TE Vwgh Beschluss 1998/1/15 97/07/0162

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Veröffentlicht am 15.01.1998
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Index

L66508 Flurverfassung Zusammenlegung landw Grundstücke
Flurbereinigung Vorarlberg;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
80/01 Land- und forstwirtschaftliches Organisationsrecht;
80/06 Bodenreform;

Norm

AgrBehG 1950 §7 Abs2 Z1;
AgrBehG 1950 §7 Abs2 Z2;
AgrBehG 1950 §7 Abs2;
AgrBehG 1950 §7;
AVG §73 Abs2;
AVG §8;
FlVfGG §19;
FlVfGG §21;
FlVfGG §36 Abs1;
FlVfLG Vlbg 1979 §36 Abs7;
FlVfLG Vlbg 1979 §55;
FlVfLG Vlbg 1979 §71;
FlVfLG Vlbg 1979 §72 litc;
FlVfLG Vlbg 1979 §72;
FlVfLG Vlbg 1979 §73;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Hargassner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofmann, in der Beschwerdesache der FA in B, vertreten durch Dr. Dietmar Fritz, Rechtsanwalt in Bezau, Brugg 251, gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Vorarlberger Landesregierung vom 26. Februar 1997, Zl. LAS-210-429, betreffend Abweisung eines Devolutionsantrages in einer Regulierungsangelegenheit, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 15. März 1990 leitete die Agrarbezirksbehörde B. (AB) gemäß § 42 Abs. 2 des Vorarlberger Flurverfassungsgesetzes, LGBl. Nr. 2/1979 (FLG), das Regulierungsverfahren bezüglich des F.-Waldes ein. In der Begründung wird ausgeführt, der F.-Wald, eingetragen in EZ 48, GB S., sei im Grundbuch fünf Personen und drei Gemeinschaftsalpen als Miteigentum im Sinne des § 361 ABGB zugeschrieben. Der F.-Wald habe einerseits Dienstbarkeitsrechte des Holzbezuges in verschiedenen Wäldern in der Gemeinde S. und sei andererseits mit Dienstbarkeiten des Brennholz-, Bau- und Nutzholzbezuges sowie verschiedenen Weidedienstbarkeiten belastet. Die durchgeführten Erhebungen über die Nutzung und Verwaltung des F.-Waldes hätten eindeutig ergeben, daß es sich bei diesem Wald um nach alten Rechten und Übungen von den Anteilsberechtigten gemeinschaftlich genutzte und somit um agrargemeinschaftliche Grundstücke im Sinne des § 31 FLG handle. Die einzelnen Anteile stellten daher keine Miteigentumsanteile am F.-Wald, sondern Anteilsrechte an der Nutzung der agrargemeinschaftlichen Liegenschaften dar. Im Zuge des Regulierungsverfahrens werde der Grundbuchsstand durch Eintragung der nach Abschluß des Regulierungsverfahrens körperschaftlich eingerichteten Agrargemeinschaft als Eigentümerin des F.-Waldes berichtigt, die Anteilsrechte festgestellt und in einem eigenen Anteilbuch verzeichnet. Gleichzeitig werde eine Satzung ausgearbeitet, die im Sinne der Bestimmungen des § 73 FLG neben der Verwaltung auch die Nutzung des F.-Waldes regle.

Mit Schriftsatz vom 30. April 1996 beantragte die Beschwerdeführerin bei der AB die Zuerkennung der Parteistellung in dem seit 1990 anhängigen Regulierungsverfahren und die Zustellung aller in diesem Verfahren bisher erfolgten behördlichen Erledigungen. Weiters stellte sie den Antrag, die AB möge als Aufsichtsbehörde den von der Mehrheit der Mitglieder der Agrargemeinschaft F.-Wald beschlossenen neuen Verwaltungs- und Nutzungssatzungen die erforderliche Genehmigung versagen und den Verwaltungsorganen der Agrargemeinschaft F.-Wald auftragen, neue Satzungen auszuarbeiten, welche als Mitglieder der Agrargemeinschaft sowohl die Brennholzberechtigten als auch die Bauholzberechtigten erwähnten.

