geben können. Ebenso zeugt sein bloßes Vertrauen darauf, dass ihn sein Freund bzw. dessen Mutter von einer allfälligen Zustellung an die Adresse in rechtzeitig Kenntnis setzen würden, ebenfalls von einer auffälligen Sorglosigkeit.

Nach der zu § 71 Abs. 1 AVG ergangenen und - insoweit auf § 33 Abs. 1 VwGVG übertragbaren - Rechtsprechung liegt ein minderer Grad des Versehens - iSd leichten Fahrlässigkeit nach § 1332 ABGB - nur vor, wenn dem Wiedereinsetzungswerber ein Fehler unterlaufen ist, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (VwGH 22.11.1996, 95/17/0112; 23.05.2001, 99/06/0039; 01.06.2006, 2005/07/004). Auffallende Sorglosigkeit oder das Außerachtlassen der nach den persönlichen Fähigkeiten des Wiedereinsetzungswerbers zumutbaren Sorgfalt stehen der Annahme eines minderen Grades des Versehens entgegen (vgl. VwGH 08.10.1990, 90/15/0134; 20.01.2000, 98/06/0108; 27.06.2008, 2008/11/0099).

Auch wenn bei dem rechtsunkundigen, mit den Usancen des Verwaltungsverfahrens nicht vertrauten Beschwerdeführer kein allzu strenger Maßstab anzusetzen ist, kann nicht übersehen werden, dass er anlässlich des ihm zugekommenen Ergebnisses der Beweisaufnahme vom 29.10.2019 über seine Pflichten zu Mitwirkung am Verfahren und zur Meldung seines Wohnsitzes informiert worden ist. Von seiner Meldepflicht hatte der Beschwerdeführer somit nachweislich Kenntnis. Nachdem der Beschwerdeführer es während seines laufenden Verfahrens unterlassen hatte eine zustellfähige Meldeadresse bekanntzugeben, trifft ihn bereits daraus ein grobes Verschulden an der Versäumung der Beschwerdefrist. Dass er sich in weiterer Folge nicht um seine Pflichten kümmerte und mit der belangten Behörde auch nicht in Kontakt trat bzw. diese nicht über seinen (wenn auch nur vorübergehenden) Verbleib informierte und er darauf vertrautet, dass er von seiner (ehemaligen) Unterkunftgeberin über allfällige Postzustellungen informiert wird, zeigt eine grundsätzliche Sorglosigkeit bzw. Gleichgültigkeit gegenüber den diesbezüglichen Regeln auf. Diese Sorglosigkeit und Gleichgültigkeit indiziert jedenfalls ein grobes Verschulden, da ein sorgfältiger, rechtstreuer Bürger mit den Kenntnissen und Fähigkeiten des Beschwerdeführers - selbst wenn er nicht mit behördlichen Verfahren vertraut ist - angesichts dieser Information seinen (offenkundig nicht nur kurzfristigen) anderweitigen Verbleib gewissenhaft gemeldet hätte. Diese Unterlassung ist daher nicht bloß als Fehler anzusehen, die einem sorgfältigen Menschen einmal unterlaufen können, sondern sind als grobes Verschulden zu werten, welche die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausschließen.

Unabhängig der vorangegangenen Ausführungen ist der Vollständigkeit halber auszuführen, dass der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtzeitig erfolgte. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist binnen einer Frist von 14 Tagen nach Wegfall des Hindernisses iSd § 33 Abs. 3 zweiter Fall VwGVG zu stellen. Dem wurde mit dem Antrag in der Stellungnahme vom 08.04.2020 - eingelangt beim Bundesverwaltungsgericht am 09.04.2020 - welche infolge des Verspätungsvorhaltes vom 27.03.2020 erstattet wurde, entsprochen.

Auf Grundlage der vorangegangenen Ausführungen waren die Voraussetzungen für die Stattgabe des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gegeben, weshalb der Antrag als unbegründet abzuweisen war.

3.2. Zur Verspätung der Beschwerde:

3.2.1. Zur anzuwendenden Rechtslage:

Gemäß § 8 Abs. 1 ZustG hat eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen.

Wird diese Mitteilung unterlassen, so ist, soweit die Verfahrensvorschriften nicht anderes vorsehen, die Zustellung gemäß § 8 Abs. 2 ZustG durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann.

Hat die Behörde auf Grund einer gesetzlichen Vorschrift angeordnet, dass ein Dokument ohne vorhergehenden Zustellversuch zu hinterlegen ist, so ist gemäß § 23 Abs. 1 ZustG dieses sofort bei der zuständigen Geschäftsstelle des Zustelldienstes, beim Gemeindeamt oder bei der Behörde selbst zur Abholung bereitzuhalten.

