Entscheidungsdatum
20.05.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs3Spruch
W215 1241726-3/15E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. STARK bezüglich der Beschwerde von XXXX auch XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Republik Guinea, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.03.2018, Zahl 731210204-150368990, zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 4 Asylgesetz-Durchführungsverordnung, BGBl. II Nr. 448/2005 (AsylG-DV), in der Fassung BGBl. II Nr. 492/2013, § 8 AsylG-DV, in der Fassung
BGBl. II Nr. 230/2017, § 55 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG), in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, § 10 Abs. 3 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 86/2013,
§ 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG), in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, § 52 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG), in der Fassung BGBl. I Nr. 110/2019, insoweit stattgegeben, als die Dauer des des befristeten Einreiseverbotes gemäß § 53 Abs. 1 FPG, in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2013, auf zwei Jahre herabgesetzt wird; im Übrigen wird die Beschwerde mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides wie folgt lautet: "Gemäß § 55 FPG, in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2013, beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise
14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung."
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl Nr. 1/1930 (B-VG), in der Fassung BGBl. I Nr. 51/2012, nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Vorverfahren:
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Republik Guinea, stellte nach illegaler Einreise im Bundesgebiet am 28.04.2003 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 27.08.2003, Zahl 03.12.102-BAT, wurde der Asylantrag gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen und gemäß § 8 AsylG 1997 die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Guinea für zulässig erklärt. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 16.01.2011, Zahl A4 241725-0/2008/13E, rechtskräftig abgewiesen.
Mit Schreiben der Bundespolizeidirektion XXXX vom 16.12.2011 wurde der Beschwerdeführer über die beabsichtigte Erlassung einer Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot in Kenntnis gesetzt und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt. Der Beschwerdeführer stellte daraufhin zunächst einen Antrag auf Fristerstreckung bis 30.12.2011.
Am 13.12.2011 stellte der Beschwerdeführer beim XXXX einen Antrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot-Karte plus" gemäß § 41a Abs. 9 NAG.
Mit Schreiben vom 30.12.2011 teilte der Beschwerdeführer der Bundespolizeidirektion XXXX mit, dass er einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gestellt habe und derzeit noch auf Dokumente aus der Heimat warte. Es werde ersucht, mit einer Entscheidung im Rückkehrverfahren noch zuzuwarten, da im anhängigen Niederlassungsverfahren ebenfalls die Zulässigkeit der Ausweisung zu beurteilen sei.
Im Niederlassungsverfahren wurde der Beschwerdeführer in der Folge am 13.12.2011, 03.07.2012 und 06.05.2013 erfolglos aufgefordert, die fehlenden Unterlagen (Nachweis über A2-Deutschprüfung, Reisepass und Geburtsurkunde) nachzureichen. Nach zwei Fristersteckungsanträgen wurde die Frist schließlich bis 28.06.2014 erstreckt. Zwischenzeitlich stellte der Beschwerdeführer am 28.06.2013 einen Antrag auf Heilung nach § 19 Abs. 8 NAG. Nach Einholung einer begründeten Stellungnahme von der zuständigen Landespolizeidirektion am 21.08.2013 gemäß § 43 Abs. 3 NAG, in der sich diese gegen die Erteilung eines Aufenthaltstitels aussprach, wurde dem Beschwerdeführer die Möglichkeit eingeräumt, dazu Stellung zu nehmen. Am 09.10.2013 gab der Vertreter des Beschwerdeführers an, dass der Beschwerdeführer unbekannten Aufenthaltes sei und er keine Stellungnahme abgeben könne. Dennoch wartete die Behörde bis zum Ablauf der zuletzt gewährten Fristerstreckung ab und wies den Antrag schließlich mit Bescheid des XXXX , gemäß
§ 41a Abs. 9 NAG ab.
Mit Schreiben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.02.2015 wurde der Beschwerdeführer vom Ergebnis einer Beweisaufnahme zur beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot verständigt und ihm eine Frist zur Stellungnahme binnen zwei Wochen eingeräumt.
2. Gegenständliches Verfahren:
Am 24.02.2015 brachte der Beschwerdeführer - innerhalb der ihm gewährten Stellungnahmefrist - einen schriftlichen "Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 1 AsylG: Aufenthaltsberechtigung plus Modul 1 der Integrationsvereinbarung erfüllt" beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein. Der Beschwerdeführer legte eine A2-Deutschprüfungsbestätigung sowie medizinische Unterlagen, einen Sturz betreffend, vom 10.07.2004 und im Zuge dessen erlittene Knieverletzungen bei.
Am 25.02.2015 übermittelte der Beschwerdeführer dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine schriftliche Stellungnahme, führte im Wesentlichen aus, dass er seit mehr als zehn Jahren durchgehend in Österreich sei und sein Asylverfahren von 27.04.2003 bis 02.11.2011 gedauert habe, sodass sein Aufenthalt in dieser Zeit rechtmäßig gewesen sei. Er habe weitreichende Integrationsschritte gesetzt, könne ein A2-Deutschzertifikat vorlegen und habe die Möglichkeit, nach Erhalt eines Aufenthaltstitels, einer geregelten Beschäftigung nachzugehen.
Mit Schreiben vom 04.03.2015 wurde der Beschwerdeführer für den 09.03.2015 in das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl geladen und ihm aufgetragen, einen Reisepass oder ein Identitätsdokument mit Lichtbild, einen Nachweis über den Aufenthalt im Bundesgebiet, eine Krankenversicherung, einen Arbeitsvorvertrag und einen Mietvertrag vorzulegen.
In Folge legte der Beschwerdeführer ein Empfehlungsschreiben seines vormaligen Wohnbetreuers und einen auf den 23.03.2015 datierten Arbeitsvorvertrag vor, wonach er mit Erteilung eines Aufenthaltstitels als Hilfskraft in einem Supermarkt beschäftigt werden könne.
Aus einem Aktenvermerk vom 09.03.2015 geht hervor, dass der Beschwerdeführer aufgefordert wurde, einen Identitätsnachweis mit Lichtbild vorzulegen, da sein Antrag ansonsten zurückgewiesen werde. Mit Schreiben vom selben Tag wurde dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein Antrag des Beschwerdeführers auf Heilung des Mangels der Vorlage eines Reisepasses/Geburtsurkunde übermittelt. Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer keine Angehörigen in Guinea mehr habe, die ihm bei Beschaffung einer Geburtsurkunde behilflich sein könnten und es in XXXX keine Vertretungsbehörde von Guinea gebe, weshalb er sich zur nächsten Botschaft in die Schweiz oder nach Deutschland begeben müsste. Dazu müsste die Behörde aber zuerst den Aufenthalt legalisieren und einen Fremdenpass ausstellen.
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.04.2015, Zahl 731210204-150368990, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 55 AsylG gemäß
§ 58 Abs. 11 Z 2 AsylG als unzulässig zurückgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 10 Abs. 3 Asyl iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Guinea zulässig ist (Spruchpunkt II.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt III.).
Gegen diesen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.04.2015, Zahl 731210204-150368990, zugestellt am 17.04.2015, erhob der Beschwerdeführer fristgerecht am 28.04.2015 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26.07.2016, Zahl W215 1241726-2/5E, wurde der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß
§ 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
Im fortgesetzten Verfahren wurde dem Beschwerdeführer mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 28.04.2017 mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag zurück- bzw. abzuweisen und ihm wurde die Möglichkeit eingeräumt, hierzu Stellung zu nehmen. Weiters wurde ihm aufgetragen, seinen aktuellen Reisepass und ein vom österreichischen Honorarkonsulat in Conakry beglaubigtes Original seiner Geburtsurkunde vorzulegen.