Begründet wurden diese Anträge im wesentlichen damit, bei der Vollversammlung der Agrargemeinschaft F.-Wald am 25. April 1996 habe die Beschwerdeführerin erstmals erfahren, daß bereits im Jahr 1990 ein Regulierungsverfahren bezüglich des F.-Waldes eingeleitet worden sei. Der Einleitungsbescheid sei ihr nicht zugestellt worden. Sie sei seit 1985 Eigentümerin der Alpe O. in EZ 18, GB S. Zugunsten des Grundstückes Nr. 81 bestehe das Bau- und Nutzholzbezugsrecht aus dem F.-Wald. Dieses Holzbezugsrecht sei keine zivilrechtliche Dienstbarkeit, sondern stelle ursprünglich ein dem Servitutenpatent von 1853 unterliegendes Holzbezugsrecht dar und sei nunmehr rechtlich als Nutzungsrecht an agrargemeinschaftlichen Grundstücken zu qualifizieren. Die Beschwerdeführerin habe daher Parteistellung im Regulierungsverfahren. In der Vollversammlung der Agrargemeinschaft F.-Wald am 25. April 1996 seien von der Mehrheit der Anwesenden neue Verwaltungs- und Nutzungssatzungen beschlossen worden. Die Beschwerdeführerin habe gegen die Annahme dieser Satzungen gestimmt. Die mehrheitlich beschlossenen Satzungen griffen massiv in die in der Regulierungsurkunde aus dem Jahr 1868 festgesetzten Rechte der Bauholzberechtigten ein, weil sie im Ergebnis den Ausschluß der Bauholzberechtigten von den Anteils- und Mitgliedschaftsrechten an der Agrargemeinschaft und die rechtswidrige Umwandlung der Bauholzrechte in zivilrechtliche Dienstbarkeiten bedeuteten.

Da die AB über die Anträge der Beschwerdeführerin nicht entschied, beantragte diese mit Schriftsatz vom 6. November 1996 - bei der belangten Behörde eingelangt am 7. November 1996 - den Übergang der Entscheidungspflicht auf die belangte Behörde.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 26. Februar 1997 wies die belangte Behörde den Devolutionsantrag ab.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte mit Beschluß vom 16. Juni 1997, B 682/97-3, ihre Behandlung ab und trat sie mit Beschluß vom 3. September 1997, B 682/97-5, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Der meritorischen Erledigung dieser Beschwerde durch den Verwaltungsgerichtshof steht jedoch der Umstand entgegen, daß die Beschwerdeführerin den Instanzenzug nicht ausgeschöpft hat.

Gemäß § 7 Abs. 2 Z. 2 des Agrarbehördengesetzes 1950 ist gegen abändernde Erkenntnisse des Landesagrarsenates die Berufung an den Obersten Agrarsenat hinsichtlich der Fragen der Gesetzmäßigkeit der Abfindung bei der Teilung agrargemeinschaftlicher Grundstücke und der Gesetzmäßigkeit der Regulierung agrargemeinschaftlicher Anteilsrechte zulässig.

Daß kein "abänderndes" Erkenntnis des Landesagrarsenates vorliegt, hindert die Zuständigkeit des Obersten Agrarsenates nicht. In Fällen, in denen der Landesagrarsenat einen Devolutionsantrag abgelehnt hat, ist eine Berufung an den Obersten Agrarsenat dann zulässig, wenn der ablehnende Bescheid aus Anlaß einer Verwaltungssache ergangen ist, in der die Berufung an den Obersten Agrarsenat zulässig ist, wenn also § 7 des Agrarbehördengesetzes 1950 das Recht der Berufung an den Obersten Agrarsenat eröffnet (vgl. den Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 1. Oktober 1979, VfSlg. 8628/79).

§ 7 Abs. 2 Z. 2 des Agrarbehördengesetzes 1950 eröffnet den Instanzenzug an den Obersten Agrarsenat in Fragen der Gesetzmäßigkeit der Regulierung agrargemeinschaftlicher Anteilsrechte. Zum Begriff der Gesetzmäßigkeit der Regulierung agrargemeinschaftlicher Anteilsrechte im Sinne der genannten Gesetzesstelle hat der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen, daß mit dieser Formulierung der Rahmen der an den Obersten Agrarsenat heranzutragenden Angelegenheiten weit gesteckt ist, indem dieser Gesetzeswortlaut die Überprüfungsbefugnis des Obersten Agrarsenates auf alle Fälle erstreckt, in denen die Übereinstimmung einer Regulierung agrargemeinschaftlicher Anteilsrechte mit den dafür bestehenden gesetzlichen Grundlagen in Streit steht (vgl. den hg. Beschluß vom 8. April 1997, 94/07/0123, und die dort angeführte Vorjudikatur).

Soweit sich § 7 Abs. 2 Z. 2 des Agrarbehördengesetzes 1950 auf Fragen der Gesetzmäßigkeit der Regulierung agrargemeinschaftlicher Anteilsrechte bezieht, ist Regelungsgegenstand dieser Norm die Entscheidungskompetenz des Obersten Agrarsenates in erkennbar jenen agrarrechtlichen Angelegenheiten, welche in § 19 des Flurverfassungs-Grundsatzgesetzes 1951 mit der Ordnung der rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei agrargemeinschaftlichen Grundstücken auf dem Wege entweder der Teilung oder der Regulierung beschrieben sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1992, Slg. NF 13.755/A). Die im § 19 des Flurverfassungs-Grundsatzgesetzes 1951 angesprochene Regulierung ist im § 21 leg. cit. - und damit übereinstimmend im § 36 Abs. 7 FLG - näher definiert. Nach § 21 des Flurverfassungs-Grundsatzgesetzes 1951 erfolgt die Regulierung der gemeinschaftlichen Benutzungs- und Verwaltungsrechte durch Feststellung des nachhaltigen Ertrages, durch Feststellung der Anteilsrechte der einzelnen Berechtigten, durch Vornahme der für die Wirtschaft notwendigen Verbesserungen, durch Aufstellung des Wirtschaftsplanes und von Verwaltungssatzungen. Verbesserungen dürfen nur insoweit ausgeführt werden, als sie eine ausreichende Rentabilität gewährleisten.

