TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/23 W218 1439085-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.03.2020
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Entscheidungsdatum

23.03.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §9 Abs1
AsylG 2005 §9 Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W218 1439085-2/23E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. TAURER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, bevollmächtigt vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Malena STÜRZENBECHER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Salzburg vom 29.06.2018, Zl. XXXX , wegen §§ 9, 10 AsylG und §§ 46, 52, 55, 57 FPG nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 13.06.2019, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Afghanistans, reiste illegal in Österreich ein und stellte am 03.09.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Mit Bescheid des (damaligen) Bundesasylamtes vom 18.11.2013 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, abgewiesen (Spruchpunkt I.) und dem Beschwerdeführer unter Spruchteil II der Status eines subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 nicht zuerkannt. Weiters wurde die Ausweisung des Beschwerdeführers aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG ausgesprochen (Spruchpunkt III.)

3. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17.04.2015 wurde die Beschwerde gegen Spruchpunkt I abgewiesen (Spruchpunkt I.) und unter Spruchpunkt II. wurde ausgesprochen, dass dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt werde. Dem Beschwerdeführer wurde eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 17.04.2016 erteilt.

Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer ein Mann ohne Schul- und Ausbildung aus armen Verhältnissen sei. Er habe mit seiner Familie mehrere Jahre als internally displaced person in Kabul gelebt. Da der Aufenthalt der Familie des Beschwerdeführers unbekannt sei, verfüge der Beschwerdeführer über kein ausreichendes soziales Netzwerk in Afghanistan. In Kabul habe der Beschwerdeführer keine wirtschaftliche Basis und keine Wohnmöglichkeit mehr, da die Stadt seit der Ankunft der internationalen Truppen sehr teuer geworden sei. Aufgrund seines mangelnden Bildungsstandes sei es auch für ihn schwierig sich eine Arbeit als Hilfsarbeiter zu suchen. Die medizinische Behandlung seines Augenleidens sei nicht gesichert. Eine Rückkehr in seine Heimatprovinz Ghazni sei aufgrund der dortigen Sicherheitslage nicht möglich.

4. Mit Bescheid vom 08.05.2018 wurde die befristete Aufenthaltsbewilligung bis zum 17.04.2020 erteilt. Dies begründete die Behörde lediglich damit, dass die Voraussetzungen für die Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung vorlägen, ohne sich mit diesen inhaltlich auseinanderzusetzen. Gemäß § 58 Abs. 2 AVG könne eine nähere Begründung entfallen.

5. In der schriftlichen Stellungnahme vom 22.05.2018 führte der Beschwerdeführer aus, dass er nach wie vor keine Ausbildung genossen habe, der Aufenthaltsort seiner Familie ihm immer noch unbekannt sei und sein Augenleiden weiterhin bestehe. Unter Hinweis auf das Gutachten von Friederike STAHLMANN vom 28.03.2018 führte der Beschwerdeführer aus, dass ihm eine Rückkehr nach Afghanistan nicht zumutbar sei.

Der Beschwerdeführer übermittelte ein ÖSD Zertifikat A2, woraus ersichtlich ist, dass er die Prüfung am 18.11.2016 gut bestanden habe. Darüber hinaus übermittelte er noch seinen Mitgliedsvertrag in einem Fitnessstudio, ein Zertifikat des bit Schulungscenters über die Teilnahme am Niveau A2 und eines Sprechtrainings, die Kursbestätigung für den Deutschkurs A2/1, eine Teilnahmebestätigung am Lehrgang zur Vorbereitung auf den Pflichtschulabschluss, ein Abschluss-Zertifikat für den Kurs Deutsch und Basisbildung, die Anmeldung bei der OOEGKK als Arbeiter, den Lohnzettel vom 20.07. bis 14.08.2015, die Lohn/Gehaltsabrechnungen vom Juli und August 2015 sowie die Einladung zum Projektstart - Vorbereitungsmaßnahme "Back to the future - Beschäftigung" für den 14.05.2018.

6. In der niederschriftlichen Einvernahme vom 15.06.2018 gab der Beschwerdeführer an, er habe den B1 und B2 Kurs in Deutsch gemacht, jedoch die Prüfungen nicht bestanden. Er wolle jedoch arbeiten gehen und abends die Prüfungen nachholen. Auf Aufforderung schrieb der Beschwerdeführer seinen Namen und seine aktuelle Wohnadresse in Österreich auf Deutsch auf, in Dari konnte er nur seinen Namen schreiben.

Der Beschwerdeführer führte zudem aus, er habe bereits eine Augenoperation wegen einer Überwucherung am Augenlid gehabt, dieses Problem sei wieder aufgetreten. Er leide zudem an Bluthockdruck.

Der Beschwerdeführer habe, seit er in Österreich sei, keinen Kontakt mehr zu seiner Familie in Afghanistan. In Afghanistan würden ständig Anschläge passieren, die Sicherheitslage sei immer noch schlecht. Er habe in den sechs Jahren, in denen er in Österreich lebe ein neues Leben angefangen, neue Einstellungen gewonnen und eine neue Kultur kennengelernt. Er arbeite nunmehr und könne auch von seiner Arbeit leben. Er wolle eine Lehre als Koch beginnen und habe bereits AMS Kurse besucht. In seiner Freizeit gehe er in ein Fitnessstudio und habe er auch Bekannte sowie serbische und kroatische Freunde in Österreich.

