Entscheidungsdatum
18.05.2020Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
W166 2224245-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Carmen LOIBNER-PERGER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Ivona GRUBESIC sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Michael SVOBODA als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages der Gewährung von Hilfeleistungen nach dem Verbrechensopfergesetz in Form von Übernahme der Kosten für psychotherapeutische Krankenbehandlung, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführerin stellte am 16.01.2019 einen Antrag auf Übernahme der Kosten für eine psychotherapeutische Krankenbehandlung nach dem Verbrechensopfergesetz (in weiterer Folge kurz: VOG) beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (in weiterer Folge: belangte Behörde).
Antragsbegründend führte die Beschwerdeführerin aus, am 06.11.2018 in Wien von einem Bekannten im Schlaf anal vergewaltigt worden zu sein.
Die belangte Behörde nahm daraufhin in den dazu geführten Strafakt Einsicht und forderte eine Stellungnahme bei der von der Beschwerdeführerin namhaft gemachten Psychotherapeutin XXXX an.
Aus der von der LPD Wien durchgeführten Zeugenvernehmung der Beschwerdeführerin am 06.11.2018 geht hervor, dass sie vor zirka drei Wochen über die Dating-App Tinder einen M. kennen gelernt habe und sie sich zeitnah getroffen hätten. Darauf folgten zwei weitere Treffen, wobei sie beide beim letzten Treffen jeder einen weißen Spritzer und bei einer Veranstaltung im XXXX ungefähr noch vier bis fünf Achtel Wein getrunken hätten. Auf Vorschlag der Beschwerdeführerin seien sie um zirka 00:30 bis 1:00 Uhr mit dem Taxi zu ihr nach Hause gefahren, wobei es für beide klar gewesen sei, dass es in der Wohnung der Beschwerdeführerin zum Geschlechtsverkehr kommen werde. Es sei schließlich zum einvernehmlichen vaginalen und oralen Geschlechtsverkehr gekommen und sei mit einem Kondom verhütet worden. An den genauen Ablauf könne sich die Beschwerdeführerin nicht mehr erinnern, da sie sehr betrunken und auch müde gewesen sei. Irgendwann hätte sie sich schließlich weggedreht und sei mit dem Rücken zu M. eingeschlafen. Der Geschlechtsverkehr sei zu diesem Zeitpunkt beendet gewesen. Plötzlich sei sie - glaublich nach zehn bis dreißig Minuten - aufgewacht, weil M. mit seinem Penis anal in die Beschwerdeführerin eingedrungen sei. Geschockt von der Situation habe die Beschwerdeführerin vorerst nicht reagieren können und hätte dann zu weinen begonnen. M. habe sofort aufgehört, als er mitbekommen habe, dass die Beschwerdeführerin weine. Er habe sich entschuldigt und geäußert, dass er selbst nicht begriffen habe, was er da jetzt gemacht habe. Sie habe M. mehrfach gebeten ihre Wohnung zu verlassen und habe dieser der Aufforderung Folge geleistet.
Auf die Frage, ob M. Gewalt angewendet habe, gab die Beschwerdeführerin an: "Nein, hat er nicht. Er hat mich auch nicht bedroht."
Mit dem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 12.06.2019, Zl. XXXX , wurde der Angeklagte M. von der wider ihn mit Anklageschrift vom 29.03.2019 erhobenen Anklage nach § 205 Abs. 1 StGB, er habe am 06.11.2018 in Wien die Beschwerdeführerin, welche alkoholisiert war, schlief und unfähig war, die Bedeutung des Vorgangs einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, unter Ausnützung dieses Zustands dadurch missbraucht, dass er eine anale Penetration an ihr vollzogen habe, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen. Die Privatbeteiligte Beschwerdeführerin wurde gemäß § 366 Abs. 1 StPO mit ihren Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen.
In der Urteilsbegründung führte das Landesgericht für Strafsachen Wien aus, dass kein Schuldbeweis erhoben habe werden können. Wenngleich den Angaben der Beschwerdeführerin vollinhaltlich Glauben geschenkt worden sei, sei nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festzustellen gewesen, dass der Angeklagte tatsächlich erkannte oder hätte erkennen können bzw. es ernstlich für möglich halten konnte bzw. hielt, dass die anale Penetration gegen den Willen bzw. unter Ausnützung des im Angeklagtentenor angeführten Zustandes erfolgte.
