TE Bvwg Erkenntnis 2019/10/18 I416 1425163-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.10.2019
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Entscheidungsdatum

18.10.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I416 1425163-2/13E

S C H R I F T L I C H E A U S F E R T I G U N G D E R A M 2 9. 0 8. 2 0 1 9

M Ü N D L I C H V E R K Ü N D E T E N E N T S C H E I D U N G

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Alexander BERTIGNOL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA. Nigeria, vertreten durch Rae Dr. LECHENAUER & Dr. SWOZIL, Hubert-Sattler-Gasse 10, 5020 Salzburg, gegen den Bescheid des BFA Regionaldirektion Tirol, Außenstelle Innsbruck (ast) vom 30.06.2017, Zl. XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 29.08.2019 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.       Der Beschwerdeführer reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt in das Bundesgebiet ein und stellte am 20.02.2012 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz, wo er befragt zu seinen Fluchtgründen zusammengefasst angab, dass er für Boko Haram als Spion habe arbeiten sollen und als er dies abgelehnt habe, hätten Mitglieder der Gruppe versucht, ihn zu töten. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 24.02.2012, Zahl XXXX , wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 leg. cit. nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.) und er aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria ausgewiesen (Spruchpunkt III.). Der dagegen erhobenen Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 20.03.2012, Zl. A6 425.163-1/2012/4E insofern Folge gegeben, als die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des bekämpften Bescheides gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, abgewiesen wurde und Spruchpunkt II. und III. des bekämpften Bescheides des Bundesasylamtes behoben und die Angelegenheit insoweit gemäß § 66 Abs. 2 AVG, BGBl. Nr. 51/1991, zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen wurde. Gegenständliches Erkenntnis wurde durch Anschlag an der Amtstafel hinterlegt, da der Beschwerdeführer bereits seit dem 12.03.2012 über keine aufrechte Meldeadresse mehr verfügte und auch aus der GVS abgemeldet war.

2.       Der Beschwerdeführer stellte am 12.03.2012 einen Asylantrag in der Schweiz und wurde er am 05.06.2012 von der Schweiz rücküberstellt. Der Beschwerdeführer hat das ihm zugewiesene Quartier am 29.08.2012 ohne Bekanntgabe einer neuen Adresse verlassen und war zwischen 13.09.2012 und 26.09.2013 obdachlos gemeldet.

3.       Am 16.09.2014 stellte der Beschwerdeführer verfahrensgegenständlichen Folgenantrag und führte vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes befragt aus, dass er nach seiner negativen Entscheidung in die Schweiz gegangen, von dort aber wieder nach Österreich abgeschoben worden sei. Zu seinen Fluchtgründen befragt, führte er aus, dass seine alten Fluchtgründe noch aufrecht seien, er aber neue Gründe habe. Er sei homosexuell, dies habe er nicht gewusst als er in Nigeria gelebt habe, da er dort noch keine sexuelle Erfahrung/Beziehung zu einer Frau bzw. einem Mann gehabt habe. Seit 2012 habe er eine Beziehung zu einem Mann und habe er seine Neigung zur Homosexualität entdeckt.

4.       Am 17.01.2017 wurde der Beschwerdeführer von der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen. Zu seinen persönlichen Lebensumständen führte er aus, dass er XXXX heißen würde, am XXXX in Abuja in Nigeria geboren und Staatsangehöriger von Nigeria sei, der Volksgruppe der Ibo angehöre und römisch-katholischen Glaubens sei. Er sei ledig, habe für 4 Jahre die Grundschule besucht und habe in Nigeria nie gearbeitet. Seine Mutter sei Schneiderin gewesen und sein Vater habe ein Geschäft für Autoteile gehabt, diesem habe er auch im Geschäft geholfen. Seine Eltern seien beide gestorben, er habe keine Geschwister und habe weder Freunde noch Bekannte in Nigeria. Zu seinem Fluchtweg führte er aus, dass er im Februar 2012 mit dem Flugzeug das Land verlassen und ihn ein Mann mit dem Auto nach XXXX gebracht habe und habe ihm dieser den Pass abgenommen. Bezahlt habe er für seine Flucht nichts. Zu seinem Fluchtgrund führte er nunmehr im Wesentlichen aus, dass er als er von der Schweiz zurückgebracht worden sei von seiner ersten großen Liebe mit Kost und Logis unterstützt worden sei und sehr gut leben habe können. Als dieser arbeitslos geworden sei und ihn nicht mehr unterstützen habe können, sei er zur Caritas gegangen und habe er sich entschlossen noch einmal um Asyl anzusuchen. In seiner Heimat sei er nicht vorbestraft, er werde auch nicht von staatlichen Behörden gesucht, sondern nur von Boko Haram, er sei niemals festgenommen oder verhaftet worden, habe nie Probleme mit Behörden in seinem Heimatland gehabt, sei nie von staatlicher Seite wegen seiner politischen Gesinnung, seiner Rasse oder seiner Religion verfolgt worden. Im Falle seiner Rückkehr fürchte er sich vor Boko Haram, habe er dort keine Familie mehr und drittens sei Homosexualität in Nigeria strafbar. Probleme mit Behörden oder der Polizei würde er im Falle seiner Rückkehr nicht haben. Zu seinen persönlichen Lebensumständen in Österreich führte er aus, dass er von der Grundversorgung und vom Verkauf der Straßenzeitung XXXX lebe, in einem Flüchtlingsheim untergebracht sei, einen Yoga Kurs besuchen würde, kein Mitglied in einem Verein sei und einen Deutschkurs auf dem Niveau A1 besucht habe. Er sei während seines Aufenthaltes keiner legalen Beschäftigung nachgegangen, er kenne viele Leute und könne auch Unterstützungsschreiben vorlegen, Familienangehörige oder Verwandte habe er in Österreich jedoch keine. Der Beschwerdeführer legte Fotos seines „Boyfriends", ein Schreiben von der Firma XXXX , ein Schreiben ans AMS bezüglich der Möglichkeiten zur Beschäftigung, eine Bestätigung von der Arbeit als XXXX Verkäufer, eine Bestätigung über die Arbeit an den Schulen der Gemeinde XXXX , eine Bestätigung über die Arbeit für das XXXX diverse Empfehlungsschreiben und einen nicht mehr gültigen Mietvertrag einer Wohnung in XXXX und ein Konvolut an Dokumenten betreffend gegen den Beschwerdeführer gerichteter Exekutionen und Ratenvereinbarungen, vor.