Der Beschwerdeführer legte einen Arbeitsvertrag für Transitarbeitskräfte von XXXX vor und Zertifikate über die nicht bestandene Deutschprüfungen B1 und B2.

7. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.06.2018 wurde dem Beschwerdeführer der mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17.04.2015 zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 AsylG aberkannt (Spruchpunkt I.) und die erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 9 Abs. 4 AsylG entzogen (Spruchpunkt II.). Dem Beschwerdeführer wurde gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gemäß

§ 10 Abs. 1 Z 5 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß

§ 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei. Weiters wurde innerhalb des Spruches ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß

§ 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

8. Gegen diesen ordnungsgemäß zugestellten Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde. Darin wurde zusammengefasst ausgeführt, dass sich die objektive Lage in Afghanistan seit 2015 drastisch verschlechtert habe. Ihm sei auch weiterhin der Aufenthaltsort seiner Angehörigen unbekannt. Er habe keine Schul- oder Ausbildung genossen, welche ihm in einer afghanischen Großstadt von Nutzen sei. Es sei den Länderberichten auch nicht zu entnehmen, dass sich die Situation für alleinstehende Rückkehrer gebessert hätte. Er leide an CVS und Abdomilagie und habe sich erst kürzlich einer OP unterziehen müssen. Er sei zudem psychisch in schlechtem Zustand. Dem Beschwerdeführer würden aufgrund seines sechsjährigen Aufenthaltes in Österreich zusätzliche Gefahren drohen.

Der Beschwerdeführer übermittelte eine Bestätigung eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 30.07.2018, einen stationären Patientenbrief vom 27.07.2018, die Anmeldung zur OOEGKK vom 08.06.2018 sowie die Lohn/Gehaltsabrechnung ab Juni 2018.

9. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die eingebrachte Beschwerde am 13.06.2019 eine öffentliche, mündliche Verhandlung durchgeführt. Im Zuge dieser Verhandlung wurde Beweis erhoben durch Parteienvernehmung des Beschwerdeführers.

10. Am 10.07.2019 langte eine Stellungnahme des bevollmächtigten Vertreters des Beschwerdeführers beim Bundesverwaltungsgericht ein. Aus dieser geht im Wesentlichen hervor, dass sich die Situation des Beschwerdeführers nicht maßgeblich verändert und sich die Situation in Afghanistan zum Schlechteren gewandelt hätte. Das Urteil des EuGH vom 23.05.2019, C-720/17, sei hier nicht anzuwenden, da die belangte Behörde eine Neubeurteilung der Lage vorgenommen habe und sich nicht der Kenntnisstand der belangten Behörde geändert habe. Aufgrund der erfolgreichen Integration des Beschwerdeführers sei ihm eine Aufenthaltsberechtigung plus zu gewähren und die Rückkehrentscheidung für dauerhaft unzulässig zu erklären.

11. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 04.09.2019 wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

12. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28.01.2020 wurde aufgrund der außerordentlichen Revision des Beschwerdeführers das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, das Bundesverwaltungsgericht habe die Änderung der Umstände ausschließlich im Vergleich zum Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17.04.2015, der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, beurteilet und die zuletzt erfolgte Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung vom 08.05.2018 nicht beachtet.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan und Angehöriger der Volksgruppe der Hazara. Er lebte zumindest vier Jahre bis zu seiner Ausreise in Kabul. Die Identität des Beschwerdeführers steht nicht fest. In Afghanistan hat der Beschwerdeführer weder eine Schul- noch eine Berufsausbildung genossen, er hat Berufserfahrung als Teppichknüpfer gesammelt, diese Arbeit aber nicht regelmäßig ausgeübt.

Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig.

Nach seiner illegalen Einreise in das Bundesgebiet war der Beschwerdeführer zunächst ab September 2012 als Asylwerber aufhältig. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17.04.2015 wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigen zuerkannt und die Beschwerde gegen die Nichterteilung des Asylstatus als unbegründet abgewiesen. Gegen dieses Erkenntnis wurde kein Rechtsmittel ergriffen.

Der Beschwerdeführer war zunächst aufgrund einer befristet erteilen Aufenthaltsberechtigung, dann aufgrund einer mit Bescheid vom 08.05.2018 befristet bis 17.04.2020 erteilten Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter vorübergehend legal in Österreich aufhältig. Mit Bescheid vom 29.06.2018 wurde ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt.

Der Beschwerdeführer hat in Österreich zwei Semester die Schule besucht und arbeitete im Zeitraum 20.07.2015 bis 14.08.2015 als Reinigungskraft und ist seit 11.06.2018 bei XXXX laufend in der Gastronomie vollversicherungspflichtig beschäftigt. Er hat die Deutschkurse A1 und A2 jeweils bestanden, die Deutschkurse B1 und B2 nicht.

Dem Beschwerdeführer wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17.04.2015 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 17.04.2016 erteilt. Über Antrag vom 26.03.2016 wurde mit Bescheid vom 08.05.2018 die Gültigkeit dieser Aufenthaltsberechtigung bis zum 17.04.2020 verlängert. Mit Bescheid vom 29.06.2018 wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten gem. § 9 Abs. 1 AsylG 2005 aberkannt.

