Entscheidungsdatum
19.05.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W169 2221980-1/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Barbara MAGELE als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX geb XXXX , StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.07.2019, Zl. 1234074106-190612407, zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005 idgF, § 9 BFA-VG idgF, und §§ 52, 55 FPG idgF mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass Spruchpunkt VI des bekämpften Bescheides zu lauten hat:
"Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 4 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung."
II. Der Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte VII. und VIII. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und diese werden gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 15b AsylG und § 53 Abs. 2 FPG ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler, schlepperunterstützter Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 17.06.2019 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 18.06.2019 gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, dass er aus dem Bundesstaat Haryana stamme und die Sprache Hindi spreche. Er gehöre der Religionsgemeinschaft der Hindus und Volksgruppe der Jat an. Im Herkunftsstaat habe der Beschwerdeführer 12 Jahre die Grundschule besucht. Er habe als Landwirt gearbeitet. In Indien würden die Eltern, der Bruder, die Frau und der Sohn des Beschwerdeführers leben. Zu seinem Ausreisegrund führte er an, dass er der "Azad"-Partei angehöre. Bei der Wahl im Dezember 2018 habe es eine Auseinandersetzung innerhalb der Partei gegeben. Bei diesem Streit habe der Beschwerdeführer ein Parteimitglied geschlagen und dabei verletzt. Der Bruder des Verletzten habe dem Beschwerdeführer mit dem Umbringen gedroht, weshalb er geflüchtet sei. Im Falle einer Rückkehr habe er Angst um sein Leben.
2. Anlässlich seiner Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 02.07.2019 gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, dass er aus dem Bundesstaat Haryana stamme. Im Herkunftsstaat habe er 12 Jahre die Schule besucht und danach fünf bis sechs Jahre als Landwirt auf dem elterlichen Grundstück gearbeitet. Er sei verheiratet und habe mit seinen Eltern, seinem Bruder, seiner Ehefrau und seinem Sohn im gemeinsamen Haushalt gelebt. Diese würden im Heimatdorf leben, er habe zur Zeit aber keinen Kontakt zu seiner Familie, da er kein Geld habe, um eine SIM-Karte zu kaufen. Er sei gesund.
Zu seinem Fluchtgrund brachte der Beschwerdeführer Folgendes vor (A: nunmehriger Beschwerdeführer; F: Leiterin der Amtshandlung):
"(...)
F: Warum stellen Sie einen Asylantrag bzw. was veranlasste Sie, die Heimat zu verlassen? Schildern Sie bitte möglichst konkret und detailliert Ihre Fluchtgründe!
A: Österreich ist ein schönes Land. Ich würde gerne hier bleiben. Ich hatte dort ein Streit und wurde mit Mord bedroht. Ich habe mich auch dort versteckt, aber ich wurde gefunden.
F: Mit wem hatten Sie ein Streit?
A: mit einer politische Partei namens Azad.
F: Was ist Ihnen bei deisem Streit passiert?
A: Wir haben Dorfwahlen gehabt und dann kam es zu diesem Streit.
F: Können Sie etwas genauer darauf eingehen?
A: Nein soviel kann ich nicht erzählen. Ich hatte ein Streit mit der Azad Partei.
F: Inwifern, Streit, erklären Sie genauer?
A: Ich habe in meinem Dorf meine Partei unterstützt und die anderen haben ihre Partei unterstützt. Nachgefragt zu welcher Partei ich gehöre, gehöre ich auch zur AZAD Partei.
F: Inwifern wurden Sie bedroht?
A: Es gibt viele verschiedene Kandidaten die bei der Wahl kandidiert haben. Ich habe meine Partei unterstützt und die anderen haben ihre Partei unterstützt und deswegen kam es zum Streit.
F: Was passierte bei diesem Streit?
A: Es kam zu einer Ausernandersetzung, zwischen den Parteienmitglieder, wo ich einen Parteienmitglied geschlagen habe. Dieser wurde schwer verletzt. Auch einer unserer Männer wurde von denen geschlagen. Nach diesem Vorall bin ich geflüchtet.
F: Wurden Sie geschlagen?
A: ich wurde nicht geschlagen.
F: Welcher Partei gehören Sie an?
A: Ich gehöre zur AZAD Partei.
F: Warum sind Sie geflüchtet nach diesem Vorfall?
A: Aus Angst, das diese Personen mich umbringen könnten, da diese Personen bewaffnet waren, bin ich geflüchtet.
F: Haben Sie sich an die Behörde gewendet?
A: Nein habe ich nicht. Ich habe ja jemanden schlimm verletzt.
F: Was ist diesem Mann passiert, den Sie geschlagen haben?
A: Ich habe große Steine auf seinen Kopf geworfen. Er erlitt schwere Verletzungen und wurde ins Krankenhaus gebracht.
Anmerkung: AW grinst.
F: Warum haben Sie das gemacht?
A: Wir hatten halt einen Streit.
F: Um was ging es genau um diesen Streit?
A: Grund war, da wir untereinander verschiedene Kandidaten unterstützt haben.
F: Warum haben Sie diesen Vorfall nicht der Behörde gemeldet?
A: Diese Polizei unterstützt die anderen, deswegen bin ich nicht dahin gegangen.
F: Wie wurden Sie dann bedroht?
A: Der Bruder des Verletzten hat Leute von unserer Partei geschlagen und hat mir gesagt, wenn er mich findet, dann bringt er mich um.
F: Wie haben Sie davon erfahren?
A: Er hat mich angerufen. Dann habe ich mein Handy ausgeschaltet.
F: Warum haben Sie sich nicht in eine andere Stadt begeben?
A: Ich war in der Stadt Chandigarh. Dort war ich 20 Tage. Diese Person erfuhr davon. Von dort bin ich nach Delhi gereist. Dort war ich ca. 20 Tage. Dann hat mein Vater beschlossen mich ins Ausland zu schicken. Auch in Delhi war mein Leben in Gefahr.
F: Warum war ihr Leben in Delhi in Gefahr?
A: Die sind überall in Indien.
Vorhalt:
Aus den von Ihnen behaupteten Gründen warum Sie Ihr Land verlassen haben ist weder ein Asylstatus noch subsidiäre Schutzberechtigung herzuleiten noch ist jenes Vorbringen dazu geeignet eine begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne der GFK glaubhaft zu machen. Was sagen Sie dazu?
A: Ich werde berufen. Ich habe sonst keine Möglichkeit. Ich kann nicht zurück.
F: Warum haben Sie nicht versucht auf eine andere Art dieses Problem zu begleichen?
A: Ich habe es ja versucht, aber ich werde überall verfolgt.
F: Was haben Sie versucht?
A: Ich habe mich in Chandigarh und Delhi aufgehalten und die Feinde haben das ja herausgefunden.
F: Wie haben Sie davon erfahren, dass diese wissen wo Sie sich aufhalten?
A: Sie waren in Chandigarh und haben versucht mich umzubringen.
F: Schildern Sie den Fall!