Der eingeholten Auskunft der Psychotherapeutin XXXX vom 22.02.2019 ist zu entnehmen, dass die Beschwerdeführerin seit 07.01.2019 wöchentlich eine 60-minütige personenzentrierte Psychotherapie bei ihr in Anspruch nehme und als Grund eine Vergewaltigung durch einen Bekannten angegeben habe. Unmittelbar nach dem Vorfall hätte die Patientin laut ihrer Schilderung eine akute Belastungsreaktion (F43.0) gezeigt, weshalb in der Anamnese des psychotherapeutischen Erstgesprächs am 07.01.2019 eine Posttraumatische Belastungsstörung festgestellt habe werden können. Die Symptome und das Verhalten der Patientin hätten laut Anamnese nicht vor dem belastenden Erlebnis bestanden. Die Behandlung werde aus heutiger Sicht zirka zwei Jahre (60-80 Stunden) dauern, um eine anhaltende Verbesserung zu erzielen.
In dem von der belangten Behörde zum Ermittlungsergebnis des Freispruchs und dem daraus resultierenden Schluss, dass eine anspruchsbegründende Straftat im Sinne des VOG nicht vorliege, gewährten Parteiengehörs, äußerte die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 26.07.2019, die Psychotherapie wegen der psychischen Gesundheitsschädigung (Posttraumatische Belastungsstörung) aus dem Überfall weiterhin zu benötigen. Zwar habe strafrechtlich kein Schuldbeweis erbracht werden können, jedoch sei die nach dem VOG erforderliche Wahrscheinlichkeit gegeben. Darauf habe der Richter im Urteil speziell hingewiesen. Den Angaben der Beschwerdeführerin sei vollinhaltlich Glauben geschenkt worden. Sie ersuche daher um weitere Finanzierung der Kosten für ihre psychotherapeutische Krankenbehandlung.
Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid vom XXXX wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Übernehme der Kosten für eine psychotherapeutische Krankenbehandlung nach dem VOG aufgrund des Ereignisses vom 06.11.2018 ab. Begründend führte die belangte Behörde dazu aus, dass Herr M. mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 12.06.2019 freigesprochen worden sei, weil kein Schuldbeweis erbracht habe werden können. Das Vorliegen einer anspruchsbegründenden Straftat im Sinne des § 1 Abs. 1 VOG könne nicht angenommen werden. Der im Rahmen des Parteiengehörs erhobene Einwand vom 25.07.2019 sei nicht geeignet gewesen, das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zu entkräften, weil keine neuen Erkenntnisse vorlägen.
Dagegen erhob die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 02.09.2019 fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde und führte darin unter anderem aus, Einspruch erheben zu wollen, da sie die Psychotherapie wegen der psychischen Gesundheitsschädigung aus der Vergewaltigung weiterhin benötige. Gemäß § 1 Abs. 2 VOG sei die Wahrscheinlichkeit der Körperverletzung und Gesundheitsschädigung heranzuziehen und nicht ein Urteil. Ein Freispruch mangels Schuldbeweis sei kein Grund, eine Kostenübernahme der Therapie zu verweigern. Selbst das Strafgericht habe ihren Angaben vollinhaltlich Glauben geschenkt. Ein Sachverständigengutachten vom Forensischen DNA-Zentrallabor der Medizinischen Universität Wien belege, dass eine anale Penetration ohne Kondom stattgefunden habe.
Die Beschwerde samt dem Verwaltungsakt wurde dem Bundesverwaltungsgericht von der belangten Behörde am 30.09.2019 vorgelegt und langte hg. am 10.10.2019 ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin ist österreichische Staatsbürgerin und stellte am 16.01.2019 einen Antrag auf Übernahme der Kosten für eine psychotherapeutische Krankenbehandlung nach dem Verbrechensopfergesetz, welchen sie mit einer am 06.11.2018 an ihr vollzogenen Vergewaltigung begründete.
Es kann nicht mit der für der Verbrechensopfergesetzt erforderlichen Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin am 06.11.2018 Opfer einer mit mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohten rechtswidrigen und vorsätzlichen Handlung wurde und dadurch eine Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung erlitten hat.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellung zur österreichischen Staatsbürgerschaft der Beschwerdeführerin ergibt sich aus der im Verwaltungsakt einliegenden Passkopie, welche sie im Zuge ihres Antrages der belangten Behörde übermittelte.
Der von der Beschwerdeführerin gestellte Antrag auf Hilfeleistungen nach dem VOG liegt ebenfalls in dem von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt ein.
Die Negativfeststellung zur erlittenen Straftat der Beschwerdeführerin war zu treffen, da nicht davon ausgegangen werden kann, dass M. vorsätzlich eine mit mehr als sechsmonatige Freiheitsstrafe bedrohte rechtswidrige Handlung an der Beschwerdeführerin beging.