Der Beschwerdeführer war bei der Antragstellung auf internationalen Schutz minderjährig, bei der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten bereits knapp volljährig. Seit er in Österreich aufhältig ist, hat er die Schule besucht und arbeitet seit Juni 2018 in einem Projekt des AMS. Der Beschwerdeführer ist seit 11.06.2018 vollversicherungspflichtig beschäftigt.

Die Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung erfolgte ohne weitere Prüfung der Voraussetzungen. Die Behörde ist nicht verpflichtet, bei jedem Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung eine Detailprüfung vorzunehmen. Eine Prüfung, ob sich die Lage des Beschwerdeführers geändert habe, wurde erst in Folge vorgenommen. Die Behörde gelangte daraufhin im Zuge der weiteren Prüfung zu dem Erkenntnis, dass sich die persönlichen Umstände des Beschwerdeführers geändert haben und daher eine Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung nicht mehr nötig sei, da der Beschwerdeführer nicht mehr schutzbedürftig sei. Dieser Eindruck bestätigte sich auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Der Beschwerdeführer hat inzwischen die Volljährigkeit erreicht und ist nun ein gesunder, selbständiger junger Mann von fast 23 Jahren. Bei der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten war der Beschwerdeführer erst seit kurzem volljährig, bei der letzten Verlängerung des Aufenthaltstitels bereits 21 Jahre alt. Der Beschwerdeführer ist seit 11.06.2018, also erst nach Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung, vollversicherungspflichtig beschäftigt und hat daher seit der letzten Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung seine Selbsterhaltungsfähigkeit unter Beweis gestellt und ist durch die seither erhaltene Berufserfahrung reifer und erfahrener geworden.

Beim Status des subsidiären Schutzes handelt es sich stets nur um ein vorübergehendes (wenn auch verlängerbares) Aufenthaltsrecht. Der Beschwerdeführer kann daher nicht damit rechnen, dass der Status für immer aufrecht bleibt.

Die persönliche Situation des Beschwerdeführers stellt sich nun anders dar, als bei der Zuerkennung des subsidiären Schutzes und der letzten Erteilung der Aufenthaltsbewilligung am 08.05.2018, daher liegen die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes nicht mehr vor und ist ihm eine Rückkehr in seinen Herkunftsstaat zumutbar. Zwischen der Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung und dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vergingen etwas über eineinhalb Jahre, in denen der Beschwerdeführer seine Berufstätigkeit verfestigen und sich weiter fortbilden konnte.

Festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer nicht mehr des Status des subsidiär Schutzberechtigten bedarf und auch keine Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung geboten ist.

Festgestellt wird, dass dem Beschwerdeführer in Kabul, Mazar-e Sharif oder auch Herat keine konkret gegen ihn gerichtete Gefahr psychischer und/oder physischer Gewalt droht. Der Beschwerdeführer wird weder aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung noch aus anderen Gründen verfolgt.

Festgestellt wird weiters, dass das Leben des Beschwerdeführers weder in Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit gefährdet ist oder er dort mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung ausgesetzt ist.

Durch die Abschiebung des Beschwerdeführers in den Heimatstaat würde dieser - unter Beachtung der Lage im Herkunftsstaat und der individuellen Situation - nicht in den Rechten gemäß Artikel 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 und Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt oder würde diese für ihn als Zivilperson nicht eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen.

Der Beschwerdeführer konnte keine individuelle Verfolgung glaubhaft machen. Dem Beschwerdeführer ist eine Rückkehr nach Kabul zumutbar, zusätzlich steht ihm eine innerstaatliche Flucht- bzw. Schutzalternative in einer der großen Städte wie Herat oder Mazar-e-Sharif zur Verfügung. Kabul ist von Österreich aus mit dem Flugzeug erreichbar, von dort aus kann der Beschwerdeführer mit dem Flugzeug nach Herat oder Mazar e Sharif weiterreisen. Der Beschwerdeführer hat bereits in Kabul gelebt und ist daher mit den Gegebenheiten einer afghanischen Großstadt vertraut.

Der Beschwerdeführer konnte keine individuellen Gründe vorbringen, warum ihm eine Rückkehr in sein Heimatland nicht zumutbar sein sollte.

Im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan könnte der Beschwerdeführer zunächst finanzielle Unterstützung in Form der Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen. Mit dieser Unterstützung ist ihm der Aufbau einer Existenzgrundlage in den Städten Kabul, Herat oder Mazar-e-Sharif möglich. Seine Existenz könnte er dort - zumindest anfänglich - mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern. Er ist auch in der Lage, in den Städten Kabul, Herat oder Mazar-e-Sharif eine einfache Unterkunft zu finden. Durch die Abschiebung des Beschwerdeführers in den Heimatstaat würde dieser - unter Beachtung der Lage im Herkunftsstaat und der individuellen Situation - nicht in den Rechten gemäß Artikel 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 und Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt oder würde diese für ihn als Zivilperson nicht eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen.

