Entscheidungsdatum
10.06.2020Norm
ASVG §123Spruch
I413 2230996-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Dr. Martin ATTLMAYR, LL.M. als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Ungarn, vertreten durch XXXX als Sachwalterin, diese vertreten durch Salcher Salzburger Rechtsanwälte, Rechtsanwälte, gegen den Bescheid der Österreichischen Gesundheitskasse Landesstelle Tirol (ÖGK-T) vom 24.03.2020, Zl. III-S LV 23/2020, zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Am 14.09.2018 stellte XXXX, die Mutter und Sachwalterin der Beschwerdeführerin, bei der Tiroler Gebietskrankenkasse, nunmehr österreichische Gesundheitskasse, erstmals für ihre Tochter einen Antrag auf Prüfung der Anspruchsberechtigung für Angehörige gemäß § 123 ASVG.
Im Zuge der Antragstellung wurden die Formulare E 108 (Mitteilung über Ruhen oder Wegfall des Sachleistungsanspruches bei Krankheit/Mutterschaft) und E 104 (Bescheinigung über die Zusammenrechnung der Versicherungs-, Beschäftigungs- oder Wohnzeiten) vorgelegt. Zudem ist der Tiroler Gebietskrankenkasse, nunmehr österreichische Gesundheitskasse, vom ungarischen Versicherungsträger das Formular E 106 (Bescheinigung des Anspruchs der in einem anderen als dem zuständigen Staat wohnenden Versicherten auf Sachleistungen bei Krankheit und Mutterschaft) übermittelt worden.
2. Der Antrag vom 14.09.2018 wurde von der belangten Behörde abgelehnt, da die Beschwerdeführerin in Ungarn krankenversichert war.
3. Am 19.11.2019 stellte die Beschwerdeführerin bei der Tiroler Gebietskrankenkasse, nunmehr österreichische Gesundheitskasse, für ihre Tochter XXXX einen weiteren Antrag auf Prüfung der Anspruchsberechtigung für Angehörige gemäß § 123 ASVG.
4. Dieser Antrag wurde von einer Mitarbeitern der belangten Behörde mit Schreiben vom 21.11.2019 genehmigt.
5. Mit Schreiben vom 05.03.2020 teilte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin mit, dass die Mitversicherung ihrer Tochter am 25.02.2020 storniert wurde.
6. Der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin ersuchte die belangte Behörde mit Schreiben vom 11.03.2020 um eine bescheidmäßige Erledigung, sodass seine Mandantin den Ausschluss von der Mitversicherung bekämpfen kann.
7. Mit Bescheid vom 24.03.2020 wies die belangte Behörde den Antrag vom 19.11.2019 auf Feststellung der Anspruchsberechtigung für XXXX als Angehörige von XXXX gemäß § 123 ASVG in Verbindung mit Art 32 Abs 1 der Verordnung (EG) Nr 987/2009 ab.
Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung damit, dass die Beschwerdeführerin auf eine krankenversicherungseröffnende Leistung aus Ungarn verzichtet habe und unter Hinweis auf Art 32 Abs 1 der Verordnung (EG) Nr 987/2009 ein Krankenversicherungsschutz abzulehnen sei.
Die Mitversicherung der Beschwerdeführerin sei fälschlicherweise von einer Mitarbeiterin, die über das Vorverfahren hinsichtlich des Antrags vom 14.09.2018 keine Kenntnis hatte, genehmigt worden. Bei Bekanntwerden der vorliegenden Umstände sei die Mitversicherung unverzüglich wieder storniert worden.
8. Gegen diesen der Beschwerdeführerin am 27.03.2020 zugestellten Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde vom 03.04.2020 (bei der belangten Behörde eingelangt am 03.04.2020).