Nach den übereinstimmenden Angaben der Beschwerdeführerin sowie des M. im Strafverfahren trafen sich die beiden am 05.11.2018 um zu einer Veranstaltung im XXXX zu gehen und befanden sich beide in einem stark alkoholisierten Zustand, als sie den nach Weg zur Wohnung der Beschwerdeführerin mit dem Taxi zurücklegten. Dort kam es zunächst zu einvernehmlichem Geschlechtsverkehr. Dass M. den Geschlechtsverkehr ohne Einverständnis der Beschwerdeführerin an ihr weiter vollzog und zwar in dem Wissen, dass dies von der Beschwerdeführerin nicht mehr gewollt war, geht nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit aus den protokollierten Einvernahmen hervor. Insbesondere gab die Beschwerdeführerin gegen einen vorsätzlichen Missbrauch einer wehrlosen Person sprechend in der Einvernahme am 06.11.2018 an, dass M. sofort aufgehört habe, sie anal zu penetrieren, als er gemerkt hätte, dass sie weine. Auch die Angabe, M. hätte daraufhin geäußert, nicht begriffen zu haben, was er da gemacht habe, spricht ebenfalls gegen einen entsprechenden Tatvorsatz, der jedoch, um von einer Straftat - auch im Sinne des Verbrechensopfergesetzes - sprechen zu können jedenfalls zwingend vorliegen muss.
Überdies gab die Beschwerdeführerin an M. habe keine Gewalt angewendet und habe sie auch nicht bedroht.
Auch im Zuge der Hauptverhandlung vor dem Strafgericht äußerte die Beschwerdeführerin damit übereinstimmend, dass M. nie aggressiv gewesen sei. Sie wiederholte die Angabe, dass M. gleich mit der analen Penetration aufgehört habe, als er mitbekommen habe, dass sie weine. Er habe sich danach erkundigt, wieso sie weine. Er sei überrascht gewesen.
In der Hauptverhandlung gab M. weiters an, er habe am Abend des Vorfalls eben nicht verstanden, was das Problem gewesen sei, und habe daher versucht die Beschwerdeführerin am nächsten Tag anzurufen, und er habe ihr auch eine Nachricht geschickt, weil er mit ihr darüber reden hätte wollen. Am Abend hätte es keine Möglichkeit mehr dazu gegeben, weil M. so perplex gewesen sei, dass ihn die Beschwerdeführerin hinausgeschmissen habe.
Dies bestätigte auch die Beschwerdeführerin in der Hauptverhandlung indem sie angab, sie habe ihn rausgeschmissen, und M. habe überhaupt nicht verstanden warum bzw. was das Problem sei. Am nächsten Tag habe er sie angerufen, sie habe aber auf den Anruf nicht reagiert, sie habe nicht gewusst, was er mit ihr besprechen wolle oder ob er vielleicht aggressiv werde. Auf die Frage an die Beschwerdeführerin, ob M. jemals aggressiv gewesen sei, gab die Beschwerdeführerin an er sei nie aggressiv gewesen.
Aus der Schilderung des Verhaltens des M. kann damit auch nicht mit der gegenüber einem Strafverfahren zwar deutlich herabgesetzten, aber dennoch benötigten überwiegenden Wahrscheinlichkeit des Verbrechensopfergesetztes ein strafrechtlich relevantes Verhalten abgeleitet werden.
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine ausreichende Wahrscheinlichkeit im Sinne des § 1 Abs. 1 VOG erst gegeben, wenn erheblich mehr für als gegen das Vorliegen einer Vorsatztat spricht (zuletzt VwGH 23.09.2014, Zl. 2013/11/0256 mit dem Hinweis auf die E vom 6. März 2014, 2013/11/0219, mwN).
Im gegenständlichen Fall spricht nicht erheblich mehr für das Vorliegen einer Vorsatztat.
Der bloße Umstand, dass M. in der polizeilichen Einvernahme am 05.12.2018 einen Analverkehr verneinte, was er in der Hauptverhandlung damit begründete, dass er sich schämte und eine Eskalation vermeiden wollte, führt nicht dazu, dass erheblich mehr für das Vorliegen einer Straftat spricht, als dagegen.