A: Ich war am Abend unterwegs, plötzlich kam ein Auto mit 4-5 Personen. Sie versuchten mich umzubringen. Bin dann geflüchtet.
F: Wie versuchten diese Sie zu töten?
A: Sie hatten Holzstöcke bei sich.
F: Weiter?
A: Nur Holzstöcke. Ich bin dann weggerannt.
F: Wer waren diese 4-5 Personen?
A: Ich kenne sie nicht.
F: Woher wissen Sie dann, dass es mit dem zu tun hat?
A: Weil sie mich umbringen wollten.
F: Was sagten diese zu Ihnen?
A: Während Sie mich mit dem Holzstock geschlagen haben, sagten Sie mir, das sie mich umbringen werden.
F: Sie sind nicht weggerannt?
A: Ich habe es versucht, aber es ging nicht es kamen dann andere Leute zur Hilfe.
F: Wie war das Ende dann?
A: Dann sind die Täter geflüchtet.
F: Was hätten Sie bei einer Rückkehr in Ihr Heimatland sonst noch zu befürchten?
A: Angst um mein Leben. Sie bringen mich um.
F: Von wem haben Sie genau Angst?
A: Parteienmitglieder von der AZAD Partei. Da es ja untereinander zu Streitigkeiten kam.
F: Wo wohnen diese?
A: Sie wohnen in Haryana, wo genau weiß ich nicht.
F: Wie viele Personen sind hinter Ihnen her?
A: Das weiß ich nicht.
(...)"
Zu den Lebensumständen in Österreich führte der Beschwerdeführer an, dass er hier - wie auch in der EU, Norwegen und Island - keine Verwandten habe. Er sei nicht Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Organisation.
Dem Beschwerdeführer wurde am Ende der Einvernahme die Möglichkeit geboten, in die aktuellen Länderberichte zur Situation in Indien Einsicht zu nehmen und eine diesbezügliche Stellungnahme abzugeben. Der Beschwerdeführer verzichtete auf die Ausfolgung und eine Stellungnahme.
3. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Dem Beschwerdeführer wurde gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt V.). Weiters wurde innerhalb des Spruches ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG wurde ein zweijähriges Einreiseverbot gegen den Beschwerdeführer erlassen (Spruchpunkt VII.). Dem Beschwerdeführer wurde weiters gemäß § 15b Abs. 1 AsylG aufgetragen ab 18.06.2019 in einem namentlich genannten Quartier Unterkunft zu nehmen (Spruchpunkt VIII.).
Begründend führte die belangte Behörde aus, dass dem Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen kein Glauben geschenkt werde. Unabhängig davon stehe dem Beschwerdeführer aber eine innerstaatliche Fluchtalternative offen. Auch eine refoulementschutzrechtlich relevante Gefährdung im Falle einer Rückkehr nach Indien sei nicht gegeben. Der Beschwerdeführer erfülle nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG, der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stehe sein Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens angesichts der sehr kurzen Aufenthaltsdauer und des Fehlens von familiären oder privaten Bindungen im Inland nicht entgegen. Angesichts der abweisenden Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergebe sich die Zulässigkeit einer Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien. Die Frist für die freiwillige Ausreise von vierzehn Tagen ergebe sich aus § 55 FPG, da besondere Umstände, die der Beschwerdeführer bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen habe, nicht gegeben seien. Die Erlassung eines Einreiseverbotes gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG sei notwendig, da der Beschwerdeführer mittellos sei und durch die Stellung eines unbegründeten und missbräuchlichen Asylantrags die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährde. Hinsichtlich der Anordnung der Unterkunftnahme gemäß § 15b AsylG wurde festgehalten, dass diese mangels vorgebrachter Verfolgungsgründe geboten sei.
4. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und wurde nach Wiederholung der Fluchtgründe insbesondere ausgeführt, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren aufgrund mangelhafter Länderfeststellungen zu den Themen Selbstjustiz, Korruption und Haftbedingungen in Indien geführt habe. Dem Beschwerdeführer stehe aufgrund des Aadhaar-Projekts keine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung, zumal er auch in Chandigarh und Delhi bedroht worden sei. Dem Beschwerdeführer drohe Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Menschen, die von Akten der Selbstjustiz betroffen seien. Ebenso drohe ihm unmenschliche bzw. erniedrigende Behandlung durch Angehörige/Bekannte des Verletzten oder unmenschliche Haftbedingungen. Der Beschwerdeführer sei weiters bereit, schnell Deutsch zu lernen und dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stehen. Das Einreiseverbot sei unrechtmäßig, da die Mittellosigkeit nicht alleine damit begründet werden dürfe, dass sich der Beschwerdeführer in der Grundversorgung befinde und keiner Erwerbstätigkeit nachgehe, da dies auf sehr viele Asylwerber zutreffe. Die belangte Behörde habe unzulässigerweise die Rückführungs-RL unmittelbar angewendet, es fehle an einem konkreten Tatbestand für die Erlassung des Einreiseverbotes, einer konkreten Gefährdungsprognose und einer konkreten Abwägung und Begründung.
Beantragt wurde die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt):
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Indien aus dem Bundesstaat Haryana, gehört der Religionsgemeinschaft der Hindus und der Volksgruppe der Jat an. Seine Identität steht nicht fest. Er spricht die Sprache Hindi. Im Herkunftsstaat besuchte er 12 Jahre die Grundschule. Er arbeitete fünf bis sechs Jahre als Landwirt in der familieneigenen Landwirtschaft und konnte dadurch seinen Unterhalt finanzieren. Der Beschwerdeführer lebte im gemeinsamen Haushalt mit seinen Eltern, seinem Bruder, seiner Ehefrau und seinem Sohn. Der Beschwerdeführer ist verheiratet, hat einen minderjährigen Sohn und ist gesund.
Die Verfolgungsbehauptungen des Beschwerdeführers sind nicht glaubhaft. Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer in Indien eine an asylrelevante Merkmale anknüpfende Verfolgung droht. Er hatte keine persönlichen Probleme mit den Behörden im Heimatland. Dem Beschwerdeführer steht in Indien eine inländische Schutz- bzw. Fluchtalternative offen.
Der Beschwerdeführer hat keine Verwandten in Österreich und spricht kein Deutsch. Er ist in keinem Verein oder einer sonstigen Organisation Mitglied. Er bezieht keine Leistungen aus der Grundversorgung, geht keinem Erwerb nach und ist mittellos. Er ist strafgerichtlich unbescholten. Der Beschwerdeführer steht im erwerbsfähigen Alter. Die Eltern, der Bruder, die Ehefrau und der Sohn des Beschwerdeführers leben im Herkunftsstaat. Er steht derzeit nicht in Kontakt mit ihnen.
