TE Vwgh Erkenntnis 1998/1/15 96/07/0096

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.01.1998
beobachten
merken

Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §73 Abs1;
AVG §73 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofmann, über die Beschwerde der Stadt L, vertreten durch Dr. Alfred Hawel und Dr. Ernst Eypeltauer, Rechtsanwälte in Linz, Museumstraße 17, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 31. Mai 1995, Zl. 14.870/01-I 4/95, betreffend Feststellung der Verwendung enteigneter Liegenschaften (mitbeteiligte Partei: AS in L, vertreten durch Dr. Aldo Frischenschlager und Dr. Dieter Gallistl, Rechtsanwälte in Linz, Landstraße 15), zu Recht erkannt:

Spruch

Spruchabschnitt I. des angefochtenen Bescheides wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 22. November 1961 wurde das Vorhaben der beschwerdeführenden Partei, den Tankhafen "West" auszubauen, zum bevorzugten Wasserbau erklärt. Mit Bescheid derselben Behörde vom 18. Jänner 1962 wurde dafür die wasserrechtliche Bewilligung erteilt. In der Folge enteignete der Landeshauptmann von Oberösterreich (LH) mit Bescheid vom 13. Juli 1963 zugunsten der beschwerdeführenden Partei, und zwar zur Ausführung des Tankhafenbeckens "West", eine Reihe von Grundstücken, die im bücherlichen Eigentum der mitbeteiligten Partei (mP) und ihres Ehegatten - dessen Alleinerbin die mP nunmehr ist - standen und in der EZ 22, KG L., vorgetragen waren, nämlich die GP 694 und Teile der GP 718/1, 720 und 721/1, insgesamt 12.991 m2.

Mit Eingabe vom 18. Mai 1988 stellte die mP an den LH den Antrag, er möge

"1. feststellen, daß die mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 13. Juli 1963, Zl. Wa-1072/2-1963/Sta, den Ehegatten L. und A.S. (der mP) enteigneten Grundparzellen, und zwar die heutigen GP 721/19, 721/21, der Teil der heutigen GP 721/21, der zum Enteignungszeitpunkt zur GP 718/1 gehörte, sowie der Teil der enteigneten GP 694/1 und 694/2, der mit Grundteilungsplan Nr. 114/67 der GP 682/2 zugeschrieben wurde, nicht zu dem Zweck verwendet wurden, für den sie enteignet wurden.

2. den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 13. Juli 1963, Zl. Wa-1072/2-1963/Sta, aufheben."

Einen in der Folge (am 17. August 1989) eingebrachten Devolutionsantrag im Sinne des § 73 Abs. 2 AVG wies der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft mit Bescheid vom 19. April 1994 ab. Dieser Bescheid langte am 29. April 1994 beim LH ein.

Mit Schreiben vom 3. Juni 1994 (beim LH eingelangt am 8. Juni 1994) modifizierte die mP ihren Antrag an den LH, sodaß er lautete:

"1. Der Landeshauptmann von Oberösterreich möge feststellen, daß die mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 13.7.1963, Wa-1072/2-1963/Sta, den Ehegatten

L. und A.S. (der mP) enteigneten Grundparzellen, und zwar die damals in der EZ 22, KG L., vorgetragenen Grundparzellen Nr. 694, Garten, sowie Teile der Grundstücke 718/1, Garten, 720, Acker und 721/1, Acker, KG L., nicht zu dem Zweck verwendet wurden, für den im Wasserrechtsgesetz die Enteignung vorgesehen ist sowie

2. den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 13.7.1963, Zl. Wa-1072/2-1963/Sta, aufheben."

Der LH entschied weiterhin nicht über den Antrag der mP. Mit Schriftsatz vom 8. November 1994 (eingelangt bei der belangten Behörde am 11. November 1994) brachte sie neuerlich einen Devolutionsantrag ein und modifizierte ihr Begehren mit Eingabe vom 27. April 1995 (an die belangte Behörde) wiederum, sodaß es wie folgt lautete:

"1. Der Landeshauptmann von Oberösterreich möge feststellen, daß die mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 13.07.1963, Wa-1072/2-1963/Sta, den Ehegatten L. und A.S. (der mP) enteigneten Grundparzellen, und zwar die damals der EZ 22, KG L., vorgetragenen Grundparzellen Nr. 694, Garten, sowie Teile der Grundstücke 718/1, Garten, 720, Acker und 721/1, Acker, KG L., nicht zu dem Zweck verwendet wurden, für den im Wasserrechtsgesetz die Enteignung vorgesehen ist und daß daher kein Anspruch auf Aufrechterhaltung der mit Bescheid vom 13.07.1963, Wa-1072/2-1963/Sta ausgesprochenen Enteignung besteht sowie

2. den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 13.07.1963, Zl. Wa-1072/2-1963/Sta, aufheben und aussprechen, daß der Rechtsgrund für die Enteignung obiger Grundstücke weggefallen ist."