Der Beschwerdeführer ist ausreichend gesund, verfügt über keinerlei Familienangehörigen und hat keine sonstigen intensiven Kontakte in Österreich. Der Beschwerdeführer ist berufstätig und hat begonnen sich Kenntnisse der deutschen Sprache anzueignen, er kann sich in einfachen Worten auf Deutsch verständigen. Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich unbescholten. Der Beschwerdeführer ist in Österreich in keiner Weise integriert.

Zur relevanten Situation in Afghanistan:

Hinsichtlich der relevanten Situation in Afghanistan wird zunächst prinzipiell auf die Länderfeststellungen der belangten Behörde zu Afghanistan verwiesen. Bis zum Entscheidungsdatum sind dem Bundesverwaltungsgericht keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen der Ländersituation bekannt geworden.

Ergänzend wird Folgendes festgestellt:

Sicherheitslage

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor volatil (UNGASC 3.9.2019), nachdem im Frühjahr sowohl die Taliban als auch die afghanische Regierung neue Offensiven verlautbart hatten (USDOD 6.2019). Traditionell markiert die Ankündigung der jährlichen Frühjahrsoffensive der Taliban den Beginn der sogenannten Kampfsaison - was eher als symbolisch gewertet werden kann, da die Taliban und die Regierungskräfte in den vergangenen Jahren auch im Winter gegeneinander kämpften (AJ 12.4.2019). Die Frühjahrsoffensive des Jahres 2019 trägt den Namen al-Fath (UNGASC 14.6.2019; vgl. AJ 12.4.2019; NYT 12.4.2019) und wurde von den Taliban trotz der Friedensgespräche angekündigt (AJ 12.4.2019; vgl. NYT 12.4.2019). Landesweit am meisten von diesem aktiven Konflikt betroffen, waren die Provinzen Helmand, Farah und Ghazni (UNGASC 14.6.2019). Offensiven der afghanischen Spezialeinheiten der Sicherheitskräfte gegen die Taliban wurden seit Dezember 2018 verstärkt - dies hatte zum Ziel die Bewegungsfreiheit der Taliban zu stören, Schlüsselgebiete zu verteidigen und damit eine produktive Teilnahme der Taliban an den Friedensgesprächen zu erzwingen (SIGAR 30.7.2019). Seit Juli 2018 liefen auf hochrangiger politischer Ebene Bestrebungen, den Konflikt zwischen der afghanischen Regierungen und den Taliban politisch zu lösen (TS 22.1.2019). Berichten zufolge standen die Verhandlungen mit den Taliban kurz vor dem Abschluss. Als Anfang September der US-amerikanische Präsident ein geplantes Treffen mit den Islamisten - als Reaktion auf einen Anschlag - absagte (DZ 8.9.2019). Während sich die derzeitige militärische Situation in Afghanistan nach wie vor in einer Sackgasse befindet, stabilisierte die Einführung zusätzlicher Berater und Wegbereiter im Jahr 2018 die Situation und verlangsamte die Dynamik des Vormarsches der Taliban (USDOD 12.2018).

Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, die wichtigsten Bevölkerungszentren und Transitrouten sowie Provinzhauptstädte und die meisten Distriktzentren (USDOD 6.2019). Die afghanischen Kräfte sichern die Städte und andere Stützpunkte der Regierung; die Taliban verstärken groß angelegte Angriffe, wodurch eine Vielzahl afghanischer Kräfte in Verteidigungsmissionen eingebunden ist, Engpässe entstehen und dadurch manchmal auch Kräfte fehlen können, um Territorium zu halten (SIGAR 30.4.2019; vgl. NYT 19.7.2019). Kämpfe waren auch weiterhin auf konstant hohem Niveau. Die Ausnahme waren islamische Festtage, an denen, wie bereits in der Vergangenheit auch schon, das Kampfniveau deutlich zurückging, als sowohl regierungsfreundliche Kräfte, aber auch regierungsfeindliche Elemente ihre offensiven Operationen reduzierten. Im Gegensatz dazu hielt das Kampftempo während des gesamten Fastenmonats Ramadan an, da regierungsfeindliche Elemente mehrere Selbstmordattentate ausführten und sowohl regierungsfreundliche Truppen, als auch regierungsfeindliche Elemente, bekundeten, ihre operative Dynamik aufrechtzuerhalten (UNGASC 3.9.2019). Die Taliban verlautbarten, eine asymmetrische Strategie zu verfolgen: die Aufständischen führen weiterhin Überfälle auf Kontrollpunkte und Distriktzentren aus und bedrohen Bevölkerungszentren (UNGASC 7.12.2018). Angriffe haben sich zwischen November 2018 und Jänner 2019 um 19% im Vergleich zum Vorberichtszeitraum (16.8. - 31.10.2018) verstärkt. Insbesondere in den Wintermonaten wurde in Afghanistan eine erhöhte Unsicherheit wahrgenommen. (SIGAR 30.4.2019). Seit dem Jahr 2002 ist die Wintersaison besonders stark umkämpft. Trotzdem bemühten sich die ANDSF und Koalitionskräfte die Anzahl ziviler Opfer zu reduzieren und konzentrierten sich auf Verteidigungsoperationen gegen die Taliban und den ISKP. Diese Operationen verursachten bei den Aufständischen schwere Verluste und hinderten sie daran ihr Ziel zu erreichen (USDOD 6.2019). Der ISKP ist auch weiterhin widerstandsfähig: Afghanische und internationale Streitkräfte führten mit einem hohen Tempo Operationen gegen die Hochburgen des ISKP in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch, was zu einer gewissen Verschlechterung der Führungsstrukturen der ISKP führt. Dennoch konkurriert die Gruppierung auch weiterhin mit den Taliban in der östlichen Region und hat eine operative Kapazität in der Stadt Kabul behalten (UNGASC 3.9.2019).