In der Beschwerde wird im Wesentlichen vorgebracht, dass die Mutter der Antragstellerin seit Jahren in Österreich krankenversichert sei und daher ein Anspruch der Antragstellerin auf Mitversicherung selbstverständlich zu Recht bestehe. Ein entsprechender Verzicht der Beschwerdeführerin auf eine Leistung aus Ungarn sei nie erfolgt. Für einen solchen Verzicht gäbe es auch keinerlei Anhaltspunkte oder Beweisergebnisse. Die Behörde habe einen solchen Verzicht lediglich angenommen, jedoch weder festgestellt noch begründet. Das Verfahren sei mit einem wesentlichen Verfahrensmangel behaftet, da die Behörde zu dem offenbar angenommen Verzicht Erhebungen anstellen hätte müssen.
Warum und auf welcher Rechtsgrundlage der Beschwerdeführerin über Antragstellung vom 19.11.2019 zunächst die verfahrensgegenständlichen Ansprüche zuerkannt worden seien und sodann am 25.02.2020 eine Stornierung erfolgt sei, gehe aus dem Bescheid nicht hervor. Eine Aberkennung zustehender Rechte ohne ersichtlichen Grund bzw. ausführlicher Begründung verwirkliche einen Nichtigkeitsgrund. Zudem liege aufgrund des Schreibens vom 21.11.2019 eine entschiedene Rechtssache vor und ein einseitiger Entzug der Rechte der Beschwerdeführerin sei ohne neue Tatsachen unzulässig und damit rechtswidrig.
9. Mit Schriftsatz vom 15.05.2020, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 15.05.2020, legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vor und gab eine Stellungnahme ab.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende weitere Feststellungen getroffen:
1.1 Zur Beschwerdeführerin:
Die Beschwerdeführerin lebte in Ungarn, zog nach Österreich und wohnt seit 11.01.2018 bei ihrer Mutter in Österreich. Im Rahmen des Umzugs nach Österreich bescheinigte die Beschwerdeführerin mit dem Formular E 106 den Anspruch auf Leistungen der ungarischen Krankenversicherung bis zum 26.03.2019 und wurde von der belangten Behörde vom 26.03.2018 bis zum 30.09.2018 betreut.
Sie war in Ungarn bis zum 31.08.2018 krankenversichert bzw hatte bis zu diesem Zeitpunkt Anspruch auf Sachleistungen bei Krankheit. XXXX meldete ihre Tochter (die Beschwerdeführerin) von der ungarischen Krankenversicherung mit Wirksamkeit ab 31.08.2018 ab.
Von der ungarischen Gesundheitsversicherung erhielt die Beschwerdeführerin vom 01.11.2007 bis zum 30.09.2018 eine Invalidenrente und in der Zeit vom 01.03.2011 bis zum 31.10.2011 und vom 01.04.2013 bis zum 31.08.2018 Behindertenunterstützung.
Die Beschwerdeführerin beantragte mit dem am 06.09.2018 bei der zuständigen Direktion der Pensionsversicherung in Ungarn eingebrachten Antrag die Einstellung der Überweisung der Invaliditäts-/Berufsunfähigkeitsleistung mit 01.09.2018. Die ungarische Behindertenunterstützung für die Beschwerdeführerin wurde von der Abteilung für Familienleistungen der Regierungsstelle in Budapest ab 30.09.2018 eingestellt.
Mit Antrag vom 17.07.2018 beantragte die Beschwerdeführerin in Österreich die Gewährung von Pflegegeld. Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom 18.07.2018 der Pensionsversicherungsanstalt, Landesstelle Tirol, abgelehnt. Begründet wurde der Bescheid damit, dass die Beschwerdeführerin in Ungarn krankenversichert ist und daher auch Ungarn für pflegebedingte Leistungen zuständig ist.
1.2 Zum Schreiben vom 21.11.2019:
Mit Schreiben vom 21.11.2019, welches nicht als Bescheid bezeichnet wird, wurde XXXX darüber informiert, dass sie für ihre mitversicherte Angehörige Leistungen der Krankenversicherung beanspruchen kann, solange sie selbst gesetzlich krankenversichert ist und ihre Angehörige den gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und nicht selbst gesetzlich krankenversichert ist.
