TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/13 W209 2225435-1

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Veröffentlicht am 13.05.2020
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Entscheidungsdatum

13.05.2020

Norm

ASVG §113 Abs1
ASVG §113 Abs2
ASVG §4
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W209 2225435-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Reinhard SEITZ als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX GmbH, XXXX , XXXX , gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse (nunmehr: Österreichische Gesundheitskasse) vom 15.10.2019, GZ: VA/ED-FP-0365/2019, betreffend Vorschreibung eines Beitragszuschlages gemäß § 113 Abs. 1 Z. 1 iVm Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) in Höhe von ? 1.000,00 wegen unterlassener Anmeldung der Dienstnehmerin XXXX , VSNR XXXX , zur Pflichtversicherung nach Beschwerdevorentscheidung vom 04.11.2019, GZ: VA/ED-FP-0365/2019, zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird Folge gegeben und die Beschwerdevorentscheidung ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid vom 15.10.2019 schrieb die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse (im Folgenden: belangte Behörde) der beschwerdeführenden XXXX GmbH (im Folgenden: Beschwerdeführerin) gemäß § 113 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG einen Beitragszuschlag in der Höhe von ? 1.000,00 vor, weil die Beschwerdeführerin es unterlassen habe, die Dienstnehmerin XXXX , VSNR XXXX , vor Arbeitsantritt zur Pflichtversicherung zu melden. Begründend wurde ausgeführt, dass im Rahmen einer am 23.08.2019 durchgeführten Kontrolle der Finanzpolizei festgestellt worden sei, dass für die oben angeführte Dienstnehmerin die Anmeldung vor Arbeitsantritt nicht erstatten worden sei. Der vorgeschriebene Beitragszuschlag setze sich aus dem Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung in Höhe von ? 400,00 und dem Teilbetrag für den Prüfeinsatz in Höhe von ? 600,00 zusammen.

2. Mit Schreiben vom 16.10.2019 erhob die Beschwerdeführerin binnen offener Rechtsmittelfrist Beschwerde, die im Wesentlichen damit begründet wurde, dass die Betretene laut ihren Angaben am Tag der Kontrolle bei einer Verkaufsfahrerin des Unternehmens, die eine Bekannte der Betretenen sei, ohne Wissen der Geschäftsleitung mitgefahren sei, um sich den Ablauf einer allfälligen künftigen Tätigkeit als Verkaufsfahrerin anzusehen und sich ein Bild von der Tätigkeit zu machen. Die Betretene habe sich weder im Unternehmen vorgestellt noch von diesem den Auftrag erhalten mitzufahren. Die Betretene habe auch weder eine Verkaufstätigkeit noch eine sonstige Leistung für das Unternehmen erbracht und wurde auch in keinster Weise vom Unternehmen entlohnt.

3. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 04.11.2019 wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab. Begründend führte sie unter Hinweis auf die einschlägige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes aus, dass die Behörde berechtigt sei, von einem Dienstverhältnis im üblichen Sinn auszugehen, wenn jemand bei der Erbringung von Dienstleistungen arbeitend unter solchen Umständen angetroffen wurde, die nach der Lebenserfahrung üblicherweise auf ein Dienstverhältnis hindeuten, sofern im Verfahren nicht jene atypischen Umstände dargelegt werden können, die einer solchen Deutung ohne nähere Untersuchungen entgegenstehen. Spreche die Vermutung für ein Dienstverhältnis, dann müsse die Partei ein ausreichend substantiiertes Vorbringen erstatten, aus dem man anderes ableiten könne. Bei einfachen manuellen Tätigkeiten oder Hilfsarbeiten, die in Bezug auf die Art der Arbeitsausführung und auf die Verwertbarkeit keinen ins Gewicht fallenden Gestaltungsspielraum des Dienstnehmers erlauben, könne bei Integration des Beschäftigten in den Betrieb des Beschäftigers in Ermangelung gegenläufiger Anhaltspunkte zudem ohne weitere Untersuchungen das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses in persönlicher Abhängigkeit im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG vorausgesetzt werden. Verfahrensgegenständlich stehe unbestritten fest, dass die Betretene im Verkaufswagen der Beschwerdeführerin in Anwesenheit einer Dienstnehmerin der Beschwerdeführerin angetroffen worden sei, ohne zum Zeitpunkt der Betretung bei der Sozialversicherung angemeldet zu sein. Die Betretene habe gegenüber der Finanzpolizei angegeben, einen "Besichtigungstag" zu absolvieren, und dass es ihre Absicht gewesen sei, am Tag der Kontrolle mit der Dienstnehmerin der Beschwerdeführerin einen Arbeitstag zu verbringen, um sich ein Bild von der Tätigkeit zu machen. Nach der Lebenserfahrung sei nicht davon auszugehen, dass in diesem Zeitraum keine Tätigkeiten von der Betretenen erbracht worden seien, zumal es sich bei der gegenständlichen Verkaufstätigkeit lediglich um einfache manuelle Tätigkeiten handle, die kein großes Vorwissen erfordern würden. Solche Tätigkeiten würden üblicherweise im Rahmen eines Dienstverhältnisses verrichtet. Demnach sei ohne weiteres vom Vorliegen einer Tätigkeit der Betretenen in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit auszugehen. Dem Beschwerdevorbringen, dass die Betretene keinerlei Leistungen erbracht habe, könne daher nicht gefolgt werden. Atypische Umstände, die einer Beurteilung als abhängige Beschäftigung entgegenstünden, seien im Beschwerdefall nicht ersichtlich. Zum Vorbringen, die Betretene habe lediglich einen Probetag absolviert, sei auszuführen, dass dies erfordere, dass die Betretene zumindest in untergeordneter Weise an der Arbeit beteiligt werde. Dies finde gegenständlich Ausdruck in der Mitfahrt im Verkaufswagen. Personen, die einen Probetag absolvieren, hätten grundsätzlich Anspruch auf den kollektivertraglichen bzw. angemessenen Lohn. Es sei daher von einem entgeltlichen Dienstverhältnis auszugehen. Zum Beschwerdevorbringen, die Beschwerdeführerin habe nicht gewusst, dass die Betretene mitfahren würde, sei auszuführen, dass es an der Dienstgebereigenschaft nichts ändere, wenn der Dienstnehmer durch Mittelspersonen in Dienst genommen werde oder ganz oder teilweise auf Leistungen Dritter anstelle des Entgeltes verwiesen werde. Dabei komme es nicht darauf an, dass die Indienstnahme "ohne Wissen" oder sogar "gegen den Willen" des Dienstgebers erfolgt sei. Es genüge die rechtliche Möglichkeit der Einflussnahme (z.B. durch Weisungen oder Kontrollen) auf die tatsächliche Betriebsführung einschließlich der Beschäftigung einer Person durch Dritte. Ob und inwiefern der Dienstgeber diese rechtliche Möglichkeit auch tatsächlich wahrnehme, sei nicht relevant. Es wäre daher in der Verantwortung der Beschwerdeführerin gelegen, von ihrer rechtlichen Einflussmöglichkeit auf die tatsächliche Betriebsführung in der Weise Gebrauch zu machen, dass es in ihrem Betrieb zu keiner unangemeldeten Beschäftigung komme. Wenn ein Dienstgeber verhindern wolle, dass in seinem Betrieb Beschäftigungsverhältnisse ohne seine Zustimmung bzw. ohne die erforderliche Anmeldung zur Sozialversicherung begonnen werden, müsse er - eben auch für Fälle der Abwesenheit verantwortlicher Personen - ein wirksames Kontrollsystem einführen. Für die mangelnde Effektivität eines solchen Kontrollsystems habe der Dienstgeber unabhängig von seinem Verschulden einzustehen. Unbedeutende Folgen lägen gegenständlich nicht vor, zumal bis dato keine Nachmeldung für den Betretungstag erfolgt sei. Die Vorschreibung des Beitragszuschlages sei daher sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach zu Recht erfolgt.

4. In ihrem rechtzeitig erstatteten Vorlageantrages brachte die Beschwerdeführerin ergänzend vor, dass die Betretene nur mitgefahren sei, weil sie sich aufgrund gesundheitlicher Probleme nicht sicher gewesen sei, ob sie die Tätigkeit ausüben könne. Dies habe sie auch der Finanzpolizei mitgeteilt. Bei der Kontrolle habe sie sofort das Fahrzeug verlassen und sich abholen lassen. Man habe den Vorfall zum Anlass genommen, alle Mitarbeiter zu unterweisen, dass es betriebsfremden Personen verboten sei, im Verkaufswagen mitzufahren.