So erzielen weder die afghanischen Sicherheitskräfte noch regierungsfeindliche Elemente signifikante territoriale Gewinne. Das aktivste Konfliktgebiet ist die Provinz Kandahar, gefolgt von den Provinzen Helmand und Nangarhar. Wenngleich keine signifikanten Bedrohungen der staatlichen Kontrolle über Provinzhauptstädte gibt, wurde in der Nähe der Provinzhauptstädte Farah, Kunduz und Ghazni über ein hohes Maß an Taliban-Aktivität berichtet (UNGASC 3.9.2019). In mehreren Regionen wurden von den Taliban vorübergehend strategische Posten entlang der Hauptstraßen eingenommen, sodass sie den Verkehr zwischen den Provinzen erfolgreich einschränken konnten (UNGASC 7.12.2018). So kam es beispielsweise in strategisch liegenden Provinzen entlang des Highway 1 (Ring Road) zu temporären Einschränkungen durch die Taliban (UNGASC 7.12.2018; vgl. ARN 23.6.2019). Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte stellen erhebliche Mittel für die Verbesserung der Sicherheit auf den Hauptstraßen bereit - insbesondere in den Provinzen Ghazni, Zabul, Balkh und Jawzjan. (UNGASC 3.9.2019).

Für das gesamte Jahr 2018, registrierten die Vereinten Nationen (UN) in Afghanistan insgesamt 22.478 sicherheitsrelevante Vorfälle. Gegenüber 2017 ist das ein Rückgang von 5%, wobei die Anzahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle im Jahr 2017 mit insgesamt 23.744 ihren bisherigen Höhepunkt erreicht hatte (UNGASC 28.2.2019).

Für den Berichtszeitraum 10.5.-8.8.2019 registriert die Vereinten Nationen (UN) insgesamt 5.856 sicherheitsrelevanter Vorfälle - eine Zunahme von 1% gegenüber dem Vorjahreszeitraum. 63% Prozent aller sicherheitsrelevanten Vorfälle, die höchste Anzahl, wurde im Berichtszeitraum in den südlichen, östlichen und südöstlichen Regionen registriert (UNGASC 3.9.2019). Für den Berichtszeitraum 8.2-9.5.2019 registrierte die UN insgesamt 5.249 sicherheitsrelevante Vorfälle - ein Rückgang von 7% gegenüber dem Vorjahreswert; wo auch die Anzahl ziviler Opfer signifikant zurückgegangen ist (UNGASC 14.6.2019).

Für den Berichtszeitraum 10.5.-8.8.2019 sind 56% (3.294) aller sicherheitsrelevanten Vorfälle bewaffnete Zusammenstöße gewesen; ein Rückgang um 7% im Vergleich zum Vorjahreswert. Sicherheitsrelevante Vorfälle bei denen improvisierte Sprengkörper verwendet wurden, verzeichneten eine Zunahme von 17%. Bei den Selbstmordattentaten konnte ein Rückgang von 44% verzeichnet werden. Die afghanischen Sicherheitskräfte führen gemeinsam mit internationalen Kräften, weiterhin eine hohe Anzahl von Luftangriffen durch: 506 Angriffe wurden im Berichtszeitraum verzeichnet - 57% mehr als im Vergleichszeitraum des Jahres 2018 (UNGASC 3.9.2019).

Im Gegensatz dazu, registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) für das Jahr 2018 landesweit 29.493 sicherheitsrelevante Vorfälle, welche auf NGOs Einfluss hatten. In den ersten acht Monaten des Jahres 2019 waren es 18.438 Vorfälle. Zu den gemeldeten Ereignissen zählten, beispielsweise geringfügige kriminelle Überfälle und Drohungen ebenso wie bewaffnete Angriffe und Bombenanschläge (INSO o.D.).

Global Incident Map (GIM) verzeichnete in den ersten drei Quartalen des Jahres 2019 3.540 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahr 2018 waren es 4.433.

Jänner bis Oktober 2018 nahm die Kontrolle oder der Einfluss der afghanischen Regierung von 56% auf 54% der Distrikte ab, die Kontrolle bzw. Einfluss der Aufständischen auf Distrikte sank in diesem Zeitraum von 15% auf 12%. Der Anteil der umstrittenen Distrikte stieg von 29% auf 34%. Der Prozentsatz der Bevölkerung, welche in Distrikten unter afghanischer Regierungskontrolle oder -einfluss lebte, ging mit Stand Oktober 2018 auf 63,5% zurück. 8,5 Millionen Menschen (25,6% der Bevölkerung) leben mit Stand Oktober 2018 in umkämpften Gebieten, ein Anstieg um fast zwei Prozentpunkte gegenüber dem gleichen Zeitpunkt im Jahr 2017. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an von den Aufständischen kontrollierten Distrikten waren Kunduz, Uruzgan und Helmand (SIGAR 30.1.2019).

