TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/20 G303 2215496-1

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Veröffentlicht am 20.05.2020
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Entscheidungsdatum

20.05.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
StVO 1960 §29b

Spruch

G303 2215496-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Simone KALBITZER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Steiermark, vom 23.01.2019, OB: XXXX, betreffend die Einziehung des Parkausweises für Behinderte gemäß § 29b Abs. 1 der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) brachte am 18.04.2018 über die Zentrale Poststelle beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Steiermark (im Folgenden: belangte Behörde), einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b Straßenverkehrsordnung 1960 (Parkausweis) ein. Dem Antrag waren medizinische Beweismittel angeschlossen.

Der Antrag auf Ausstellung eines Parkausweises gilt entsprechend dem Antragsformular der belangten Behörde auch als Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses bzw. auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" in den Behindertenpass.

2. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurde ein medizinisches Sachverständigengutachten von Dr. XXXX, Ärztin für Allgemeinmedizin, vom 25.05.2018, welches auf einer persönlichen Untersuchung der BF am 22.05.2018 beruht, eingeholt. Es wurde festgehalten, dass der Gesamtgrad der Behinderung 90 v.H. betrage und dass die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel für die BF zumutbar sei.

3. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 05.07.2018 wurde der Antrag vom 18.04.2018 bezüglich der Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass abgewiesen.

Gestützt wurde die Entscheidung der belangten Behörde auf das im Ermittlungsverfahren eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten von Dr. XXXX vom 25.05.2018. Dieses sei als schlüssig erkannt und der Entscheidung in freier Beweiswürdigung zu Grunde gelegt worden. Danach würden die Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung nicht vorliegen.

In der rechtlichen Beurteilung zitierte die belangte Behörde die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes und der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen.

4. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 05.07.2018 wurde der BF der beantragte Behindertenpass übermittelt. Der Grad der Behinderung wurde darin mit 90 vH eingetragen.

5. Mit weiterem Schreiben der belangten Behörde vom 31.07.2018 wurde der BF ein Parkausweis gemäß § 29b Straßenverkehrsordnung, OB: XXXX ausgestellt.

6. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 23.01.2019 hat die belangte Behörde die Einziehung des ausgestellten Parkausweises gemäß § 29b Abs. 1 Straßenverkehrsordnung (StVO) verfügt. Die BF wurde angewiesen, den Parkausweis unverzüglich der belangten Behörde vorzulegen.

Begründend wurde ausgeführt, dass die BF aufgrund des Bescheides vom 05.07.2018 die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses mit der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" nicht erfülle und damit auch nicht die Voraussetzung für die Ausfolgung eines Parkausweises. Daher sei der Parkausweis einzuziehen.

7. Gegen den oben, unter Pkt. I.6. genannten Bescheid brachte die BF mit E-Mail vom 20.02.2019, binnen offener Frist, Beschwerde ein. Darin brachte sie zusammengefasst vor, dass sie zunächst von der belangten Behörde einen Parkausweis ausgefolgt bekommen habe, da sie über einen Behindertenpass mit der Eintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" verfüge, dies obwohl die BF angeblich laut Bescheid vom 05.07.2018 die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses mit dieser Zusatzeintragung nicht erfülle.

Die BF habe vor ca. 14 Tagen den Parkausweis mittels eingeschriebenen Brief an das Sozialministerium zurückgeschickt. Dennoch ersuche sie um die Mitteilung, warum ihr trotz Schreibens vom 31.07.2018 ihr gültiger Parkausweis wieder entzogen worden sei sowie um erneute Ausstellung eines Parkausweises. Aufgrund ihrer zahlreichen Erkrankungen und körperlichen Gebrechen sei die BF auf den Parkausweis nach § 29b StVO angewiesen, da ihre Gesamtmobilität wegen ihres Oberschenkelbruches und den daraus resultierenden Folgen, sowie der schweren Hüftgelenksschädigung sehr eingeschränkt sei.

8. Die gegenständliche Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden von der belangten Behörde dem Bundesverwaltungsgericht am 05.03.2019 vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die BF ist im Besitz eines Behindertenpasses ohne Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung".