5.       Am 28.02.2017 wurde der Beschwerdeführer ein weiteres Mal von der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen, wobei er befragt zu seinen persönlichen Verhältnissen ausführte, dass er gesund sei und keine Medikamente nehmen würde. Er gab befragt, weiters an, dass er als er 2012 aus der Schweiz zurückgebracht worden sei, in der XXXX einen weißen österreichischen Mann kennengelernt habe, der ihm noch geholfen habe, wie es noch niemand zuvor gemacht habe. Er habe sich in diesen Mann verliebt und diesem auch mitgeteilt, dass er sich zu Männern hingezogen fühle. Dieser Mann habe ihm auch geholfen eine Wohnung zu finden. Dieser habe ihm 2014 mitgeteilt, dass er sich nicht mehr um ihn kümmern könne, da er seine Arbeit verloren habe. In seiner Jugend habe er nie solche sexuellen Gedanken gehabt, er sei Christ und Katholik und sei in seiner Heimat auch Ministrant gewesen. Am Anfang sei ihm die Berührung unangenehm gewesen, er habe dann aber Gefühle für diesen entwickelt und seien sie zwei Jahre zusammen gewesen. Danach habe er keine weiteren männlichen Kontakte mehr gehabt, bis er 2015 seine Lebensgefährtin XXXX kenngelernt habe. Das erste Mal habe er diese in der XXXX in XXXX getroffen. Er gab weiters an, dass er sich auch nie zu Frauen hingezogen gefühlt habe und habe er seinen guten Freunden mitgeteilt, dass er homosexuell sei. Zur Beziehung mit XXXX gab er an, dass er sofort gewusst habe, dass diese homosexuell sei, dass sie sich meist bei einer Freundin von XXXX treffen würden, da XXXX noch bei ihrer Mutter wohnen würde. Gefragt wie sich die Beziehung entwickelt habe, gab er an, dass XXXX gesagt habe, sie würde schwarze Männer mögen, sie hätten dann angefangen sich zu schreiben und immer wieder bei der Freundin von XXXX getroffen, da wurde die Beziehung immer stärker. Gefragt, was er über die Lage von Homosexuellen in Nigeria wissen würde, gab er wörtlich an: „Ich habe davon keine Ahnung. Ich weiß nur in Nigeria wird das nicht akzeptiert.“. (…) „Das haben mir andere Schwarze mitgeteilt.“ Zu seiner Freundin führte er aus, dass diese sich XXXX nennen würde, ihr richtiger Name wäre XXXX , sie habe am XXXX . Geburtstag, er glaube, dass sie XXXX geboren sei und würde sie in einem Hotel in XXXX als Zimmermädchen arbeiten. Er habe ihr aber nicht erzählt, dass er den XXXX verkaufen würde, er habe ihr nur erzählt, dass er als XXXX arbeiten würde. Unterhalten würden Sie sich in Englisch und würden Sie gemeinsam in die XXXX oder andere Lokale in XXXX gehen. Er liebe Musik, möge Hip Hop und Jamaica Reggae, XXXX möge diese Musik auch und auch nigerianischen Hip Hop.

6.       Am 28.02.2017 wurde XXXX als Zeuge einvernommen und gab dieser befragt an, dass er den Beschwerdeführer im Sommer 20125 in der XXXX kennengelernt habe, dass sie ins Gespräch gekommen seien, sich anschließend öfters getroffen hätten und sich näher kennengelernt haben. Er führte weiters aus, dass er mit dem Beschwerdeführer Dinge zusammen unternehmen würde, sie würden sich bei XXXX zusammensetzen oder Freunde besuchen. Er selbst würde mit seiner Mutter zusammenleben und wisse diese von seiner Beziehung zum Beschwerdeführer. Gefragt was für Dinge sie zusammen unternehmen würden, gab er an: „Wir gehen öfters zusammen aus. Oft in das XXXX .“ Gefragt, ob sie gemeinsame Interessen haben gab er wörtlich an: „Nicht wirklich. Wir sind aber oft zusammen.“ Sie wisse auch nicht was der Beschwerdeführer beruflich mache, sie wisse nur, dass er arbeiten würde, sie selbst würde in einem Hotel in XXXX als Mädchen für alles arbeiten. Auf die Frage, ob sie mit dem Beschwerdeführer sexuell aktiv sei, gab sie wörtlich an: „Ja, natürlich. Keusch sind wir nicht.“ Auf die Frage, ob sie in der Öffentlichkeit als Paar auftreten würden, gab sie wörtlich an: „Jetzt nicht offen. Es ist aber offensichtlich.“ Zuletzt führte sie aus, das sie nicht wisse, ob er vorher schon eine Beziehung gehabt habe, sie habe aber auch nicht danach gefragt.

7.       Mit Bescheid vom 30.06.2017 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten „gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF“ (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria gemäß „§ 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG“ (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen „gemäß § 57 AsylG“ nicht erteilt und wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF eine Rückkehrentscheidung „gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (FPG) idgF“ erlassen, sowie „gemäß § 52 Absatz 9 FPG“ festgestellt, dass seine Abschiebung „gemäß § 46 FPG“ nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt III.). Eine Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis Abs. 3 FPG wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

8.       Mit Verfahrensanordnungen gemäß § 63 Abs. 2 AVG vom 05.07.2017 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, als Mitglied der ARGE Rechtsberatung, Wattgasse 48/3, 1170 Wien als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.

9.       Gegen den Bescheid der belangten Behörde erhob der Beschwerdeführer durch seine gewillkürte Rechtsvertretung mit Schriftsatz vom 18.07.2017 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und monierte darin Rechtswidrigkeit in Folge Verletzung von Verfahrensvorschriften wegen wesentlicher Ermittlungsmängel und inhaltliche Rechtswidrigkeit. Begründend führte er zusammengefasst aus, dass der Beschwerdeführer seine Beziehung zu XXXX glaubwürdig geschildert habe und sei er diesbezüglich nicht näher dazu befragt worden bzw. seien die Angaben nicht vollständig berücksichtigt bzw. protokolliert worden. Auch mit dem Vorbringen der Verfolgung habe sich das Bundesamt nicht näher auseinandergesetzt und habe der Beschwerdeführer stets detaillierte Angaben zu seinen Asylgründen geschildert. Im Kern bedeute dies, dass dem Beschwerdeführer ein faires Asylverfahren verweigert worden sei und sei seine Beziehung zu seinem Partner XXXX nicht näher untersucht worden. Aufgrund seiner homosexuellen Partnerschaft würde im Falle einer Rückkehr eine reale Verletzung nach Art. 23 EMRK, sowie der Zusatzprotokolle Nr. 6 und 13 der Konvention vorliegen. Weiters wurde Ausführungen zur Lage von Homosexuellen in Nigeria aufgrund der vorliegenden Länderberichte gemacht und letztlich ausgeführt, dass der Beschwerdeführer aufgrund seines langjährigen Aufenthaltes um außerordentliche Integration bemüht sei. Gerade im Hinblick auf seine Aufenthaltsdauer kann seine Integration als gut bezeichnet werden. Bezüglich der in Österreich geknüpften sozialen Kontakte ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer über Deutschkenntnisse verfüge und derzeit A2 absolvieren würde und sich einen großen Freundeskreis aufgebaut habe. Es werde daher beantragt das Bundesverwaltungsgericht möge in der Sache selbst entscheiden und in Stattgebung der Beschwerde den angefochtenen Bescheid vollinhaltlich aufheben, und die aufschiebende Wirkung zuerkennen und eine mündliche Verhandlung durchführen, in eventu den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und zur Erlassung eines neuerlichen Bescheides an die Behörde zurückverweisen.

10.      Mit Schriftsatz vom 09.08.2019 wurde seitens seiner Rechtsvertretung eine Stellungnahme zu den Länderberichten erstattet und ergänzend ausgeführt, dass sich der Beschwerdeführer seit seinem knapp 7 ½ jährigen Aufenthalt um Integration bemüht.

11.      Mit Schreiben vom 26.08.2019 und 27.08.2019 wurden zwei Empfehlungsschreiben vorgelegt.

12.      Am 29.08.2019 erfolgte in Anwesenheit der Parteien eine mündliche Beschwerdeverhandlung am Bundesverwaltungsgericht. Im Verlauf der Verhandlung legte der Beschwerdeführer zwei Empfehlungsschreiben datiert mit 13.08.2019 ( XXXX ) und einen Bericht über den Beschwerdeführer aus der Straßenzeitung der XXXX vor. Nach Schluss der mündlichen Verhandlung wurde das Erkenntnis mündlich verkündet.

13.      Mit Schriftsatz vom 02.09.2019, wurde ein Antrag auf Übermittlung des Erkenntnisses gestellt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Die unter Punkt I. getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende weitere Feststellungen getroffen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Beim Beschwerdeführer handelt es sich um einen männlichen, nigerianischen Staatsbürger, und somit um einen Drittstaatsangehörigen gemäß des § 2 Abs. 4 Z 10 FPG.

Weitere Feststellungen zu seiner Identität können allerdings nicht getroffen werden.

Der Beschwerdeführer ist gesund, volljährig, gehört der Volksgruppe der Ibo an und bekennt sich zum Christentum. Der Beschwerdeführer ist im Entscheidungszeitpunkt nicht verheiratet und hat keine Kinder.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer homosexuell ist.