1.2. Zur Situation im Herkunftsstaat wird Folgendes festgestellt:
1. Rechtsschutz/Justizwesen
In Indien sind viele Grundrechte und -freiheiten verfassungsmäßig verbrieft und die verfassungsmäßig garantierte unabhängige indische Justiz bleibt vielmals wichtiger Rechtegarant. Die häufig überlange Verfahrensdauer aufgrund überlasteter und unterbesetzter Gerichte sowie verbreitete Korruption, vor allem im Strafverfahren, schränken die Rechtssicherheit aber deutlich ein (AA 18.9.2018). Eine systematisch diskriminierende Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis lässt sich nicht feststellen, allerdings sind vor allem die unteren Instanzen nicht frei von Korruption. Vorurteile z.B. gegenüber Angehörigen niederer Kasten oder Indigenen dürften zudem eine nicht unerhebliche Rolle spielen (AA 18.9.2018).
Das Gerichtswesen ist von der Exekutive getrennt (FH 27.1.2018). Das Justizsystem gliedert sich in den Supreme Court, das Oberstes Gericht mit Sitz in Delhi; das als Verfassungsgericht die Streitigkeiten zwischen Zentralstaat und Unionsstaaten regelt. Es ist auch Appellationsinstanz für bestimmte Kategorien von Urteilen wie etwa bei Todesurteilen. Der High Court bzw. das Obergericht besteht in jedem Unionsstaat. Es ist Kollegialgericht als Appellationsinstanz sowohl in Zivil- wie auch in Strafsachen und führt auch die Dienst- und Personalaufsicht über die Untergerichte des Staates aus, um so die Justiz von den Einflüssen der Exekutive abzuschirmen. Subordinate Civil and Criminal Courts sind untergeordnete Gerichtsinstanzen in den Distrikten der jeweiligen Unionsstaaten und nach Zivil- und Strafrecht aufgeteilt. Fälle werden durch Einzelrichter entschieden. Richter am District und Sessions Court entscheiden in Personalunion sowohl über zivilrechtliche als auch strafrechtliche Fälle (als District Judge über Zivilrechtsfälle, als Sessions Judge über Straffälle). Unterhalb des District Judge gibt es noch den Subordinate Judge, unter diesem den Munsif für Zivilsachen. Unter dem Sessions Judge fungiert der 1st Class Judicial Magistrate und, unter diesem der 2nd Class Judicial Magistrate, jeweils für minder schwere Strafsachen (ÖB 12.2018).
Das Gerichtswesen ist auch weiterhin überlastet und verfügt nicht über moderne Systeme zur Fallbearbeitung. Der Rückstau bei Gericht führt zu langen Verzögerungen oder der Vorenthaltung von Rechtsprechung. Eine Analyse des Justizministeriums für 2015 bis 2016 ergab eine Vakanz von 43 Prozent der Richterstellen an den Obergerichten (USDOS 20.4.2018). Die Regeldauer eines Strafverfahrens (von der Anklage bis zum Urteil) beträgt mehrere Jahre; in einigen Fällen dauern Verfahren bis zu zehn Jahre. Auch der Zeugenschutz ist mangelhaft. Dies führt dazu, dass Zeugen vor Gericht häufig nicht frei aussagen, da sie bestochen oder bedroht worden sind (AA 18.9.2018).
Insbesondere auf unteren Ebenen der Justiz ist Korruption weit verbreitet und die meisten Bürger haben große Schwierigkeiten, ihr Recht bei Gericht durchzusetzen. Das System ist rückständig und stark unterbesetzt, was zu langer Untersuchungshaft für eine große Zahl von Verdächtigen führt. Vielen von ihnen bleiben so länger im Gefängnis, als es der eigentliche Strafrahmen wäre (FH 27.1.2018). Die Dauer der Untersuchungshaft ist entsprechend zumeist exzessiv lang. Außer bei von Todstrafe bedrohten Delikten soll der Haftrichter nach Ablauf der Hälfte der drohenden Höchststrafe eine Haftprüfung und eine Freilassung auf Kaution anordnen. Allerdings nimmt der Betroffene mit einem solchen Antrag in Kauf, dass der Fall über lange Zeit gar nicht weiterverfolgt wird. Mittlerweile sind ca. 70 Prozent aller Gefangenen Untersuchungshäftlinge, viele wegen geringfügiger Taten, denen die Mittel für eine Kautionsstellung fehlen (AA 18.9.2018).
In der Verfassung verankerte rechtsstaatliche Garantien (z.B. das Recht auf ein faires Verfahren) werden durch eine Reihe von Sicherheitsgesetzen eingeschränkt. Diese Gesetze wurden nach den Terroranschlägen von Mumbai im November 2008 verschärft; u.a. wurde die Unschuldsvermutung für bestimmte Straftatbestände außer Kraft gesetzt (AA 18.9.2018).
Die Inhaftierung eines Verdächtigen durch die Polizei ohne Haftbefehl darf nach den allgemeinen Gesetzen nur 24 Stunden dauern. Eine Anklageerhebung soll bei Delikten mit bis zu zehn Jahren Strafandrohung innerhalb von 60, in Fällen mit höherer Strafandrohung innerhalb von 90 Tagen erfolgen. Diese Fristen werden regelmäßig überschritten. Festnahmen erfolgen jedoch häufig aus Gründen der präventiven Gefahrenabwehr sowie im Rahmen der Sondergesetze zur inneren Sicherheit, z.B. aufgrund des Gesetzes über nationale Sicherheit ("National Security Act", 1956) oder des lokalen Gesetzes über öffentliche Sicherheit ("Jammu and Kashmir Public Safety Act", 1978). Festgenommene Personen können auf Grundlage dieser Gesetze bis zu einem Jahr ohne Anklage in Präventivhaft gehalten werden. Auch zur Zeugenvernehmung können gemäß Strafprozessordnung Personen über mehrere Tage festgehalten werden, sofern eine Fluchtgefahr besteht. Fälle von Sippenhaft sind dem Auswärtigen Amt nicht bekannt. (AA 18.9.2018).
Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass unerlaubte Ermittlungsmethoden angewendet werden, insbesondere um ein Geständnis zu erlangen. Das gilt insbesondere bei Fällen mit terroristischem oder politischen Hintergrund oder solchen mit besonderem öffentlichem Interesse. Es gibt Fälle, in denen Häftlinge misshandelt werden. Ein im Mai 2016 von der renommierten National Law University Delhi veröffentlichter empirischer Bericht zur Situation der Todesstrafe in Indien zeichnet ein düsteres Bild des indischen Strafjustizsystems. So haben bspw. 80 Prozent aller Todeskandidaten angegeben, in Haft gefoltert worden zu sein. Nach glaubwürdigen, vertraulichen Schätzungen des IKRK Internationales Komitee des Roten Kreuz) kommt es weiterhin zu systematischer Folter in den Verhörzentren in Jammu und Kaschmir (AA 18.9.2018).