Ein auf Afghanistan spezialisierter Militäranalyst berichtete im Januar 2019, dass rund 39% der afghanischen Distrikte unter der Kontrolle der afghanischen Regierung standen und 37% von den Taliban kontrolliert wurden. Diese Gebiete waren relativ ruhig, Zusammenstöße wurden gelegentlich gemeldet. Rund 20% der Distrikte waren stark umkämpft. Der Islamische Staat (IS) kontrollierte rund 4% der Distrikte (MA 14.1.2019).

Die Kontrolle über Distrikte, Bevölkerung und Territorium befindet sich derzeit in einer Pattsituation (SIGAR 30.4.2019). Die Anzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle Ende 2018 bis Ende Juni 2019, insbesondere in der Provinz Helmand, sind als verstärkte Bemühungen der Sicherheitskräfte zu sehen, wichtige Taliban-Hochburgen und deren Führung zu erreichen, um in weiterer Folge eine Teilnahme der Taliban an den Friedensgesprächen zu erzwingen (SIGAR 30.7.2019). Intensivierte Kampfhandlungen zwischen ANDSF und Taliban werden von beiden Konfliktparteien als Druckmittel am Verhandlungstisch in Doha erachtet (SIGAR 30.4.2019; vgl. NYT 19.7.2019).

Zivile Opfer

Die Vereinten Nationen dokumentierten für den Berichtszeitraum 1.1.-30.9.2019 8.239 zivile Opfer (2.563 Tote, 5.676 Verletzte) - dieser Wert ähnelt dem Vorjahreswert 2018. Regierungsfeindliche Elemente waren auch weiterhin Hauptursache für zivile Opfer; 41% der Opfer waren Frauen und Kinder. Wenngleich die Vereinten Nationen für das erste Halbjahr 2019 die niedrigste Anzahl ziviler Opfer registrierten, so waren Juli, August und September - im Gegensatz zu 2019 - von einem hohen Gewaltniveau betroffen. Zivilisten, die in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Helmand, Ghazni, und Faryab wohnten, waren am stärksten vom Konflikt betroffen (in dieser Reihenfolge) (UNAMA 17.10.2019).

Für das gesamte Jahr 2018 wurde von mindestens 9.214 zivilen Opfern (2.845 Tote, 6.369 Verletzte) (SIGAR 30.4.2019) berichtet bzw. dokumentierte die UNAMA insgesamt 10.993 zivile Opfer (3.804 Tote und 7.189 Verletzte). Den Aufzeichnungen der UNAMA zufolge, entspricht das einem Anstieg bei der Gesamtanzahl an zivilen Opfern um 5% bzw. 11% bei zivilen Todesfällen gegenüber dem Jahr 2017 und markierte einen Höchststand seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 2009. Die meisten zivilen Opfer wurden im Jahr 2018 in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Helmand, Ghazni und Faryab verzeichnet, wobei die beiden Provinzen mit der höchsten zivilen Opferanzahl - Kabul (1.866) und Nangarhar (1.815) - 2018 mehr als doppelt so viele Opfer zu verzeichnen hatten, wie die drittplatzierte Provinz Helmand (880 zivile Opfer) (UNAMA 24.2.2019; vgl. SIGAR 30.4.2019). Im Jahr 2018 stieg die Anzahl an dokumentierten zivilen Opfern aufgrund von Handlungen der regierungsfreundlichen Kräfte um 24% gegenüber 2017. Der Anstieg ziviler Opfer durch Handlungen regierungsfreundlicher Kräfte im Jahr 2018 wird auf verstärkte Luftangriffe, Suchoperationen der ANDSF und regierungsfreundlicher bewaffneter Gruppierungen zurückgeführt (UNAMA 24.2.2019).

High-Profile Angriffe (HPAs)

Sowohl im gesamten Jahr 2018 (USDOD 12.2018), als auch in den ersten fünf Monaten 2019 führten Aufständische, Taliban und andere militante Gruppierungen, insbesondere in der Hauptstadtregion weiterhin Anschläge auf hochrangige Ziele aus, um die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zu ziehen, die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben und die Wahrnehmung einer weit verbreiteten Unsicherheit zu schaffen (USDOD 6.2019; vgl. USDOD 12.2018). Diese Angriffe sind stetig zurückgegangen (USDOD 6.2019). Zwischen 1.6.2018 und 30.11.2018 fanden 59 HPAs in Kabul statt (Vorjahreswert: 73) (USDOD 12.2018), zwischen 1.12.2018 und15.5.2019 waren es 6 HPAs (Vorjahreswert: 17) (USDOD 6.2019).

Anschläge gegen Gläubige und Kultstätten, religiöse Minderheiten

Die Zahl der Angriffe auf Gläubige, religiöse Exponenten und Kultstätten war 2018 auf einem ähnlich hohen Niveau wie 2017: bei 22 Angriffen durch regierungsfeindliche Kräfte, meist des ISKP, wurden 453 zivile Opfer registriert (156 Tote, 297 Verletzte), ein Großteil verursacht durch Selbstmordanschläge (136 Tote, 266 Verletzte) (UNAMA 24.2.2019).

Für das Jahr 2018 wurden insgesamt 19 Vorfälle konfessionell motivierter Gewalt gegen Schiiten dokumentiert, bei denen es insgesamt zu 747 zivilen Opfern kam (223 Tote, 524 Verletzte). Dies ist eine Zunahme von 34% verglichen mit dem Jahr 2017. Während die Mehrheit konfessionell motivierter Angriffe gegen Schiiten im Jahr 2017 auf Kultstätten verübt wurden, gab es im Jahr 2018 nur zwei derartige Angriffe. Die meisten Anschläge auf Schiiten fanden im Jahr 2018 in anderen zivilen Lebensräumen statt, einschließlich in mehrheitlich von Schiiten oder Hazara bewohnten Gegenden. Gezielte Attentate und Selbstmordangriffe auf religiöse Führer und Gläubige führten, zu 35 zivilen Opfern (15 Tote, 20 Verletzte) (UNAMA 24.2.2019).

Angriffe im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen im Oktober 2018

Die afghanische Regierung bemühte sich Wahllokale zu sichern, was mehr als 4 Millionen afghanischen Bürgern ermöglichte zu wählen (UNAMA 11.2018). Und auch die Vorkehrungen der ANDSF zur Sicherung der Wahllokale ermöglichten eine Wahl, die weniger gewalttätig war als jede andere Wahl der letzten zehn Jahre (USDOS 12.2018). Die Taliban hatten im Vorfeld öffentlich verkündet, die für Oktober 2018 geplanten Parlamentswahlen stören zu wollen. Ähnlich wie bei der Präsidentschaftswahl 2014 warnten sie Bürger davor, sich für die Wahl zu registrieren, verhängten "Geldbußen" und/oder beschlagnahmten Tazkiras und bedrohten Personen, die an der Durchführung der Wahl beteiligt waren (UNAMA 11.2018; vgl. USDOS 13.3.2019). Von Beginn der Wählerregistrierung (14.4.2018) bis Ende des Jahres 2018, wurden 1.007 Opfer (226 Tote, 781 Verletzte) sowie 310 Entführungen aufgrund der Wahl verzeichnet (UNAMA 24.2.2019). Am Wahltag (20.10.2018) verifizierte UNAMA 388 zivile Opfer (52 Tote und 336 Verletzte) durch Wahl bedingte Gewalt. Die höchste Anzahl an zivilen Opfern an einem Wahltag seit Beginn der Aufzeichnungen durch UNAMA im Jahr 2009 (UNAMA 11.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen

In Afghanistan sind unterschiedliche regierungsfeindliche Gruppierungen aktiv - insbesondere die Grenzregion zu Pakistan bleibt eine Zufluchtsstätte für unterschiedliche Gruppierungen, wie Taliban, Islamischer Staat, al-Qaida, Haqqani-Netzwerk, Lashkar-e Tayyiba, Tehrik-e Taliban Pakistan, sowie Islamic Movement of Uzbekistan (USDOD 6.2019; vgl. CRS 12.2.2019) und stellt nicht nur für die beiden Länder eine Sicherheitsherausforderung dar, sondern eine Bedrohung für die gesamte regionale Sicherheit und Stabilität (USDOD 6.2019):

Taliban

Die USA sprechen seit rund einem Jahr mit hochrangigen Vertretern der Taliban über eine politische Lösung des langjährigen Afghanistan-Konflikts. Dabei geht es vor allem um Truppenabzüge und Garantien der Taliban, dass Afghanistan kein sicherer Hafen für Terroristen wird. Beide Seiten hatten sich jüngst optimistisch gezeigt, bald zu einer Einigung zu kommen (FAZ 21.8.2019). Während dieser Verhandlungen haben die Taliban Forderungen eines Waffenstillstandes abgewiesen und täglich Operationen ausgeführt, die hauptsächlich die afghanischen Sicherheitskräfte zum Ziel haben. (TG 30.7.2019). Zwischen 1.12.2018 und 31.5.2019 haben die Talibanaufständischen mehr Angriffe ausgeführt, als in der Vergangenheit üblich, trotzdem war die Gesamtzahl effektiver feindlicher Angriffe stark rückläufig. Diese Angriffe hatten hauptsächlich militärische Außenposten und Kontrollpunkte sowie andere schlecht verteidigte ANDSF-Posten zu Ziel. Das wird als Versuch gewertet, in den Friedensverhandlungen ein Druckmittel zu haben (USDOD 6.2019).

Der derzeitige Taliban-Führer ist nach wie vor Haibatullah Akhundzada (REU 17.8.2019; vgl. FA 3.1.2018) - Stellvertreter sind Mullah Mohammad Yaqub - Sohn des ehemaligen Taliban-Führers Mullah Omar - und Serajuddin Haqqani (CTC 1.2018; vgl. TN 26.5.2016) Sohn des Führers des Haqqani-Netzwerkes (TN 13.1.2017). Die Taliban bezeichnen sich selbst als das Islamische Emirat Afghanistan (VOJ o.D.). Die Regierungsstruktur und das militärische Kommando sind in der Layha, einem Verhaltenskodex der Taliban, definiert (AAN 4.7.2011), welche zuletzt 2010 veröffentlicht wurde (AAN 6.12.2018).