Über den Antrag vom 19.11.2019 auf Prüfung der Anspruchsberechtigung für Angehörige gemäß § 123 ASGV wurde mit dem Schreiben vom 21.11.2019 nicht normativ darüber abgesprochen, ob die Voraussetzungen für eine Mitversicherung vorliegen oder nicht.
2. Beweiswürdigung:
2.1 zum Verfahrensgang:
Der unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften Akteninhalt.
2.2 Zur Beschwerdeführerin:
Die Feststellung, dass die Beschwerdeführerin in Ungarn lebte, nach Österreich zog und seit 11.01.2018 bei ihrer Mutter wohnt, basiert auf der Abfrage aus dem zentralen Melderegister vom 02.06.2020.
Die Feststellung, dass die Beschwerdeführerin im Rahmen des Umzuges nach Österreich mit dem Formular E 106 vom 05.04.2018 den Anspruch auf Leistungen der ungarischen Krankenversicherung bis zum 26.03.2019 bescheinigte und von der belangten Behörde vom 26.03.2018 bis zum 30.09.2018 betreut wurde, gründet sich auf das Formular E 106 vom 05.04.2018 sowie auf die verlässlichen Angaben der belangten Behörde im Schreiben vom 06.03.2020 und in der Stellungnahme vom 15.05.2020.
Dass sie in Ungarn bis zum 31.08.2018 krankenversichert war bzw. bis zu diesem Zeitpunkt Anspruch auf Sachleistungen bei Krankheit hatte, ergibt sich aus dem im Akt befindlichen Formular E 108. Die Feststellung, dass XXXX die Beschwerdeführerin von der ungarischen Krankenversicherung mit Wirksamkeit ab 31.08.2018 abmeldete, beruht auf dem Formular E 108 und auf der Email des Volksanwalts Mag. XXXX vom 17.10.2018, da XXXX vor dem Landesvolksanwalt angab, ihre Tochter von allen Systemen in Ungarn abgemeldet zu haben.
Die Feststellung, dass XXXX von der ungarischen Gesundheitsversicherung vom 01.11.2007 bis zum 30.09.2018 eine Invalidenrente und in der Zeit vom 01.03.2011 bis zum 31.10.2011 und vom 01.04.202013 bis zum 31.08.2018 Behindertenunterstützung erhielt, geht aus dem im Akt liegenden Schreiben der Hauptabteilung der Gesundheitsversicherung in Budapest hervor.
Dass XXXX mit dem am 06.09.2018 bei der zuständigen Direktion der Pensionsversicherung in Ungarn eingebrachten Antrag die Einstellung der Überweisung der Invaliditäts-/ Berufsunfähigkeitsleistung ab 01.09.2018 beantragte, ergibt sich aus dem Bescheid vom 06.09.2018 der Hauptabteilung für Pensionsversicherung in Budapest.
Die Feststellung über die Einstellung der Behindertenunterstützung ab 30.09.2018 beruht auf dem Bescheid vom 16.11.2018 der Abteilung für Familienleistungen der Regierungsstelle in Budapest.
Die Feststellung, dass die Beschwerdeführerin mit Antrag vom 17.07.2018 in Österreich Pflegegeld beantragt hat und dieser abgelehnt wurde, da sie in Ungarn krankenversichert ist und somit auch Ungarn für pflegebedingte Leistungen zuständig ist, gründet sich auf den Bescheid vom 18.07.2018 der Pensionsversicherungsanstalt, Landesstelle Tirol.
2.3 Zum Schreiben vom 21.11.2019:
Die Feststellungen zum Schreiben vom 21.11.2019 ergeben sich aus dem genannten Schriftstück.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde
3.1 Zum Schreiben vom 21.11.2019:
3.1.1 Rechtslage:
Bei einem Bescheid handelt es sich um einen hoheitlichen Akt, der gegenüber einem bestimmten Adressaten erlassen wird und über eine Verwaltungssache normativ abspricht.