Für Angeklagte gilt die Unschuldsvermutung, ausgenommen bei Anwendung des "Unlawful Activities (Prevention) Amendment Bill", und sie haben das Recht, ihren Anwalt frei zu wählen. Das Strafgesetz sieht öffentliche Verhandlungen vor, außer in Verfahren, in denen die Aussagen Staatsgeheimnisse oder die Staatssicherheit betreffen können. Es gibt kostenfreie Rechtsberatung für bedürftige Angeklagte, aber in der Praxis ist der Zugang zu kompetenter Beratung oft begrenzt (USDOS 20.4.2018). Gerichte sind verpflichtet Urteile öffentlich zu verkünden und es gibt effektive Wege der Berufung auf beinahe allen Ebenen der Justiz. Angeklagte haben das Recht, die Aussage zu verweigern und sich nicht schuldig zu bekennen (USDOS 20.4.2018).
Gerichtliche Ladungen in strafrechtlichen Angelegenheiten sind im Criminal Procedure Code 1973 (CrPC, Chapter 4, §§61-69), in zivilrechtlichen Angelegenheiten im Code of Civil Procedure 1908/2002 geregelt. Jede Ladung muss schriftlich, in zweifacher Ausführung ausgestellt sein, vom vorsitzenden Richter unterfertigt und mit Gerichtssiegel versehen sein.
Ladungen werden gemäß CrPC prinzipiell durch einen Polizeibeamten oder durch einen Gerichtsbeamten an den Betroffenen persönlich zugestellt. Dieser hat den Erhalt zu bestätigen. In Abwesenheit kann die Ladung an ein erwachsenes männliches Mitglied der Familie übergeben werden, welches den Erhalt bestätigt. Falls die Ladung nicht zugestellt werden kann, wird eine Kopie der Ladung an die Residenz des Geladenen sichtbar angebracht. Danach entscheidet das Gericht, ob die Ladung rechtmäßig erfolgt ist, oder ob eine neue Ladung erfolgen wird. Eine Kopie der Ladung kann zusätzlich per Post an die Heim- oder Arbeitsadresse des Betroffenen eingeschrieben geschickt werden. Falls dem Gericht bekannt wird, dass der Betroffene die Annahme der Ladung verweigert hat, gilt die Ladung dennoch als zugestellt. Gemäß Code of Civil Procedure kann die Ladung des Gerichtes auch über ein gerichtlich genehmigtes Kurierservice erfolgen (ÖB 12.2018).
Im ländlichen Indien gibt es auch informelle Ratssitzungen, deren Entscheidungen manchmal zu Gewalt gegen Personen führt, die soziale Regeln brechen - was besonders Frauen und Angehörige unterer Kasten betrifft (FH 27.1.2018).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (18.9.2018): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien
- FH - Freedom House (27.1.2018): Freedom in the World 2018 - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/1142635.html, Zugriff 22.10.2018
- ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2018): Asylländerbericht Indien - Arbeitsversion
- USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430388.html, Zugriff 18.10.2018
2. Korruption
Korruption ist weit verbreitet (USDOS 20.4.2018). Indien scheint im Korruptionswahrnehmungsindex (Corruption Perceptions Index) von Transparency International (TI) für das Jahr 2018 mit einer Bewertung von 41 (von 100) (0 sehr korrupt, 100 kaum korrupt) auf dem 78. Rang von 180 Staaten auf (TI 2018). 2017 wurde Indien mit 40 Punkten (Rang 81 von 180 Staaten) bewertet (TI 2018). Im Jahr 2016 wurde Indien ebenfalls mit 40 Punkten bewertet. Das entspricht dem 79. Rang von 176 gelisteten Staaten (TI 2017).
NGOs berichten, dass üblicherweise Bestechungsgelder bezahlt werden, um Dienstleistungen wie Polizeischutz, Schuleinschreibung, Zugang zu Wasserversorgung oder Beihilfen zu beschleunigen (USDOS 20.4.2018). Die unteren Bereiche des Gerichtswesens sind im Speziellen von Korruption betroffen und die meisten Bürger haben Schwierigkeiten, Recht durch die Gerichte zu erhalten (FH 28.1.2018). Korruption ist auf allen Regierungsebenen vertreten (USDOS 20.4.2018).
Obwohl Politiker und Beamte regelmäßig bei der Entgegennahme von Bestechungsgeldern erwischt werden, gibt es zahlreiche Korruptionsfälle, die unbemerkt und unbestraft bleiben (FH 27.1.2018). Das Gesetz sieht Strafen für Korruption im öffentlichen Dienst vor, in der Praxis kommen Staatsdiener mit korrupten Praktiken häufig straflos davon (USDOS 20.4.2018). Durch das vom Präsidenten im Jahr 2014 unterzeichnete Lok Pal- und Lokayuktas Gesetz wurden unabhängige, staatliche Gremien eingerichtet, an die man Beschwerden wegen korrupter Beamter oder Politiker richten kann und die ermächtigt sind, die Beschwerden zu untersuchen und Verurteilungen vor Gericht zu verfolgen. Obwohl Modi und Angehörige seiner Regierung Unterstützung für das Gesetz signalisiert haben, gibt es wenig Belege dafür, dass es effektiv umgesetzt wird. Das 2005 geschaffene Recht auf Information (RTI) wird vor allem angewandt, um Transparenz zu steigern und korrupte Machenschaften aufzudecken. Seit der Verabschiedung des Gesetzes sind mindestens 65 "Recht auf Informationsaktivisten" ermordet und mehr als 400 angegriffen oder belästigt worden (FH 27.1.2018).
Korruption behindert manchmal auch Regierungsprogramme zur Untersuchung behaupteter Korruption im Regierungsbereich (USDOS 20.4.2018). Im Mai 2015 nahm die Lok Sabha (Volkskammer) Änderungen des Gesetzes zum Schutz von Informanten (Whistleblowers Protection Act) aus 2014 an. Mitglieder der Opposition kritisierten, dass dadurch die ohnehin schon begrenzten Auswirkungen des Gesetzes weiter aufgeweicht würden (FH 27.1.2018).
Gemäß Angaben des Zentrale Untersuchungsbehörde (Central Bureau of Investigation - CBI) unterhält jeder Bundesstaat in Indien mindestens ein Büro unter der Leitung eines Polizeichefs, in welchem Beschwerden per Post, Fax oder persönlich eingereicht werden können. Dabei kann auf Wunsch auch die Identität des Beschwerdeführers geheim gehalten werden. Vom CBI wurden im Untersuchungszeitraum [Anm.: 2016] 673 Korruptionsfälle registriert (CBI o.D.; vgl. USDOS 20.4.2018).
Eine von Transparency International und LocalCircles durchgeführte Umfrage hat ergeben, dass ein Einsatz von Bestechungsgeldern immer noch das effizienteste Mittel darstellt, um die Arbeit von Regierungsstellen abzuwickeln. Die Zahl jener Personen, die zugaben, ein Bestechungsgeld bei Behörden erlegt zu haben, lag 2017 bei 45 Prozent. So hat es einen Anstieg der Bestechung um 11 Prozent gegeben. Kommunale Unternehmen, Grundbuchabteilungen, wie auch Polizeidienststellen stellen dabei die korruptionsanfälligsten Regierungsstellen dar (IT 11.10.2018).