In seiner Stellungnahme vom 22.05.2017 brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, dass er sich seit nunmehr 14 Jahren durchgehend in Österreich befinde, Deutsch auf
A2-Niveau spreche und keine strafrechtlichen Verurteilungen aufweise. Er könne in Guinea keine Dokumente erhalten. Die zuständige Botschaft befinde sich in Berlin und sei ihm eine Einreise nach Deutschland mangels Berechtigung nicht möglich. Er sei jederzeit bereit, sich zur Klärung seiner Identität einer erkennungsdienstlichen Behandlung zu unterziehen.
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.03.2018, Zahl 731210204-150368990, wurde in Spruchpunkt I. der Antrag des Beschwerdeführers auf Mängelheilung vom 09.03.2015 gemäß § 4 Abs. 1 Z 2 und 3 iVm
§ 8 Abs. 1 Z 1 und 2 AsylG-DV abgewiesen. In Spruchpunkt II. wurde der Antrag vom 24.02.2015 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 55 Abs. 1 AsylG gemäß § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG als unzulässig zurückgewiesen. In Spruchpunkt III. wurde gemäß § 10 Abs. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG, erlassen und in Spruchpunkt IV. einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung gemäß
§ 18 Abs. 2 Z 1 und 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt. In Spruchpunkt V. wurde gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. In Spruchpunkt VI. wurde gemäß
§ 55 Abs. 4 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt und in Spruchpunkt VII. gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß
§ 46 FPG nach Guinea zulässig ist. Begründend wurde im Wesentlichen festgehalten, dass die Identität des Beschwerdeführers in Ermangelung jeglicher Urkundenvorlage nicht feststehe. Er verfüge in Österreich über kein Familienleben, beziehe Leistungen aus der Grundversorgung und sei durch mehrfache strafrechtlich relevante Verdachtslagen aus Polizeimeldungen bekannt. Eine Schutzwürdigkeit seines Privatlebens sei nicht erkennbar, er habe auch praktisch keine Integrationserfolge vorzuweisen. Der Beschwerdeführer habe in Österreich noch nie gearbeitet, obwohl dies etwa während der Dauer seines Asylverfahrens im Rahmen des Möglichen gewesen wäre, und er weise angesichts seines seit 28.04.2003 andauernden Aufenthaltes nur rudimentäre Sprachkenntnisse auf dem Niveau A2 auf. Aufgrund seiner Mittellosigkeit sei ein Einreiseverbot zu verhängen.
Gegen diesen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.03.2018, Zahl 731210204-150368990, zugestellt am 14.03.2018, richtete sich die gegenständliche fristgerecht am 09.04.2018 eingebrachte Beschwerde. In dieser wiederholte der Beschwerdeführer im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen zu seinen Lebensumständen in Österreich und führt aus, dass er im Bundesgebiet gut integriert sei. Die gegenständliche Verhängung eines Einreiseverbots sei nicht nachvollziehbar, der Beschwerdeführer sei unbescholten und stelle keine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dar. Der Beschwerde beigelegt waren unter anderem eine Stellungnahme des Beschwerdeführers und eine Information der XXXX zu dessen Einkommen.
Am 11.04.2018 langte beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine zweite Beschwerde ein, die vom bisher bevollmächtigten Rechtsanwalt des Beschwerdeführers eingebracht wurde.
Die Beschwerdevorlage vom 22.06.2018 langte am 26.06.2018 im Bundesverwaltungsgericht ein.
Mit Teilerkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.06.2018, W215 1241726-3/3Z, wurde Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG ersatzlos behoben.
Zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes wurde für den 24.10.2018 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht anberaumt, zu der der Beschwerdeführer in Begleitung seines zur Vertretung bevollmächtigten Rechtsberaters erschien; der Rechtsanwalt hatte zuvor die Auflösung seiner Vollmacht bekanntgegeben. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hatte sich bereits in der Beschwerdevorlage vom 22.06.2018 für die Verhandlung entschuldigt. In der Verhandlung wurden die Quellen der zur Entscheidungsfindung herangezogenen Länderinformationen dargetan, auf deren Einsichtnahme und Ausfolgung der Beschwerdeführer und sein Vertreter verzichteten.
Mit Parteiengehör vom 04.05.2020 wurden dem Beschwerdeführer mehrere Fragen zu seiner Situation in Österreich gestellt und aktualisierte Quellen der bereits in der Beschwerdeverhandlung zur Kenntnis gebrachten Länderberichte übermittelt. Der Beschwerdeführer wurde ersucht, binnen zwei Wochen dazu Stellung zu nehmen.
Mit Stellungnahme vom 18.05.2020 verwies der Beschwerdeführer auf seine bisherigen Ausführungen im Verfahren und beantwortete die an ihn gestellten Fragen. Dabei führte er im Wesentlichen aus, dass er keine Familienangehörigen in Österreich hat. Zu seinem im Herkunftsstaat lebenden Vater, habe er keinen Kontakt, dieser sei in Haft. Er habe viele Freunde in Österreich und eine polnische Lebensgefährtin, die ihn in Österreich finanziell unterstütze. Der Beschwerdeführer arbeite nicht und habe er in Österreich noch nie gearbeitet, er werde von der XXXX unterstützt. Zuletzt habe er die Sprachprüfung A2 absolviert und seit der Beschwerdeverhandlung keine sonstigen Ausbildungen absolviert und studiere auch nicht. Er verfüge über keine Berufsausbildung und verrichte keine ehrenamtlichen Tätigkeiten. In Zukunft wolle er lernen, arbeiten und sein Deutsch verbessern. Er wolle in einem Hotel oder in der Gastronomie arbeiten.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässige Beschwerde erwogen:
1. Feststellungen:
1. Der Beschwerdeführer, dessen Identität nicht feststeht, ist Staatsangehöriger der Republik Guinea und reiste im Jahr 2003 illegal nach Österreich ein.
Der Beschwerdeführer leidet an keinen schwerwiegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen und befindet sich derzeit nicht in ärztlicher Behandlung. Er erlitt am 10.07.2004 Knieverletzungen aufgrund eines Sturzes und wurde kurz darauf einer Operation unterzogen. Er hat gelegentlich Kontrolltermine und nimmt bei Bedarf Schmerzmittel ein.
2. Der Beschwerdeführer stellte am 28.04.2003 einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 27.08.2003, Zahl 03.12.102-BAT, wurde der Asylantrag gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen und gemäß § 8 AsylG 1997 die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Guinea für zulässig erklärt. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 16.01.2011, Zahl A4 241725-0/2008/13E, rechtskräftig abgewiesen.
Am 13.12.2011 stellte der Beschwerdeführer beim XXXX , einen Antrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot-Karte plus", der mit Bescheid des XXXX ,
XXXX , ebenfalls abgewiesen wurde.
Am 24.02.2015 stellte der Beschwerdeführer im Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG. Im behördlichen Verfahren legte der Beschwerdeführer eine A2-Deutschprüfungsbestätigung, medizinische Unterlagen, einen Arbeitsvorvertrag, ein Schreiben seines ehemaligen Wohnbetreuers sowie ein Empfehlungsschreiben einer Freundin vor.
Ein gültiges Reisedokument oder eine Geburtsurkunde wurden nicht vorgelegt, auch wurden keine Nachweise über die Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Erlangung dieser Dokumente in Vorlage gebracht.