Gemäß § 58 AVG ist ein Bescheid ausdrücklich als solcher zu bezeichnen und hat insbesondere einen Spruch zu enthalten. Der Spruch unterscheidet den Bescheid von anderen behördlichen Erledigungsformen wie Mitteilungen, Erklärungen etc., da Rechtsfolgen angeordnet und Rechtsverhältnisse gestaltet werden.
Unter Rechtskraft ist die Unabänderlichkeit des Bescheides zu verstehen, dh ein Bescheid kann von Parteien nicht mehr angefochten werden oder seitens der Behörde nicht mehr abgeändert oder aufgehoben werden.
Gemäß § 68 Abs 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Beschwerde nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs 2 bis 4 AVG findet.
3.1.2 Anwendung der Rechtslage auf den Beschwerdefall:
Das Schreiben vom 21.11.2019 ist als schlichte Mitteilung, jedoch nicht als Bescheid zu qualifizieren, da aufgrund des fehlenden Spruchs nicht normativ über den Antrag vom 19.11.2019 abgesprochen wurde. Aus dem Schreiben ergibt sich nicht, dass die belangte Behörde sich rechtlich verbindlich geäußert hätte. Eine Mitteilung kann mangels Spruches im Gegensatz zu einem Bescheid nicht in Rechtskraft erwachsen, weshalb keine entschiedene Sache vorliegt.
Das Beschwerdevorbringen erweist sich daher diesbezüglich als unbegründet.
3.2 Zur Ablehnung des Antrags auf Feststellung der Anspruchsberechtigung:
3.2.1 Allgemeines zu den Verordnungen (EG) Nr 883/2004 und Nr 987/2009:
Die Verordnung (EG) 883/2004 legt fest, welcher Mitgliedstaat bei grenzüberschreitenden Fällen, die Angelegenheiten der Sozialversicherung betreffen, zuständig ist und koordiniert die Sozialversicherungssysteme der Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Die VO (EG) Nr 987/2009 enthält Regelungen zur Durchführung der VO (EG) Nr 883/2004.
Art 3 VO (EG) Nr 883/2004 regelt, auf welche Bereiche der sozialen Sicherheit die VO (EG) Nr. 883/2004 anzuwenden ist, wobei insbesondere Leistungen bei Krankheit (Art 3 Abs 1 lit a) und bei Invalidität (Art 3 Abs 1 lit c) erfasst werden.
Leistungen bei Pflegebedürftigkeit werden ebenfalls erfasst, sie sind als Leistungen bei Krankheit anzusehen (siehe EuGH-Urteile vom 05.03.1998, Rs C-160/96, Molenaar, Rdnr 25 und vom 08.03.2001, Rs C-215/99, Jauch, Rdnr 35).
Es gilt der - in Art 11 VO (EG) 883/2004 konkretisierte - Grundsatz, dass nur die Rechtsvorschriften eines einzigen Mitgliedstaats anzuwenden sind (Grundsatz der Einheitlichkeit des Systems der sozialen Sicherheit). Eine bestimmte Person soll somit nur dem System der sozialen Sicherheit eines einzigen Mitgliedstaats unterliegen, um eine Kumulierung anwendbarer nationaler Rechtsvorschriften und die Schwierigkeiten, die sich daraus ergeben, zu vermeiden (EuGH 30.06.2011, Rs C-388/09 da Silva Martins Rz 53 mwN). Die Vorschriften dieses Mitgliedstaats sind somit allein anwendbar, selbst wenn diese weniger günstig für die betroffenen Personen sind (EuGH 12.06.2012, Rs C-611/10, C-612/10 Hudzinski/Wawrzyniak Rz 44).
Im dritten Titel des ersten Kapitels der VO (EG) Nr 883/2004 sind besondere Bestimmungen für Leistungen bei Krankheit sowie Mutterschaft und gleichgestellte Leistungen bei Vaterschaft enthalten. Diese sind insbesondere dann von Bedeutung, wenn Personen nicht in dem Mitgliedstaat wohnen, in dem sie krankenversichert sind (zuständiger Mitgliedstaat).