Der Bericht mit dem Titel India Corruption Survey 2018 besagt, dass 58 Prozent der Bürger angeben, dass ihre Staaten über keine Anti-Korruptions-Helpline verfügen, während bis zu 33 Prozent angaben, dass sie sich nicht über das Vorhandensein einer solchen Hotline in ihren Staaten im Klaren seien (ICS 2018).
Einzelpersonen - oder NGOs im Namen von Einzelpersonen oder Gruppen - können sogenannte Rechtsstreitpetitionen von öffentlichem Interesse ("Public interest litigation petitions") bei jedem Obersten Gericht oder direkt beim Obersten Bundesgericht, dem "Supreme Court" einbringen, um rechtliche Wiedergutmachung für öffentliche Rechtsverletzungen einzufordern. Diese Beschwerden können Verstöße gegen staatliche Aufgaben durch einen Regierungsangestellten oder eine Verletzung von Verfassungsbestimmungen sein. NGOs schätzen diese Anträge sehr, um Regierungsangehörige gegenüber zivilgesellschaftlichen Organisationen für Korruption und Parteilichkeit, zur Rechenschaft zu ziehen (USDOS 20.4.2018).
Quellen:
- CBI (o.D.): Join us in Fighting Corruption, http://www.cbi.gov.in/contact.php, Zugriff 7.11.2018
- - FH - Freedom House (27.1.2018): Freedom in the World 2018 - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/1142635.html, Zugriff 22.10.2018
- ICS - India Corruption Survey 2018 (11.10.2018): India Corruption Survey 2018: 56% Indians admit to paying bribes for citizen services as most states failed to put redressal mechanisms in place, https://www.localcircles.com/a/press/page/india-corruption-survey-2018, Zugriff 7.11.2018
- IT - India Times (11.10.2018): Bribery records 11 per cent growth in one year, finds survey, https://www.indiatoday.in/india/story/56-per-cent-paid-bribe-in-last-one-year-91-per-cent-don-t-know-about-anti-corruption-helpline-survey-1360392-2018-10-11, Zugriff 7.11.2018
- TI - Transparency International (2019): Corruption Perceptions Index 2018, https://www.transparency.org/cpi2018, Zugriff 30.1.2019
- TI - Transparency International (2018): Corruption Perceptions Index 2017, https://www.transparency.org/news/feature/corruption_perceptions_index_2017#regional, Zugriff 7.11.2018
- TI - Transparency International (2017): Corruption Perceptions Index 2016, https://www.transparency.org/news/feature/corruption_perceptions_index_2016, Zugriff 7.11.2018
- USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430388.html, Zugriff 18.10.2018
3. Bewegungsfreiheit
Das Gesetz gewährt landesweite Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Migration und Repatriierung, und die Regierung respektiert diese Rechte im Allgemeinen (USDOS 20.4.2018). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der "Naxaliten" in Frage gestellt. Abgesehen davon ist Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes gewährleistet (AA 18.9.2018).
Die Regierung lockerte Einschränkungen für ausländische Reisende in Bezug auf Reisen nach Arunachal Pradesh, Nagaland, Mizoram, Manipur und Teilen von Jammu und Kaschmir, außer für Ausländer aus Pakistan, China und Burma. Das Innenministerium und die Bundesstaatenregierungen verlangen vor Reiseantritt von den Bürgern spezielle Genehmigungen einzuholen, um in bestimmte gesperrte Regionen bzw. Sperrzonen zu reisen (USDOS 20.4.2018).
Es gibt kein staatliches Melde- oder Registrierungssystem, so dass ein Großteil der Bevölkerung keinen Ausweis besitzt. Dies begünstigt die Niederlassung in einem anderen Landesteil im Falle von Verfolgung. Auch bei laufender strafrechtlicher Verfolgung ist nicht selten ein unbehelligtes Leben in ländlichen Bezirken eines anderen Landesteils möglich, ohne dass die Person ihre Identität verbergen muss (AA 18.9.2018).
In den großen Städten ist die Polizei jedoch personell und materiell besser ausgestattet, so dass die Möglichkeit, aufgespürt zu werden, dort größer ist. Bekannte Persönlichkeiten ("high profile" persons) können nicht durch einen Umzug in einen anderen Landesteil der Verfolgung entgehen, wohl aber weniger bekannte Personen ("low profile" people) (ÖB 12.2018).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (18.9.2018): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien
- ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2018): Asylländerbericht Indien - Arbeitsversion
- USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430388.html, Zugriff 18.10.2018
4. Meldewesen
Noch gibt es in Indien kein nationales Melde- bzw. Staatsbürgerschaftsregister. Die Regierung verfolgt seit einigen Jahren ein nationales Projekt zur Registrierung der Staatsbürger, und damit verbunden wird die Ausstellung von Personalausweisen ("Aadhar Card") sein. Von der Realisierung dieses Projektes ist man trotz einiger Vorarbeit aber noch weit entfernt. Es gibt kein Meldewesen in Indien (ÖB 12.2018; vgl. AA 18.9.2018).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (18.9.2018): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien
- ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2018): Asylländerbericht Indien - Arbeitsversion
5. Grundversorgung und Wirtschaft
In Indien lebt etwa ein Viertel der Bevölkerung unter dem veranschlagten Existenzminimum der Vereinten Nationen. Sofern es nicht zu außergewöhnlichen Naturkatastrophen kommt, ist jedoch eine das Überleben sichernde Nahrungsversorgung auch der untersten Schichten der Bevölkerung zum Großteil gewährleistet. Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer, Sozialhilfe gibt es nicht, die Rückkehrer sind auf die Unterstützung der eigenen Familie oder von Bekannten angewiesen (ÖB 12.2018).
Das Wirtschaftswachstum lag im Haushaltsjahr 2016/2017 bei 7,1 Prozent und in 2017/18 bei 6,75 Prozent mit wieder steigender Tendenz. Indien zählt damit nach wie vor zu den am stärksten expandierenden Volkswirtschaften der Welt (AA 11.2018a).
2016 lag die Erwerbsquote laut Schätzungen der ILO bei 55,6 Prozent. Der Hauptteil der Menschen arbeitet im Privatsektor. Es gibt immer noch starke Unterschiede bei der geschlechtlichen Verteilung des Arbeitsmarktes. Indien besitzt mit 478,3 Millionen Menschen die zweitgrößte Arbeitnehmerschaft der Welt (2012). Jährlich kommen 12,8 Millionen Arbeitskräfte hinzu. Im Jahr 2015 lag die Arbeitslosenquote bei 3,4 Prozent (nach ILO 2016) (BAMF 3.9.2018).