Der Beschwerdeführer hat in Nigeria die Grundschule besucht und laut eigenen Angaben seinem Vater in dessen Geschäft geholfen. Nicht festgestellt werden kann, ob der Beschwerdeführer in Nigeria noch über verwandtschaftliche Kontakte verfügt. Festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer in Nigeria noch persönliche Kontakte hat.

Der Beschwerdeführer stellte erstmalig am 20.02.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz der mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 20.03.2012, Zl. A6 425.163-1/2012/4E hinsichtlich des Status eines Asylberechtigten als unbegründet abgewiesen wurde. Der Beschwerdeführer hat sich durch seine Ausreise in die Schweiz dem weiteren Verfahren entzogen. Der Beschwerdeführer stellte nach Rücküberstellung aus der Schweiz am 05.06.2012, am 16.09.2014 seinen verfahrensgegenständlichen Folgeantrag.

In Österreich verfügt der Beschwerdeführer über keine familiären Anknüpfungspunkte, es leben keine Familienangehörigen oder Verwandten des Beschwerdeführers in Österreich.

Der Beschwerdeführer bezieht Leistungen aus der Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig.

Der Beschwerdeführer hat hinsichtlich seiner Integration personalisierte Empfehlungsschreiben, eine Bestätigung der Stadtgemeinde XXXX über geleistete Tätigkeiten den Schulen im Zeitraum 22.05.2015 und 04.11.2015, eine Arbeitsbestätigung der XXXX im Zuge eines Gemeindeprojektes vom 11.04.2015, eine Bestätigung über den Verkauf der Straßenzeitung XXXX seit 25.08.2016, eine eventuelle Arbeitszusage der XXXX vom 13.01.2017 und einen Zeitungsartikel aus der Straßenzeitung der XXXX vom Juli/August 2019 vorgelegt. Nicht festgestellt werden kann mangels Unterlagen, dass der Beschwerdeführer einen Deutschkurs besucht oder eine Deutschprüfung abgelegt hat. Der Beschwerdeführer weist keine relevanten Deutschkenntnisse auf und war während der mündlichen Beschwerdeverhandlung durchgehend auf die anwesende Dolmetscherin angewiesen. Der Beschwerdeführer hat an keinen beruflichen Aus- oder Weiterbildungen teilgenommen. Der Beschwerdeführer ist auch kein Mitglied in einem Verein oder sonstigen Institution.

Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten.

1.2. Zu den Fluchtmotiven und der individuellen Rückkehrsituation des Beschwerdeführers:

Es kann in Bezug auf das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers nicht festgestellt werden, dass dieser in Nigeria einer persönlichen Verfolgung aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung ausgesetzt war.

Es haben sich im Verfahren mangels Glaubwürdigkeit keine Anhaltspunkte in Bezug auf eine homosexuelle Orientierung des Beschwerdeführers ergeben und konnte nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Nigeria wegen seiner homosexuellen Orientierung von verfolgt wird, bzw. dass er sein Heimatland aufgrund staatlicher Verfolgung verlassen hat. Es kann somit nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer sein Herkunftsland aufgrund asylrelevanter Verfolgung verlassen bzw. eine solche im Falle der Rückkehr zu befürchten habe.

Es existieren keine Umstände, welche einer Abschiebung aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich entgegenstünden. Der Beschwerdeführer verfügt über keine sonstige Aufenthaltsberechtigung. Es spricht nichts dafür, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria eine Verletzung von Art. 2, Art. 3 oder auch der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention nach sich ziehen würde. Der Beschwerdeführer ist auch nicht von willkürlicher Gewalt infolge eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bedroht.

Der Beschwerdeführer wird im Fall seiner Rückkehr nach Nigeria mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner asylrelevanten Verfolgung und keiner wie auch immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein.

Nicht festgestellt werden kann auch, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Nigeria die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre, selbst wenn man seinen Angaben glaubt, dass er dort über keine familiären Anknüpfungspunkte mehr verfügt.

1.3. Zur Situation im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers:

Dem Beschwerdeführer wurde im Zuge der Ladung zur mündlichen Verhandlung das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Nigeria übermittelt. Daraus ergeben sich folgende Feststellungen:

Nigeria ist in 36 Bundesstaaten und einen Bundeshauptstadtbezirk sowie 774 Local Government Areas (LGA/Bezirke) untergliedert. Die Bundesstaaten werden von direkt gewählten Gouverneuren regiert. Sie verfügen auch über direkt gewählte Parlamente.

Nigeria verfügt über ein Mehrparteiensystem. Die am System der USA orientierte Verfassung enthält alle Attribute eines demokratischen Rechtsstaates (inkl. Grundrechtskatalog, Gewaltenteilung). Dem starken Präsidenten – zugleich Oberbefehlshaber der Streitkräfte – und dem Vizepräsidenten stehen ein aus Senat und Repräsentantenhaus bestehendes Parlament und eine unabhängige Justiz gegenüber. Die Verfassungswirklichkeit wird von der Exekutive in Gestalt des direkt gewählten Präsidenten und von den direkt gewählten Gouverneuren dominiert. Der Kampf um politische Ämter wird mit großer Intensität, häufig auch mit undemokratischen, gewaltsamen Mitteln geführt. Die Justiz ist der Einflussnahme von Exekutive und Legislative sowie einzelner politischer Führungspersonen ausgesetzt.

Bei den Präsidentschaftswahlen am 23.2.2019 wurde Amtsinhaber Muhammadu Buhari im Amt bestätigt. Er erhielt 15,1 Millionen Stimmen und siegte in 19 Bundesstaaten, vor allem im Norden und Südwesten des Landes. Sein Herausforderer, Atiku Abubakar, erhielt 11,3 Millionen Stimmen und gewann in 17 Bundesstaaten im Südosten, im Middle-Belt sowie in der Hauptstadt Abuja. Die Wahlbeteiligung lag mit 36 Prozent deutlich niedriger als 2015.

Neben der modernen Staatsgewalt haben auch die traditionellen Führer immer noch einen – wenn auch weitgehend informellen – Einfluss. Sie gelten als Kommunikationszentrum und moralische Instanz und können wichtige Vermittler in kommunalen und in religiös gefärbten Konflikten sein

Es gibt in Nigeria keine klassischen Bürgerkriegsgebiete oder -parteien. Im Wesentlichen lassen sich mehrere Konfliktherde unterscheiden: Jener von Boko Haram im Nordosten; jener zwischen Hirten und Bauern im Middle-Belt; sowie Spannungen im Nigerdelta und eskalierende Gewalt im Bundesstaat Zamfara. Außerdem gibt es im Südosten zwischen der Regierung und Igbo-Gruppen, die für ein unabhängiges Biafra eintreten, sowie zwischen Armee und dem Islamic Movement in Nigeria (IMN) Spannungen. Die 2017 deutlich angespannte Lage im Südosten des Landes („Biafra“) hat sich mit dem Eingriff des Militärs und der mutmaßlichen Flucht des Anführers der stärksten separatistischen Gruppe IPOB derzeit wieder beruhigt.

In Nigeria können in allen Regionen unvorhersehbare lokale Konflikte aufbrechen. Ursachen und Anlässe der Konflikte sind meist politischer, wirtschaftlicher, religiöser oder ethnischer Art. Meist dauern diese Auseinandersetzungen nur wenige Tage und sind auf einzelne Orte bzw. einzelne Stadtteile begrenzt.

Das Nigerdelta (Bundesstaaten Ondo, Edo, Delta, Bayelsa, Rivers, Imo, Abia, Akwa Ibom und Cross River) sorgt mit seinen Öl- und Gasreserven für 95 Prozent der Exporterlöse Nigerias. Die Lage im Nigerdelta hat sich beruhigt, ist aber weiterhin volatil; die Bedrohung der dort angesiedelten Öl- und Gasförderung durch militante Gruppen und Piraten bleibt ein Risiko.