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.03.2018, Zahl 731210204-150368990, wurde in Spruchpunkt I. der Antrag des Beschwerdeführers auf Mängelheilung vom 09.03.2015 gemäß § 4 Abs. 1 Z 2 und 3 iVm
§ 8 Abs. 1 Z 1 und 2 AsylG-DV abgewiesen. In Spruchpunkt II. wurde der Antrag vom 24.02.2015 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 55 Abs. 1 AsylG gemäß § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG als unzulässig zurückgewiesen. In Spruchpunkt III. wurde gemäß § 10 Abs. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG, erlassen und in Spruchpunkt IV. einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung gemäß
§ 18 Abs. 2 Z 1 und 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt. In Spruchpunkt V. wurde gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. In Spruchpunkt VI. wurde gemäß
§ 55 Abs. 4 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt und in Spruchpunkt VII. gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß
§ 46 FPG nach Guinea zulässig ist.
3. Der Beschwerdeführer hält sich seit dem Jahr 2003 durchgehend in Österreich auf und ist nach rechtskräftigem Abschluss seines Asylverfahrens seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen, sondern illegal im Bundesgebiet verblieben.
Der Beschwerdeführer hat trotz seines langjährigen Aufenthalts im Bundesgebiet kaum Integrationserfolge vorzuweisen. Er hat erst am XXXX - somit knapp zwölf Jahre nach seiner Einreise ins Bundesgebiet - die A2-Deutschprüfung absolviert und konnte keine darüberhinausgehenden Prüfungsbestätigungen vorlegen. Im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht war der Beschwerdeführer nur in der Lage, sich gebrochen in Deutsch zu verständigen und hat seither keine Fortbildungsveranstaltungen besucht, ist kein Mitglied in einem Verein und hat angegeben, noch nie ehrenamtliche Tätigkeiten geleistet zu haben. Er verbringt seine Zeit in seiner Unterkunft und geht manchmal in den Park.
Der XXXX Beschwerdeführer hat keine Berufsausbildung, war nach eigenen Angaben noch nie erwerbstätig, ist nicht selbsterhaltungsfähig und lebt von Leistungen aus der Grundversorgung seit XXXX in einer Unterkunft der XXXX . Er hat einen Arbeitsvorvertrag eines Lebensmittelunternehmens vom XXXX vorgelegt, wonach er mit Erteilung eines Aufenthaltstitels als Hilfskraft für 38,30 Stunden zu einem Bruttolohn von 990 ? beschäftigt werden könne.
Der Beschwerdeführer hat keine Familienangehörigen in Österreich und hat eine polnische Freundin, die ihn finanziell unterstützt. Er verfügt zwar über soziale Kontakte, hat aber nur ein einziges Empfehlungsschreiben einer Freundin vorgelegt. Zuletzt hat er am XXXX Sprachprüfung A2 absolvier.
Der Beschwerdeführer ist zwar strafgerichtlich unbescholten, wurde aber von der Polizei wiederholt angehalten, angezeigt und teilweise auch festgenommen:
* Anhaltung am XXXX wegen Suchtgifthandels nach § 27 Abs. 1 SMG;
* Anhaltung und Festnahme am XXXX wegen Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 2 SMG;
* Anhaltung und Anzeige am XXXX wegen Körperverletzung nach § 83 StGB;
* Anhaltung und Anzeige am XXXX wegen Sachbeschädigung nach § 125 StGB;
* Anzeige am XXXX wegen schwerer absichtlicher Körperverletzung nach § 87 StGB.
5. Zur aktuellen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers wird festgestellt:
Allgemein
In der Republik Guinea leben schätzungsweise mehr als 12,5 Millionen Menschen (CIA Factbook last update 07.04.2020, abgefragt am 28.04.2020). Die Republik Guinea ist 245.857 Quadratkilometer groß, in der Hauptstadt Conakry leben etwa 2,5 Millionen Menschen; die Amtssprache ist Französisch. Es handelt sich um eine Präsidialrepublik, die Verfassung stammt von Mai 2010. Der Präsident wird für fünf Jahre gewählt, er kann wiedergewählt werden (AA Überblick Stand 28.06.2019, abgefragt am 19.05.2020). Die Republik Guinea ist geprägt von einem demokratischen Aufbruch nach dem kurzzeitigen Militärregime unter Moussa Dadis Camara (2008 bis 2010). Zuvor war Guineas Geschichte nach der Unabhängigkeit 1958 durch zwei langjährige autoritäre Regime bestimmt: 1958 bis 1984 durch die diktatorische Einparteienherrschaft unter Präsident Sekou Touré; 1984 bis 2008 durch das trotz politischer Öffnung autokratische System unter Präsident Lansana Conté. Trotz eines klaren Wunsches der Bevölkerung nach einem demokratisch bestimmten Rechtsstaat bedeutet der jahrzehntelange Mangel an Erfahrung mit Demokratie eine Hypothek für Guineas Entwicklung. Die ersten freien Präsidentschaftswahlen 2010 endeten in der Stichwahl mit einem sehr knappen Ergebnis zwischen Regierungs- und Oppositionspartei. Der teilweise erbittert geführte Wahlkampf von 2010 war Ausgangspunkt für eine Lagerbildung in der guineischen Politik ("Regierungsmehrheit" gegen "Opposition"), die in den folgenden Jahren immer wieder zu teils gewaltsamen Auseinandersetzungen führte und bis heute die innenpolitische Situation beeinflusst. Staatspräsident Condé setzte sich bei den Präsidentschaftswahlen im Oktober 2015 erneut durch. Aktuell wird in Guinea von Seiten der Regierung eine Verfassungsänderung zugunsten einer bisher verfassungsrechtlich ausgeschlossenen 3. Amtszeit des Präsidenten erwogen. Die ersten freien Parlamentswahlen fanden nach Verzögerungen am 28.09.2013 statt. Die Nationalversammlung tagt in mindestens zwei Sitzungsperioden im Jahr. Die nächsten Parlamentswahlen hätten schon Anfang 2019 stattfinden sollen, sie wurden aber aufgeschoben: das Parlament ist per präsidentiellem Dekret in Amtsverlängerung getreten. Die ersten demokratischen Kommunalwahlen fanden am 04.022018 statt, deren Ergebnis jedoch noch nicht vollständig umgesetzt ist. Im Rahmen von Dezentralisierungsbemühungen soll die Autonomie der Gebietskörperschaften längerfristig gestärkt werden (AA Innenpolitik Stand 28.06.2019, abgefragt am 19.05.2020). Am 01.03.2020 sollten die Bürger über ein neues Parlament und eine Verfassungsänderung abstimmen, die dem seit 2010 amtierenden Präsidenten Alpha Condé ermöglichen würde, sich bei der für dieses Jahr geplanten Präsidentenwahl für eine dritte Amtszeit zu bewerben. Die Aussicht, dass Condé länger im Amt bleiben könnte, führt seit Oktober 2019 immer wieder zu teilweise gewaltsamen Protesten in der Hauptstadt. Die Opposition ist gegen eine Verfassungsänderung und gegen eine dritte Amtszeit des Präsidenten und wollte die geplante Abstimmung boykottieren (BAMF 02.03.2020). Ein Boykott der Opposition und zwei Fälle von COVID-19 stoppten die Abstimmung nicht, was Guineas Präsident helfen könnte, an der Macht festzuhalten (TNH 23.03.2020). Am 22.03.2020 wurden Parlamentswahlen und ein Referendum über eine Verfassungsänderung abgehalten. Bei dem Referendum befürworteten 91,6% der Wähler die geplante Änderung der Regierung, wie die unabhängige Wahlkommission mitteilte. 8,4% hätten mit Nein gestimmt. Die Wahlbeteiligung lag bei 61%. Ursprünglich sollte die Abstimmung bereits Anfang März 2020 erfolgen. Die Opposition und Nichtregierungsorganisationen hatten allerdings zu einem Boykott aufgerufen. Die Verfassungsreform ist umstritten, da sie Amtsinhaber Condé, der seit 2010 im Amt ist, den Weg für eine dritte Amtszeit ebnet. Bei den Parlamentswahlen waren rund 7,8 Millionen Wahlberechtigte aufgerufen, 114 Abgeordnete zu bestimmen. Zur Abstimmung in den 19.000 Wahllokalen stellten sich Vertreter von 29 Parteien. Der Wahlausgang ist bislang nicht bekannt. In Guinea gilt seit 27.03.2020 der Ausnahmezustand mit Einschränkungen des öffentlichen Lebens. Bislang wurden zwei bestätigte Fälle von Infektionen mit dem Coronavirus registriert, weshalb die Regierungschefs von vier der sieben Verwaltungsregionen Guineas am 20.03.2020 dazu aufriefen, die Abstimmungen zu verschieben, um eine Katastrophe im Land zu verhindern. Die Grenzen sollten bereits am 21.03.2020 geschlossen werden, um ein Einschleppen des Virus zu verhindern. Wahlbeobachter aus dem Ausland sagten ihre Teilnahme ab (BAMF 30.03.2020).