Schätzungen zufolge stehen nur circa 10 Prozent aller Beschäftigten in einem vertraglich geregelten Arbeitsverhältnis. Die übrigen 90 Prozent werden dem sogenannten "informellen Sektor" zugerechnet - sie sind weder gegen Krankheit oder Arbeitsunfälle abgesichert, noch haben sie Anspruch auf soziale Leistungen oder Altersversorgung (AA 11.2018a). Die überwiegende Mehrheit der indischen Bevölkerung lebt in ländlich-bäuerlichen Strukturen und bleibt wirtschaftlich benachteiligt. Der Anteil der Landwirtschaft an der indischen Wirtschaftsleistung sinkt seit Jahren kontinuierlich und beträgt nur noch etwa 16,4 Prozent (2017/18) der Gesamtwirtschaft, obgleich fast 50 Prozent der indischen Arbeitskräfte in diesem Bereich tätig sind (AA 11.2018a).
Die Regierung hat überall im Land rund 1.000 Arbeitsagenturen (Employment Exchanges) eingeführt um die Einstellung geeigneter Kandidaten zu erleichtern. Arbeitssuchende registrieren sich selbständig bei den Arbeitsagenturen und werden informiert sobald eine geeignete Stelle frei ist (BAMF 3.9.2018; vgl. PIB 23.7.2018). Das Nationale Mahatma Gandhi Beschäftigungsgarantieprogramm für die ländliche Bevölkerung (Mahatma Gandhi National Rural Employment Guarantee Act, MGNREGA), läuft bis 2019. Das Ziel des laufenden Programms besteht darin, die ländliche Infrastruktur zu verbessern, die Land- und Wasserressourcen zu vergrößern und der armen Landbevölkerung eine Lebensgrundlage zu bieten: Jedem Haushalt, dessen erwachsene Mitglieder bereit sind, manuelle Arbeiten zu verrichten, welche keiner besonderen Qualifikation bedarf, wird mindestens 100 Tage Lohnarbeit pro Haushaltsjahr garantiert (SNRD 26.3.2018). Einige Staaten in Indien geben Arbeitssuchenden eine finanzielle Unterstützung für die Dauer von drei Jahren. Für weitere Informationen sollte die jeweilige lokale Vermittlungsagentur kontaktiert werden. Diese bieten auch Beratungen an, bei denen sie Informationen zu Verfügung stellen (BAMF 3.9.2018).
Indien steht vor gewaltigen Herausforderungen bei der Armutsbekämpfung und in der Bildungs- und Infrastrukturentwicklung. Das durchschnittliche jährliche Pro-Kopf-Einkommen liegt bei rund 1.970 USD. Auf dem Human Development Index der UNDP (Stand: September 2016) steht Indien auf Platz 130 unter 188 erfassten Staaten. Während es weltweit die meisten Millionäre und Milliardäre beheimatet, liegt Indien bei vielen Sozialindikatoren deutlich unter den Durchschnittswerten von Subsahara-Afrika. Gleichzeitig konnten in den letzten beiden Jahrzehnten hunderte Millionen Menschen in Indien der Armut entkommen (AA 11.2018a).
Die Regierung betreibt eine Vielzahl von Programmen zur Finanzierung von Wohnungen. Diese richten sich jedoch zu meist an Personen unterhalb der Armutsgrenze. Weiters bieten die Regierungen eine Vielzahl an Sozialhilfen an, welche sich jedoch an unterprivilegierte Gruppen, wie die Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze richten. Diese Programme werden grundsätzlich durch die lokalen Verwaltungen umgesetzt (Panchayat) (BAMF 3.9.2018).
Die Arbeitnehmerrentenversicherung ist verpflichtend und mit der Arbeit verknüpft. Das staatliche Sozialversicherungsprogramm (National Social Assistance Programme) erfasst nur die Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze oder physisch Benachteiligte. Das staatliche Rentensystem National Pension System (NPS) ist ein freiwilliges, beitragsbasiertes System, welches es den Teilnehmer ermöglicht systematische Rücklagen während ihres Arbeitslebens anzulegen (BAMF 3.9.2018).
55,3 Prozent der Bevölkerung (642,4 Mio.) lebt in multi-dimensionaler Armut (HDI 2016). Sofern es nicht zu außergewöhnlichen Naturkatastrophen kommt, ist jedoch eine für das Überleben ausreichende Nahrungsversorgung auch den schwächsten Teilen der Bevölkerung grundsätzlich sichergestellt. Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer, Sozialhilfe oder ein anderes soziales Netz. Rückkehrer sind auf die Unterstützung der Familie oder Freunde angewiesen. Vorübergehende Notlagen können durch Armenspeisungen im Tempel, insbesondere der Sikh-Tempel, die auch gegen kleinere Dienstleistungen Unterkunft gewähren, ausgeglichen werden (AA 18.9.2018).
Im September 2018 bestätigte der Oberste Gerichtshof die Verfassungsmäßigkeit des biometrischen Identifikationsprojekts Aadhaar (HRW 17.1.2019). Als Teil einer Armutsbekämpfungsinitiative wurde seit 2010 Millionen indischer Bürger eine Aadhaar-ID Nummer ausgestellt. Ursprünglich wurde das System eingeführt, um Steuerbetrug entgegenzuwirken. In den folgenden Jahren wurde der Umfang jedoch stark ausgeweitet: In einigen indischen Bundesstaaten werden mittels Aadhaar Pensionen, Stipendien und die Essensausgabe für arme Menschen abgewickelt (ORF 27.9.2018). Aadhaar stellt für den Großteil der Bevölkerung den einzigen Zugang zu einem staatlich anerkannten Ausweis dar. Diejenigen, die sich bei Aadhaar angemeldet haben, erhielten nach der Übermittlung ihrer Fingerabdrücke und Netzhautscans eine eindeutige zwölfstellige Identifikationsnummer (BBC 26.9.2018).
