RS Vfgh 2020/6/12 G263/2019

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Veröffentlicht am 12.06.2020
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Index

32/04 Steuern vom Umsatz

Norm

B-VG Art140 Abs1 Z1 litc
UStG 1994 §6 Abs2, §28 Abs38 Z1
VfGG §7 Abs1

Leitsatz

Zurückweisung eines Individualantrags von Ärzten als Mieter auf Aufhebung von Bestimmungen des UmsatzsteuerG 1994 betreffend die verpflichtend umsatzsteuerfreie Vermietung von Ordinationsräumlichkeiten wegen zu engen Anfechtungsumfangs und mangels rechtlicher Betroffenheit durch die an die Vermieter gerichtete Bestimmung

Rechtssatz

Unzulässigkeit des Hauptantrags, §6 Abs2 und §28 Abs38 Z1 UStG 1994, und der Eventualanträge, bestimmte Sätze und Wortfolgen dieser Bestimmungen oder die Vorschrift des §6 Abs1 Z19 UStG 1994 als verfassungswidrig aufzuheben.

Aus der Regelung des §6 Abs1 Z16 iVm §6 Abs2 UStG 1994 folgt, dass die Vermietung von Ordinationsräumlichkeiten an einen Arzt steuerfrei ist und der Vermieter keine Berechtigung hat, diesen Umsatz als steuerpflichtig zu behandeln, da die Umsätze aus Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin als Arzt gemäß §6 Abs1 Z19 UStG 1994 steuerfrei sind. Diesen Ausschluss der Optionsberechtigung hat der Gesetzgeber mit dem 1. Stabilitätsgesetz 2012 geschaffen, indem er die bis dahin ohne weitere Voraussetzungen mögliche Option des Vermieters zur Steuerpflicht in §6 Abs2 UStG 1994 auf Fälle eingeschränkt hat, in denen der Mieter das Mietobjekt nahezu ausschließlich für Zwecke nutzt, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen.

Die Antragstellerinnen begründen ihren Antrag im Wesentlichen damit, dass diese Rechtslage zu unsachlichen Differenzierungen in der umsatzsteuerlichen Behandlung von Ärzten und anderen Selbständigen, die mit ihren Tätigkeiten nicht unecht steuerbefreit seien, führe. Die Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Bestimmungen könne dabei nach Auffassung der Antragstellerinnen einerseits durch Ausdehnung des Rechts auf Option zur Steuerpflicht, andererseits aber auch dadurch behoben werden, dass die Umsätze, die von Ärzten erwirtschaftet werden, nicht unecht steuerbefreit sind.

Eine von den Antragstellerinnen für verfassungsrechtlich gebotene Ausnahme von der Steuerbefreiung für Umsätze aus der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken, wie sie Art135 Abs2 letzter Satz MwStSystemRL den Mitgliedstaaten eröffnet, kann aber nicht nur durch Ausdehnung der Option zur Steuerpflicht in §6 Abs2 UStG 1994 herbeigeführt werden. Neben der von den Antragstellerinnen erkannten Möglichkeit, in §28 Abs38 Z1 dritter Satz UStG 1994 in der Wendung "§3 Abs2 des Gesundheits- und Sozialbereich-Beihilfengesetzes" die Wortfolge "Abs2" aufzuheben, ist überdies zu beachten, dass eine solche Ausnahme von der generellen Steuerbefreiung des §6 Abs1 Z16 UStG 1994 systematisch als Teil der Regelung des §6 Abs1 Z16 UStG 1994 selbst zu erkennen ist, zumal der Gesetzgeber in §6 Abs1 Z16 UStG 1994 nicht nur solche durch Art135 Abs2 MwStSystemRL vorgegebene Ausnahmen anordnet (vgl etwa §6 Abs1 Z16 letzter Teilstrich UStG 1994).

Unzulässigkeit auch wegen mangelnder rechtlicher Betroffenheit des Mieters durch eine an den Vermieter gerichteten Bestimmung:

Dem Vorbringen, "dass an Ärzte entweder überhaupt nicht vermietet wird, oder aber, dass an Ärzte nur zu überhöhten Preisen - die deutlich (nämlich um rund 20%) über dem sonst verrechneten Preis liegen - vermietet wird [...]", ist entgegenzuhalten, dass das Optionsrecht ein Gestaltungsrecht des Vermieters ist und der Mieter keinen zivilrechtlichen Anspruch auf Ausübung der Option durch den Vermieter hat (OGH 24.11.1998, 1 Ob 111/98z). Die angefochtenen Bestimmungen richten sich somit aber nicht an den Mieter. Adressaten der Regelungen sind ausschließlich Vermieter. Der VfGH verkennt dabei nicht, dass die von den Antragstellerinnen angefochtenen Bestimmungen unter Umständen die wirtschaftliche Position von Mietern, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sind, beeinflussen können; dabei geht es aber nur um (faktische) wirtschaftliche Reflexwirkungen der angefochtenen Bestimmungen.

Entscheidungstexte

  • G263/2019
    Entscheidungstext VfGH Beschluss 12.06.2020 G263/2019

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Umsatzsteuer, VfGH / Prüfungsumfang

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2020:G263.2019

Zuletzt aktualisiert am

17.08.2020
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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