Der BF wurde im Juli 2018 ein Parkausweis gemäß § 29b StVO Nr. XXXX ausgestellt.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang sowie die Feststellungen ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der belangten Behörde, der Beschwerde und dem vorliegenden Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 in der geltenden Fassung [idgF]) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

In der StVO 1960 ist eine Senatszuständigkeit mit oder ohne Mitwirkung fachkundiger Laienrichter als Beisitzer in Angelegenheiten des § 29b StVO 1960 nicht vorgesehen. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor (vgl. VwGH 21.9.2018, Ro 2017/02/0019).

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF) geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG, BGBl. Nr. 1/1930 idgF) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4 VwGVG) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Das Verwaltungsgericht kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Parteienantrags, von einer Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) noch Art 47 GRC (Charta der Grundrechte der Europäischen Union) entgegenstehen.

Gegenständlich ist der entscheidungsmaßgebliche Sachverhalt aufgrund der Aktenklage geklärt und unstrittig. Daher konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben. Überdies wurde seitens der Verfahrensparteien eine mündliche Verhandlung nicht beantragt.

3.2. Zu Spruchteil A):

Gemäß § 29b Abs. 1 StVO in der Fassung BGBl I Nr. 123/2015 ist Inhabern und Inhaberinnen eines Behindertenpasses nach dem Bundesbehindertengesetz, BGBl Nr. 283/1990, die über die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" verfügen, als Nachweis über die Berechtigungen nach Abs. 2 bis 4 auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen ein Ausweis auszufolgen. Die näheren Bestimmungen über diesen Ausweis sind durch Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz zu treffen.

Gemäß § 29b Abs. 1a leg.cit. (Verfassungsbestimmung) kann die Ausfolgung und Einziehung eines Ausweises gemäß Abs. 1 unmittelbar durch Bundesbehörden besorgt werden.

Gemäß § 29b Abs. 6 leg.cit. verlieren Ausweise, die vor dem 1.1.2001 ausgestellt worden sind und der Verordnung des Bundesministers für Verkehr vom 16.11.1976, BGBl. Nr. 655/1976, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 80/1990, entsprechen, ihre Gültigkeit mit 31.12.2015. Ausweise, die nach dem 1.1.2001 ausgestellt worden sind und der Verordnung des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie über den Ausweis für dauernd stark gehbehinderte Personen (Gehbehindertenausweisverordnung), BGBl. II Nr. 252/2000, entsprechen, bleiben weiterhin gültig.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vom 21.9.2018, Ro 2017/02/0019, ist durch die Neufassung des § 29b Abs. 1 StVO mit BGBl. I Nr. 39/2013 die Verpflichtung entfallen, Ausweise, die nach der Gehbehindertenausweisverordnung oder davor ausgestellt worden waren, bei Wegfall der dauernd starken Gehbehinderung bei der Behörde abzuliefern. Ebenso ist die - erst durch die 20. StVO-Novelle geschaffene (vgl. hierzu auch VwGH 24.1.2006, 2005/02/0256) - Möglichkeit entfallen, derartige Ausweise zu entziehen (vgl. auch § 29b Abs. 1 StVO in der Fassung vor dem 1. Jänner 2014). § 29b StVO 1960 bietet somit keine gesetzliche Grundlage für die Einziehung des Parkausweises. Folglich enthält auch die (u.a.) aufgrund des § 29b Abs. 1 leg.cit. erlassene Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 idgF keine Bestimmungen für die Einziehung des Parkausweises (vgl. auch Pürstl, StVO14 (2015) § 29b Anm 4b und 8).

Die Übergangsbestimmungen in § 29b Abs. 6 StVO sehen vor, dass Parkausweise, die seit dem 1. Jänner 2001 ausgestellt wurden, weiterhin gültig bleiben. Davor ausgestellte Parkausweise, das sind jene, die noch nicht den EU-Vorgaben entsprechen, verlieren mit 31. Dezember 2015 ihre Gültigkeit (vgl. ErläutRV 2109 BlgNR XXIV. GP 4).

In der gegenständlichen Rechtssache wurde der BF mit Schreiben der belangten Behörde vom 31.07.2018 ein Parkausweis gemäß § 29b StVO ausgestellt, somit nach dem 31.12.2000.

Der Einziehung des Parkausweises mit dem angefochtenen Bescheid vom 23.01.2019 fehlt eine gesetzliche Grundlage und ist daher unzulässig.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

3.3. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlicher Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung.

Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Einziehung Gültigkeit Parkausweis Rechtslage

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G303.2215496.1.00

Im RIS seit

14.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

14.08.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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