Menschenrechtsgruppen äußern Bedenken, dass die Bedingungen zur Registrierung für Aadhaar, arme und marginalisierte Menschen daran hindern, wesentliche, verfassungsmäßig garantierte Dienstleistungen wie etwa Nahrung und Gesundheitsversorgung zu erhalten (HRW 18.1.2018).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (18.9.2018): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien
- AA - Auswärtiges Amt (11.2018a): Indien, Wirtschaft, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/indien-node/-/205976, Zugriff 17.1.2019
- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (3.9.2018): Länderinformationsblatt Indien, http://files.returningfromgermany.de/files/CFS_2018_India_DE.pdf, Zugriff 17.12.2018
- BBC British Broadcasting Corporation (26.9.2018): Aadhaar: India top court upholds world's largest biometric scheme, https://www.bbc.com/news/world-asia-india-44777787, Zugriff 20.11.2018
- HRW - Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 - India, ttps://www.ecoi.net/de/dokument/2002249.html, Zugriff 23.1.2019
- HRW - Human Rights Watch (13.1.2018): India: Identification Project Threatens Rights, https://www.ecoi.net/de/dokument/1422175.html, Zugriff 19.11.2018
- ORF - Österreichischer Rundfunk (27.9.2018): Indiens Form der digitalen Überwachung, https://orf.at/stories/3035121/, Zugriff 20.11.2018
- ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2018): Asylländerbericht Indien - Arbeitsversion
- PIB - Press Information Bureau Government of India Ministry of Labour & Employment (23.7.2018): Modernisation of Employment Exchanges, http://pib.nic.in/newsite/PrintRelease.aspx?relid=180854, Zugriff 20.11.2018
- SNRD - Sector Network Natural Resources and Rural Development Asia (26.3.2018): Environmental Benefits of the Mahatma Gandhi National Rural Employment Guarantee Act (MGNREGA-EB), https://snrd-asia.org/environmental-benefits-of-the-mahatma-gandhi-national-rural-employment-guarantee-act-mgnrega-eb/, Zugriff 29.1.2019
- WKO - Außenwirtschaft Austria (26.9.2018): Außen Wirtschaft Update Indien, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/indien-update.pdf, Zugriff 20.11.2018
6. Rückkehr
Allein die Tatsache, dass eine Person einen Asylantrag gestellt hat, führt nicht zu nachteiligen Konsequenzen nach der Abschiebung. Auch in jüngerer Zeit wurden bei rückgeführten abgelehnten indischen Asylbewerbern keine Benachteiligungen nach Rückkehr bekannt. Polizeilich gesuchte Personen müssen allerdings bei Einreise mit Verhaftung und Übergabe an die Sicherheitsbehörden rechnen (AA 18.9.2018).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (18.9.2018): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien
2. Beweiswürdigung:
2.1. Mangels Vorlage eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokuments steht die Identität des Beschwerdeführers nicht fest. Seine Staatsangehörigkeit und seine Herkunft erscheinen auf Grund seiner Sprach- und Ortskenntnisse glaubhaft.
Die Feststellungen über die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Verwandten im Herkunftsstaat, sowie die Feststellungen, dass der Beschwerdeführer in Österreich keine Verwandten hat, mittellos ist, nicht Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Organisation ist, verheiratet ist, einen minderjährigen Sohn hat und gesund ist, beruhen auf den Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 02.07.2019. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer kein Deutsch spricht, ergibt sich aus der Erstbefragung durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 18.06.2019 und den Ausführungen des Beschwerdeschriftsatzes. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer keinem Erwerb nachgeht, ergibt sich aus dem Unterbleiben gegenteiliger Behauptungen im Rahmen der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl.
Dass der Beschwerdeführer keine Leistungen aus der Grundversorgung in Anspruch nimmt und strafgerichtlich unbescholten ist, ergibt sich aus der Einsichtnahme ins Grundversorgungssystem und ins österreichische Strafregister.
Dass der Beschwerdeführer keine Probleme mit den Behörden in seinem Herkunftsstaat hatte, ergibt sich daraus, dass der Beschwerdeführer im Rahmen der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl keine diesbezüglichen Probleme vorbrachte.
Die Beurteilung der belangten Behörde, wonach das Vorbringen des Beschwerdeführers über die Bedrohung durch Privatpersonen nicht glaubhaft sei, ist zutreffend. Der Beschwerdeführer hat zwar eine derartige Bedrohungssituation sowohl im Verlauf der sicherheitsbehördlichen Erstbefragung am 18.06.2019 als auch bei seiner Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 02.07.2019 behauptet, seine diesbezüglichen Angaben sind jedoch, wie im angefochtenen Bescheid richtig festgehalten, als widersprüchlich, wenig konkret und detailliert und logisch nicht nachvollziehbar zu qualifizieren.
Wie im angefochtenen Bescheid zu Recht festgehalten, wurde die behauptete Bedrohungssituation vom Beschwerdeführer nur ausgesprochen vage und oberflächlich geschildert. In der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dazu aufgefordert, seine Fluchtgründe möglichst konkret und detailliert anzugeben, gab der Beschwerdeführer nur in zwei kurzen Sätzen einen oberflächlich gehaltenen Sachverhalt wieder: "Ich hatte dort einen Streit und wurde mit Mord bedroht. Ich habe mich auch dort versteckt, aber ich wurde gefunden." Auch nach sechs (!) Nachfragen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl brachte der Beschwerdeführer keine substantiellen Details hinsichtlich der von ihm behaupteten Bedrohung vor. Befragt, ob er sein Vorbringen genauer gestalten könne, antwortete der Beschwerdeführer lapidar: "Nein soviel kann ich nicht erzählen. Ich hatte einen Streit mit der Azad Partei." In diesem Zusammenhang ist auch auszuführen, dass der Beschwerdeführer zunächst angab, ein anderes Parteimitglied "geschlagen" zu haben, dies aber unmittelbar darauf erheblich steigerte, indem er angab, "große Steine auf seinen Kopf geworfen" zu haben, sodass dieser mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus gebracht worden sei. Ebenso schilderte der Beschwerdeführer den zweiten Vorfall in Chandigarh nur äußerst vage und selbst in dieser Vagheit widersprüchlich. Aufgefordert, den Sachverhalt darzulegen, beschränkte sich der Beschwerdeführer auf eine oberflächliche Darstellung: "Ich war am Abend unterwegs, plötzlich kam ein Auto mit 4-5 Personen. Sie versuchten mich umzubringen. Bin dann geflüchtet." Mehrere Nachfragen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl brachten als einziges weiteres Detail zu Tage, dass diese Personen mit Holzstöcken bewaffnet gewesen seien. Konträr zum Vorbringen, geflüchtet zu sein, gab der Beschwerdeführer unmittelbar darauf wiederum an, dass nicht er, sondern die Verfolger geflüchtet seien, nachdem andere Leute zur Hilfe gekommen seien. Bereits aufgrund dieser vagen und darüber hinaus widersprüchlichen Angaben zu den Fluchtgründen ist auf die Unglaubwürdigkeit des Vorbringens zu schließen.
Der Beschwerdeführer war darüber hinaus, wie im angefochtenen Bescheid zu Recht festgehalten, auch nicht in der Lage, seine Verfolger genau zu definieren. So beschränkte sich der Beschwerdeführer in der Einvernahme durch das Bundesamt und Fremdenwesen und Asyl zunächst darauf, dass er einen Streit gehabt habe. Auf Nachfrage führte er aus, dass er einen Streit mit einer politischen Partei namens "Azad" gehabt habe. Nach mehreren weiteren Nachfragen gab der Beschwerdeführer an, dass er "ein Parteimitglied" geschlagen habe. Dessen Bruder habe ihn am Handy mit dem Tod bedroht. In Chandigarh sei er daraufhin von "4-5" ihm unbekannten Personen geschlagen worden. Dass der Beschwerdeführer wiederum keine Details nennen konnte, bestätigt die Unglaubwürdigkeit des diesbezüglichen Vorbringens. Dies erscheint umso erstaunlicher, als es nach Angaben des Beschwerdeführers im Zuge von Dorfwahlen zu der behaupteten Auseinandersetzung unter den Mitgliedern derselben Partei gekommen sein soll und somit anzunehmen gewesen wäre, dass der Beschwerdeführer genauere Angaben über die handelnden Personen machen hätte können.