Guineas Präsident Alpha Condé erließ eine umstrittene neue Verfassung. Diese wurde im vergangenen Monat von der großen Mehrheit der Wähler in einem verzögerten Referendum angenommen, das trotz eines Boykotts der Opposition und des Aufkommens der ersten beiden COVID-19-Fälle des Landes stattfand. Der 82-jährige Condé sagt, dass die Verfassung dem Land helfen wird, neue soziale Reformen einzuführen, insbesondere für Frauen. Aber seine Gegner sagen, dass damit die Amtszeitbegrenzungen für den Präsidenten zurückgesetzt wird, was es ihm ermöglicht, für weitere 12 Jahre zu regieren. Laut Human Rights Watch sollen seit Ende letzten Jahres, als weitverbreitete Demonstrationen gegen die Verfassung begannen, mehr als 30 Menschen bei Zusammenstößen mit Sicherheitskräften getötet worden sein. FNDC, ein Zusammenschluss von Oppositionsgruppen, gibt an, dass am Tag des Referendums mindestens zehn weitere Menschen getötet wurden. Condé war der erste demokratisch gewählte Führer Guineas, einer westafrikanischen Nation mit einer Geschichte von Staatsstreichen, autoritären Führern und tödlichen Razzien gegen Oppositionsanhänger (TNH 08.04.2020).
(CIA, Central Intelligence Agency, The World Factbook, Guinea, last update 07.04.2020, abgefragt am 28.04.2020, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/gv.html
AA, Auswärtiges Amt, Guinea, Überblick, Stand 28.06.2019, abgefragt am 19.05.2020, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/guinea-node/guinea/206096
AA, Auswärtiges Amt, Guinea, Innenpolitik, Stand 28.06.2019, abgefragt am 19.05.2020, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/guinea-node/innenpolitik/206132
BAMF, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Note, 02.03.2020, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027815/briefingnotes-kw10-2020.pdf
TNH, The New Humanitarian (formals: IRIN News), Guineer stimmen in umstrittenem Referendum trotz Coronavirus Ausbruch ab, 23.03.2020, http://www.thenewhumanitarian.org/news/2020/03/23/Guinea-referendum-presidential-power-coronavirus
BAMF, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Note, 30.03.2020, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027825/briefingnotes-kw14-2020.pdf
TNH, The New Humanitarian, Präsident Guineas unterzeichnet neue, umstrittene Verfassung, 08.04.2020, http://www.thenewhumanitarian.org/news/2020/04/08/guinea-alpha-conde-constitution)
Parteiensystem
Das Parteiensystem war zwischen den beiden Präsidentschaftswahlen 2010 und 2015 weitgehend von einer Orientierung in zwei Lagern bestimmt: Die Regierungsmehrheit unter Führung der dominierenden RPG (Rassemblement du Peuple de Guinée), zusammen mit mehreren Kleinstparteien in einem Bündnis RPG-Arc-en-Ciel; und die Opposition, innerhalb derer die UFDG (Union des Forces Démocratiques de Guinée) die mit Abstand stärkste Partei stellt, sowie einer Reihe von kleineren und kleinsten Parteien. Beide Gruppen bilden in der Nationalversammlung jeweils einen Fraktionsverbund. Zur Opposition gehört auch die kleinere UFR (Union des Forces Républicaines), die zwischenzeitlich (Januar 2016 bis Mai 2018) an der Regierung beteiligt war und in der Nationalversammlung eine eigene Fraktion bildet. Das früher bestimmende Lagergefüge der Parteipolitik ist seit 2016 in Bewegung gekommen. Laut Verfassung müssen die Parteien national aufgestellt sein; dies trifft auf jeden Fall auf die großen Parteien zu. Trotzdem haben auch diese ethnisch-regionale Hochburgen (RPG: Malinke/Oberguinea; UFDG: Peulh/Mittelguinea [AA 05.07.2019]). Staatliche Einschränkungen von oppositionellen Partei-Aktivitäten haben in den vergangenen Jahren abgenommen. Guineas Oppositionsparteien sind im Parlament stark vertreten, haben jedoch (auch in Ermangelung eines Parteienfinanzierungsgesetzes) weniger Möglichkeiten als die Regierungspartei RPG, Einfluss auf die öffentliche Meinungsbildung zu nehmen. Bei den ersten Kommunalwahlen seit 2010 konnten Oppositionsparteien am 4. Februar 2018 erstmals die Mehrheit in zahlreichen Städten und Gemeinden gewinnen und dadurch die politische Verantwortung übernehmen. Aufgrund der beschränkten personellen und budgetären Ausstattung der Gemeinden ist der politische Spielraum auf kommunaler Ebene gering (AA 05.07.2019).