In Zentralnigeria (Middle Belt bzw. Jos Plateau) kommt es zu lokalen Konflikten zwischen einzelnen ethnischen, sozialen und religiösen Gruppen, insbesondere zwischen Hirten und Bauern in Zentralnigeria. Der Ursprung dieser Auseinandersetzungen, etwa zwischen (überwiegend muslimischen nomadischen) Hirten und (überwiegend christlichen) Bauern, liegt oft nicht in religiösen Konflikten, entwickelt sich aber häufig dazu.

Im Norden und Nordosten Nigerias hat sich die Sicherheitslage verbessert. Die nigerianischen Streitkräfte konnten den Großteil der von Boko Haram eingenommenen Territorien wieder zurückerobern, allerdings gelingt es ihnen kaum, diese Gebiete zu sichern; in den ländlichen Teilen der Bundesstaaten Borno, Yobe und Adamawa kommt es aber weiterhin zu Anschlägen der Boko Haram. Es gelang den Sicherheitskräften zwar, Boko Haram aus den meisten ihrer Stellungen zu vertreiben, doch war es kaum möglich, die Gebiete vor weiteren Angriffen durch die Islamisten zu schützen.

Die Justiz Nigerias hat ein gewisses Maß an Unabhängigkeit und Professionalität erreicht, doch bleibt sie politischem Einfluss, Korruption und einem Mangel an Ressourcen ausgesetzt. Eine systematisch diskriminierende Strafverfolgung ist nicht erkennbar, doch werden aufgrund der herrschenden Korruption tendenziell Ungebildete und Arme benachteiligt. Der Polizei, die durch geringe Besoldung und schlechte Ausrüstung eingeschränkt ist, wird oftmals die Armee zur Seite gestellt. Insgesamt ist trotz der zweifelsohne vorhandenen Probleme im Allgemeinen davon auszugehen, dass die nigerianischen Behörden gewillt und fähig sind, Schutz vor nichtstaatlichen Akteuren zu bieten und. Die Regierung Buharis hat der Korruption den Kampf erklärt, doch mangelt es ihr an effektiven Mechanismen. Der Zugang zu staatlicher Prozesskostenhilfe ist in Nigeria beschränkt: Das Institut der Pflichtverteidigung wurde erst vor kurzem in einigen Bundesstaaten eingeführt. Lediglich in den Landeshauptstädten existieren NGOs, die sich zum Teil mit staatlicher Förderung der rechtlichen Beratung von Beschuldigten bzw. Angeklagten annehmen. Gerade in den ländlichen Gebieten gibt es jedoch zahlreiche Verfahren, bei denen Beschuldigte und Angeklagte ohne rechtlichen Beistand mangels Kenntnis ihrer Rechte schutzlos bleiben.

Durch Verfassung und Gesetze sind Folter und andere unmenschliche Behandlungen verboten. Seit Dezember 2017 sind gemäß Anti-Folter-Gesetz Strafen vorgesehen. Gesetzlich ist die Verwendung von unter Folter erlangten Geständnissen in Prozessen nicht erlaubt. Die Behörden respektieren diese Regelung jedoch nicht.

Neben der Nationalen Menschenrechtskommission (NHRC) gibt es eine Vielzahl von Menschenrechtsorganisationen, die sich grundsätzlich frei betätigen können. Rund 42.000 nationale und internationale NGOs sind in Nigeria registriert; sie sind keinen gesetzlichen Beschränkungen unterworfen. Die NGOs sind nach Art, Größe und Zielrichtung sehr unterschiedlich und reichen von landesweit verbreiteten Organisationen wie der CLO (Civil Liberties Organization), CD (Campaign for Democracy) und LEDAP (Legal Defense Aid Project), die sich in erster Linie in der Aufklärungsarbeit betätigen, über Organisationen, die sich vorrangig für die Rechte bestimmter ethnischer Gruppen einsetzen, und Frauenrechtsgruppen bis hin zu Gruppen, die vor allem konkrete Entwicklungsanliegen bestimmter Gemeinden vertreten. Auch kirchliche und andere religiös motivierte Gruppierungen sind in der Menschenrechtsarbeit aktiv. NGOs beobachten die Menschenrechtslage, untersuchen Vorfälle und veröffentlichen ihre Erkenntnisse.

Die am 29.5.1999 in Kraft getretene Verfassung Nigerias enthält einen umfassenden Grundrechtskatalog. Die Menschenrechtssituation hat sich seit Amtsantritt einer zivilen Regierung 1999 zum Teil erheblich verbessert, vor allem im Hinblick auf die Freilassung politischer Gefangener und die Presse- und Meinungsfreiheit. Allerdings kritisieren Menschenrechtsorganisationen den Umgang der Streitkräfte mit Boko Haram-Verdächtigen, der schiitischen Minderheit, Biafra-Aktivisten und Militanten im Nigerdelta. Schwierig bleiben die allgemeinen Lebensbedingungen, die durch Armut, Analphabetismus, Gewaltkriminalität, ethnische Spannungen, ein ineffektives Justizwesen und die Scharia-Rechtspraxis im Norden des Landes beeinflusst werden. Es gibt viele Fragezeichen hinsichtlich der Einhaltung der Menschenrechte, wie z.B. die Praxis des Scharia-Rechts (Tod durch Steinigung), Entführungen und Geiselnahmen im Nigerdelta, Misshandlungen und Verletzungen durch Polizisten und Soldaten sowie Verhaftungen von Angehörigen militanter ethnischer Organisationen.

Die in den Jahren 2000/2001 eingeführten strengen strafrechtlichen Bestimmungen der Scharia haben zu keinem starken Anstieg von Menschenrechtsverletzungen geführt, die wenigen Steinigungsurteile wurden jeweils von einer höheren Instanz aufgehoben, auch Amputationsstrafen wurden in den letzten Jahren nicht vollstreckt. Es setzten sich nigerianische Organisationen wie z.B. CEHRD (Centre for Environment, Human Rights and Development), CURE-NIGERIA (Citizens United for the Rehabilitation of Errants) und HURILAWS (Human Rights Law Services) für die Einhaltung der Menschenrechte in ihrem Land ein. Auch die Gewerkschaftsbewegung Nigeria Labour Congress (NLC) ist im Bereich von Menschenrechtsfragen aktiv.

Die Meinungs- und Pressefreiheit sind durch die Verfassung von 1999 garantiert und finden sich auch in der Verfassungswirklichkeit grundsätzlich wieder. Diese Rechte werden zwar von Gesetzen gegen Aufruhr, kriminelle Diffamierung und Veröffentlichung von falschen Nachrichten eingeschränkt, jedoch ist die nigerianische Medienlandschaft vielfältig und äußerst aktiv. Die Medien-landschaft Nigerias ist durch eine Fülle privater Tageszeitungen und Wochenmagazine, Radiostationen und auch Fernsehsender geprägt, die insgesamt breit und relativ frei zu politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Themen berichten. Sie tragen wesentlich dazu bei, dass alle politischen Fragen des Landes offen und kritisch diskutiert werden können. Das Radio ist das wichtigste Medium in Nigeria, da es auch in den ländlichen Regionen empfangen werden kann. Qualität und Wirkungskreis von Presse und Medien werden allerdings durch schwierige Rahmenbedingungen beeinträchtigt.

Im Vielvölkerstaat Nigeria ist Religionsfreiheit einer der Grundpfeiler des Staatswesens. Etwa 50% der Bevölkerung sind Muslime, 40 bis 45% Christen und der Rest Anhänger von Naturreligionen. Im Norden dominieren Muslime, im Süden Christen. Allerdings gibt es im Norden, wo die moslemischen Hausa-Fulani überwiegen, auch signifikante Anteile christlicher Bevölkerung. In Zentralnigeria, in Abuja und in den südwestlichen Yoruba-Bundesstaaten halten sich die Anteile an Muslimen und Christen die Waage. Religiöse Diskriminierung ist verboten. Die Bundesregierung achtet auf die Gleichbehandlung von Christen und Muslimen, zum Beispiel bei der Finanzierung von Gotteshäusern und Wallfahrten. Sie unterstützt den Nigerian Inter-Religious-Council, der paritätisch besetzt ist und die Regierung in Religionsangelegenheiten berät. Ähnliche Einrichtungen wurden auch in mehreren Bundesstaaten erfolgreich eingeführt. In der Praxis bevorzugen die Bundesstaaten aber in der Regel die jeweils durch die lokale Mehrheitsbevölkerung ausgeübte Religion. Insbesondere in den Scharia-Staaten ist die Situation für Christen sehr schwierig. Die Toleranz zwischen den Glaubensgemeinschaften ist nur unzureichend ausgeprägt, mit Ausnahme der Yoruba im Südwesten Nigerias, unter denen auch Ehen zwischen Christen und Muslimen verbreitet sind. In einigen Bundesstaaten ist die Lage der jeweiligen christlichen bzw. muslimischen Minderheit dagegen problematisch. Beispiel hierfür sind die Auseinandersetzungen zwischen alteingesessenen christlichen Gruppen und seit 1900 zugezogenen muslimischen Gruppen im zentralnigerianischen Jos im Jänner 2010 und seit Jänner 2014, die zu blutigen Konfrontationen mit insgesamt über 1.000 Toten und mehreren hundert Verletzten führten. Hier wie anderswo liegen den lokalen religiösen Auseinandersetzungen jedoch vor allem wirtschaftliche, soziale und ethnische Konflikte zugrunde. Generell können jene Personen, die sich vor Problemen hinsichtlich der Religionsfreiheit fürchten, entweder staatlichen Schutz oder aber eine innere Relokations-möglichkeit in Anspruch nehmen. Generell herrscht in Nigeria Bewegungsfreiheit und ist Diskriminierung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ethnie verboten.

Die Verfassung sowie weitere gesetzliche Bestimmungen gewährleisten Bewegungsfreiheit im gesamten Land sowie Auslandsreisen, Emigration und Wiedereinbürgerung. Bürger dürfen sich in jedem Teil des Landes niederlassen. Prinzipiell sollte es einer Person, die von nichtstaatlichen Akteuren verfolgt wird oder die sich vor diesen fürchtet, in einem großen Land wie Nigeria möglich sein, eine interne Relokation in Anspruch zu nehmen. Natürlich müssen die jeweiligen persönlichen Umstände beachtet werden. Es ist festzustellen, dass in den vergangenen Jahrzehnten eine fortgesetzte Durchmischung der Wohnbevölkerung auch der „Kern“-Staaten der drei Hauptethnien (Hausa, Yoruba, Igbo) durch Wanderungsbewegungen sowie aufgrund inter-ethnischer Heirat stattgefunden hat. So ist insbesondere eine starke Nord-Südwanderung, mit den sichtbaren Zeichen von vielen neuen Moscheen, feststellbar, wodurch Metropolen wie Lagos heute weitgehend durchmischt sind. Es bestehen daher innerstaatliche Fluchtalternativen.

Grundsätzlich besteht in vielen Fällen die Möglichkeit, staatlicher Verfolgung oder Repressionen Dritter durch Umzug in einen anderen Teil des Landes auszuweichen. Dies kann allerdings mit gravierenden wirtschaftlichen und sozialen Problemen verbunden sein, wenn sich Einzelpersonen an einen Ort begeben, in dem keine Mitglieder ihrer Familie bzw. erweiterten Verwandtschaft oder der Dorfgemeinschaft leben: Angesichts der anhaltend schwierigen Wirtschaftslage und der Bedeutung großfamiliärer Bindungen in der nigerianischen Gesellschaft ist es für viele Menschen praktisch unmöglich, an Orten ohne ein solches soziales Netz erfolgreich Fuß zu fassen.

Ein Meldewesen ist nicht vorhanden. Auch ein nationales funktionierendes polizeiliches Fahndungssystem existiert nicht. Damit ist es in der Praxis äußerst schwierig, wenn nicht sogar unmöglich, nach verdächtigen Personen national zu fahnden, wenn diese untergetaucht sind. Das Fehlen von Meldeämtern und gesamtnigerianischen polizeilichen Fahndungsbehörden ermöglicht es in den allermeisten Fällen, bereits in der näheren Umgebung „unterzutauchen“. Im Sheriffs and Civil Process Act Chapter 407, Laws of the Federation of Nigeria 1990 sind Ladungen vor Gericht geregelt. Der Sheriff oder von ihm bestellte Bailiffs müssen die Ladungen in ganz Nigeria persönlich zustellen.

Eine generelle bzw. systematische „staatliche Verfolgung“ Homosexueller ist derzeit nicht gegeben. Im Rahmen der Verabschiedung des SSMPA 2014 kam es zu einer Zunahme an Fällen von Belästigung und Drohung. Es wurde von zahlreichen Verhaftungen berichtet. Allerdings wurden die Verhafteten in allen Fällen ohne eine formelle Anklage nach Zahlung einer Geldsumme freigelassen, die oftmals nichts anderes als ein Bestechungsgeld war. Die Rechtsänderung hat bisher auch nicht zu einer flächendeckenden verschärften Strafverfolgung geführt. Die Community wird nicht überwacht und wird die Polizei wird nicht aus eigenem Antrieb aktiv und sucht gezielt nach Homosexuellen. Es gibt keine Haftbefehle nur aufgrund von Homosexualität – weder nach dem Strafgesetzbuch, noch nach der Scharia oder dem SSMPA. Generell scheint es sehr schwierig zu sein, Personen aufgrund der beschriebenen Tatbestände des nigerianischen Strafgesetzes und der Scharia-Strafgesetze zu verurteilen. Was nämlich unter diesen Gesetzen verboten ist, ist der eigentliche gleichgeschlechtliche Sexualverkehr. Der Nachweis eines solchen Tatbestandes erfordert aber Zeugen – und die Beibringung solcher Zeugen gestaltet sich naturgemäß schwierig.

Überhaupt gab es seit der Unabhängigkeit Nigerias nur wenige Fälle von Verurteilungen Homosexueller nach dem Strafgesetzbuch, die Zahl ist einstellig. Auch unter der Scharia kam es also nur zu wenigen Verurteilungen. Eine generelle "staatliche Verfolgung" ist allerdings derzeit nicht gegeben. Die Tatsache, dass der nigerianische Staat jene Gesetze, die gleichgeschlechtliche Beziehungen unter Strafe stellen, nicht systematisch vollzieht, entspricht auch den Untersuchungen von Amnesty International zu anderen Ländern in Subsahara-Afrika. Gesellschaftliche Diskriminierung bei offenem zur Schau stellen der sexuellen Orientierung ist – wie auch in vielen Staaten dieser Welt – vorhanden. Im Vergleich mit der anzunehmenden Größe der Community an MSM ist die Zahl der tatsächlich im Rahmen des Strafgesetzes, der Scharia-Strafgesetze oder des SSMPA angeklagten und verurteilten Personen eine verschwindend kleine Minderheit. Es ist dementsprechend, auszuführen, dass eine staatliche Verfolgung von Angehörigen sexueller Minderheiten unter den bestehenden Gesetzen kaum stattfindet.

Auch für betroffene Homosexuellen-NGOs hatte der SSMPA kaum Auswirkungen, keine der Organisationen musste die Arbeit einstellen. Im Gesundheitsbereich tätige NGOs mit Fokus auf Homosexuelle (v.a. HIV/AIDS) stellten zwar Anfang 2014 kurzfristig den Betrieb ein, doch wurde dieser nach wenigen Wochen wieder aufgenommen und läuft seither wie vor Inkrafttreten des SSMPA. Die meisten Homosexuellen-NGOs haben ihre Basis in den Hauptstädten der Bundesstaaten. Es existieren Netzwerke von Menschenrechtsanwälten, welche – im Falle der Verhaftung eines Homosexuellen – unmittelbar kontaktiert werden und die Person gegen „Kaution“ freizukaufen versuchen. Die Anwälte sind organisiert, es gibt unterschiedliche Vereine, z.B. Lawyers League for Minorities, Lawyers Alert oder die Coalition of Human Rights Lawyers. Homosexuellen-Netzwerke verschiedener Landesteile bzw. Städte sind miteinander in Kontakt. Die Netzwerke und Organisationen bieten auch Unterstützung und Zufluchtsmöglichkeiten an.

Die nigerianische Wirtschaft hat sich 2017 allmählich aus der schlimmsten Rezession seit 25 Jahren erholt, das BIP ist um 0,55 Prozent gestiegen. Mehrere Faktoren haben dazu beigetragen, dass sich die nigerianische Wirtschaft seit Ende 2017 allmählich wieder erholt, unter anderem eine Steigerung der Erdölförderleistung, die Erholung des Erdölpreises und eine verbesserte Leistung von Landwirtschaft und Dienstleistungssektor. Etwa 80 Prozent der Gesamteinnahmen Nigerias stammen aus der Öl- und Gasförderung. Neben Erdöl verfügt das Land über z.B. Zinn, Eisen-, Blei-, und Zinkerz, Kohle, Kalk, Gesteine, Phosphat – gesamtwirtschaftlich jedoch von geringer Bedeutung. Von Bedeutung sind hingegen der (informelle) Handel und die Landwirtschaft, welche dem größten Teil der Bevölkerung eine Subsistenzmöglichkeit bieten. Der Industriesektor (Stahl, Zement, Düngemittel) machte 2016 ca. 20 Prozent des BIP aus. Neben der Verarbeitung von Erdölprodukten werden Nahrungs- und Genussmittel, Farben, Reinigungsmittel, Textilien, Brennstoffe, Metalle und Baumaterial produziert. Industrielle Entwicklung wird durch die unzureichende Infrastruktur (Energie und Transport) behindert. Über 60 Prozent der Nigerianer sind in der Landwirtschaft beschäftigt, in ländlichen Gebieten über 90 Prozent. Der Agrarsektor wird durch die Regierung Buhari stark gefördert. Dadurch hat etwa der Anteil an Großfarmen zugenommen. Auch die Mais- und Reisproduktion wurde dadurch kräftig ausgeweitet. Dabei ist das Potenzial der nigerianischen Landwirtschaft bei Weitem nicht ausgeschöpft und das Land ist nicht autark, sondern auf Importe – v.a. von Reis – angewiesen. Über 95 Prozent der landwirtschaftlichen Produktion kommt aus Subsistenzbetrieben. Historisch war Lebensmittelknappheit in fast ganz Nigeria aufgrund des günstigen Klimas und der hohen agrarischen Tätigkeit so gut wie nicht existent. In einzelnen Gebieten im äußersten Norden (Grenzraum zu Niger) gestaltet sich die Landwirtschaft durch die fortschreitende Desertifikation allerdings schwierig. Experten schließen aufgrund der Wetterbedingungen, aber auch wegen der Vertreibungen als Folge der Attacken durch Boko Haram Hungerperioden für die nördlichen, insbesondere die nordöstlichen Bundesstaaten nicht aus.

Nigeria verfügt über sehr große Öl- und Gasvorkommen und konnte in den letzten Jahren auch dank verschiedener Reformen ein hohes einstelliges Wirtschaftswachstum verzeichnen, der Großteil der Bevölkerung ist aber in der Landwirtschaft beschäftigt. Abgesehen vom Norden gibt es keine Lebensmittelknappheit. Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung leben in absoluter Armut. Offizielle Arbeitslosenstatistiken gibt es nicht, geschätzt wird sie auf 20 bis 45 Prozent – in erster Linie unter 30-jährige – mit großen regionalen Unterschieden. Der Staat und die Bundesstaaten haben damit begonnen, Programme zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit umzusetzen. Die Resultate sind jedoch dürftig. Die Großfamilie unterstützt beschäftigungslose Angehörige, wobei allgemein festgestellt werden kann, dass in Nigeria eine zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit finden kann, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird und ihre existenziellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern kann, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird. Heimkehrer können gegen Gebühr eine Wohnung in jeder Region Nigerias mieten. Es gibt zwar keine speziellen Unterkünfte für Heimkehrer, aber es kann Reintegrationshilfe durch Regierungsprogramme wie etwa NDE, NAPEP, NAPTIP, COSUDOW, UBE, SMEDAN, NACRDB erhalten werden und nichtstaatliche Organisationen wie etwa die Lift above Poverty-Organisation (LAPO) bieten allgemeine Reintegrationshilfe an.

Darüberhinaus gibt es Programme zur Armutsbekämpfung, sowohl auf Länderebene, die State Economic Empowerment Strategy (SEEDS), als auch auf lokaler Ebene, die Local Economic Em-powerment and Development Strategy (LEEDS). Zahlreiche NGOs im Land sind in den Bereichen Armutsbekämpfung und Nachhaltige Entwicklung aktiv.

Nigeria verfügt über ein sehr kompliziertes Gesundheitssystem. Die medizinische Versorgung ist mit jener in Europa nicht vergleichbar, sie ist vor allem im ländlichen Bereich technisch, apparativ und/oder hygienisch problematisch. In den letzten Jahren hat sich die medizinische Versorgung in den Haupt- und größeren Städten allerdings sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor deutlich verbessert. So ist mittlerweile insbesondere für Privatzahler eine gute medizinische Versorgung für viele Krankheiten und Notfälle erhältlich. Es sind zunehmend Privatpraxen und -kliniken entstanden, die um zahlungskräftige Kunden konkurrieren. Es besteht keine umfassende Liste der Krankenhäuser und Ausstattungen, aber zahlreiche Krankenhäuser in Nigeria sind gut ausgestattet und in der Lage, zahlungsfähige Patienten medizinisch zu versorgen. Verschiedene Krankenhäuser in Nigeria haben sich auf unterschiedliche Krankheiten spezialisiert und Patienten suchen diese Krankenhäuser entsprechend ihrer Erkrankung auf. Allgemeine Krankenhäuser in Nigeria behandeln Patienten mit verschiedenen Krankheiten, verfügen jedoch üblicherweise über Fachärzte wie etwa Kinderärzte, Augenärzte, Zahnärzte, Gynäkologen zur Behandlung bestimmter Krankheiten. Rückkehrer finden in den Großstädten eine medizinische Grundversorgung vor. Wenn ein Heimkehrer über eine medizinische Vorgeschichte verfügt, sollte er möglichst eine Überweisung von dem letzten Krankenhaus, in dem er behandelt wurde, vorlegen. Hat eine Person keine Dokumente, führt dieser Umstand nicht zur Verweigerung medizinischer Versorgung oder zum Ausschluss von anderen öffentlichen Diensten. In der Regel gibt es fast alle geläufigen Medikamente in Nigeria in Apotheken zu kaufen, so auch die Antiphlogistika und Schmerzmittel Ibuprofen und Diclofenac sowie die meisten Antibiotika, Bluthochdruckmedikamente und Medikamente zur Behandlung von neurologischen und psychiatrischen Leiden.

Erkenntnisse darüber, ob abgelehnte Asylbewerber bei Rückkehr nach Nigeria allein wegen der Beantragung von Asyl mit staatlichen Repressionen zu rechnen haben, liegen dem Auswärtigen Amt nicht vor. Verhaftung bei Rückkehr aus politischen Gründen oder andere außergewöhnliche Vorkommnisse bei der Einreise von abgeschobenen oder freiwillig ausgereisten Asylbewerbern sind nicht bekannt. Abgeschobene Personen werden im Allgemeinen nach ihrer Ankunft in Lagos von der Nigerianischen Immigrationsbehörde (Nigerian Immigration Service), manchmal auch der Drogenpolizei (National Drug Law Enforcement Agency/NDLEA) befragt und können danach das Flughafengelände unbehelligt verlassen. Die österreichische Botschaft in Abuja unterstützt regelmäßig die Vorbereitung und Durchführung von Joint Return Operations im Rahmen von FRONTEX als „lead nation“. Die Erfahrungen seit dem Jahre 2005 lassen kaum Probleme erkennen. Die Rückgeführten verlassen das Flughafengebäude und steigen meistens in ein Taxi ein oder werden von ihren Familien abgeholt. Probleme, Anhaltungen oder Verhaftungen von rückgeführten Personen bei ihrer Ankunft am Flughafen Lagos wurden im Rahmen des Monitorings der Ankunft und des ungehinderten Verlassens des Flughafengeländes durch Vertreter der Botschaft nicht beobachtet. Es kann jedoch nicht mit gänzlicher Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die abgeschobenen Personen keine weiteren Probleme mit offiziellen Behörden haben. Das fehlende Meldesystem in Nigeria lässt allerdings darauf schließen, dass nach Verlassen des Flughafengeländes eine Ausforschung Abgeschobener kaum mehr möglich ist.

Gefälschte Dokumente (Geburts- und Heiratsurkunden sowie Zeugnisse von Schulen und Universitäten), die aber oft nicht auf den ersten Blick als solche zu erkennen sind, sind in Lagos, aber auch in anderen Städten ohne Schwierigkeiten zu erwerben. Diese Fälschungen sind professionell ausgestaltet und von echten Dokumenten kaum zu unterscheiden. Auch inhaltlich unwahre, aber von den zuständigen Behörden ausgestellte Bescheinigungen (Gefälligkeitsbescheinigungen) sowie Gefälligkeitsurteile in Familiensachen kommen vor. In der Vergangenheit vorgelegte angebliche Fahndungsersuchen nigerianischer Sicherheitsbehörden waren in der Form oftmals fehlerhaft oder enthielten falsche Darstellungen der behördlichen Zuständigkeiten und waren dadurch als Fälschungen zu erkennen. Auch Aufrufe von Kirchengemeinden, namentlich genannten Asylbewerbern Zuflucht und Schutz zu gewähren, waren oftmals gefälscht.

Eine nach Nigeria zurückkehrende Person, bei welcher keine berücksichtigungswürdigen Gründe vorliegen, wird durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine unmenschliche Lage versetzt. Es kann allgemein festgestellt werden, dass der pauschale Hinweis eines Asylwerbers auf die allgemein herrschende Situation in Nigeria nicht ausreicht, um eine Bedrohung iSv Art. 2 MRK, 3 MRK oder des Protokolls Nr. 6 oder 13 der EMRK darzustellen.

Es wird weiters festgestellt, dass er, auch wenn ihm kein privater Familienverband soziale Sicherheit bietet, seinen Lebensunterhalt aus eigener Kraft bestreiten kann.

Es wurden zwischenzeitlich auch keine Anhaltspunkte dafür bekannt, wonach die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 50 FPG idgF in seinen Heimatstaat Nigeria unzulässig wäre.

2. Beweiswürdigung

Der erkennende Einzelrichter des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:

2.1. Zum Sachverhalt:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR), der Grundversorgung (GVS) und dem AJ-WEB Auskunftsverfahren wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens weiters Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in das „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation“ zu Nigeria und die Analyse der Staatendokumentation „Zur Lage sexueller Minderheiten, insbesondere von MSM (men who have sex with men), unter Hinzunahme der Informationen der FFM Nigeria.

Außerdem konnte im vorliegenden Beschwerdefall auf die Ermittlungsergebnisse im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 29.08.2019 vor dem Bundesverwaltungsgericht zurückgegriffen werden.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität, Herkunft und zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers getroffen wurden, beruhen diese auf den Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde und vor dem Bundesverwaltungsgericht in der mündlichen Verhandlung vom 29.08.2019.

Da der Beschwerdeführer entweder nicht im Stande oder nicht Willens war, den österreichischen Behörden identitätsbezeugende Dokumente vorzulegen, steht seine Identität nicht fest.

Die Feststellungen betreffend die Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit des Beschwerdeführers ergeben sich auch aus den vorgelegten Unterlagen und seinen Aussagen vor der belangten Behörde und in der mündlichen Verhandlung.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer gesund und arbeitsfähig ist, ergibt sich aus dem Akt und seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung, es wird auch nicht verkannt, dass der Beschwerdeführer im Jahr 2015 gemeinnützige Tätigkeiten im Rahmen der Grundversorgung geleistet hat, es wird aber auch nicht verkannt, dass seitdem keine weiteren Unterlagen über gemeinnützige oder freiwillige Tätigkeiten mehr vorgelegt worden sind.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer nicht selbsterhaltungsfähig ist und Leistungen aus der Grundversorgung bezieht ergibt sich aus der Abfrage aus dem Betreuungsinformationssystem vom 28.08.2019 und seiner damit übereinstimmenden Angaben im Rahmen der mündlichen Verhandlung.

Dass der Beschwerdeführer über keine familiären Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet verfügt und keine Verwandten in Österreich hat ergibt sich aus seinen Angaben.

Dass nicht festgestellt werden konnte, ob der Beschwerdeführer in Nigeria noch familiäre Anknüpfungspunkte hat gründet sich auf seinen widersprüchlichen Angaben im Rahmen der Einvernahmen vor der belangten Behörde mit seinen Ausführungen in der mündlichen Beschwerdeverhandlung, dass der Beschwerdeführer zudem noch Kontakt in seine Heimat hat ergibt sich aus seinen Angaben im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung.

Der Beschwerdeführer hat unbestritten im Laufe seines Aufenthaltes integrative Schritte gesetzt. Es wird vom erkennenden Richter jedoch nicht verkannt, dass der Beschwerdeführer keine relevanten Deutschkenntnisse aufweist und bisher keine Deutschprüfung abgelegt hat.

Aus diesen Integrationsmaßnahmen kann insgesamt keine entscheidungsmaßgebliche Teilnahme am kulturellen und sozialen Leben der Dorfgemeinschaft abgeleitet werden, insbesondere unter Zugrundelegung seiner Aufenthaltsdauer.

Auch die von ihm vorgebrachten privaten Kontakte, entsprechen, selbst wenn sie objektiv vorhanden und für Ihn subjektiv von Bedeutung sind, nicht den Anforderungen an ein schützenswertes Privatleben und Familienleben im Sinne der EMRK, sowohl in zeitlicher Hinsicht als auch in Bezug auf die erforderliche Intensität.

Der zeitliche Faktor ergibt sich aus dem vorliegenden Akt, hinsichtlich der Intensität hat er weder ein Zusammenleben noch sonstige außergewöhnliche Aspekte behauptet, um eine Entscheidungsrelevanz daraus abzuleiten.

Aus den obgenannten Unterlagen und Ausführungen ergeben sich insgesamt somit nur sehr geringe Integrationsbemühungen, die sohin insgesamt nicht den Anforderungen an ein schützenswertes Privatleben im Sinne der EMRK entsprechen.

Beschwerdeführer brachte insgesamt weder vor der belangten Behörde noch in der gegenständlichen Beschwerde, bzw. im Rahmen der mündlichen Verhandlung konkrete Angaben vor, die die Annahme einer umfassenden Integration in Österreich in sprachlicher, gesellschaftlicher und beruflicher Hinsicht rechtfertigen würden.

Die strafgerichtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich vom 28.08.2019.

2.3. Zu den Fluchtmotiven und der individuellen Rückkehrsituation des Beschwerdeführers:

Im Hinblick darauf, dass im Asylverfahren die Aussage des Beschwerdeführers die zentrale Erkenntnisquelle darstellt, stützt sich das erkennende Gericht vor allem auf die unmittelbaren Angaben des Beschwerdeführers und müssen die Angaben des Beschwerdeführers bei einer Gesamtbetrachtung auf ihre Glaubwürdigkeit überprüft werden. Generell ist zur Glaubwürdigkeit eines Vorbringens auszuführen, dass eine Aussage grundsätzlich dann als glaubhaft zu qualifizieren ist, wenn das Vorbringen hinreichend substantiiert ist; der Beschwerdeführer sohin in der Lage ist, konkrete und detaillierte Angaben über von ihm relevierte Umstände bzw. Erlebnisse zu machen. Weiters muss das Vorbringen plausibel sein, d.h. mit überprüfbaren Tatsachen oder der allgemeinen Lebenserfahrung entspringenden Erkenntnissen übereinstimmen. Hingegen scheinen erhebliche Zweifel am Wahrheitsgehalt einer Aussage angezeigt, wenn der Beschwerdeführer den seiner Meinung nach seinen Antrag stützenden Sachverhalt bloß vage schildert oder sich auf Gemeinplätze beschränkt. Weiteres Erfordernis für den Wahrheitsgehalt einer Aussage ist, dass die Angaben in sich schlüssig sind; so darf sich der Beschwerdeführer nicht in wesentlichen Passagen seiner Aussage widersprechen.

Es ist anhand der Darstellung der persönlichen Bedrohungssituation eines Beschwerdeführers und den dabei allenfalls auftretenden Ungereimtheiten – z.B. gehäufte und eklatante Widersprüche (z.B. VwGH 25.1.2001, 2000/20/0544) oder fehlendes Allgemein- und Detailwissen (z.B. VwGH 22.2.2001, 2000/20/0461) - zu beurteilen, ob Schilderungen eines Asylwerbers mit der Tatsachenwelt im Einklang stehen oder nicht.

Der erkennende Richter geht aufgrund des Eindrucks in der mündlichen Verhandlung und aufgrund einer Gesamtschau des Akteninhaltes davon aus, dass der Beschwerdeführer seine behauptete Homosexualität nicht glaubhaft machen konnte; dies aus folgenden Erwägungen:

Der Beschwerdeführer hat bei seinen Einvernahmen, insbesondere in der Gegenüberstellung der niederschriftlichen Einvernahmen vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vom 17.01.2017, 28.02.2017 und der Einvernahme im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 29.08.2019 in wesentlichen Punkten lückenhafte, widersprüchliche und unplausible Angaben gemacht.

Im gegenständlichen Fall ist aufgrund des persönlichen Eindruckes des erkennenden Richters, insbesondere die persönliche Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers nicht gegeben und sind seine Aussagen unter diesem Gesichtspunkt relativierend einer entsprechenden Beweiswürdigung zu unterziehen. Dies zeigt sich insbesondere darin, dass er noch im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 17.01.2017 angegeben hat, dass es sich bei der gemieteten Wohnung um die Wohnung seines Lebensgefährten gehandelt habe, wo er zusammen mit diesem gewohnt habe, um in der weiteren Einvernahme auszuführen, dass ihm sein Lebensgefährte diese Wohnung besorgt habe und im Rahmen der mündlichen Verhandlung dazu ausführte, dass er nie bei diesem zu Hause gewesen sei. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung konnte er zudem keine detaillierten Auskünfte zu dieser Person geben, so wusste er weder wo dieser gewohnt habe noch welcher Arbeit er nachging. Auch die Umstände der Trennung konnte der Beschwerdeführer nicht widerspruchsfrei angeben. So gab er einerseits in der Einvernahme vor der belangten Behörde an, dass dieser Freund seine Arbeit verloren hätte und sich nicht mehr um ihn kümmern hätte können, um dementgegen im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung dazu befragt auszuführen, dass er das nicht genau wisse, vielleicht sei er ihm zu teuer geworden, da er ja die Unterkunft bezahlt hätte und ihm immer Geld gegeben hätte. Der Beschwerdeführer konnte auch keine nachvollziehbaren Angaben zu seinem Leben in Nigeria machen, insbesondere waren seine Angaben zu seinen persönlichen Lebensumständen dort widersprüchlich. So führte er im Rahmen der Einvernahme vor der belangten Behörde noch aus, dass er niemals Geschwister gehabt hätte (AS 125), um dementgegen im Rahmen der mündlichen Verhandlung anzugeben, dass sein Bruder zur selben Zeit wie seine Eltern verstorben wäre (Protokoll der Niederschrift der mündlichen Verhandlung Seite 15). Weiters gab er im Rahmen der Einvernahme vor der belangten Behörde noch an, dass seine Familie der Mittelschicht angehört hätte und sein Vater ein Geschäft gehabt hatte und seine Mutter Schneiderin gewesen sei und Kleider verkauft habe (AS 124), um dazu in der mündlichen Verhandlung auszuführen, dass seine Familie bzw. sein Vater keine Arbeit gehabt hätte und er deshalb nicht zur Schule habe gehen können, wie der nachfolgende Auszug aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung zeigt:

„RI: Womit haben Sie sich in Ihrem Herkunftsstaat Ihren Lebensunterhalt verdient?

BF: Als ich noch die Grundschule besuchte, hat mein Vater als Mechaniker gearbeitet. So bin ich nach der Schule ab und zu in seine Werkstatt gegangen, das heißt ich musste kein Geld verdienen, da mein Vater für mich gesorgt hat.

RI: Wie lange sind Sie in die Grundschule gegangen?

BF: Vier Jahre.

RI: Mit welchem Alter sind Sie dorthin gekommen?

BF: 2007 und war dort bis 2011.

RI: Wie alt waren Sie, als Sie in die Grundschule gekommen sind?

BF: Ich war 11 Jahre alt, als ich mit der Grundschule begonnen habe.

RI: Wann und auf welchem Weg haben Sie Ihren Herkunftsstaat verlassen?

BF: Ich habe Nigeria 2012 verlassen. Im Dezember 2011 hat mir ein Freund meines Vaters Dokumente für die Reise nach Europa besorgt. Da ich damals so unter Stress stand, war mir das alles nicht wirklich bewusst. Ich glaube, mit zwei Flugzeugen geflogen zu sein. Ich bin dann 2012 mit dem Flugzeug nach Europa gekommen.

RI: Wann war das? In welchem Monat?

BF: Ich glaube, das war im Februar 2012. Ich möchte in Bezug auf meinen Schulbesuch noch anfügen, dass ich 17 Jahre alt war, als ich mit der Schule begonnen habe. Ich bin einfach zu verwirrt.

RI: Warum erst mit 17?

BF: Meine Familie bzw. mein Vater hatte vorher keine Arbeit, weshalb ich die Schule nicht besucht und später mit ihm zusammengearbeitet habe und als er dann etwas Geld verdiente, konnte ich mit der Schule beginnen.“

Der Beschwerdeführer konnte aber auch nicht nachvollziehbar und schlüssig darlegen, weshalb er einerseits nach der Entscheidung des Asylgerichtshofes das Bundesgebiet in Richtung Schweiz verlassen hat, bzw. warum er erst 2 Jahre nach seiner Rückführung aus der Schweiz und das trotz Kontaktes mit den österreichischen Behörden und der Caritas einen neuen Antrag gestellt hat, wie der nachfolgende Auszug aus der Verhandlungsschrift zeigt:

„RI: Können Sie mir erklären, weshalb Sie ihr Asylverfahren in Österreich nicht abgewartet haben, sondern in die Schweiz gereist sind und dort einen Asylantrag gestellt haben?

BF: Nach meiner Ankunft in Österreich stand ich zu sehr unter Stress. Im Anschluss an meine Einvernahme durch die Polizei in XXXX wurde mir eine rote Karte ausgehändigt. Nach zwei Tagen bekam ich an Stelle dieser eine hellgrüne Karte, was negativ bedeutete. Andere Leute im Camp haben mir gesagt, dass die Karte einen negativen Bescheid bedeutet und mir die Behörden nicht glauben. Als dann eine Person aus dem Camp in die Schweiz gegangen ist und mir gesagt hat, dass ich in der Schweiz positiv bekommen kön

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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