5. Am 15.11.2019 einlangend legte die belangte Behörde die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Entscheidung wird folgender Sachverhalt zu Grunde gelegt:

Im Zuge einer am 23.08.2019 gegen 09:55 Uhr in XXXX , XXXX , durch Organe der Finanzpolizei durchgeführten Kontrolle wurde XXXX , VSNR XXXX , zusammen mit einer als Verkaufsfahrerin tätigen Dienstnehmerin der Beschwerdeführerin in einem auf die Beschwerdeführerin zugelassen Verkaufswagen angetroffen.

Die Betretene ist ohne Wissen der Geschäftsleitung der Beschwerdeführerin mit einer als Verkaufsfahrerin tätigen Dienstnehmerin der Beschwerdeführerin, die eine Bekannte der Betretenen ist, bei einer Verkaufsfahrt mitgefahren, um sich ein Bild von der Tätigkeit einer Verkaufsfahrerin zu machen, da sie sich aufgrund ihrer gesundheitlichen Einschränkungen nicht sicher war, ob sie die Tätigkeit überhaupt ausführen kann.

Die Betretene sollte weder eine Verkaufstätigkeit noch eine sonstige Leistung erbringen und hat auch keine derartigen Leistungen erbracht.

2. Beweiswürdigung:

Die Kontrolle unter den oben angeführten Umständen steht auf Grund der Aktenlage als unstrittig fest.

Die Feststellungen zu den Motiven der Anwesenheit der Betretenen im Verkaufswagen und die Feststellung, dass die Betreten keinerlei Leistungen erbringen sollte und auch keine Leistungen erbrachte, gründen auf dem schlüssigen Beschwerdevorbringen, das mit den Angaben der Betretenen gegenüber der Finanzpolizei übereinstimmt. So begründete die Betretene bereits im Personalblatt zeitnah zur Kontrolle ihre Anwesenheit damit, dass sie einen unentgeltlichen "Besichtigungstag" absolviert habe.

Beweiswürdigend berücksichtigt wurde auch, dass die Betretene laut Angaben der Finanzpolizei keine Arbeitskleidung trug, während einem Werbevideo für Interessent/innen, die für die Beschwerdeführerin als Verkaufsfahrer/innen tätig werden wollen, auf der Webseite der Beschwerdeführerin (http://www.frischamtisch.com/jobs) zu entnehmen ist, dass die Verkaufsfahrer/Innen der Beschwerdeführerin üblicherweise ein T-Shirt mit dem Firmenlogo der Beschwerdeführerin tragen.

Zudem lassen auch das auf der Webseite der Beschwerdeführerin vorgesehene Bewerbungsprozedere und der sonstige Internetauftritt nicht darauf schließen, dass mit potenziellen Interessent/innen regelmäßig (meldepflichtige) Probearbeitstage vereinbart würden, ohne diese vor Arbeitsantritt zur Sozialversicherung zu melden.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch einen Senat vorgesehen ist. Gemäß § 414 Abs. 2 ASVG entscheidet in Angelegenheiten nach § 410 Abs. 1 Z 1, 2 und 6 bis 9 ASVG das Bundesverwaltungsgericht auf Antrag einer Partei durch einen Senat; dies gilt auch für Verfahren, in denen die zitierten Angelegenheiten als Vorfragen zu beurteilen sind.

Im vorliegenden Fall stellt die Frage der Versicherungspflicht eine Vorfrage dar und liegt somit eine Angelegenheit vor, die auf Antrag eine Senatszuständigkeit unter Beteiligung fachkundiger Laienrichter begründet. Mangels Stellung eines entsprechenden Antrages hat die Entscheidung jedoch mittels Einzelrichter zu erfolgen.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

Gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 ASVG sind die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigten Dienstnehmer in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung versichert (vollversichert), wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß den §§ 5 und 6 ASVG von der Vollversicherung ausgenommen ist, noch nach § 7 ASVG nur eine Teilversicherung begründet.

Gemäß § 4 Abs. 2 1. Satz ASVG ist Dienstnehmer im Sinne dieses Bundesgesetzes, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.

Unter Entgelt sind die Geld- und Sachbezüge zu verstehen, auf die der pflichtversicherte Dienstnehmer aus dem Dienstverhältnis Anspruch hat oder die er darüber hinaus auf Grund des Dienstverhältnisses vom Dienstgeber oder von einem Dritten erhält (§ 49 ASVG).