Unbestritten blieb stets die Tatsache, dass sowohl die Beschwerdeführerin als auch M. zuvor einige alkoholische Getränke konsumierten und sich in einem dementsprechend alkoholisierten Zustand befanden. Auch dass er nach Angaben der Beschwerdeführerin in der mündlichen Hauptverhandlung beim Öffnen des Kondoms Schwierigkeiten gehabt hätte, deutet auf die Beeinträchtigung des M. zu diesem Zeitpunkt hin. Damit in Einklang zu bringen ist die Angabe der Beschwerdeführerin im Zuge der polizeilichen Befragung, dass M. äußerte, "es tue ihm leid, dass sie damit nicht einverstanden gewesen sei und er habe selbst nicht begriffen, was er da jetzt gemacht" habe. Dass er damit vorsätzlich gegen den Willen der Beschwerdeführerin eine anale Penetration vorgenommen hat, kann damit - mangels dafür sprechender Hinweise - nicht festgestellt werden.
Aus dem eingeholten forensischen Sachverständigengutachten vom 15.03.2019, wonach dieses Ergebnis mit einer Hautkontaktspur in Einklang zu bringen ist, können jedoch keine Rückschlüsse auf einen Tatvorsatz des M. gezogen werden.
Dass die Beschwerdeführerin - wie in ihrer Beschwerde vorgebracht - seit diesem Zeitpunkt Psychotherapie benötige, weil sie an Angst-, Schlaf- und Panikstörungen leide ist für die Beurteilung, ob es sich dabei um eine Straftat im Sinne des Verbrechensopfergesetztes handelt, nicht ausschlaggebend.
Zusammenfassend ergibt sich, dass nach Abwägung sämtlicher Umstände nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit vom Vorliegen einer Straftat im Sinne des § 1 Abs. 1 VOG ausgegangen werden kann.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 9d Abs. 1 VOG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide nach diesem Bundesgesetz durch einen Senat dem ein fachkundiger Laienrichter angehört.
Im gegenständlichen Fall liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 33/2013 i.d.F. BGBl. I 138/2017, geregelt (§ 1 leg.cit.).
Zu Spruchpunkt A) Abweisung der Beschwerde
Gemäß § 1 Abs. 1 VOG haben österreichische Staatsbürger Anspruch auf Hilfe, wenn mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass sie durch eine zum Entscheidungszeitpunkt mit einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohten rechtswidrigen und vorsätzlichen Handlung eine Körperverletzung oder eine Gesundheitsschädigung erlitten haben und ihnen dadurch Heilungskosten erwachsen sind oder ihre Erwerbstätigkeit gemindert ist.
Gemäß § 2 Z 2 lit. a VOG sind als Hilfeleistungen unter anderem Heilfürsorge in Form der ärztlichen Hilfe vorgesehen.
Gemäß § 4 Abs. 1 VOG ist Hilfe nach § 2 Z 2 ist nur für Körperverletzungen und Gesundheitsschädigungen im Sinne des § 1 Abs. 1 zu leisten. Opfer, die infolge einer Handlung im Sinne des § 1 Abs. 1 eine zumutbare Beschäftigung, die den krankenversicherungsrechtlichen Schutz gewährleistet, nicht mehr ausüben können, sowie Hinterbliebene (§ 1 Abs. 4) erhalten Heilfürsorge bei jeder Gesundheitsstörung.
Gemäß § 4 Abs. 2 VOG hat die Hilfe nach § 2 Z 2
1. wenn das Opfer oder der Hinterbliebene einer gesetzlichen Krankenversicherung unterliegt, freiwillig krankenversichert ist oder ein Anspruch auf Leistungen der Krankenversicherung besteht, der zuständige Träger der Krankenversicherung,
2. sonst die örtlich zuständige Gebietskrankenkasse zu erbringen. Die im § 2 Z 2 angeführten Leistungen gebühren in dem Umfang, in dem sie einem bei der örtlich zuständigen Gebietskrankenkasse Pflichtversicherten auf Grund des Gesetzes und der Satzung zustehen.
Für Schädigungen im Sinne des § 1 Abs. 1 zu entrichtende gesetz- und satzungsmäßige Kostenbeteiligungen einschließlich Rezeptgebühren sind nach diesem Bundesgesetz zu übernehmen.
Gemäß § 4 Abs. 2a VOG ist eine Übernahme von Kosten nach Abs. 2 letzter Satz bis zu einem Rechnungsbetrag von 100 Euro pro Antragsteller in voller Höhe möglich, sofern der ursächliche Zusammenhang mit der Schädigung glaubhaft ist.
Gemäß § 4 Abs. 3 VOG ersetzt der Bund einem im Abs. 2 Z 2 genannten Träger der Krankenversicherung die entstandenen Kosten, einem im Abs. 2 Z 1 genannten Träger der Krankenversicherung die Kosten, die über den ihnen erwachsenden Kosten liegen, hätten sie die Leistungen auf Grund eines anderen Bundesgesetzes und der Satzung zu erbringen gehabt. Ferner ersetzt der Bund den Trägern der Krankenversicherung einen entsprechenden Anteil an den Verwaltungskosten.