Die Art 17 bis 21 VO (EG) Nr 883/2004 bestimmen, welcher Mitgliedstaat Leistungen bei Krankheit zu erbringen hat, wenn Personen ihren Wohnort bzw. ihren vorübergehenden Aufenthalt in einem anderen als dem zuständigen Mitgliedstaat haben.
Die Art 22 bis 26 VO (EG) Nr 883/2004 legen fest, welcher Mitgliedstaat für die Erbringung von Sachleistungen bei Krankheit für Rentner zuständig ist. Hierbei kann es zur sogenannten Sachleistungsaushilfe kommen, wenn Personen, die eine Rente beziehen, in einem anderen als dem zuständigen Mitgliedstaat wohnen. Dann erbringt der Staat, in dem die Personen wohnen, Sachleistungen nach seinem Recht auf Rechnung des zuständigen Mitgliedstaates.
Art 32 Abs 1 der VO (EG) Nr 987/2009 betrifft Fälle, in denen eine Person auf Antrag von der Krankenversicherungspflicht des zuständigen Mitgliedstaates befreit wird. Eine solche Befreiung darf jedoch nicht dazu führen, dass es zu einer Pflichtkrankenversicherung eines anderen Mitgliedstaats kommt, weil dieser aufgrund der Kosten für Sach- und oder Geldleistungen belastet wird.
3.2.2 Rechtslage und die relevanten Bestimmungen für den konkreten Beschwerdefall:
Ein Versicherter oder seine Familienangehörigen, die in einem anderen als dem zuständigen Mitgliedstaat wohnen, erhalten in dem Wohnmitgliedstaat Sachleistungen, die vom Träger des Wohnorts nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften für Rechnung des zuständigen Trägers erbracht werden, als ob sie nach diesen Rechtsvorschriften versichert wären (Art 17 VO (EG) Nr 883/2004).
Gemäß Art 24 VO (EG) Nr 987/2009 müssen sich der Versicherte und/oder seine Familienangehörigen bei der Anwendung von Art 17 der Grundverordnung beim Träger ihres Wohnorts eintragen lassen. Ihr Sachleistungsanspruch im Wohnmitgliedstaat wird durch ein Dokument bescheinigt, das vom zuständigen Träger auf Antrag des Versicherten oder auf Antrag des Trägers des Wohnorts ausgestellt wird.
Werden Einzelpersonen oder Personengruppen auf Antrag von der Krankenversicherungspflicht freigestellt und sind diese Personen damit nicht durch ein Krankenversicherungssystem abgedeckt, auf das die Grundverordnung Anwendung findet, so kann der Träger eines anderen Mitgliedstaats nicht allein aufgrund dieser Freistellung zur Übernahme der Kosten der diesen Personen oder ihren Familienangehörigen gewährten Sach- oder Geldleistungen nach Titel III Kapitel I der Grundverordnung verpflichtet werden (Art 32 Abs 1 VO (EG) Nr 987/2009).
Nach Art 32 Abs 1 Satz 1 VO (EG) Nr 883/2004 hat zudem ein eigenständiger Sachleistungsanspruch aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats, etwa wegen einer Rente, Vorrang vor einem abgeleiteten Anspruch als Familienangehöriger (zB Mitversicherung).
Nach österreichischem Recht besteht gemäß § 123 ASVG Abs 1 für Angehörige ein Anspruch auf die Leistungen der Krankenversicherung,
1. wenn sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben und
2. wenn sie weder nach der Vorschrift dieses Bundesgesetzes noch nach anderer gesetzlicher Vorschrift krankenversichert sind und auch für sie seitens einer Krankenfürsorgeeinrichtung eines öffentlich-rechtlichen Dienstgebers Krankenfürsorge nicht vorgesehen ist.