Nur der Vollständigkeit halber sei angeführt, dass der Beschwerdeführer sich auch zum Grund, warum er sich nicht an die indischen Behörden gewandt habe, widersprach. So führte er in der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zunächst an, dass er dies nicht gemacht habe, weil er "ja jemanden schlimm verletzt" habe. Unmittelbar darauf gab der Beschwerdeführer im Widerspruch dazu an, dass er sich nicht an die Polizei gewendet habe, weil diese "die anderen" unterstütze.
Am Rande sei außerdem erwähnt, dass der Beschwerdeführer sich zur Fahrt nach Delhi widersprach. Im Zuge der Erstbefragung vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer an, dass er mit einem PKW schlepperunterstützt nach Delhi gereist sei. In der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl führte der Beschwerdeführer jedoch aus, dass er von Chandigarh nach Delhi gereist sei und erst dort, nach ca. zwanzigtägigem Aufenthalt, sein Vater beschlossen habe, ihn ins Ausland zu schicken. Dies würde aber implizieren, dass die Kontaktaufnahme mit dem Schlepper erst in Delhi stattfand und folglich eine schlepperunterstützte Fahrt nach Delhi ausschließen.
Schlussendlich ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer selbst bei Wahrunterstellung des Fluchtvorbringens keine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung bzw. keine maßgebliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung glaubhaft machen konnte. So gab der Beschwerdeführer in der Erstbefragung vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu Protokoll, dass die Auseinandersetzung am Wohnort des Beschwerdeführers im Dezember 2018 stattgefunden habe. Den Entschluss zur Ausreise aus Indien habe er im Jänner 2019 gefasst. Im März 2019 sei er von seinem Wohnort nach Chandigarh und sodann im April 2019 nach Delhi gekommen und nach 10 - 15 Tagen ausgereist. Somit hat der Beschwerdeführer - ohne weitere Zwischenfälle - noch rund drei bis vier Monate nach dem Vorfall in seinem Heimatdorf gelebt, obwohl sein Verfolger offenkundig im selben Dorf gelebt hat, da er sich andernfalls wohl nicht an den Dorfwahlen beteiligt hätte.
Darüber hinaus würde sich - wie im Bescheid zu Recht angeführt - auch bei Wahrunterstellung der Bedrohungsbehauptungen des Beschwerdeführers vor dem Hintergrund der getroffenen Feststellungen über die Lage in seinem Herkunftsstaat daraus keine ernsthafte Bedrohungssituation für den Beschwerdeführer ableiten lassen. Aus den Länderberichten ergibt sich deutlich, dass in Indien volle Bewegungsfreiheit gewährleistet ist. Es kann grundsätzlich örtlich begrenzten Konflikten bzw. Verfolgungshandlungen durch Übersiedelung in einen anderen Landesteil ausgewichen werden. Weiters gibt es kein staatliches Melde- oder Registrierungssystem für indische Staatsangehörige und diese besitzen in der Mehrzahl keine Ausweise. Die indische Verfassung garantiert indischen Staatsangehörigen das Recht auf Bewegungsfreiheit im Staatsgebiet sowie das Recht auf Niederlassung und Aufenthalt in jedem Teil des Landes. Auch bei strafrechtlicher Verfolgung ist in der Regel ein unbehelligtes Leben in ländlichen Bezirken in anderen Teilen Indiens möglich, ohne dass diese Person ihre Identität verbergen muss. Der Beschwerdeführer würde daher auch bei Zugrundelegung seiner Angaben über eine Bedrohungssituation die Möglichkeit haben, vor einer Verfolgung von dieser Seite durch Niederlassung außerhalb seiner Herkunftsregion Sicherheit zu finden. Dies erscheint für den Beschwerdeführer aufgrund seiner Sprachkenntnisse in Hindi zumutbar, zumal er seinen Lebensunterhalt auch durch Gelegenheitsarbeiten und die finanzielle Unterstützung seiner in Indien lebenden Verwandten, die eine Landwirtschaft besitzen, sichern könnte.
2.2. Die oben wiedergegebenen Feststellungen zur Situation in Indien ergeben sich aus den im angefochtenen Bescheid herangezogenen Länderberichten, die dieser Entscheidung zugrunde gelegt wurden. Bei den angeführten Quellen handelt es sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Organisationen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation in Indien ergeben.
Den Länderberichten wurde weder vom Beschwerdeführer noch seinem rechtsfreundlichen Vertreter in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl bzw. im Beschwerdeschriftsatz substantiiert entgegengetreten. Soweit im Beschwerdeschriftsatz vorgebracht wird, dass die Länderberichte in Bezug auf das indische Melderegister veraltet seien und auf einen Bericht von Human Rights Watch über das Aadhar-System verwiesen wird, ist dem zu entgegnen, dass die im Bescheid zitierten Länderberichte das Aadhar-System bereits berücksichtigen und die dort enthaltenen Informationen neueren Datums sind als der im Beschwerdeschriftsatz verwiesene Bericht. Darüber hinaus hat der Beschwerdeführer keine staatliche Verfolgung geltend gemacht, sodass eine Registrierung im Aadhar-System einer innerstaatlichen Fluchtalternative auch nicht im Wege stünde. Die weiteren Ausführungen des Beschwerdeschriftsatzes über Selbstjustiz, Korruption und Haftbedingungen in Indien finden sich teils wortgleich in den dem Bescheid zugrunde gelegten Länderberichten wieder, sodass auch insoweit für den Beschwerdeführer mit jenen Ausführungen nichts zu gewinnen war.
3. Rechtliche Beurteilung:
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Normen (VwGVG, BFA-VG, AsylG) nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Zum Spruchteil A)
3.1. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung i.S.d. Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht. Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offen steht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.
Flüchtling i.S.d. Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK (i.d.F. des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) - deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben - ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."
Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde (vgl. VwGH 19.12.2007, 2006/20/0771). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK nennt (VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; 15.03.2001, 99/20/0128; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.
Gemäß § 3 Abs. 3 Z. 1 und § 11 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Asylantrag abzuweisen, wenn dem Asylwerber in einem Teil seines Herkunftsstaates vom Staat oder von sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und ihm der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann ("innerstaatliche Fluchtalternative"). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK vorliegen kann (vgl. zur Rechtslage vor dem AsylG 2005 z.B. VwGH 15.03.2001, 99/20/0036; 15.03.2001, 99/20/0134, wonach Asylsuchende nicht des Schutzes durch Asyl bedürfen, wenn sie in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen). Damit ist - wie der Verwaltungsgerichtshof zur GFK judiziert - nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vielmehr, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen - mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeit innerhalb des Herkunftsstaates - im gesamten Herkunftsstaat auswirken muss (VwGH 09.11.2004, 2003/01/0534). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer "inländischen Flucht- oder Schutzalternative" (VwGH 9.11.2004, 2003/01/0534) innewohnt, setzt