Für die Beurteilung von Sachverhalten nach dem ASVG ist in wirtschaftlicher Betrachtungsweise der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend. Ein Sachverhalt ist so zu beurteilen, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen, Tatsachen und Verhältnissen angemessenen rechtlichen Gestaltung zu beurteilen gewesen wäre (§ 539a ASVG).

Gemäß § 33 Abs. 1 ASVG haben Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach dem ASVG in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden. Die An(Ab)meldung durch den Dienstgeber wirkt auch für den Bereich der Unfall- und Pensionsversicherung, soweit die beschäftigte Person in diesen Versicherungen pflichtversichert ist.

Gemäß § 35 Abs. 1 1. Satz ASVG gilt als Dienstgeber im Sinne des ASVG unter anderem derjenige, für dessen Rechnung der Betrieb (die Verwaltung, die Hauswirtschaft, die Tätigkeit) geführt wird, in dem der Dienstnehmer in einem Beschäftigungsverhältnis steht, auch wenn der Dienstgeber den Dienstnehmer durch Mittelspersonen in Dienst genommen hat oder ihn ganz oder teilweise auf Leistungen Dritter an Stelle des Entgeltes verweist. Dies gilt entsprechend auch für die gemäß § 4 Abs. 1 Z 3 ASVG pflichtversicherten, nicht als Dienstnehmer beschäftigten Personen.

Gemäß § 113 Abs. 1 ASVG können unter anderem Dienstgebern Beitragszuschläge vorgeschrieben werden, wenn

1. die Anmeldung zur Pflichtversicherung nicht vor Arbeitsantritt erstattet wurde oder

2. die vollständige Anmeldung zur Pflichtversicherung nach § 33 Abs. 1a Z 2 nicht oder verspätet erstattet wurde oder

3. das Entgelt nicht oder verspätet gemeldet wurde oder

4. ein zu niedriges Entgelt gemeldet wurde.

Der Beitragszuschlag setzt sich gemäß § 113 Abs. 2 ASVG im Fall des Abs. 1 Z 1 nach einer unmittelbaren Betretung im Sinne des § 111a [Abgabenbehörden des Bundes, deren Prüforgane Personen betreten haben] aus zwei Teilbeträgen zusammen, mit denen die Kosten für die gesonderte Bearbeitung und für den Prüfeinsatz pauschal abgegolten werden. Der Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung beläuft sich auf ? 400,00 je nicht vor Arbeitsantritt angemeldeter Person; der Teilbetrag für den Prüfeinsatz beläuft sich auf ? 600,00. Bei erstmaliger verspäteter Anmeldung mit unbedeutenden Folgen kann der Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung entfallen und der Teilbetrag für den Prüfeinsatz bis auf ? 300,00 herabgesetzt werden. In besonders berücksichtigungswürdigen Fällen kann auch der Teilbetrag für den Prüfeinsatz entfallen.

Fallbezogen ergibt sich daraus Folgendes:

Im vorliegenden Beschwerdeverfahren ist strittig, ob eine meldepflichtige Beschäftigung der Betretenen vorlag und die Beschwerdeführerin als Dienstgeberin verpflichtet gewesen wäre, letztere vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Behörde berechtigt, von einem Dienstverhältnis im üblichen Sinne auszugehen, wenn jemand bei der Erbringung von Dienstleistungen arbeitend unter solchen Umständen angetroffen wird, die nach der Lebenserfahrung üblicherweise auf ein Dienstverhältnis hindeuten, und im Verfahren nicht jene atypischen Umstände dargelegt werden, die einer solchen Deutung ohne nähere Untersuchung entgegenstehen (vgl. VwGH 27.04.2011, 2010/08/0091).

Den Feststellungen folgend wurde die Betretene im Zuge einer Kontrolle durch die Finanzpolizei zusammen mit einer Verkaufsfahrerin der Beschwerdeführerin in einem Verkaufswagen der Beschwerdeführerin angetroffen. Dabei erbrachte die Betretene jedoch weder Tätigkeiten noch trug sie Arbeitskleidung, obwohl dies sonst bei den Verkaufsfahrer/innen der Beschwerdeführerin üblicherweise der Fall ist.