Als Angehöriger gelten nach § 123 ASVG Abs 2 ua:
1. der/die Ehegatte/Ehegattin oder eingetragene Partner/Partnerin;
2. die Kinder und die Wahlkinder.
3.2.3 Anwendung der Rechtslage auf den konkreten Beschwerdefall:
Im gegenständlichen Fall wurde die Beschwerdeführerin in Österreich, da sie mit einem Dokument (Formular E 106) im Sinne des Art 24 VO (EG) Nr 987/2009 einen Anspruch auf Leistungen der ungarischen Krankenversicherung bis zum 26.03.2019 bescheinigte, von der belangten Behörde - wie Art 17 VO (EG) Nr 883/2004 vorsieht - bis zum 30.09.2018 betreut.
Die Beschwerdeführerin stellte sich durch die beantragte Einstellung der Invaliditätsrente und durch die Abmeldung von der ungarischen Krankenversicherung auf Antrag von der Krankenversicherungspflicht frei, weshalb sie somit nicht durch ein Krankenversicherungssystem abgedeckt ist, auf das die Grundverordnung (EG) Nr 883/2004 Anwendung findet. Im Falle einer Mitversicherung der Beschwerdeführerin nach § 123 ASVG müsste der österreichische Versicherungsträger die Kosten hinsichtlich der zu gewährenden Sach- oder Geldleistungen nunmehr selbst tragen und könnte die Leistungen, da die Beschwerdeführerin sich bei der ungarischen Krankenversicherung abgemeldet hat, nicht mehr im Sinne des Art 17 VO (EG) Nr 883/2004 auf Rechnung des ungarischen Trägers erbringen. Der österreichische Träger kann deshalb nach Art 32 VO (EG) Nr 987/2009 gerade nicht zur Übernahme der Kosten, die mit der Mitversicherung der Beschwerdeführerin einhergehen würden, verpflichtet werden.
Die rechtliche Beurteilung der belangten Behörde, wonach ein Krankenversicherungsschutz der Beschwerdeführerin in Österreich aufgrund des Art 32 Abs 1 VO (EG) Nr 987/2009 abzulehnen ist, ist zutreffend. Daher war der Bescheid vollinhaltlich zu bestätigen und die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Zu beachten ist auch Art 32 VO (EG) Nr 883/2004, wonach ein eigenständiger Sachleistungsanspruch auf Grund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats oder unmittelbar auf Grund der VO (EG) Nr 883/2004 Vorrang vor einem abgeleiteten Anspruch auf Leistungen für Familienangehörige hat. Im vorliegenden Fall geht nach dieser Bestimmung der nach wie vor bestehende Anspruch der Beschwerdeführerin auf Leistungen der ungarischen Krankenversicherung, welcher ihr gemäß Art 17 VO (EG) Nr 883/2004 ebenfalls nach Maßgabe der österreichischen Rechtsvorschriften, aber auf Rechnung des ungarischen Trägers zu gewähren wären, dem von der Mutter abgeleiteten Anspruch auf Leistungen vor. Ein Anspruch auf Mitversicherung besteht daher auch aufgrund des unmittelbar anwendbaren Art 32 VO (EG) Nr 883/2004 nicht zu Recht.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Im vorliegenden Fall war zu klären, ob ein Krankenversicherungsschutz der Beschwerdeführerin in Österreich aufgrund des Art 32 Abs 1 der VO (EG) Nr. 987/2009 abzulehnen ist. Da sich diese Rechtsfrage anhand des zitierten Art 32 Abs 1 der VO (EG) Nr. 987/2009 eindeutig lösen lässt, liegt keine erhebliche Rechtsfrage vor, die einer höchstgerichtlichen Klarstellung bedürfte.
Schlagworte
Krankenversicherung Mitgliedstaat Mitversicherung VerzichtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:I413.2230996.1.00Im RIS seit
14.08.2020Zuletzt aktualisiert am
14.08.2020