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 31. Mai 1995 stellte die belangte Behörde unter Spruchabschnitt I. gemäß § 56 AVG fest, daß die mit Bescheid des LH vom 13. Juli 1963 den Ehegatten L. und A.S. (der mP) enteigneten Grundparzellen, und zwar die damals der EZ 22, KG L., vorgetragenen Grundparzellen Nr. 694, Garten, sowie Teile der Grundstücke Nr. 718/1, Garten, Nr. 720, Acker und Nr. 721/1, Acker, KG L., nicht zu dem Zweck verwendet wurden, für den sie enteignet wurden.

Unter Spruchabschnitt II. wurde dem Antrag, den Bescheid des LH vom 13. Juli 1963 gemäß § 68 Abs. 4 AVG aufzuheben, nicht stattgegeben.

Gegen diesen Bescheid - und zwar erkennbar nur gegen dessen Spruchabschnitt I. - richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Sie vertrat in der Gegenschrift auch die Auffassung, der beschwerdeführenden Partei fehle die Beschwerdelegitimation, weil sie nicht mehr Eigentümerin der enteigneten Grundstücke sei.

Die beschwerdeführende Partei hat in einer Stellungnahme dazu dargelegt, daß die Behauptung, sie sei nicht mehr Eigentümerin jener Grundstücke, die Gegenstand des angefochtenen Feststellungsbescheides sind, unrichtig ist.

Die mP hat eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nachdem der LH über den ursprünglichen Antrag der mP vom 18. Mai 1988 nicht entschieden hatte, stellte die mP einen Antrag auf Übergang der Entscheidungspflicht an die belangte Behörde. Mit Bescheid vom 19. April 1994 wies diese den sich auf das ursprüngliche Begehren der mP beziehenden Devolutionsantrag ab. Dieser Bescheid langte am 29. April 1994 beim LH ein; ab diesem Tag war der LH wieder zuständig, über den Antrag der mP vom 18. Mai 1988 zu entscheiden.

Mit Schreiben vom 3. Juni 1994, das beim LH am 8. Juni 1994 einlangte, modifizierte die mP ihren Antrag vom 18. Mai 1988 und formulierte ihn neu. Vergleicht man die Formulierungen in den Anträgen vom 18. Mai 1988 und vom 3. Juni 1994, so zeigt sich, daß jedenfalls die seinerzeitige Grundparzelle 694 vom ersten Antrag nur teilweise ("der Teil ..., der mit

Grundteilungsplan ... zugeschrieben wurde"), vom zweiten Antrag

aber vollständig erfaßt wurde. Durch den späteren Antrag wurde also ein zusätzlicher Liegenschaftsteil in das Feststellungsbegehren einbezogen. Da somit der Parteiantrag in einem wesentlichen Punkt modifiziert wurde, begann die sechsmonatige Frist des § 73 Abs. 1 AVG mit dem Einlangen des späteren Antrages bei der Behörde neu zu laufen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. April 1972, Slg. N.F. Nr. 8222/A); sie endete am 8. Dezember 1994.

Dem angefochtenen Bescheid liegt der Devolutionsantrag vom 8. November 1994 zugrunde, der bei der belangten Behörde am 11. November 1994 eingelangt war. Dieser Antrag wurde, wie sich aus dem Vorstehenden ergibt, gestellt, bevor die Frist des § 73 Abs. 1 AVG abgelaufen war; er konnte daher keinen Zuständigkeitsübergang bewirken. Daran ändert es nichts, daß die sechsmonatige Frist vor der Erlassung des angefochtenen Bescheides ablief (vgl. den hg. Beschluß vom 13. Oktober 1980, Slg. N.F. Nr. 10.263/A). Die belangte Behörde war sohin zur Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht zuständig (vgl. auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 26. Juni 1997, B 2357/95-10, mit welchem aufgrund einer Beschwerde der mP Spruchabschnitt II. des angefochtenen Bescheides aufgehoben wurde).

Die Frage, ob die Modifikation des Begehrens, welche die mP mit Schriftsatz vom 27. April 1995 an die belangte Behörde vornahm, wesentlich war, kann auf sich beruhen.

Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Parteistellung Parteienantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1996070096.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

26.06.2017
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten