TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/30 I415 2168823-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.01.2020
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Entscheidungsdatum

30.01.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I415 2168823-1/18E

S C H R I F T L I C H E A U S F E R T I G U N G D E R A M 1 0. 0 1. 2 0 2 0

M Ü N D L I C H V E R K Ü N D E T E N E N T S C H E I D U N G

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Hannes LÄSSER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Nigeria, vertreten durch RA Dr. Martina SCHWEIGER-APFELTHALER (RV1) und RA Edward DAIGNEAULT (RV2), gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Außenstelle Wien vom 20.07.2019, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 10.01.2020 zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.       Der Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsangehöriger, reiste spätestens im September 2015 unter Umgehung der Grenzkontrollen ins Bundesgebiet ein und stellte am 27.09.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2.       Bei seiner polizeilichen Erstbefragung am 06.10.2015 erklärte er zu seinen Fluchtgründen, homosexuell zu sein und aus diesem Grund aus Nigeria geflüchtet zu sein. In Nigeria werde er polizeilich gesucht und ihm drohe dort im Falle einer Rückkehr eine langjährige Gefängnisstrafe.

3.       Am 12.07.2017 fand eine niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA; belangte Behörde) statt. Er erklärte – auf das Wesentlichste zusammengefasst – aufgrund seiner sexuellen Orientierung aus Nigeria geflüchtet zu sein. Weiters sei er ein Mitglied der Freiheitsbewegung von Biafra IPOB. Bei einer Rückkehr würde er für 14 Jahre ins Gefängnis kommen und dort sterben, es sei im Gefängnis sehr brutal.

4.       Mit Bescheid vom 20.07.2017, Zl. XXXX , wies das BFA den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria (Spruchpunkt II.) ab. Das BFA erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III., erster Spruchteil) und erließ gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt III., zweiter Spruchteil). Weiters wurde die Zulässigkeit seiner Abschiebung in den Herkunftsstaat Nigeria festgestellt (Spruchpunkt III., dritter Spruchpunkt). Die Frist für eine freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.)

5.       Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht am 09.08.2017 durch seinen Rechtsvertreter RA Edward DAIGNEAULT (RV2) Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und begründete dies mit Rechtswidrigkeit. Die belangte Behörde habe dem Beschwerdeführer in Bezug auf seine Homosexualität zu Unrecht die Glaubwürdigkeit abgesprochen. Des Weiteren habe er in Nigeria keine Verwandten mehr und er würde dort alleine kaum überleben, zumal es mittlerweile eine Hungersnot und Hungertote gebe.

6.       Beschwerde und Bezug habender Akt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 28.08.2017 vorgelegt.

7.       Mit Bescheid des BFA vom 27.09.2018, Zl. XXXX , wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 23.09.2018 verloren habe, nachdem gegen ihn die Untersuchungshaft verhängt worden war.

8.       Eine für den 05.09.2019 geplante mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde aufgrund der – durch Befund eines Allgemeinmediziners belegten – Mitteilung des Beschwerdeführers, wonach er aufgrund eines Leistenbruches an Schmerzen im Unterbauch leide und nicht reisefähig sei, kurzfristig abberaumt.

9.       Am 17.12.2019 fand eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt, wobei weder der Beschwerdeführer, noch seine Rechtsvertreter erschienen. Zuvor hatte die RV1 mit Schreiben vom 13.12.2019, beim BVwG eingelangt am 16.12.2019, ausgeführt, dass der Beschwerdeführer krankheitsbedingt nicht in der Lage sei, an der Verhandlung teilzunehmen und diesbezüglich ein Schreiben eines Allgemeinmediziners vorgelegt. Der RV2 hatte mit E-Mail vom 16.12.2019 mitgeteilt, dass er den Beschwerdeführer über die Verhandlung informiert habe, er bis dato aber keinen Auftrag vom Beschwerdeführer erhalten habe, der Verhandlung beizuwohnen.

10.      Am 10.01.2020 fand eine weitere mündliche Beschwerdeverhandlung in Anwesenheit des Beschwerdeführers sowie einer Dolmetscherin und in Abwesenheit seiner beiden Rechtsvertreter sowie der belangten Behörde statt.

11.      Mit Schriftsatz vom 22.01.2020 beantragte RA Dr. Martina Schweiger-Apfelthaler (RV1) die schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses vom 10.01.2020.


II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Die unter Punkt I. getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende weitere Feststellungen getroffen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Nigerias und somit Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 20b Asylgesetz 2005. Seine Identität steht nicht fest.

Er ist volljährig, ledig, gehört der Volksgruppe der Igbo an, stammt aus Owarri, Imo State, Nigeria und bekennt sich zum christlichen Glauben.

Der Beschwerdeführer reiste erstmals spätestens im September 2015 nach Österreich ein und hält sich seither ununterbrochen im österreichischen Bundesgebiet auf.

Der Beschwerdeführer leidet an keinen lebensbedrohlichen physischen oder psychischen Beeinträchtigungen. Die medizinische Versorgung in Nigeria ist ausreichend, es existieren staatliche psychiatrische Einrichtungen und die Versorgung mit Medikamenten über Apotheken ist möglich. Der Beschwerdeführer hat darüber hinaus die Möglichkeit, beim BMI bzw. der Caritas Reintegrationshilfe zu beantragen.

Der Beschwerdeführer ist jung und erwerbsfähig. Er besuchte in seiner Heimat sechs Jahre lang die Schule und war in Nigeria sowie im Flüchtlingsheim in Österreich mit Installateurstätigkeiten befasst. Außerdem hat er im Gefängnis in Österreich in der Wäscherei gearbeitet. Er hat aufgrund seiner Ausbildung und Berufserfahrung eine Chance, am nigerianischen Arbeitsmarkt unterzukommen und ist, auch wenn ihm kein privater Familienverband soziale Sicherheit bieten sollte, in der Lage, seinen Lebensunterhalt aus eigener Kraft zu bestreiten.

Er spricht die Sprache Igbo auf Muttersprachenniveau und darüber hinaus Englisch.

In Österreich verfügt der Beschwerdeführer über keine familiären oder verwandtschaftlichen Anknüpfungspunkte und über kein schützenswertes Privat- und Familienleben.

Eine besondere Integrationsverfestigung des Beschwerdeführers in Österreich in sprachlicher, beruflicher und kultureller Hinsicht ist nicht feststellbar. Weder besuchte er einen Deutschkurs, noch nahm er an Aus- oder Weiterbildungen teil oder ist er Mitglied in einem Verein. Der Beschwerdeführer ist Mitglied einer Kirche, sonstige soziale Kontakte hat er nicht behauptet.

Der Beschwerdeführer bezieht Leistungen aus der Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich in Erscheinung getreten. Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 06.12.2018, Zl. XXXX , wurde er wegen der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 12 zweiter Fall StGB §§28a (1) zweiter Fall, 28a (1) dritter Fall SMG, der Vergehen des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach §§ 27 Abs. 1 Z 1 erster Fall, 27 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall SMG, sowie des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten verurteilt, wovon 16 Monate unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen wurden.

1.2. Zu den Fluchtmotiven des Beschwerdeführers:

Es kann in Bezug auf das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers nicht festgestellt werden, dass dieser in Nigeria einer persönlichen Verfolgung aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung ausgesetzt war.

Es haben sich im Verfahren mangels Glaubwürdigkeit keine Anhaltspunkte in Bezug auf eine homosexuelle Orientierung des Beschwerdeführers ergeben und konnte nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Nigeria wegen einer homosexuellen Orientierung verfolgt wird. Auch seine angebliche politische Betätigung im Rahmen der IPOB, sowie eine Bedrohung durch seinen Onkel konnte der Beschwerdeführer nicht glaubhaft machen. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer sein Herkunftsland aufgrund asylrelevanter Verfolgung verlassen bzw. eine solche im Falle der Rückkehr zu befürchten habe.

Es existieren keine Umstände, welche einer Abschiebung aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich entgegenstünden. Der Beschwerdeführer verfügt über keine sonstige Aufenthaltsberechtigung. Es spricht nichts dafür, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria eine Verletzung von Art. 2, Art. 3 oder auch der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention nach sich ziehen würde. Der Beschwerdeführer ist auch nicht von willkürlicher Gewalt infolge eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bedroht.

Der Beschwerdeführer wird im Falle seiner Rückkehr nach Nigeria mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner asylrelevanten Verfolgung und keiner wie auch immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein.

1.3. Zur Situation im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers:

Hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsland des Beschwerdeführers sind gegenüber den im angefochtenen Bescheid vom 20.07.2017 getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten. Im angefochtenen Bescheid wurde das „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation“ zu Nigeria zitiert. Dem Beschwerdeführer wurde im Zuge der Ladung zur mündlichen Verhandlung das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Nigeria übermittelt. Daraus ergeben sich folgende Feststellungen:

Sicherheitslage

Es gibt in Nigeria keine klassischen Bürgerkriegsgebiete oder -parteien (AA 10.12.2018). Im Wesentlichen lassen sich mehrere Konfliktherde unterscheiden: Jener von Boko Haram im Nordosten; jener zwischen Hirten und Bauern im Middle-Belt; sowie Spannungen im Nigerdelta (AA 10.12.2018; vgl. EASO 11.2018a) und eskalierende Gewalt im Bundesstaat Zamfara (EASO 11.2018a). Außerdem gibt es im Südosten zwischen der Regierung und Igbo-Gruppen, die für ein unabhängiges Biafra eintreten, (EASO 11.2018a; vgl. AA 10.12.2018), sowie zwischen Armee und dem Islamic Movement in Nigeria (IMN) Spannungen (EASO 11.2018a). Die 2017 deutlich angespannte Lage im Südosten des Landes („Biafra“) hat sich mit dem Eingriff des Militärs und der mutmaßlichen Flucht des Anführers der stärksten separatistischen Gruppe IPOB derzeit wieder beruhigt (AA 10.12.2018).

In den nordöstlichen Bundesstaaten Adamawa, Borno, Gombe und Yobe kommt es häufig zu Selbstmordanschlägen (BMEIA 12.4.2019). Außenministerien warnen vor Reisen dorthin sowie in den Bundesstaat Bauchi (BMEIA 12.4.2019; vgl. AA 12.4.2019; UKFCO 12.4.2019). Vom deutschen Auswärtige Amt wird darüber hinaus von nicht notwendigen Reisen in die übrigen Landesteile Nordnigerias abgeraten (AA 12.4.2019).

Zu Entführungen und Raubüberfällen kommt es im Nigerdelta und einigen nördlichen Bundesstaaten. Betroffen sind: Abia, Akwa Ibom, Anambra, Bauchi, Bayelsa, Cross River, Delta, Ebonyi, Enugu, Imo, Jigawa, Kaduna, Kano, Katsina, Kogi, Nasarawa, Plateau, Rivers und Zamfara. Für die erwähnten nordöstlichen und nördlichen Bundesstaaten sowie jenen im Nigerdelta gelegenen gilt seitens des österreichischen Außenministeriums eine partielle Reisewarnung; Hohes Sicherheitsrisiko (Sicherheitsstufe 3) in den übrigen Landesteilen (BMEIA 12.4.2019).

Das deutsche Auswärtige Amt rät von Reisen in die Bundesstaaten Kaduna (insbesondere Süd- Kaduna), Plateau, Nasarawa, Benue, Delta, Bayelsa, Rivers, Imo (insbesondere die Hauptstadt Owerri), Abia, Anambra, Ebonyi, Edo, Enugu, Delta, Kogi, den südlichen Teil von Cross Rivers, Ogun und Akwa Ibom ab (AA 12.4.2019). Das britische Außenministerium warnt (neben den oben erwähnten nördlichen Staaten) vor Reisen in die am Fluss gelegenen Regionen der Bundesstaaten Delta, Bayelsa, Rivers, Akwa Ibom and Cross River im Nigerdelta. Abgeraten wird außerdem von allen nicht notwendigen Reisen in die Bundesstaaten Bauchi, Zamfara, Kano, Kaduna, Jigawa, Katsina, Kogi, Abia, im 20km Grenzstreifen zum Niger in den Bundesstaaten Sokoto und Kebbi, nicht am Fluss gelegene Gebiete von Delta, Bayelsa und Rivers (UKFCO 29.11.2018).

In Nigeria können in allen Regionen unvorhersehbare lokale Konflikte aufbrechen. Ursachen und Anlässe der Konflikte sind meist politischer, wirtschaftlicher, religiöser oder ethnischer Art. Meist dauern diese Auseinandersetzungen nur wenige Tage und sind auf einzelne Orte bzw. einzelne Stadtteile begrenzt. Insbesondere die Bundesstaaten Zamfara, das Sokoto (Nordteil) und Plateau (Südteil) sind derzeit von bewaffneten Auseinandersetzungen betroffen (AA 12.4.2019).

In der Zeitspanne April 2018 bis April 2019 stechen folgende nigerianische Bundesstaaten mit einer hohen Anzahl an Toten durch Gewaltakte besonders hervor: Borno (2.333), Zamfara (1.116), Kaduna (662), Benue (412), Adamawa (402), Plateau (391). Folgende Bundesstaaten stechen mit einer niedrigen Zahl hervor: Jigawa (2), Gombe (2), Kebbi (3) und Osun (8) (CFR 2019).

Sicherheitsbehörden

Die allgemeinen Polizei- und Ordnungsaufgaben obliegen der rund 360.000 Mann starken (Bundes-) Polizei (National Police Force - NPF), die dem Generalinspekteur der Polizei in Abuja untersteht (AA 10.12.2018; vgl. USDOS 13.3.2019). Zusätzlich zu der üblichen polizeilichen Verantwortung zur Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung in den Bundesstaaten und im Federal Capital Territory (FCT) unterstehen dem Generalinspekteur die Strafverfolgungsbehörden im ganzen Land, die in Grenzschutz, Terrorismusbekämpfung und Marineangelegenheiten (Navigation) involviert sind (USDOS 13.3.2019). Etwa 100.000 Polizisten sollen bei Personen des öffentlichen Lebens und einflussreichen Privatpersonen als Sicherheitskräfte tätig sein (AA 10.12.2018).

Neben der Polizei werden im Inneren auch Militär, Staatsschutz sowie paramilitärische Einheiten (sogenannte Rapid Response Squads) eingesetzt (AA 10.12.2018). Das Department of State Service (DSS), das via nationalem Sicherheitsberater dem Präsidenten unterstellt ist, ist ebenfalls für die innere Sicherheit zuständig. Polizei, DSS und Militär sind zivilen Autoritäten unterstellt, sie operieren jedoch zeitweise außerhalb ziviler Kontrolle (USDOS 13.3.2019). Die National Drug Law Enforcement Agency (NDLEA) ist für alle Straftaten in Zusammenhang mit Drogen zuständig. Der NDLEA, in deren Zuständigkeit Dekret 33 fällt, wird Professionalität konstatiert (ÖB 10.2018).

Die NPF und die Mobile Police (MOPOL) zeichnen sich hingegen durch geringe Professionalität, mangelnde Disziplin, häufige Willkür und geringen Diensteifer aus (ÖB 10.2018). Die Polizei ist durch niedrige Besoldung sowie schlechte Ausrüstung, Ausbildung und Unterbringung gekennzeichnet. Die staatlichen Ordnungskräfte sind personell, technisch und finanziell nicht in der Lage, die Gewaltkriminalität umfassend zu kontrollieren bzw. einzudämmen. Zudem sind nach allgemeiner Auffassung die Sicherheitskräfte teilweise selbst für die Kriminalität verantwortlich (AA 10.12.2018). Da die Polizei oft nicht in der Lage ist, durch gesellschaftliche Konflikte verursachte Gewalt zu unterbinden, verlässt sich die Regierung in vielen Fällen auf die Unterstützung durch die Armee (USDOS 13.3.2019). Jedoch sind im Allgemeinen die nigerianischen Behörden gewillt und fähig, Schutz vor nichtstaatlichen Akteuren zu bieten (UKHO 8.2016a).

Homosexuelle

Homosexuelle Handlungen jeglicher Art sind – unabhängig vom Geschlecht der betroffenen Personen – sowohl nach säkularem Recht (AA 10.12.2018; vgl. GIZ 4.2019b) als auch nach Scharia-Recht (Körperstrafen bis hin zum Tod durch Steinigung in besonderen Fällen) strafbar. Allerdings sind kaum Fälle strafrechtlicher Verfolgung einvernehmlicher homosexueller Handlungen bekannt geworden (AA 10.12.2018). § 214 des Strafgesetzbuchs sieht 14 Jahre Haft für gleichgeschlechtliche Beziehungen vor (ÖB 10.2018). Der im Jänner 2014 verabschiedete Same Sex Marriage Prohibition Act (SSMPA) sieht zudem vor, dass homosexuelle Paare, die heiraten oder öffentlich ihre Zuneigung zeigen, mit Haft bestraft werden können. Das Gesetz sieht bis zu 14 Jahre Haft für Eheschließungen und zivilrechtliche Partnerschaften zwischen zwei Frauen oder zwei Männern vor (ÖB 10.2018; vgl. USDOS 13.3.2019, GIZ 4.2019b). Wer seine Liebesbeziehung zu einem Menschen des gleichen Geschlechts direkt oder indirekt öffentlich zeigt, soll dem Gesetz zufolge mit bis zu zehn Jahren Haft bestraft werden können (ÖB 10.2018). Die gleiche Strafe ist für die Gründung und Unterstützung von Clubs, Organisationen oder anderen Einrichtungen für Schwule und Lesben vorgesehen (ÖB 10.2018; vgl. AA 10.12.2018).

In den zwölf nördlichen Bundesstaaten, wo das islamische Recht in Kraft ist, können homosexuelle Handlungen mit Haft, Stockschlägen oder Tod durch Steinigung bestraft werden (USDOS 13.3.2019; vgl. HL1 16.11.2015; DS1 20.11.2015). Aktivisten sind keine Fälle bekannt, bei denen die Todesstrafe umgesetzt wurde (USDOS 13.3.2019; vgl. HL1 16.11.2015; DS1 20.11.2015).

Insgesamt kam es auch unter der Scharia nur zu wenigen Verurteilungen (HL1 16.11.2015; vgl. DS1 20.11.2015).

Homosexuelle versuchen auf Grund der gesetzlichen Bestimmungen und weitverbreiteter Vorbehalte in der Bevölkerung, ihre sexuelle Orientierung zu verbergen (AA 10.12.2018). Der SSMPA hat zu einer weiteren Stigmatisierung von Lesben und Schwulen geführt. Diese werden oftmals von der Polizei schikaniert und misshandelt und von der Bevölkerung gemobbt oder mittels Selbstjustiz verfolgt (GIZ 4.2019b). Erpressung und Gewalt treten oft schon beim Verdacht auf, homosexuell zu sein (MSMA 17.11.2015; vgl. LLM 16.11.2015). Die meisten Menschenrechtsverletzungen gegen Homosexuelle gehen von nicht-staatlichen Akteuren aus (LLM 16.11.2015; vgl. MSMK 19.11.2015). Die Verfügbarkeit von staatlichem Schutz ist in Frage zu stellen, manchmal interveniert die Polizei gar nicht oder verhaftet das Opfer (MSMA 17.11.2015; vgl. DS3 18.11.2015; DS1 20.11.2015). Opfer von Menschenrechtsverletzungen haben es extrem schwer, Vergehen bei den Behörden zu melden, denn es herrscht Angst vor Stigmatisierung, weiterer Gewalt und Diskriminierung. Es gibt viele Fälle, in denen Polizeibeamte Personen, von denen angenommen wird, dass sie sexuellen Minderheiten angehören, willkürlich verhaften. In der Folge werden hohe Geldsummen für die Freilassung gefordert. Staatliche Stellen sind häufig selbst die Täter bei Menschenrechtsverletzungen oder handeln in Kooperation mit nichtstaatlichen Akteuren (TIERS 12.2018).

Im Rahmen der Verabschiedung des SSMPA 2014 kam es zu einer Zunahme an Fällen von Belästigung und Drohung. Es wurde von zahlreichen Verhaftungen berichtet. Allerdings wurden die Verhafteten in allen Fällen ohne eine formelle Anklage nach Zahlung einer Geldsumme freigelassen, die oftmals nichts anderes als ein Bestechungsgeld war. Im Jahr 2017 kam es erstmals zu Anklagen unter dem SSMPA. Im November 2017 wurden ein Hotelbesitzer und zwei seiner Mitarbeiter wegen Unterstützung homosexueller Aktivitäten angeklagt. Im Dezember 2017 wurden die drei Angeklagten auf Kaution freigelassen und im August 2018 wurde das Verfahren eingestellt. Ansonsten ist keine strafrechtliche Verfolgung gemäß dem SSMPA feststellbar (USDOS 13.3.2018). Nach anderen Angaben wurden vereinzelt langjährige Haftstrafen verhängt; als Beispiel wird ein Fall aus dem Bundesstaat Kano vom Dezember 2016 genannt (ÖB 10.2018). Eine generelle bzw. systematische „staatliche Verfolgung“ ist derzeit nicht gegeben (ÖB 10.2018; vgl. AA 10.12.2018). Die Rechtsänderung hat bisher nicht zu einer flächendeckenden verschärften Strafverfolgung geführt (AA 10.12.2018). Allerdings dient das Gesetz zur Rechtfertigung von Menschenrechtsverletzungen wie Folter, sexueller Gewalt, willkürlicher Haft, Erpressung von Geld sowie Verletzung von Prozessrechten (USDOS 13.3.2019).

Gesellschaftliche Diskriminierung bei offenem Zurschaustellen der sexuellen Orientierung ist vorhanden (ÖB 10.2018; vgl. AA 10.12.2018). Die Community wird nicht überwacht (LLM 16.11.2015; vgl. HL1 16.11.2015; DS2 19.11.2015). Die Polizei wird nicht aus eigenem Antrieb aktiv und sucht gezielt nach Homosexuellen (HL1 16.11.2015; vgl. DS2 19.11.2015). Die Polizei verhaftet Verdächtige in erster Linie mit dem Ziel, Geld zu erpressen. Grundsätzlich kommen Verdächtige nach der Zahlung einer „Kaution“ wieder frei (LLM 16.11.2015; vgl. HL1 16.11.2015). Aufgrund der bei der Polizei herrschenden Korruption ist es einfach, sich aus der Haft freizukaufen (VA1 16.11.2015).

Auch für betroffene Homosexuellen-NGOs hatte der SSMPA kaum Auswirkungen, keine der Organisationen musste die Arbeit einstellen (LLM 16.11.2015; vgl. MSMA 17.11.2015; DS2 19.11.2015). Im Gesundheitsbereich tätige NGOs mit Fokus auf Homosexuelle (v.a. HIV/AIDS) stellten zwar Anfang 2014 kurzfristig den Betrieb ein, doch wurde dieser nach wenigen Wochen wieder aufgenommen und läuft seither wie vor Inkrafttreten des SSMPA (IO1 20.11.2015).

Die meisten Homosexuellen-NGOs haben ihre Basis in den Hauptstädten der Bundesstaaten (DS3 18.11.2015; vgl. DS2 19.11.2015; MSMA 17.11.2015). Üblicherweise sind die Homosexuellen- NGOs den Betroffenen bekannt (DS3 18.11.2015; vgl. MSMA 17.11.2015). Es existieren auch eigene HIV/AIDS-Kliniken, die gezielt für homosexuelle Patienten eingerichtet wurden (IO1 20.11.2015; vgl. MSMA 17.11.2015).

Verschiedene NGOs bieten Angehörigen sexueller Minderheiten rechtliche Beratung und Schulungen in Meinungsbildung, Medienarbeit und Bewusstseinsbildung in Bezug auf HIV an (USDOS 13.3.2019). Es existieren Netzwerke von Menschenrechtsanwälten, welche – im Falle der Verhaftung eines Homosexuellen – unmittelbar kontaktiert werden und die Person gegen „Kaution“ freizukaufen versuchen (IO1 20.11.2015). Die Anwälte sind organisiert, es gibt unterschiedliche Vereine, z.B. Lawyers League for Minorities, Lawyers Alert oder die Coalition of Human Rights Lawyers (LLM 16.11.2015; vgl. HL1 16.11.2015). Homosexuellen-Netzwerke verschiedener Landesteile bzw. Städte sind miteinander in Kontakt (MSMA 17.11.2015; vgl. LLM 16.11.2015). Die Netzwerke und Organisationen bieten auch Unterstützung und Zufluchtsmöglichkeiten an (USDOS 20.4.2018; vgl. MSMA 17.11.2015; LLM 16.11.2015).

Grundversorgung

Die nigerianische Wirtschaft hat sich 2017 allmählich aus der schlimmsten Rezession seit 25 Jahren erholt, das BIP ist um 0,55 Prozent gestiegen. Mehrere Faktoren haben dazu beigetragen, dass sich die nigerianische Wirtschaft seit Ende 2017 allmählich wieder erholt, unter anderem eine Steigerung der Erdölförderleistung, die Erholung des Erdölpreises und eine verbesserte Leistung von Landwirtschaft und Dienstleistungssektor (GIZ 4.2019c).

Etwa 80 Prozent der Gesamteinnahmen Nigerias stammen aus der Öl- und Gasförderung (AA 10.12.2018). Neben Erdöl verfügt das Land über z.B. Zinn, Eisen-, Blei-, und Zinkerz, Kohle, Kalk, Gesteine, Phosphat – gesamtwirtschaftlich jedoch von geringer Bedeutung (GIZ 4.2019c). Von Bedeutung sind hingegen der (informelle) Handel und die Landwirtschaft, welche dem größten Teil der Bevölkerung eine Subsistenzmöglichkeit bieten (AA 10.12.2018). Der Industriesektor (Stahl, Zement, Düngemittel) machte 2016 ca. 20 Prozent des BIP aus. Neben der Verarbeitung von Erdölprodukten werden Nahrungs- und Genussmittel, Farben, Reinigungsmittel, Textilien, Brennstoffe, Metalle und Baumaterial produziert. Industrielle Entwicklung wird durch die unzureichende Infrastruktur (Energie und Transport) behindert (GIZ 4.2019c).

Über 60 Prozent der Nigerianer sind in der Landwirtschaft beschäftigt, in ländlichen Gebieten über 90 Prozent (AA 9.2018c). Der Agrarsektor wird durch die Regierung Buhari stark gefördert. Dadurch hat etwa der Anteil an Großfarmen zugenommen (GIZ 4.2019c; vgl. AA 9.2018c). Auch die Mais- und Reisproduktion wurde dadurch kräftig ausgeweitet. Dabei ist das Potenzial der nigerianischen Landwirtschaft bei Weitem nicht ausgeschöpft (AA 9.2018c) und das Land ist nicht autark, sondern auf Importe – v.a. von Reis – angewiesen (ÖB 10.2018; vgl. AA 9.2018c). Über 95 Prozent der landwirtschaftlichen Produktion kommt aus Subsistenzbetrieben (AA 9.2018c). Historisch war Lebensmittelknappheit in fast ganz Nigeria aufgrund des günstigen Klimas und der hohen agrarischen Tätigkeit so gut wie nicht existent. In einzelnen Gebieten im äußersten Norden (Grenzraum zu Niger) gestaltet sich die Landwirtschaft durch die fortschreitende Desertifikation allerdings schwierig. Experten schließen aufgrund der Wetterbedingungen, aber auch wegen der Vertreibungen als Folge der Attacken durch Boko Haram Hungerperioden für die nördlichen, insbesondere die nordöstlichen Bundesstaaten nicht aus. In Ernährungszentren nahe der nördlichen Grenze werden bis zu 25 Prozent der unter fünfjährigen Kinder wegen starker Unterernährung behandelt (ÖB 10.2018).

Die Einkommen sind in Nigeria höchst ungleich verteilt (BS 2018; vgl. GIZ 4.2019b). Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung leben in absoluter Armut (BS 2018; vgl. ÖB 10.2018), fast 50 Prozent unter der Armutsgrenze (GIZ 4.2019b).

Die Arbeitslosigkeit ist hoch, bei Jugendlichen wird sie auf über 20 Prozent geschätzt (GIZ 4.2019b). Offizielle Statistiken über Arbeitslosigkeit gibt es aufgrund fehlender sozialer Einrichtungen und Absicherung nicht. Geschätzt wird sie auf 20 bis 45 Prozent – in erster Linie unter 30-jährige – mit großen regionalen Unterschieden (ÖB 10.2018). Der Staat und die Bundesstaaten haben damit begonnen, Programme zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit umzusetzen. Die Resultate sind dürftig (BS 2018). Der Mangel an lohnabhängiger Beschäftigung führt dazu, dass immer mehr Nigerianer in den Großstädten Überlebenschancen im informellen Wirtschaftssektor als "self-employed" suchen. Die Massenverelendung nimmt seit Jahren bedrohliche Ausmaße an (GIZ 4.2019b).

Die Großfamilie unterstützt in der Regel beschäftigungslose Angehörige (ÖB 10.2018). Generell wird die Last für Alter, Krankheit, Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung vom Netz der Großfamilie und vom informellen Sektor getragen (BS 2018). Allgemein kann festgestellt werden, dass auch eine nach Nigeria zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit findet, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird. Sie kann ihre existenziellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird (ÖB 10.2018).

Nur Angestellte des öffentlichen Dienstes, des höheren Bildungswesens sowie von staatlichen, teilstaatlichen oder großen internationalen Firmen genießen ein gewisses Maß an sozialer Sicherheit. Nur eine geringe Anzahl von Nigerianern (2016 ca. fünf Millionen) ist im Pensionssystem (Contributory Pension Scheme) registriert (BS 2018).

Programme zur Armutsbekämpfung gibt es sowohl auf Länderebene als auch auf lokaler Ebene. Zahlreiche NGOs im Land sind in den Bereichen Armutsbekämpfung und Nachhaltige Entwicklung aktiv. Frauenorganisationen, von denen Women In Nigeria (WIN) die bekannteste ist, haben im traditionellen Leben Nigerias immer eine wichtige Rolle gespielt. Auch Nigerianer, die in der Diaspora leben, engagieren sich für die Entwicklung in ihrer Heimat (GIZ 4.2019c).

Die täglichen Lebenshaltungskosten differieren regional zu stark, um Durchschnittswerte zu berichten. Verdienstmöglichkeiten für Rückkehrerinnen: Eine der Berufsmöglichkeiten für Rückkehrerinnen ist die Eröffnung einer mobilen Küche für „peppersoup“, „garri“ oder „pounded yam“, für die man lediglich einen großen Kochtopf und einige Suppenschüsseln benötigt. Die Grundausstattung für eine mobile Küche ist für einen relativ geringen Betrag erhältlich. Hauptsächlich im Norden ist auch der Verkauf von bestimmten Holzstäbchen zur Zahnhygiene eine Möglichkeit, genügend Einkommen zu erlangen. In den Außenbezirken der größeren Städte und im ländlichen Bereich bietet auch „mini-farming“ eine Möglichkeit, selbständig erwerbstätig zu sein. Schneckenfarmen sind auf 10 m² Grund einfach zu führen und erfordern lediglich entweder das Sammeln der in Nigeria als „bushmeat“ gehandelten Wildschnecken zur Zucht oder den Ankauf einiger Tiere. Ebenso werden nun „grasscutter“ (Bisamratten-ähnliche Kleintiere) gewerbsmäßig in Kleinkäfigen als „bushmeat“ gezüchtet. Großfarmen bieten Tagesseminare zur Aufzucht dieser anspruchslosen und sich rasch vermehrenden Tiere samt Verkauf von Zuchtpaaren an. Rascher Gewinn und gesicherte Abnahme des gezüchteten Nachwuchses sind gegeben. Schnecken und „grasscutter“ finden sich auf jeder Speisekarte einheimischer Lokale. Für handwerklich geschickte Frauen bietet auch das Einflechten von Kunsthaarteilen auf öffentlichen Märkten eine selbständige Erwerbsmöglichkeit. Für den Verkauf von Wertkarten erhält eine Verkäuferin wiederum pro 1.000 Naira Wert eine Provision von 50 Naira. Weiters werden im ländlichen Bereich Mobiltelefone für Gespräche verliehen; pro Gespräch werden 10 Prozent des Gesprächspreises als Gebühr berechnet (ÖB 10.2018).

Rückkehr

Generell kann kein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen festgestellt werden, welcher geeignet wäre, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Der pauschale Hinweis eines Asylwerbers auf die allgemein herrschende Situation in Nigeria reicht nicht aus, um eine Bedrohung i.S.v Art. 2 MRK, 3 MRK oder des Protokolls Nr. 6 oder 13 der EMRK darzustellen. Außerdem kann allgemein festgestellt werden, dass eine nach Nigeria zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit finden kann, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird. Sie kann ihre existenziellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird (ÖB 10.2018).

Abschiebungen erfolgen auf dem Luftweg, in Linien- oder Chartermaschinen. Rückführungen aus EU-Staaten erfolgen meist durch Charterflüge, die auch durch FRONTEX durchgeführt werden (AA 10.12.2018). Die österreichische Botschaft in Abuja unterstützt regelmäßig die Vorbereitung und Durchführung von Joint Return Operations im Rahmen von FRONTEX als „lead nation“ (ÖB 10.2018). Ohne gültigen nigerianischen Pass oder einen von einer nigerianischen Botschaft ausgestellten vorläufigen Reiseausweis ist eine Einreise aus Europa kommender nigerianischer Staatsangehöriger nicht möglich. Dies gilt auch für zwangsweise Rückführungen (AA 10.12.2018).

Erkenntnisse darüber, ob abgelehnte Asylbewerber bei Rückkehr nach Nigeria allein wegen der Beantragung von Asyl mit staatlichen Repressionen zu rechnen haben, liegen nicht vor. Verhaftung aus politischen Gründen oder andere außergewöhnliche Vorkommnisse bei der Einreise von abgeschobenen oder freiwillig rückkehrenden Asylwerbern sind nicht bekannt (AA 10.12.2018). Die Erfahrungen seit dem Jahre 2005 lassen kaum Probleme erkennen (ÖB 10.2018). Abgeschobene Personen werden im Allgemeinen nach ihrer Ankunft in Lagos von der zuständigen Behörde (Nigerian Immigration Service), manchmal auch von der NDLEA (National Drug Law Enforcement Agency) befragt (AA 10.12.2018) bzw. erkennungsdienstlich behandelt (ÖB 10.2018) und können danach das Flughafengelände unbehelligt verlassen (AA 10.12.2018; vgl. ÖB 10.2018). Meist steigen sie in ein Taxi ein oder werden von ihren Familien abgeholt. Es kann jedoch nicht mit gänzlicher Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die abgeschobenen Personen keine weiteren Probleme mit den Behörden haben. Das fehlende Meldesystem in Nigeria lässt allerdings darauf schließen, dass nach Verlassen des Flughafengeländes eine Ausforschung Abgeschobener kaum mehr möglich ist (ÖB 10.2018).

Wegen Drogendelikten im Ausland verurteilte Nigerianer werden nach Rückkehr an die NDLEA überstellt. Ein zweites Strafverfahren in Nigeria wegen derselben Straftat haben diese Personen jedoch trotz anderslautender Vorschriften im „Decree 33“ nicht zu befürchten (AA 10.12.2018). Aus menschenrechtlichen Erwägungen wird gegenüber nigerianischen Behörden als Grund für Abschiebungen stets „overstay“ angegeben, da dieser kein strafrechtliches Delikt darstellt (ÖB 10.2018).

Internationale Akteure bemühen sich, neue Rückkehrer- bzw. Migrationsberatungszentren aufzubauen. Eine entsprechende Einrichtung von IOM in Benin-City, Edo State, wurde 2018 eröffnet. Gleichermaßen hat im Herbst 2018 in Lagos das Migrationsberatungszentrum der GIZ seinen Betrieb aufgenommen. Gemeinsam mit dem nigerianischen Arbeitsministerium wird dort über berufliche Perspektiven in Nigeria informiert (AA 10.12.2018).

Eine nach Nigeria zurückkehrende Person, bei welcher keine berücksichtigungswürdigen Gründe vorliegen, wird durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine unmenschliche Lage versetzt. Es kann allgemein festgestellt werden, dass der pauschale Hinweis eines Asylwerbers auf die allgemein herrschende Situation in Nigeria nicht ausreicht, um eine Bedrohung iSv Art. 2 MRK, 3 MRK oder des Protokolls Nr. 6 oder 13 der EMRK darzustellen.

2. Beweiswürdigung

Der erkennende Einzelrichter des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:

2.1. Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor dieser und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz, in das aktuelle „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation“ zu Nigeria, sowie durch persönliche Einvernahme des Beschwerdeführers im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 10.01.2020.

Auch der Beschwerde vermag das Bundesverwaltungsgericht keine neuen Sachverhaltselemente zu entnehmen, die geeignet wären, die von der belangten Behörde getroffene Entscheidung in Frage zu stellen.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität, Herkunft, Staatsangehörigkeit, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit und zu den persönlichen Umständen des Beschwerdeführers in Österreich und in Nigeria getroffen wurden, beruhen diese auf den Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde und vor dem Bundesverwaltungsgericht in der mündlichen Verhandlung vom 10.01.2020.

Da der Beschwerdeführer entweder nicht im Stande oder nicht Willens war, den österreichischen Behörden identitätsbezeugende Dokumente vorzulegen, steht seine Identität nicht fest.

Die Feststellung zu seinem Aufenthalt im Bundesgebiet seit mindestens September 2015 ergibt sich aus dem Datum seiner Asylantragsstellung in Zusammenschau mit einer eingeholten zmr-Auskunft.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen Aussagen vor dem BFA und dem Bundesverwaltungsgericht sowie den nach Beschwerdeeinbringung in Vorlage gebrachten ärztlichen Unterlagen.

Aus einem Patientenbrief der Chirurgischen Abteilung der XXXX vom 25.10.2019 geht hervor, dass der Beschwerdeführer am 22.10.2019 aufgrund eines Leistenbruches (hernia inguinalis rechts) operiert wurde, wobei sich der postoperative Verlauf komplikationslos gestaltete, sodass am 25.10.2019 die Entlassung in gutem Allgemeinzustand erfolgen konnte. Im Patientenbrief erging der Hinweis, dass nach ungefähr sechs Wochen das Heben und Tragen schwerer Lasten möglich sei, wobei eine individuelle, patientenorientierte Belastungssteigerung empfohlen wurde.

Laut einem fachärztlichen Befundbericht der XXXX vom 09.01.2020 leidet der Beschwerdeführer an einer schweren depressiven Episode ohne psychotische Symptome (ICD10: F32.2). Diese habe sich in depressiver Stimmungslage, schweren Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen, Gedankenkreisen, sozialem Rückzug, diffusen Ängsten, Schwierigkeit, außer Haus zu gehen und innerer Unruhe geäußert, wobei die Modifizierung einer bereits vom Hausarzt etablierten antidepressiven Therapie im Dezember 2019 eine leichte Besserung des psychischen Zustandes bewirkt habe. Eine weitere ambulante fachärztliche Betreuung ist bis zu einer Remission der depressiven Symptomatik indiziert. Der Beschwerdeführer wird derzeit mit den Medikamenten Cipralex Ftbl 10 mg (1-1-0-0) und Xanor Tbl 0,5 mg (1/2-0-0-1/2) behandelt.

Aus der Aktenlage sind keinerlei Hinweise auf weitere gesundheitliche Beeinträchtigungen oder eine fehlende Erwerbsfähigkeit des Beschwerdeführers ableitbar. Zu seiner Tätigkeit in der Gefängniswäscherei gab der Beschwerdeführer selbst an, dass ihm diese Arbeit sehr gut gefallen und gutgetan habe. Er sei gerne aktiv und möge es nicht, nur herumzusitzen. Er würde gerne einen Beruf erlernen und arbeiten. Aus diesem Grund war auch die Feststellung zu treffen, dass der Beschwerdeführer arbeitsfähig ist und in der Lage, seinen Lebensunterhalt in Nigeria aus eigener Kraft zu bestreiten.

Zu seiner Schulbildung machte der Beschwerdeführer unterschiedliche Angaben. Vor dem Bundesverwaltungsgericht machte er geltend, nicht zur Schule gegangen zu sein. Nachdem er aber sowohl in seiner polizeilichen Erstbefragung, als auch vor dem BFA erklärte hatte, sechs Jahre lang die Schule besucht zu haben und den entsprechenden Feststellungen des BFA auch in der Beschwerde nicht entgegengetreten wurde, ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer zumindest über eine sechsjährige Grundschulbildung verfügt. Seine Angaben zu seiner Arbeit für einen Installateur sowie als Händler von Motorradteilen waren in allen Instanzen gleichbleibend.

Dass der Beschwerdeführer über keine familiären Anknüpfungspunkte und keine Verwandten in Österreich verfügt, ergibt sich aus seinen Angaben.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer keine tiefgreifende soziale und integrative Verfestigung im Sinne des Art. 8 EMRK aufweist, resultiert insbesondere aus dem Verwaltungsakt und aus den Aussagen des Beschwerdeführers in der mündlichen Beschwerdeverhandlung. Abgesehen von seiner Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft katholischer Christen aus Afrika und gemeinsamen Kirchenbesuchen machte er keine besonderen sozialen Kontakte geltend. Der Beschwerdeführer hat keinen Deutschkurs absolviert und verfügt lediglich über geringe Deutschkenntnisse, sodass er in der Beschwerdeverhandlung auf die anwesende Dolmetscherin angewiesen war. Er legte keinerlei Nachweise vor, um eine besondere Integrationsverfestigung seiner Person in Österreich zu belegen. Besondere Integrationsbemühungen des seit 2015 in Österreich lebenden Beschwerdeführers sind daher nicht ersichtlich.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer nicht selbsterhaltungsfähig ist und Leistungen aus der Grundversorgung bezieht ergibt sich aus der Abfrage aus dem Betreuungsinformationssystem vom 10.01.2020 und seinen damit übereinstimmenden Angaben im Rahmen der mündlichen Verhandlung.

Die strafgerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers ergibt sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich vom 10.01.2020.

2.3. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Im Hinblick darauf, dass im Asylverfahren die Aussage des Beschwerdeführers die zentrale Erkenntnisquelle darstellt, stützt sich das erkennende Gericht vor allem auf die unmittelbaren Angaben des Beschwerdeführers und müssen die Angaben des Beschwerdeführers bei einer Gesamtbetrachtung auf ihre Glaubwürdigkeit überprüft werden. Generell ist zur Glaubhaftigkeit eines Vorbringens auszuführen, dass eine Aussage grundsätzlich dann als glaubhaft zu qualifizieren ist, wenn das Vorbringen hinreichend substantiiert ist; der Beschwerdeführer sohin in der Lage ist, konkrete und detaillierte Angaben über von ihm relevierte Umstände bzw. Erlebnisse zu machen. Weiters muss das Vorbringen plausibel sein, d.h. mit überprüfbaren Tatsachen oder der allgemeinen Lebenserfahrung entspringenden Erkenntnissen übereinstimmen. Hingegen scheinen erhebliche Zweifel am Wahrheitsgehalt einer Aussage angezeigt, wenn der Beschwerdeführer den seiner Meinung nach seinen Antrag stützenden Sachverhalt bloß vage schildert oder sich auf Gemeinplätze beschränkt. Weiteres Erfordernis für den Wahrheitsgehalt einer Aussage ist, dass die Angaben in sich schlüssig sind; so darf sich der Beschwerdeführer nicht in wesentlichen Passagen seiner Aussage widersprechen.

Es ist anhand der Darstellung der persönlichen Bedrohungssituation eines Beschwerdeführers und den dabei allenfalls auftretenden Ungereimtheiten – z.B. gehäufte und eklatante Widersprüche (z.B. VwGH 25.1.2001, 2000/20/0544) oder fehlendes Allgemein- und Detailwissen (z.B. VwGH 22.2.2001, 2000/20/0461) - zu beurteilen, ob Schilderungen eines Asylwerbers mit der Tatsachenwelt im Einklang stehen oder nicht.

Grundsätzlich ist ein Verfolgungsschicksal von einem Antragsteller glaubhaft darzulegen. Einem Asylwerber obliegt es, bei den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen und Verhältnissen, von sich aus eine Schilderung zu geben, die geeignet ist, seinen Asylanspruch lückenlos zu tragen und er hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern. Die Behörde muss somit die Überzeugung von der Wahrheit des von einem Asylwerber behaupteten individuellen Schicksals erlangen, aus dem er seine Furcht vor asylrelevanter Verfolgung herleitet. Es kann zwar durchaus dem Asylwerber nicht die Pflicht auferlegt werden, dass dieser hinsichtlich asylbegründeter Vorgänge einen Sachvortrag zu Protokoll geben muss, der auf Grund unumstößlicher Gewissheit als der Wirklichkeit entsprechend gewertet werden muss, die Verantwortung eines Antragstellers muss jedoch darin bestehen, dass er bei tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit die Ereignisse schildert.

Der erkennende Richter geht aufgrund des Eindrucks in der mündlichen Verhandlung und aufgrund einer Gesamtschau des Akteninhaltes davon aus, dass der Beschwerdeführer eine asylrelevante Verfolgung nicht glaubhaft machen konnte; dies aus den folgenden Erwägungen:

Im Laufe des Verfahrens brachte der Beschwerdeführer drei sehr unterschiedliche Fluchtgründe vor, die er vor den verschiedenen Instanzen nicht gleichbleibend hervorhob. Er versuchte, eine Verfolgung wegen seiner angeblichen Homosexualität, wegen seiner behaupteten Mitgliedschaft der Freiheitsbewegung von Biafra IPOB, sowie durch seinen Onkel glaubhaft zu machen. Den Fluchtgrund der Homosexualität hatte er bereits bei seiner polizeilichen Erstbefragung geltend gemacht, seine angebliche politische Aktivität erwähnte er erstmals vor dem BFA und die Verfolgung durch seinen Onkel zum ersten Mal vor dem Bundesverwaltungsgericht. Zudem machte er bei seinen Einvernahmen, insbesondere in der Gegenüberstellung der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vom 12.07.2017 und der Einvernahme im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 10.01.2020 in wesentlichen Punkten lückenhafte, widersprüchliche und unplausible Angaben.

Der Beschwerdeführer führte vor dem BFA an, sich erst im Jahr 2012, im Zuge eines zweijährigen Aufenthaltes als Gastarbeiter in Katar, der Homosexualität zugewandt zu haben. Er habe in zwei Jahren in Katar keine einzige Frau gesehen. Die Männer von Katar würden Männer für Sex brauchen und der Beschwerdeführer sei dafür bezahlt worden. Seither würden den Beschwerdeführer keine Frauen mehr interessieren. Vor dem Bundesverwaltungsgericht erklärte er hingegen, er habe in Nigeria kein Zuhause gehabt und auf dem Markt leben müssen, der jedoch abgebrannt sei. Dann habe er den Mann getroffen, bei dem er die Ausbildung gemacht habe. Er habe mit dem Mann geschlafen und sie haben viel Blödsinn gemacht. Mit diesem Mann habe seine Homosexualität begonnen.

Auch in Hinblick auf die Frage, von wem der Beschwerdeführer in Nigeria gesucht werde, verstrickte er sich im Laufe seiner niederschriftlichen Einvernahme durch die belangte Behörde in eklatante Widersprüche. Zunächst verneinte er die Frage, ob er von heimatlichen Behörden, Polizei, Gericht oder Staatsanwaltschaft gesucht werde und erklärte, es haben private Sicherheitsdienste nach ihm gesucht. Er sei von den privaten Sicherheitsleuten in ein Haus eingesperrt worden und habe nicht auf das Eintreffen der Polizei gewartet. Auf neuerliche Nachfrage gab er an, dass die Polizei doch nach ihm suche und wenn sie ihn erwische, komme er ins Gefängnis. Das Bestehen eines Haftbefehls verneinte er zunächst, korrigierte sich dann jedoch selbst und vermeinte, es bestehe doch ein Haftbefehl. Der „Chief“ (Bürgermeister) habe ihm den Haftbefehl im Auftrag der Polizei gebracht. Darauf sei gestanden, dass der Beschwerdeführer vor Gericht erscheinen solle.

Weiters ist nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer bei seiner niederschriftlichen Einvernahme einerseits vorgab, für den „Chief“ als Installateur gearbeitet und mit ihm über einen Zeitraum von ungefähr sechs Monaten eine sexuelle Beziehung geführt zu haben, andererseits jedoch den „Chief“ vor dem BFA weder beschreiben konnte, noch seinen Namen kannte. Er konnte lediglich erzählen, dass der Chief eine Frau habe, die ihn verlassen habe und zwei Kinder. Mehr wisse er über diesen Mann nicht. Dies mutet insbesondere seltsam an, weil der Beschwerdeführer nur kurz zuvor wörtlich zu Protokoll gegeben hatte: „Dem Chief ist nie etwas passiert, weil er viel Geld hat, wenn ich seinen Namen nennen würde, würde er mich umbringen.“

Über die homosexuelle Gemeinschaft in Österreich konnte der Beschwerdeführer vor dem BFA nichts erzählen, dies mit der Begründung, dass er nicht genug Geld habe und sich nicht so frei bewegen könnte.

Auf die Frage der belangten Behörde, ob er in Österreich homosexuelle Beziehungen habe, erklärte der Beschwerdeführer, er habe einmal mit einer Person in der XXXX Kontakt aufgenommen. Den Namen wisse er nicht, er habe nicht gut ausgesehen, es scheine, als ob er immer betrunken wäre. Weiters habe er im Asylheim Sex mit einem Iraker namens XXXX gehabt, ansonsten sei nichts vorgefallen. Vor dem Bundesverwaltungsgericht erklärte er hingegen, er habe einen irakischen Freund namens XXXX gehabt, mit dem er zusammen im Heim gewohnt habe. Sein Freund habe jedoch Österreich verlassen, aber vielleicht komme er ja wieder.

In Zusammenschau war der Beschwerdeführer weder vor dem BFA, noch vor dem Bundesverwaltungsgericht im Stande, eine glaubwürdige und schlüssige Schilderung der eigenen Situation aufgrund seiner behaupteten Homosexualität darzulegen.

Im Übrigen erwähnte der Beschwerdeführer die von ihm behauptete Homosexualität, die er bei seiner polizeilichen Erstbefragung am 06.10.2015, bei der niederschriftlichen Einvernahme durch das BFA am 12.07.2017 und im Beschwerdeschriftsatz vom 09.08.2017 noch als den zentralen Fluchtgrund dargestellt hatte, im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 10.01.2020 nur noch am Rande und auch nicht ausdrücklich als Rückkehrhindernis. Stattdessen behauptete er – erstmals – eine Privatverfolgung durch seinen Onkel. Wie der folgende Auszug aus der Verhandlungsniederschrift zeigt, thematisierte der Beschwerdeführer seine sexuelle Orientierung gar nicht auf eigene Initiative, sondern nur auf mehrmaliges Nachfragen des erkennenden Richters:

„RI: Was würde Ihnen konkret passieren, wenn Sie jetzt wieder in Ihren Herkunftsstaat zurückkehren müssten?

BF: Ich würde sterben, wirklich.

RI: Warum?

BF: Wegen dieses Mannes. Er will das ganze Vermögen an sich reißen.- Ich würde wirklich sterben. Als ich klein war, hat er mich und meine Schwester aus dem Haus geworfen.

RI: Sie befürchten, dass Ihnen dasselbe passiert, wie Ihrer Schwester?

BF: Ja.

RI: Unter der Annahme, dass Sie die von Ihnen geschilderten Probleme oder Schwierigkeiten mit Ihrem Onkel nicht hätten, könnten Sie dann wieder in Ihrem Herkunftsstaat leben?

BF: Ich wüsste nicht, wo ich ein neues Leben beginnen sollte. Ich habe keinen Platz, wo ich hingehen kann und ich habe kein Geld um zu überleben.

RI: Was war letztlich das Ereignis in Nigeria, was Sie zur Ausreise bewogen hat? Hat das auch mit Ihrem Onkel zu tun?

BF: Ich musste ja auf dem Markt leben, weil mein Onkel mich vor langer Zeit rausgeschmissen hat. Dann brannte alles ab. Dann habe ich den Mann getroffen, bei dem ich dann die Ausbildung gemacht habe. Er hat dann mit mir geschlafen und wir haben viel Blödsinn gemacht. Dann haben sie mich erwischt und ich musste das Land verlassen.

RI: Ihre Fluchtgeschichte vor dem BFA und der Polizei bei der Asylantragstellung drehte sich im Wesentlichen um Ihre behauptete Homosexualität, welche Sie heute lapidar in einem Nebensatz vor Gericht erstmals erwähnen. Was sagen Sie dazu?

BF: Ich habe Ihnen ja erzählt, dass es mit diesem Mann begonnen hat. Hier in Österreich ist es einmal vorgekommen. Ich hatte nämlich hier einen Freund, er hat aber Österreich dann verlassen.

RI: Würden Sie sich als homosexuell bezeichnen?

BF: Ich habe damit begonnen, wegen der damaligen Situation. Ich bin an diesen Mann geraten. Er hat sich damals um mich gekümmert, weil ich niemand anderen hatte.“

In Bezug auf die angebliche, jedoch nur kurzzeitig und ausschließlich im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA thematisierte politische Betätigung des Beschwerdeführers im Rahmen der IPOB („Indigenous People of Biafra“), schließt sich das Bundesverwaltungsgericht vollinhaltlich den Ausführungen der belangten Behörde an. Aus dem Protokoll der niederschriftlichen Einvernahme ist eindeutig ersichtlich, dass der Beschwerdeführer versuchte, seinem Fluchtvorbringen eine politische Dimension hinzuzufügen, was ihm jedoch keineswegs gelang. So konnte er weder IPOB als Organisation beschreiben oder einen prominenten Führer benennen, noch das politische Programm und die Grundidee der Bewegung näher ausführen. Auch war er nicht im Stande, die Flagge Biafras korrekt zu zeichnen. Wohl im Bewusstsein, dass seine Ausführungen nicht ausreichen würden, diesen zusätzlichen Fluchtgrund glaubhaft zu machen, erklärte der Beschwerdeführer wenig später, sein einziger Fluchtgrund sei seine sexuelle Orientierung. In der Beschwerde wurde ein politisches Engagement des Beschwerdeführers für die Unabhängigkeit Biafras mit keinem Wort mehr behauptet und auch in der mündlichen Beschwerdeverhandlung stützte sich der Beschwerdeführer nicht mehr auf diesen, im Lichte der obigen Ausführungen zu Recht als unglaubhaft befundenen Fluchtgrund.