Gemäß § 23 Abs. 2 ZustG ist die Hinterlegung von der zuständigen Geschäftsstelle des Zustelldienstes oder vom Gemeindeamt auf dem Zustellnachweis, von der Behörde auch auf andere Weise zu beurkunden.

Soweit dies zweckmäßig ist, ist gemäß § 23 Abs. 3 ZustG der Empfänger durch eine an die angegebene inländische Abgabestelle zuzustellende schriftliche Verständigung oder durch mündliche Mitteilung an Personen, von denen der Zusteller annehmen kann, dass sie mit dem Empfänger in Verbindung treten können, von der Hinterlegung zu unterrichten.

Das so hinterlegte Dokument gilt gemäß § 23 Abs. 4 ZustG mit dem ersten Tag der Hinterlegung als zugestellt.

3.2.2. Zur Anwendung der Rechtslage im gegenständlichen Fall:

Nach Einsichtnahme in das Zentralmelderegister stellte die belangte Behörde in Ermangelung einer aufrechten Meldeadresse den gegenständlichen Bescheid am 10.02.2020 durch Hinterlegung im Akt gemäß § 23 Abs. 2 ZustG zu.

Wie die umseitigen Ausführungen zeigen, wurde der Beschwerdeführer im vorangegangenen Administrativverfahren mit Schreiben der belangten Behörde vom 29.10.2019 darüber in Kenntnis gesetzt, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbotes beabsichtigt ist und wurde ihm diesbezüglich Parteiengehör eingeräumt. Das letztere Parteiengehör hat er nachweislich am 29.10.2019 auf der Polizeiinspektion Gmunden übernommen und gab er hiezu mit Schriftsatz, der am 11.11.2019 bei der belangten Behörde einlangte, eine Stellungnahme ab. Maßgeblich ist dies deshalb, weil die Parteiengehöre unter anderem nachstehenden Hinweis enthielt:

"Ferner werden Sie darauf hingewiesen, dass Sie gemäß § 8 Zustellgesetz jede Änderung Ihrer Zustelladresse der Behörde unverzüglich mitzuteilen haben. Sollten sie diese Mitteilung unterlassen, so ist die Zustellung weiterer Schriftstücke durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabenstelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann (§ 8 Abs. 2 Zustellgesetz)."

Der Beschwerdeführer war somit explizit über die ihn treffenden Verpflichtungen sowie den allfällig bei einer Unterlassung resultierende Rechtsfolgen in Kenntnis.

Maßgeblich für die zur Fristversäumung führende Unkenntnis von der Zustellung des Bescheides durch Hinterlegung bei der Behörde war die Unterlassung der rechtzeitigen Bekanntgabe der Änderung der Abgabestelle, wozu der Beschwerdeführer nach § 8 Abs. 1 Zustellgesetz verpflichtet gewesen wäre, und worüber er nach der Aktenlage durch das BFA belehrt worden war (vgl. VwGH 26.06.2007, 2005/01/0034).

Die Ermächtigung der Behörde gemäß § 8 Abs. 2 ZustG, die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, hat nicht nur zur Voraussetzung, dass die unverzügliche Mitteilung über die Änderung der Abgabestelle unterlassen wurde, sondern auch, dass eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann. Ohne - wenn auch durch "einfache Hilfsmittel" (so 162 BlgNR 15. GP 10) - versucht zu haben, die (neue) Abgabestelle auszuforschen, darf daher von § 8 Abs. 2 ZustG kein Gebrauch gemacht werden. Die durch § 8 Abs. 2 ZustG der Behörde erlaubte einfache Zustellung durch Hinterlegung darf somit die Behörde nicht veranlassen, gar nicht zu versuchen, mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln auf zumutbare Weise die neue Abgabestelle auszuforschen (vgl. VwGH 08.06.2000, 99/20/0071; 22.01.2014, 2013/22/0313).

Grundsätzlich entspricht die Behörde dieser Verpflichtung zur Ausforschung der geänderten Abgabestelle dann, wenn sie eine entsprechende Anfrage an die Meldebehörde des letzten bekannten Wohnsitzes des Asylwerbers richtet (vgl. VwGH 08.06.2000; 99/20/0071). Diesem Grundsatz ist die belangte Behörde durch die Einholung eines ZMR-Auszuges am 05.02.2020 und erneut am 10.02.2020 und dem dabei festgestellten, unbekannten Aufenthalt des Beschwerdeführers somit mehrfach nachgekommen.