Gemäß § 4 Abs. 4 VOG haben Opfer oder Hinterbliebene die Kosten der Heilfürsorge selbst getragen, so sind ihnen diese Kosten in der Höhe zu ersetzen, die dem Bund erwachsen wären, wenn die Heilfürsorge durch den Träger der Krankenversicherung auf Grund dieses Bundesgesetzes erbracht worden wäre.
Gemäß § 4 Abs. 5 VOG sind die Kosten für die vom Träger der Krankenversicherung bewilligte Anzahl der Seitzungen, die das Opfer oder der Hinterbliebene selbst zu tragen hat bis zur Höhe des dreifachen Betrages des Kostenzuschusses des Trägers der Krankenversicherung zu übernehmen, wenn der Träger der Krankenversicherung auf Grund der Satzung dem Opfer oder dem Hinterbliebenen einen Kostenzuschuß für psychotherapeutische Krankenbehandlung infolge einer Handlung im Sinne des § 1 Abs. 1 erbringt. Sobald feststeht, dass der Träger der Krankenversicherung einen Kostenzuschuss erbringt, kann vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auch eine Direktabrechnung der Kosten mit dem Psychotherapeuten unter Bevorschussung des Kostenzuschusses des Trägers der Krankenversicherung vorgenommen werden, in diesem Fall ist der geleistete Kostenzuschuss vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen zu vereinnahmen. Eine Kostenübernahme bis zum angeführten Höchstausmaß erfolgt auch, sofern der Träger der Krankenversicherung Kosten im Rahmen der Wahlarzthilfe erstattet.
Der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes folgend ist eine ausreichende Wahrscheinlichkeit im Sinne des § 1 Abs. 1 VOG erst gegeben, wenn erheblich mehr für als gegen das Vorliegen einer Vorsatztat spricht.
Im gegenständlichen Fall kann jedoch nicht mit der für das Verbrechensopfergesetz erforderlichen Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin am 06.11.2018 Opfer einer mit mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohten rechtswidrigen und vorsätzlichen Handlung wurde und dadurch eine Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung erlitten hat (siehe obige Feststellungen). Da die grundsätzlichen Anspruchsvoraussetzungen des § 1 Abs. 1 VOG nicht gegeben sind, war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
3. wenn die Rechtssache durch einen Rechtspfleger erledigt wird.
Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
Weiters kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der Verhandlung erklärt werden.
Im gegenständlichen Fall galt es zu klären, ob eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass die Beschwerdeführerin einer mit mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe geahndeten Straftat zum Opfer fiel. Aus dem verwaltungsbehördlichen Ermittlungsverfahren lagen dem Bundesverwaltungsgericht sämtliche Einvernahmeprotokolle aus dem zu den Geschehnissen geführten Strafakt vor, worunter sich auch das Protokoll über die Hauptverhandlung des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 12.06.2019, Zl. XXXX , befand. Sowohl die Beschwerdeführerin als auch der Angeklagte M. äußerten sich in den Befragungen im Rahmen des Strafverfahrens umfassend zu den Geschehnissen und war der Sachverhalt damit vollständig zu klären bzw. konnte aus diesen Schilderungen nicht ansatzweise auf einen Tatvorsatz des M. - auch unter Berücksichtigung der im VOG gegenüber einem Strafverfahren herabgesetzten Wahrscheinlichkeit - geschlossen werden. Für das Bundesverwaltungsgericht ergaben sich damit auch keine weiteren Fragen an die Beschwerdeführerin oder den ehemaligen Angeklagten M. vor dem Hintergrund, dass der Sachverhalt dem vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde vollständig entnommen werden konnte, sohin der entscheidungsrelevante Sachverhalt geklärt war und in der Beschwerde keine Rechts- oder Tatfragen von einer solchen Art aufgeworfen wurden, deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätten, war eine mündliche Verhandlung im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. zuletzt VwGH vom 17.02.2015, Zl. Ra 2014/09/0007, mwN) nicht geboten. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen. Im vorliegenden Fall wurde darüber hinaus weder von der Beschwerdeführerin in der Beschwerde noch von der belangten Behörde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt (vgl. VwGH 16.12.2013, 2011/11/0180 mit weiterem Verweis auf die Entscheidung des EGMR vom 21.03.2002, Nr. 32.636/96). Eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall ist nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG), weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.
Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Anspruchsvoraussetzungen VerbrechensopferG vorsätzliche Begehung WahrscheinlichkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W166.2224245.1.00Im RIS seit
14.08.2020Zuletzt aktualisiert am
14.08.2020