Im Zuge der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht brachte der Beschwerdeführer dafür erstmals vor, ihm drohe in Nigeria eine Privatverfolgung durch seinen Onkel. Auch in Bezug auf dieses Vorbringen machte er sehr undetaillierte und nicht nachvollziehbare, gesteigerte Angaben und verstrickte sich dabei in eklatante Widersprüche, die sich nicht mit seinen Aussagen vor dem BFA vereinbaren lassen. Der Beschwerdeführer erweckte insgesamt den Eindruck, noch während seiner Erzählung an seiner Fluchtgeschichte zu feilen.

Vor dem BFA hatte der Beschwerdeführer noch erklärt, sein Haus sei niedergebrannt worden, nachdem er mit seinem Partner Michael bei der Vornahme sexueller Handlungen betreten worden sei. Vor dem Bundesverwaltungsgericht erzählte er hingegen, sein Onkel habe das Haus damals in Brand gesetzt, sodass er und seine Schwester auf dem Markt leben haben müssen.

Die Person seines Onkels schilderte der Beschwerdeführer zu Beginn der mündlichen Beschwerdeverhandlung noch neutral („Mein Onkel hatte viele Kinder und konnte sich deswegen nicht um uns kümmern…“), um ihn im Laufe der Erzählung nach und nach bedrohlicher darzustellen („Mein Onkel ist ein böser Mensch. Er wollte das ganze Eigentum für sich haben und mich umbringen“). Zu Beginn der mündlichen Verhandlung erklärte er zum Tod seiner Schwester noch: „… Sie hatten aber Probleme, deswegen ist sie wieder nach Nigeria zurück. Dort haben sie sie umgebracht …“, ohne näher auszuführen, wer seine Schwester getötet habe. Ebenfalls in der Beschwerdeverhandlung erklärte er, nicht zu wissen, warum und von wem seine Schwester ermordet worden sei, aber es habe ein großes Problem zwischen ihr seinem dem Onkel gegeben. Schließlich machte er geltend, dass er davon ausgehe, dass sein Onkel die Schwester ermordet habe und er befürchte, dass ihm dasselbe passieren werde wie seiner Schwester.

Generell drängt sich nach der Durchsicht der Einvernahmeprotokolle und der Niederschrift zur mündlichen Verhandlung der Eindruck einer gesamthaft nicht nachvollziehbaren Darstellung und einer konstruierten Fluchtgeschichte auf und erachtet der erkennende Richter das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers im Lichte der obigen Ausführungen - wie auch schon die belangte Behörde - als nicht glaubhaft.

Der Verwaltungsgerichtshof geht davon aus, dass ein spätes, gesteigertes Vorbringen als unglaubwürdig qualifiziert werden kann. Denn kein Asylwerber würde wohl eine sich bietende Gelegenheit, zentral entscheidungsrelevantes Vorbringen zu erstatten, ungenützt vorübergehen lassen (VwGH 07.06.2000, 2000/01/0250).

Doch selbst bei Wahrunterstellung, dass dem Beschwerdeführer aufgrund von Vermögensstreitigkeiten mit seinem Onkel eine Verfolgung drohe, sei angemerkt, dass es sich in diesem Fall um eine Privatverfolgung handelt. Bei einer Verfolgung durch Privatpersonen handelt es sich weder um eine von einer staatlichen Behörde ausgehende noch um eine dem Staat zurechenbare Verfolgung, die von den staatlichen Einrichtungen geduldet würde. Auch sonst sind im gesamten Verfahren keinerlei Anhaltspunkte hervorgekommen, die auf eine mögliche Asylrelevanz der behaupteten Furcht vor Verfolgung im Herkunftsstaat hindeuten würden.

Konkrete Anhaltspunkte dahingehend, dass die staatlichen Institutionen in Nigeria im Hinblick auf eine mögliche Verfolgung durch Privatpersonen tatsächlich weder schutzfähig noch schutzwillig wären, sind weder aus dem Vorbringen vor der belangten Behörde und in der Beschwerde noch aus den der Entscheidung zugrunde gelegten Erkenntnisquellen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat ersichtlich. Dabei ist auch darauf hinzuweisen, dass ein lückenloser Schutz vor privater Verfolgung naturgemäß nicht gewährleistet werden kann, weshalb dem Fehlen eines solchen keine Asylrelevanz zukommt (VwGH 04.05.2000, Zl. 99/20/0177; 13.11.2008, Zl. 2006/01/0191).

Außerdem ist es in Bezug auf den Herkunftsstaat des Beschwerdeführers gerichtsbekannt, dass in Nigeria - selbst bei Vorliegen einer asylrelevanten Verfolgung in einem Teil des Landes - grundsätzlich in anderen Teilen des Landes wie etwa die multiethnischen Zentren Lagos oder Abuja eine innerstaatliche Fluchtalternative iSd § 11 Asylgesetz 2005 besteht, die im Allgemeinen auch zumutbar ist (zu diesem Erfordernis vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. März 2011, Zl. 2008/01/0047); im Besonderen wäre es vor allem dem Beschwerdeführer zumutbar gewesen, innerhalb Nigerias Schutz vor der von ihm behaupteten Gefahr zu suchen, da es sich bei ihm um einen gesunden Erwachsenen handelt, dem ein Ortswechsel ohne weiteres möglich gewesen wäre. Letzteres erschließt sich schon alleine aus dem Umstand, dass es dem Beschwerdeführer schließlich auch gelungen ist, aus Nigeria kommend unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich einzureisen.

Das Bundesverwaltungsgericht kommt daher – wie auch schon die belangte Behörde – zu dem Schluss, dass es dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist, eine konkrete gegen seine Person gerichtete Verfolgung bzw. Verfolgungsgefahr glaubhaft zu machen. Seine Ausführungen lassen in ihrer Gesamtbetrachtung die Fluchtgeschichte als reine gedankliche Konstruktion erscheinen, der jegliche Stringenz hinsichtlich einer Verfolgung fehlt, sodass die Angaben zu seiner behaupteten Verfolgung jegliche Wahrscheinlichkeit und Glaubwürdigkeit vermissen lassen und davon auszugehen ist, dass diese Geschichte nur zum Zwecke der Erlangung eines Aufenthaltstitels vorgebracht wurde. Dies auch insbesondere, da der Beschwerdeführer, wie oben angeführt, hinsichtlich der Geschehnisse nur vage Angaben machte und erst auf Nachfrage konkreter Erlebnisse schilderte und sich dabei wiederholt widersprach.

Der Beschwerdeführer hat weder in seiner Beschwerde, noch im Rahmen der mündlichen Verhandlung neue entscheidungsrelevante Sachverhalte oder Unterlagen vorgebracht, die die Glaubwürdigkeit seiner Angaben stärken hätte können.

Das Bundesverwaltungsgericht kommt daher im Rahmen einer Gesamtbetrachtung - wie auch die belangte Behörde - zu dem Schluss, dass es dem Beschwerdeführer aufgrund der gehäuften Widersprüche und auftretender Unplausibilitäten nicht gelungen ist, eine konkrete, gegen seine Person gerichtete Verfolgung bzw. Verfolgungsgefahr glaubhaft zu machen, der auch Asylrelevanz zukommt.

2.4. Zum Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Nigeria samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von Nichtregierungsorganisationen, wie bspw. Open Doors, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat in Nigeria ergeben sich insbesondere aus den folgenden Meldungen und Berichten:

-        AA - Auswärtiges Amt (10.12.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand Oktober 2018)

-        AA - Auswärtiges Amt (12.4.2019): Nigeria - Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nigeria-node/nigeriasicherheit/ 205788#content_6, Zugriff 12.4.2019

-        AA - Auswärtiges Amt (9.2018c): Nigeria - Wirtschaft,

-        BMEIA - Österreichisches Außenministerium (12.4.2019): Reiseinformationen - Nigeria, https:// www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/nigeria/, Zugriff 12.4.2019

-        BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 - Nigeria Country Report, https://www.ecoi.net/en/file/local/1427393/488302_en.pdf, Zugriff 19.11.2018

-        CFR - Council on Foreign Relations (2019): Nigeria Security Tracker, https://www.cfr.org/nigeria/ nigeria-security-tracker/p29483, Zugriff 12.4.2019

-        DS1 - Diplomatic Source 1 (20.11.2015):

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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