Damit liegen - mit Ausnahme der bloßen Anwesenheit der Betretenen im Verkaufswagen -keine Umstände vor, die nach der Lebenserfahrung üblicherweise auf ein Dienstverhältnis hindeuten.

Die Anwesenheit der Betretenen im Verkaufswagen wurde seitens der Beschwerdeführerin damit begründet, dass die Betretene einen unentgeltlichen "Besichtigungstag" absolvieren wollte. Dazu ist zunächst festzuhalten, dass es von der Auslegung der Erklärungen der Parteien im Einzelfall abhängt, ob ein entgeltlicher Arbeitsvertrag zustande gekommen ist oder bloß unentgeltlicher "Besichtigungstag" vereinbart wurde. Gemäß § 1152 ABGB kann auch Unentgeltlichkeit vereinbart werden, im Zweifel ist aber von der Entgeltlichkeit des Arbeitsvertrages auszugehen (vgl. den Beschluss des OGH vom 30. Mai 2007, 9 ObA 12/07s).

Unentgeltlichkeit der Verwendung ist nicht schon bei Fehlen einer Entgeltvereinbarung zu vermuten, sondern diese muss - wenigstens nach den Umständen konkludent - vereinbart worden sein und einer Prüfung auf ihre sachliche Rechtfertigung standhalten (vgl. VwGH 19.12.2012, Zl. 2012/08/0165, mwN).

Eine derartige sachliche Rechtfertigung könnte in persönlichen Beziehungen, in bestimmten wirtschaftlichen Interessen, aber auch in der idealistischen Einstellung (etwa im Falle der ehrenamtlichen Tätigkeit für einen Verein) begründet sein (vgl. VwGH 30.01.2006, Zl. 2004/09/0217, mwN). Es ist Sache der Partei, hierzu entsprechende konkrete Behauptungen aufzustellen und Beweise anzubieten (vgl. neuerlich VwGH 19.12.2012, Zl. 2012/08/0165, mwN).

Eine solche sachliche Rechtfertigung ist vorliegend gegeben. Die Betretene ist ohne Wissen der Geschäftsleitung der Beschwerdeführerin mit einer als Verkaufsfahrerin tätigen Dienstnehmerin der Beschwerdeführerin, die eine Bekannte der Betretenen ist, bei einer Verkaufsfahrt mitgefahren, um sich ein Bild von der Tätigkeit einer Verkaufsfahrerin zu machen, da sie sich aufgrund ihrer gesundheitlichen Einschränkungen nicht sicher war, ob sie die Tätigkeit überhaupt ausführen kann. Unter diesen - im Hinblick auf die übrigen Feststellungen, dass die Betretene keine Arbeitskleidung trug sowie keinerlei Tätigkeiten verrichtete, nachvollziehbaren - Umstände erscheint es schlüssig, dass vor der Absolvierung des "Besichtigungstages" zumindest konkludent dessen Unentgeltlichkeit vereinbart wurde.

Damit ist im Lichte der oben angeführten Judikatur nicht vom Vorliegen eines meldepflichtigen Dienstverhältnisses auszugehen. Da somit auch keine Meldepflicht bestand, erfolgte die Vorschreibung eines Betragszuschlages zu Unrecht und war der Beschwerde daher gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG stattzugeben und die Beschwerdevorentscheidung, die den Ausgangsbescheid ersetzt hat, ersatzlos zu beheben.

Entfall der mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Die Parteien haben einen solchen Antrag nicht gestellt. Der erkennende Richter erachtete die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht für erforderlich, weil der festgestellte Sachverhalt zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Bescheides aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde hinreichend geklärt erschien und daher durch die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten war.

Da auch keine Fragen der Beweiswürdigung auftraten, welche die Durchführung einer mündlichen Verhandlung notwendig gemacht hätten, stehen dem Entfall der Verhandlung auch weder Artikel 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Artikel 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegen (vgl. u.a. VwGH 07.08.2017, Ra 2016/08/0140).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Bei der Frage, ob ein unentgeltlicher Freundschafts- oder Gefälligkeitsdienst vorliegt, handelt es sich um eine grundsätzlich nicht revisible einzelfallbezogene Beurteilung (vgl. VwGH 24.02.2015, Ra 2015/08/0009).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Beitragszuschlag Dienstverhältnis Meldepflicht Versicherungspflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W209.2225435.1.00

Im RIS seit

14.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

14.08.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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