Das erkennende Gericht hat sich durch eine aktuelle ZMR-Abfrage selbst davon überzeugt, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Erlassung und Zustellung des nunmehr angefochtenen Bescheides über keinen gemeldeten Wohnsitz verfügte und auch anderwärtig (beispielsweise durch einen Zustellungsbevollmächtigten) nicht für die belangte Behörde greifbar war. Mangels einer zustellfähigen Anschrift beziehungsweise eines bekannt gegebenen Zustellungsbevollmächtigten zum maßgeblichen Zeitpunkt der Zustellung des Bescheides hat die belangte Behörde daher zu Recht die Zustellung des Bescheides durch Hinterlegung im Akt gemäß § 8 Abs. 2 iVm § 23 Abs. 2 ZustellG verfügt (vgl. VwGH 12.03.1997, 95/21/0731).

Zu der ebenfalls in der Beschwerde zitierten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 11.06.2013, 2013/21/001 ist anzumerken, dass der Fall in der zitierten Entscheidung anders gelagert ist. Im Gegensatz zum gegenständlichen Verfahren - wonach die belangte Behörde in Unkenntnis des Aufenthaltes des Beschwerdeführers war - war der dortigen Behörde bekannt, dass sich der Fremde in Frankreich aufhält.

Dass eine neue Abgabestelle ohne Schwierigkeiten hätte ermittelt werden können, tut der Asylwerber durch einen Verweis auf die Verwaltungsakte seiner Eltern und Geschwister, bei denen er gewohnt habe, nicht mit Erfolg dar, weil nicht davon auszugehen war, dass er nach Erreichen des achtzehnten Lebensjahres weiterhin bei seiner Familie wohnt und daher Ermittlungen in dieser Richtung entbehrlich waren (vgl. VwGH 28.06.1995, 95/01/0033). Somit kann dem weiteren Beschwerdeeinwand, wonach eine Zustellung durch Hinterlegung im gegenständlichen Fall zudem nicht zulässig sei, da die Ausforschung der "neuen" Abgabenstelle durch Anfrage bei seinem Vater und seiner Schwester "relativ einfach" möglich gewesen wäre, ebenfalls nicht gefolgt werden.

Im verfahrensgegenständlichen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer gemäß den Bestimmungen des § 7 Abs. 4 VwGVG eine Frist von vier Wochen eingeräumt.

Gegenständlich erfolgte die Hinterlegung des Bescheides am 10.02.2020, wodurch der Beginn der vierwöchigen Rechtsmittelfrist ausgelöst wurde. Somit endete die Frist am 09.03.2020 und ist die mit Schriftsatz vom 16.02.2020 eingebrachte Beschwerde verspätet. Die Übernahme des Bescheides durch den Beschwerdeführer anlässlich seiner Überstellung in die Justizanstalt Wels am 20.02.2020 löst keine Rechtswirkung aus (vgl. 17.11.2010, 2010/13/0118).

Es war beschlussgemäß zu entscheiden und die Beschwerde daher als verspätet zurückzuweisen.

4. Zur Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Im gegenständlichen Fall konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG - trotz eines entsprechenden Antrages - eine mündliche Verhandlung unterbleiben, weil der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt bereits aus der Aktenlage geklärt erscheint. Zudem ist in § 24 Abs. 2 VwGVG explizit geregelt, dass eine Verhandlung entfallen kann, wenn - wie gegenständlich - die Beschwerde zurückzuweisen ist.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Thematisiert wurden im gegenständlichen Fall insbesondere die Unterlassung der rechtzeitigen Bekanntgabe der Änderung der Abgabestelle und daraus folgende Zustellung durch Hinterlegung beziehungsweise die allenfalls daraus folgende Fristauslösung und deren Konsequenzen. Wie die der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegte Judikatur zeigt, weicht diese weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung zur Glaubhaftmachung von Asylgründen und zur Relevanz des Privat- und Familienlebens; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Schlagworte

Beschwerdefrist Einreiseverbot Fahrlässigkeit Fristablauf Fristüberschreitung Fristversäumung Meldeadresse Meldepflicht minderer Grad eines Versehens Mitwirkungspflicht Rechtskraft der Entscheidung Rechtsmittelfrist Rückkehrentscheidung Sorgfaltspflicht unabwendbares Ereignis unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis Verschulden verspätete Beschwerde Verspätung Vorhalt Wiedereinsetzungsantrag Wohnsitz Zustellung durch Hinterlegung Zustellwirkung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I422.2229887.1.00

Im RIS seit

14.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

14.08.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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