Ergebnis der Regulierung - aber nicht die Regulierung selbst - ist der Regulierungsplan (§ 71 FLG). Was die Regulierung ist, ergibt sich aus der Definition des § 21 des Flurverfassungs-Grundsatzgesetzes 1951. Entscheidungen, die sich auf eines oder mehrere der in der genannten Bestimmung angesprochenen Elemente beziehen, betreffen daher die Regulierung und damit auch deren Gesetzmäßigkeit. Die Zuständigkeit des Obersten Agrarsenates nach § 7 Abs. 2 Z. 2 des Agrarbehördengesetzes 1950 ist daher nicht auf den Regulierungsplan beschränkt. Dies ergibt sich auch daraus, daß eine Reihe der im § 72 FLG aufgezählten Bestandteile des Regulierungsplanes bereits vor der Erlassung des Regulierungsplanes durch Bescheid festgelegt werden kann, sodaß ihre Aufnahme in die Haupturkunde nur mehr deklarative Bedeutung mit der Wirkung hat, daß der Regulierungsplan in diesem Punkt nicht mehr bekämpft werden kann. Wollte man die Anrufung des Obersten Agrarsenates auf Regelungen im Regulierungsplan beschränken, ergäben sich widersprüchliche Konsequenzen. Die Anrufbarkeit des Obersten Agrarsenates hinge dann davon ab, ob die zu bekämpfende Entscheidung - etwa jene über die Feststellung der Parteien - erst im Regulierungsplan getroffen wird oder bereits vorher in einem gesonderten Bescheid erfolgte.

Im Beschwerdefall geht es um die Frage, ob der Beschwerdeführerin Parteistellung aus dem Titel eines agrargemeinschaftlichen Anteilsrechtes an den der Regulierung unterworfenen agrargemeinschaftlichen Grundstücken zusteht. Nach § 72 lit. c FLG hat die Haupturkunde des Regulierungsplanes die Aufzählung der Parteien gemäß § 55 FLG zu enthalten. Schon der Umstand, daß die Liste der Parteien Bestandteil des Regulierungsplanes - des Ergebnisses der Regulierung - zu sein hat, zeigt, daß die Entscheidung über die Parteistellung zur Regulierung gehört und daß die Frage der Gesetzmäßigkeit dieser Entscheidung die Gesetzmäßigkeit der Regulierung berührt.

Eine Entscheidung über die Parteistellung aus dem Titel des Anteilsrechtes an den agrargemeinschaftlichen Grundstücken stellt auch einen Abspruch darüber dar, ob der Beschwerdeführerin ein solches Anteilsrecht zusteht. Die Feststellung der Anteilsrechte aber gehört nach § 21 des Flurverfassungs-Grundsatzgesetzes 1951 zur Regulierung. Sie bildet auch die Grundlage für Regelungen des Regulierungsplanes. Überdies läßt § 7 Abs. 2 Z. 1 des Agrarbehördengesetzes 1950 ausdrücklich die Anrufung des Obersten Agrarsenates hinsichtlich der Frage zu, ob einer Liegenschaft oder einer Person ein agrargemeinschaftliches Anteilsrecht zusteht. Dies gilt unabhängig davon, ob sich die Frage, ob einer Liegenschaft oder einer Person ein agrargemeinschaftliches Anteilsrecht zusteht, außerhalb eines Regulierungsverfahrens oder im Rahmen eines solchen stellt.

Ob der Beschwerdeführerin im Verfahren zur Regulierung des F.-Waldes Parteistellung aufgrund eines Anteilsrechtes an den agrargemeinschaftlichen Grundstücken zukommt, ist daher eine Frage, die in die Zuständigkeit des Obersten Agrarsenates fällt. Aus diesem Grund ist auch die Anrufung des Obersten Agrarsenates gegen den den Übergang der Entscheidungspflicht ablehnenden Bescheid der belangten Behörde zulässig.

Im Beschwerdefall geht es auch um die Genehmigung der Satzungen. Die Aufstellung - wozu auch die Genehmigung zählt - der Satzungen gehört nach § 21 des Flurverfassungs-Grundsatzgesetzes 1951 zur Regulierung. Auch diesbezüglich ist daher die Zuständigkeit des Obersten Agrarsenates gegeben (vgl. auch den hg. Beschluß vom 8. April 1997, 94/07/0123).

Mangels Ausschöpfung des Instanzenzuges der Beschwerdeführerin durch Anrufung des Obersten Agrarsenates gegen den Bescheid der belangten Behörde war die vorliegende Beschwerde gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG aus dem Grund offenbarer Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes zurückzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1997070162.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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