(AA, Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Guinea, Stand Mai 2019, 05.07.2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2014266/Deutschland___Auswärtiges_Amt%2C_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Guinea_%28Stand_Mai_2019%29%2C_05.07.2019.pdf)
Sicherheitslage
Im Nachbarland Mali ist die Sicherheitslage auf Grund von Terrorismus prekär. Vereinzelt waren von einer erhöhten Gefahr von Terroranschlägen und Entführungen auch Nachbarländer betroffen. Guinea ist davon bisher ausgenommen. Aufgrund der für den Großteil der Bevölkerung sehr schwierigen wirtschaftlichen Lage kommt es in Conakry, aber auch im Landesinneren, immer wieder zu spontanen Demonstrationen, Vandalismus oder Straßenblockaden. Im Februar 2018 führten Proteste im Zusammenhang mit Lokalwahlen zu Todesopfern und Verletzen. Auch gewaltsame Konflikte zwischen sozialen oder politischen Gruppen können auftreten. Arbeitskämpfe wie Streiks und politische Konflikte führen immer wieder zu Protestaktionen und somit zu Behinderungen im öffentlichen Raum, vereinzelt auch zu gewaltsamen Auseinandersetzungen. Besonders betroffen sind die Hauptstadt Conakry, dort insbesondere auch staatliche Einrichtungen und größere Städte im Landesinnern sowie die Regionen Fouta Djallon und Boké. Aktionen richten sich nicht gezielt gegen Ausländer. Dennoch besteht die Gefahr, von solchen Ausschreitungen und Gegenmaßnahmen der Sicherheitskräfte beeinträchtigt zu werden. In Waldguinea und den südlichen Grenzgebieten zu Liberia, Sierra Leone und Côte d'Ivoire kann es jederzeit zu ethnischen Spannungen mit gewaltsamen Auseinandersetzungen kommen. Die Kriminalitätsrate hat sowohl in Conakry als auch im Landesinnern stark zugenommen. Vor allem im städtischen Milieu sind nächtliche Überfälle auf Passanten, Wohnhäuser und Geschäfte verbreitet. Bewaffnete Überfälle auf Fahrzeuge nachts oder in der Dämmerung werden von einzelnen Überlandstraßen gemeldet. Besonders zu beachten ist, dass die Täter teilweise uniformiert sind (AA Reise- und Sicherheitshinweise Stand 19.05.2020). Guinea gehört zu den Gründungsmitgliedern der Afrikanischen Union (AU). Im Rahmen seines sicherheitspolitischen Engagements in der AU und bei Friedensmissionen der Vereinten Nationen (z.B. MINUSMA in Mali) hat Guinea wiederholt Kontingente gestellt (AA Außenpolitik Stand 28.06.2019, abgefragt am 19.05.2020). In Guinea gibt es keine Bürgerkriegsregion oder sonstige regional konzentrierte, gruppenbezogene soziale und/oder politische Verfolgungen (z.B. in Form einer Sezessionsbewegung). Zu ethnischen Unruhen kam es zuletzt 2013 in Waldguinea (damals zwischen Angehörigen der Ethnien Kissi und Guerzé). Betroffene hatten die (theoretische) Möglichkeit, in die von anderen Ethnien bewohnten Nachbarregionen zu flüchten (AA 05.07.2019).
Zehntausende Menschen haben am 24.10.2019 in der Hauptstadt Conakry gegen eine dritte Amtszeit des 81-jährigen Präsidenten Alpha Conde protestiert. Tausende Sicherheitskräfte waren im Einsatz, die Protestmärsche verliefen ruhig. Bei Protesten gegen eine Verlängerung der Amtszeit des Präsidenten in der Woche zuvor waren mindestens neun Menschen getötet worden, zudem gab es zahlreiche Verletzte. Conde regiert das Land seit fast zehn Jahren und fordert ein Referendum für eine dritte Amtszeit. Sein Mandat endet im Dezember 2020 (BAMF 28.10.2019). Am 22.03.2020 wurden Parlamentswahlen und ein Referendum über eine Verfassungsänderung abgehalten. Die Opposition und Nichtregierungsorganisationen hatten allerdings zu einem Boykott aufgerufen. Es kam bereits im Vorfeld immer wieder zu Protesten und teils gewaltsamen Zusammenstößen verschiedener Gruppierungen. Nach Angaben der Opposition sei die Polizei im Zuge des Urnengangs gewaltsam gegen Anhänger der Opposition vorgegangen. Es habe massive Festnahmen gegeben, die Sicherheitskräfte hätten unkontrollierte Schüsse abgegeben und mindestens zehn Menschen getötet. Die Verfassungsreform ist umstritten, da sie Amtsinhaber Condé, der seit 2010 im Amt ist, den Weg für eine dritte Amtszeit ebnet. In Guinea gilt seit 27.03.2020 der Ausnahmezustand mit Einschränkungen des öffentlichen Lebens. Bislang wurden zwei bestätigte Fälle von Infektionen mit dem Coronavirus registriert, weshalb die Regierungschefs von vier der sieben Verwaltungsregionen Guineas am 20.03.2020 dazu aufriefen, die Abstimmungen zu verschieben, um eine Katastrophe im Land zu verhindern. Die Grenzen sollten bereits am 21.03.2020 geschlossen werden, um ein Einschleppen des Virus zu verhindern (BAMF 30.03.2020).
Die Ausbreitung der Atemwegserkrankung COVID-19 führt auch in Guinea zu verstärkten Einreisekontrollen, Gesundheitsprüfungen und Einreisesperren. Flughäfen und alle Landgrenzen sind - mit Ausnahme für den Warenverkehr geschlossen (AA Reise- und Sicherheitshinweise Stand 19.05.2020). Angesichts der Ausbreitung des Coronavirus (COVID-19) ist der Flugverkehr bis auf weiteres eingestellt und die Landgrenzen geschlossen. Repatriierungsflüge sind weiterhin möglich (BMEIA 30.04.2020). Im Anschluss an die Wahlen vom 22.03.2020 muss weiterhin mit Demonstrationen, Protestmärschen oder Generalstreiks gerechnet werden. Es gibt vermehrt Straßensperren, die nicht immer rechtmäßig sind. Im Land gilt seit 27.03.2020 der Ausnahmezustand mit Einschränkungen des öffentlichen Lebens. Es gilt eine landesweite Ausgangssperre von 21 bis 05 Uhr. Fahrten von Conakry ins Landesinnere sind verboten. Über Ausnahmen entscheidet das Gesundheitsministerium (AA Reise- und Sicherheitshinweise Stand 19.05.2020).
Aufgrund der zunehmend prekären Lage in Mali und Burkina Faso ist von einer erhöhten Gefahr von Terroranschlägen und Entführungen auch in den anderen Ländern Westafrikas auszugehen. Es kommt zu politischen und ethnischen Spannungen mit Verletzten und Toten. Es kann jederzeit zu spontanen Demonstrationen kommen, in deren Rahmen auch Ausschreitungen und Gewaltanwendung möglich sind. Menschenansammlungen, Demonstrationen und Kundgebungen sollten daher gemieden werden (BMEIA 30.04.2020).
(AA, Auswärtiges Amt, Guinea, Reise- und Sicherheitshinweise, unverändert gültig seit 05.05.2020, Stand 19.05.2020, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/guinea-node/guineasicherheit/206098
AA, Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Guinea, Stand Mai 2019, 05.07.2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2014266/Deutschland___Auswärtiges_Amt%2C_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Guinea_%28Stand_Mai_2019%29%2C_05.07.2019.pdf
AA, Auswärtiges Amt, Guinea, Außenpolitik, Stand 28.06.2019, abgefragt am 19.05.2020, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/guinea-node/aussenpolitik/206130
BAMF, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Note, 28.10.2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2020344/briefingnotes-kw44-2019.pdf
BAMF, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Note, 30.03.2020, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027825/briefingnotes-kw14-2020.pdf
BMEIA, Bundesministerium Europäische und internationale Angelegenheiten Guinea (Republik Guinea), unverändert gültig seit 23.04.2020, Stand 30.04.2020, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/guinea/)
Justiz
Das guineische Rechtssystem basiert im Wesentlichen auf dem französischen Recht, wurde im Laufe der Jahrzehnte jedoch im Zivilrecht (nicht im Strafrecht) immer stärker von traditioneller Rechtsprechung vor allem islamischer Ausrichtung geprägt. Die Justizreform unternimmt es, die Gesetzgebung an die internationalen Verpflichtungen und Standards wieder anzugleichen (Novellierungen und Einführung von Einzelgesetzen). Verfahrensrechtlich sind für alle Gerichte Berufungsmöglichkeiten vorgesehen. Gerichtsverhandlungen sind öffentlich. In Strafverfahren gilt die Unschuldsvermutung. Angeklagte haben das Recht, persönlich anwesend zu sein, die Aussage zu verweigern, Entlastungsmaterial vorzulegen und einen Rechtsbeistand hinzuzuziehen. In der Praxis scheitert eine effiziente Verteidigung jedoch häufig an fehlenden Mitteln des Angeklagten, da es keine Prozesskostenhilfe aus öffentlicher Hand gibt. Nur bei Kapitalverbrechen werden den Angeklagten Pflichtverteidiger zur Seite gestellt, die ihr Mandat, teils aufgrund fehlender Qualifikation, teils aufgrund Überlastung oft nicht zufriedenstellend wahrnehmen können. Auch die Gerichte sind notleidend, es fehlt immer noch massiv an qualifiziertem Personal und oft sogar an minimaler technischer Ausstattung. Während die Nationalversammlung als einzige Kammer der Legislative ihre Rolle als eigenständiger Verfassungspfeiler, Ort der demokratischen Debatte und Kontrolleur der Regierung derzeit noch erlernt, wird die Unabhängigkeit der Judikative erst durch eine umfassende Justizreform - die ein völlig desolates, teilweise gar nicht existierendes Gerichtswesen überhaupt erst aufbauen will - angestrebt. Die im Verhältnis zum gesellschaftlichen Status niedrigen Gehälter, schlechte Arbeitsbedingungen und familiäre Verpflichtungen tragen ihren Teil dazu bei, dass Richter und Staatsanwälte bisher oft nicht frei von Beeinflussung durch Vertreter staatlicher Stellen oder mächtige Privatpersonen sind; immerhin kommt es seit 2016 zu Disziplinarmaßnahmen gegenüber Richtern und Mitarbeitern des Justizwesens einschließlich Suspendierungen aufgrund von Korruption bzw. Inkompetenz (AA 05.07.2019). Obwohl Verfassung und Gesetze eine unabhängige Justiz vorsehen, fehlte dem System die Finanzierung und es wird von Korruption geplagt. Gesetze sehen ein gerichtliches Verfahren in Zivilsachen vor, einschließlich Schadenersatz für Menschenrechtsverletzungen. Dem Gerichtsverfahren fehlte oft Unabhängigkeit und Unparteilichkeit. Oft beeinflussen Bestechungsgelder und politischer und sozialer Status Entscheidungen. Viele Bürger wenden sich im Bewusstsein der Justizkorruption, oder wenn sie keine andere Wahl haben, in Dörfern oder Städten an traditionelle Rechtsysteme auf Nachbarschaftsebene. Prozessparteien präsentieren ihre Zivilfälle vor einem Dorfoberhaupt, "Nachbarschaftsvorsitzenden" oder einem "Rat weiser Männer". Die Trennlinie zwischen formellem und informellem Justizsystem ist vage. Staatsorgane verweisen manchmal einen Fall vom offiziellen zum traditionellen System, um damit zu gewährleisten, dass alle Parteien das Ergebnis respektieren. Ebenso kann ein Fall, der nicht zur Zufriedenheit aller Parteien im traditionellen System gelöst werden kann, zur Entscheidung an das offizielle System weitergeleitet werden. Im traditionellen System haben Zeugenaussagen von Frauen weniger Gewicht (USDOS 11.03.2020). Zehn Jahre nach dem Massaker von Sicherheitskräften an über 150 friedlichen Oppositionsanhängern und der Vergewaltigungen von dutzenden Frauen in einem Stadium am 28.09.2009 wurden die Verantwortlichen noch nicht vor Gericht gestellt. Guineische Richter haben 14 Personen wegen des Massakers angeklagt, darunter Moussa Dadis Camara, damals Führer der Militärjunta, die Guinea im September 2009 regierte. Weites Personen, die Machtpositionen innehaben, wie etwa Moussa Tiegboro Camara, der für den Kampf gegen Drogenhandel und organisierte Kriminalität verantwortlich ist. Im August 2018 wurde ein Lenkungsausschuss eingesetzt, um den Prozess zu organisieren. Dieser bestätigte im August 2019, dass der Prozess im Berufungsgericht in Conakry stattfinden wird. Justizminister Mohammed Lamine Fofana erklärte im November 2019, dass der Prozess spätestens im Juni 2020 stattfinden wird (HRW 14.01.2020).
(USDOS, U.S. Department of State, Country Report on Human Rights Practices 2019, Guinea, 11.03.2020, https://www.state.gov/reports/2019-country-reports-on-human-rights-practices/guinea/
AA, Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Guinea, Stand Mai 2019, 05.07.2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2014266/Deutschland___Auswärtiges_Amt%2C_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Guinea_%28Stand_Mai_2019%29%2C_05.07.2019.pdf
HRW, Human Rights Watch, World Report 2020, Guinea, 14.01.2020, https://www.hrw.org/world-report/2020/country-chapters/guinea)
Sicherheitsbehörden
Die Gendarmerie untersteht dem Verteidigungsministerium, die Polizei dem Ministerium für Sicherheit. Gendarmerie und Polizei teilen sich die Verantwortung für die innere Sicherheit des Landes, aber nur die Gendarmerie darf Polizei- oder Militärangehörige verhaften. Die Armee ist für die Sicherheit nach außen verantwortlich, spielt aber auch im Bereich der inneren Sicherheit eine Rolle. Die Sicherheitskräfte stehen unter der Kontrolle ziviler Behörden (USDOS 11.03.2020). Im Bereich der Sicherheitskräfte besitzt Guinea militärische Streitkräfte für die Landesverteidigung und für internationale Missionen, sowie die Gendarmerie und die Polizei für Aufgaben der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Gemäß dem französischen Modell ist die Gendarmerie dem Verteidigungsminister unterstellt, wird aber von der Armee getrennt geführt. Eine Sicherheitssektorreform, die seit 2010 unter internationaler Beteiligung vorangetrieben wird, hat vor allem im Bereich der Streitkräfte Fortschritte erzielt (z. B. eine deutliche Unterstellung des Militärs unter zivile Verantwortung). Erheblicher Reformbedarf besteht vor allem im Bereich der Polizei (bisher: praktisch keine Ausbildung, kaum Ausrüstung, keine adäquate Verteilung im Land); die Umsetzung von erforderlichen Maßnahmen kommt erst seit 2015 langsam in Gang. Einzelne Sondereinheiten bei Polizei und Gendarmerie sind besser ausgerüstet und ausgebildet. Ein Nachrichtendienst bzw. Staatsschutz existiert, ist aber nicht für Übergriffe oder polizeiliche Maßnahmen bekannt. Die Sicherheitskräfte haben sich an Recht und Gesetz zu halten (keine Sondervollmachten). Die Gewaltenteilung ist in Artikel 2 der guineischen Verfassung festgeschrieben. In der Praxis kommt es jedoch regelmäßig zu Einflussnahmen der Exekutive (AA 05.07.2019). Obwohl Verfassung und Gesetze es verbieten, sollen Polizisten Verfahrensvorschriften bei der Verfolgung von Verdächtigen ignoriert haben, auch in Fällen, in denen es für sie zum persönlichem Vorteil gereichte. Behörden sollen manchmal Personen aus ihren Häusern mitgenommen haben, ihre persönlichen Gegenstände gestohlen und Bezahlung für die Rückerstattung ihrer Sachen verlangt haben (USDOS 11.03.2020).
(AA, Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Guinea, Stand Mai 2019, 05.07.2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2014266/Deutschland___Auswärtiges_Amt%2C_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Guinea_%28Stand_Mai_2019%29%2C_05.07.2019.pdf
USDOS, U.S. Department of State, Country Report on Human Rights Practices 2019, Guinea, 11.03.2020, https://www.state.gov/reports/2019-country-reports-on-human-rights-practices/guinea/)
Folter/unmenschliche Behandlung
Obwohl Verfassung und Gesetze Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlungen verbieten, behaupten Menschenrechtsbeobachter, dass Behördenmitarbeite diese Praktiken weiterhin ungestraft anwenden. Das Strafgesetzbuch von 2016 hat das nationale Recht mit dem internationalen Übereinkommen über Folter harmonisiert. Menschenrechtsverbände erklärten, dass Beschwerdeführer Beweise für Missbrauch vorlegten, Gefängnisaufseher diese Beschwerden aber nicht nachgingen (USDOS 11.03.2020). Folter ist nach Artikel 6 der guineischen Verfassung untersagt. Der Straftatbestand der Folter ist seit der Novellierung des Strafgesetzbuches 2016 gesondert erfasst. Auch wenn es in Guinea keine systematischen Folterpraktiken, insbesondere gegenüber politischen Gegnern gibt, kritisieren guineische Menschenrechtsorganisationen doch immer wieder Einzelfälle brutaler Verhörmethoden der Polizei, meist im Bestreben, Geständnisse schwerer Straftaten zu erzwingen. Bekannt sind aber auch einzelne Fälle, in denen Teilnehmer oppositioneller politischer Demonstrationen von Sicherheitskräften eingeschüchtert und mit Folter bedroht worden seien. Nicht verifizierten Berichten der o.g. Menschenrechtsorganisationen zufolge seien im Zeitraum von 2011 bis 2014 mindestens fünf Personen von Sicherheitskräften zu Tode gefoltert und weitere 33 teils schwer verletzt worden. Eine strafrechtliche Verfolgung der Täter stehe bislang noch aus (AA 05.07.2019).
(AA, Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Guinea, Stand Mai 2019, 05.07.2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2014266/Deutschland___Auswärtiges_Amt%2C_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Guinea_%28Stand_Mai_2019%29%2C_05.07.2019.pdf
USDOS, U.S. Department of State, Country Report on Human Rights Practices 2019, Guinea, 11.03.2020, https://www.state.gov/reports/2019-country-reports-on-human-rights-practices/guinea/)
Korruption
Obwohl Verfassung und Gesetze eine unabhängige Justiz vorsehen, fehlte dem System die Finanzierung und es wird von Korruption geplagt. Die Korruption der Sicherheitskräfte ist endemisch. Polizisten und Gendarmen ignorieren Gerichtsverfahren. Sie erpressen Geld von Bürgern an Straßensperren sowie in Gefängnissen und Haftanstalten. Die Regierung reduzierte die Zahl der Straßenkontrollpunkte. Dennoch müssen Händler, Kleinunternehmer, Fahrer und Passagiere nach wie vor Bestechungsgelder zahlen, um passieren zu können. Beobachter stellten fest, dass Gefangene Geld an Wachleute zahlen um sich Vorteile zu verschaffen (USDOS 11.03.2020). Korruption und Erpressung sind bei Straßensperren üblich (U.K. 28.04.2020). Defizite des Rechtsstaates, schwache staatliche Strukturen und unzureichende Ausbildungssysteme verschlechtern die Investitionsbedingungen neben mangelhafter Regierungsführung, Vetternwirtschaft und der nach wie vor weit verbreiteten Korruption (AA Wirtschaft Stand 28.06.2019, abgefragt am 19.05.2020). Im Jahr 2019 belegte die Republik Guinea im Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International Platz 130 von 180 (TI 2019).
(U.K. Government, Guinea travel advice, updated 22.04.2020, immer noch gültig am 28.04.2020, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/guinea
AA, Auswärtiges Amt, Guinea, Wirtschaft, Stand 28.06.2019, abgefragt am 19.05.2020, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/guinea-node/wirtschaft/206100TI, Transparency International, Corruption Perceptions Index 2019, Guinea, https://www.transparency.org/country/GIN
USDOS, U.S. Department of State, Country Report on Human Rights Practices 2019, Guinea, 11.03.2020, https://www.state.gov/reports/2019-country-reports-on-human-rights-practices/guinea/)
Menschenrechte
Die Menschenrechte sind zwar gesetzlich garantiert, werden aber von einer noch schwachen Justiz nicht ausreichend geschützt. Freie Meinungsäußerung und politisches Engagement sind uneingeschränkt möglich. Problematisch bleibt die bisher fehlende Aufarbeitung von schweren Menschenrechtsverletzungen der vergangenen Regime (insbes. "Stadionmassaker 2009"). Besondere Sorgen macht die Einschränkung von Menschenrechten durch die konservativtraditionelle gesellschaftliche Praxis. Dies betrifft insbesondere die Rechte von Frauen und von Kindern. Kritisch ist dabei vor allem die Praxis der Zwangsverheiratung von Minderjährigen, erzwungene Kinderarbeit und die verbreitete Genitalbeschneidung (AA Innenpolitik Stand 28.06.2019, abgefragt am 19.05.2020). Seit Amtsantritt der Regierung Condé Ende 2010 kommt dem institutionalisierten Menschenrechtsschutz zumindest im öffentlichen Diskurs verstärkte Bedeutung zu. Die Bemühungen der Regierung werden insbesondere in der Schaffung eines eigenen Ministeriums für Menschenrechte und bürgerliche Freiheiten (seit 2016: "Ministerium für Nationale Einheit und Bürgerrechte") deutlich. In der politischen und rechtlichen Praxis stößt das Bekenntnis zur Stärkung der Menschenrechtsarbeit jedoch immer wieder an Grenzen, wie bei der trotz Fortschritten weiterhin verbreiteten Kultur der Straflosigkeit, insbesondere im Bereich des Sicherheitsapparats deutlich wird. Auf jeden Fall hat sich die Lage für die Menschenrechtsorganisationen in Guinea seit 2010 kontinuierlich verbessert. Angeführt von der "Organisation Guinéenne des Droits de l'Homme" (OGDH) auf Seiten der Nichtregierungsorganisationen, und unterstützt u. a. vom Hohen VN-Kommissar für Menschenrechte (VNMR) auf Seiten der internationalen Gemeinschaft, überwachen, bewerten und kritisieren die NROs die Menschenrechtslage. Erstmals beriet 2016 ein Dachverband der wichtigsten Menschenrechtsgruppen das Parlament bei der Behandlung zentraler Gesetzesvorhaben (u. a. Novellierung Strafgesetzbuch). Schwach dagegen ist die Stellung des in der Verfassung verankerten Nationalen Menschenrechtsrats (Institution Nationale Indépendente des Droits Humains, INIDH), sowohl aufgrund der Zusammensetzung wie auch aufgrund fast nicht vorhandener Mittel für seine Arbeit. Der politische Wille, die INIDH zu einer wichtigen Stimme im Menschenrechtsschutz zu machen, bleibt angesichts mangelnder finanzieller Ausstattung weiter fraglich. Repressive Gesetzgebung, die die Aktivitäten der menschenrechtsorientierten NROs übermäßig reglementiert oder gar unter Strafvorbehalt stellen würde, gibt es nicht. Die Regierung plant ein eigenes Menschenrechtsverteidiger-Gesetz. Nach Aussage der OGDH ist das Arbeitsverhältnis zum Menschenrechtsministerium eng und gut. Die Verfassung Guineas enthält im Abschnitt II (Von den Grundlegenden Freiheiten, Pflichten und Rechten - Artikel 5 bis 26) einen umfangreichen Menschenrechtskatalog mit allen relevanten Elementen. Artikel 5 erklärt diese Menschenrechte für unverletzlich, unveräußerlich und unverjährbar. Die Präambel der Verfassung beruft sich u. a. auf die Grundlage der VN-Charta, der Universellen Erklärung der Menschenrechte. Guinea ist Vertragsstaat der Afrikanischen Menschenrechtscharta und der folgenden VN-Menschenrechtskonventionen (geordnet nach Ratifikationszeitpunkt bzw. Beitritt)
Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung (14.03.1977)
Internationaler Pakt über die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte (24.01.1978)*
Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte (Zivilpakt), einschließlich dessen ersten Zusatzprotokolls (24.01.1978) **
Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (09.08.1982)
Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (10.10.1989), Zusatzprotokoll bislang nicht ratifiziert
Übereinkommen über die Rechte des Kindes (13.07.1990)
Internationales Übereinkommen zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen (07.09.2000)
Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (08.02.2008) einschließlich Zusatzprotokoll (08.02.2008).
Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes zu Kinderhandel, Kinderprostitution und Pornographie mit Kindern (16.11.2011).
Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes zur Beteiligung von Kindern in bewaffneten Konflikten (08.04.2016) ***
Erklärungen zu den Übereinkommen hat Guinea wie folgt abgegeben:
* Vorbehalt gegenüber Art. 1 (3) (Betroffenheit von nicht-souveränen Gebieten), Art. 14, (dito) Art. 26 (1) (Kreis möglicher Vertragsparteien)
** Vorbehalt gegenüber Art. 48 (1) (Kreis möglicher Vertragsparteien) Die beiden Erklärungen stellen die materiellen Regelungen der Übereinkommen nicht in Frage.
*** Versicherung gem. Art. 3 (2) über das Mindestalter für freiwilligen Wehrdienst (18 Jahre)
Ferner ist Guinea der Genfer Flüchtlingskonvention beigetreten, hat die Flüchtlingskonvention der Afrikanischen Union ratifiziert und ist seit dem 14.07.2003 Vertragsstaat des Internationalen Strafgerichtshofes. Die Besuchsanfragen von VN-Sonderberichterstattern zu willkürliche Hinrichtungen (2007), Folter (2010) Wahrheit (2012), Albinismus (2016) Versammlungsfreiheit (2019), wurden bisher nicht angenommen (AA 05.07.2019). Das Büro von UNHCR in Guinea und NGOs stellten fest, dass die Bedingungen in den Gendarmerie-Hafteinrichtungen - die zur Inhaftierung von Häftlingen für nicht mehr als zwei Tage bestimmt sind, während diese auf ihre Gerichtsverfahren warten - viel schlechter sind, als in Gefängnissen. Eine solche "vorübergehende" Anhaltung könnte von einigen Tagen bis zu mehreren Monaten dauern und die Einrichtungen verfügten über kein etabliertes System zur Bereitstellung von Mahlzeiten oder für medizinische Behandlungen. Wie auch bei Gefängnissen waren die Gendarmerie-Einrichtungen feucht und unhygienischen (USDOS 11.03.2020).
(AA, Auswärtiges Amt, Guinea, Innenpolitik, Stand 28.06.2019, abgefragt am 19.05.2020, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/guinea-node/innenpolitik/206132
AA, Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Guinea, Stand Mai 2019, 05.07.2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2014266/Deutschland___Auswärtiges_Amt%2C_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Guinea_%28Stand_Mai_2019%29%2C_05.07.2019.pdf
USDOS, U.S. Department of State, Country Report on Human Rights Practices 2019, Guinea, 11.03.2020, https://www.state.gov/reports/2019-country-reports-on-human-rights-practices/guinea/)
Medien
Das wichtigste Medium ist das Radio. Neben dem öffentlichen, regierungsgelenkten Rundfunk der RTG (Radio Television Guinéenne) gibt es teilweise populäre private Radiosender. Auch das frühere Fernsehmonopol von RTG ist mittlerweile von privaten TV-Stationen durchbrochen, deren Ausstrahlung bleibt jedoch auf die Hauptstadt und einzelne Ort im Landesinneren beschränkt. Deutlich zurückgegangen ist die Bedeutung der Schriftpresse. Neben der staatlichen Tageszeitung "Horoya" gibt es eine ganze Reihe privaten Zeitungen. Die aktuelle Berichterstattung von teils regierungskritischen Medienredaktionen verlegt sich mehr und mehr in das Internet. Die Mobilfunk-Abdeckung erfasst jetzt alle Gebiete mit höherer Bevölkerungsdichte. 2015 wurde mit einem chinesischen Partner die Einrichtung eines landesweiten Glasfaser-Netzwerks gestartet. Die Pressefreiheit ist grundsätzlich gewahrt, Eingriffe durch staatliche Zensur finden im Ausnahmefall statt, wurden bisher aber nach scharfer Kritik der Zivilgesellschaft wieder zurückgenommen (AA Kultur- und Bildungspolitik Stand 28.06.2019, abgefragt am 19.05.2020). Die Bedrohung der Medienfreiheit, die in den letzten Jahren zugenommen hat, setzte sich 2019 fort, als mehrere Journalisten wegen regierungskritischer Berichterstattung verhaftet und später freigelassen wurden (HRW 14.01.2020).
(AA, Auswärtiges Amt, Guinea, Kultur-und Bildungspolitik, Stand 28.06.2019, abgefragt am 19.05.2020, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/guinea-node/kultur-bildung/206134
HRW, Human Rights Watch, World Report 2020, Guinea, 14.01.2020, https://www.hrw.org/world-report/2020/country-chapters/guinea)
Religion
Die Verfassung sieht einen säkularen Staat vor, verbietet religiöse Diskriminierung und gewährt jedermann das Recht, seine Religion frei zu wählen und auszuüben (USDOS 21.06.2019). Über 90 Prozent der Bevölkerung sind Muslime, fünf Prozent Katholiken, ein Prozent Anglikaner; verbreiteter Animismus (AA Überblick Stand 28.06.2019, abgefragt am 19.05.2020).
Die guineische Gesellschaft ist von ihren afrikanischen Traditionen sowie vom Islam geprägt und lebt eine große Toleranz gegenüber Andersgläubigen. Die ethnische Diversität des Landes impliziert ein vielfältiges kulturelles Erbe (AA Kultur- und Bildungspolitik Stand 28.06.2019, abgefragt am 19.05.2020).
Nach der Verfassung ist Guinea ein laizistischer Staat, der die rechtliche Gleichstellung aller monotheistischen Religionen garantiert. Laizität gehört auch zu den nicht veränderbaren Verfassungsbestimmungen (Art. 154). In der Praxis wird dieses Prinzip jedoch bei weitem nicht konsequent durchgehalten. Weil sich die übergroße Mehrheit (über 90%) zum Islam bekennt und die aktive Ausübung des muslimischen Glaubens eher zugenommen hat, gibt es eine gewisse Dominanz des Islam im öffentlichen und im Alltagsleben. Angehörige nichtmuslimischer Gruppen (christlichen und/oder animistischen Glaubens) können dadurch latent benachteiligt werden. So erfahren Nicht-Muslime, insbesondere im Staatsdienst, eine soziale Benachteiligung, die sich unter anderem durch deren Unterrepräsentation in Schlüsselpositionen und geringeren Zugriffsmöglichkeiten auf staatliche Finanzressourcen manifestiert. So finanziert der Staat deutlich mehr in das System der muslimischen Gemeinden als in die Kirchen. Die freie Religionsausübung für alle ist jedoch auf jeden Fall gewahrt. Spannungen zwischen den Religionsgemeinschaften sind so gut wie unbekannt, die Führer der Muslime und der christlichen Kirchen in Guinea arbeiten eng zusammen. Andererseits übt der Staat eine viel stärkere Kontrolle über die muslimischen Gemeinden als über die christlichen Kirchen aus. Im Bestreben, durchaus vorhandene islamistische Strömungen im Keim zu ersticken, weitet die Regierung Menschenrechtsschützern zufolge staatliche Ü