Ein Bericht über die Rekrutierungspraxis der Taliban teilt die Taliban-Kämpfer in zwei Kategorien: professionelle Vollzeitkämpfer, die oft in den Madrassen rekrutiert werden, und Teilzeit-Kämpfer vor Ort, die gegenüber einem lokalen Kommandanten loyal und in die lokale Gesellschaft eingebettet sind (LI 29.6.2017). Die Gesamtstärke der Taliban wurde von einem Experten im Jahr 2017 auf über 200.000 geschätzt, darunter angeblich 150.000 Kämpfer (rund 60.000 Vollzeitkämpfer mobiler Einheiten, der Rest sein Teil der lokalen Milizen). Der Experte schätzte jedoch, dass die Zahl der Vollzeitkämpfer, die gleichzeitig in Afghanistan aktiv sind, selten 40.000 übersteigt (LI 23.8.2017). Im Jänner 2018 schätzte ein Beamter des US-Verteidigungsministeriums die Gesamtstärke der Taliban in Afghanistan auf 60.000 (NBC 30.1.2018). Laut dem oben genannten Experten werden die Kämpfe hauptsächlich von den Vollzeitkämpfern der mobilen Einheiten ausgetragen (LI 23.8.2017; vgl. AAN 3.1.2017; AAN 17.3.2017).

Die Taliban betreiben Trainingslager in Afghanistan. Seit Ende 2014 wurden 20 davon öffentlich zur Schau gestellt. Das Khalid bin Walid-Camp soll12 Ableger, in acht Provinzen betreibt (Helmand, Kandahar, Ghazni, Ghor, Saripul, Faryab, Farah und Maidan Wardak). 300 Militärtrainer und Gelehrte sind dort tätig und es soll möglich sein, in diesem Camp bis zu 2.000 Rekruten auf einmal auszubilden (LWJ 14.8.2019).

Die Mehrheit der Taliban sind immer noch Paschtunen, obwohl es eine wachsende Minderheit an Tadschiken, Usbeken, Belutschen und sogar mehreren hundert Hazara (einschließlich Schiiten) gibt (LI 23.8.2017). In einigen nördlichen Gebieten sollen die Taliban bereits überwiegend Nicht-Paschtunen sein, da sie innerhalb der lokalen Bevölkerung rekrutieren (LI 23.8.2017).

Haqqani-Netzwerk

Das seit 2012 bestehende Haqqani-Netzwerk ist eine teilautonome Organisation, Bestandteil der afghanischen Taliban und Verbündeter von al-Qaida (CRS 12.2.2019). Benannt nach dessen Begründer, Jalaluddin Haqqani (AAN 1.7.2010; vgl. USDOS 19.9.2018; vgl. CRS 12.2.2019), einem führenden Mitglied des antisowjetischen Jihad (1979-1989) und einer wichtigen Taliban-Figur; sein Tod wurde von den Taliban im September 2018 verlautbart. Der derzeitige Leiter ist dessen Sohn Serajuddin Haqqani, der seit 2015, als stellvertretender Leiter galt (CTC 1.2018).

Als gefährlichster Arm der Taliban, hat das Haqqani-Netzwerk, seit Jahren Angriffe in den städtischen Bereichen ausgeführt (NYT 20.8.2019) und wird für einige der tödlichsten Angriffe in Afghanistan verantwortlich gemacht (CRS 12.2.2019).

Islamischer Staat (IS/ISIS/ISIL/Daesh), Islamischer Staat Khorasan Provinz (ISKP)

Erste Berichte über den Islamischen Staat (IS, auch ISIS, ISIL oder Daesh genannt) in Afghanistan gehen auf den Sommer 2014 zurück (AAN 17.11.2014; vgl. LWJ 5.3.2015). Zu den Kommandanten gehörten zunächst oft unzufriedene afghanische und pakistanische Taliban (AAN 1.8.2017; vgl. LWJ 4.12.2017). Schätzungen zur Stärke des ISKP variieren zwischen 1.500 und 3.000 (USDOS 18.9.2018), bzw. 2.500 und 4.000 Kämpfern (UNSC 13.6.2019). Nach US-Angaben vom Frühjahr 2019 ist ihre Zahl auf 5.000 gestiegen. Auch soll der Islamische Staat vom zahlenmäßigen Anstieg der Kämpfer in Pakistan und Usbekistan sowie von aus Syrien geflohenen Kämpfern profitieren (BAMF 3.6.2019; vgl. VOA 21.5.2019).

Berichten zufolge, besteht der ISKP in Pakistan hauptsächlich aus ehemaligen Teherik-e Taliban Mitgliedern, die vor der pakistanischen Armee und ihrer militärischen Operationen in der FATA geflohen sind (CRS 12.2.2019 ;vgl. CTC 12.2018). Dem Islamischen Staat ist es gelungen, seine organisatorischen Kapazitäten sowohl in Afghanistan als auch in Pakistan dadurch zu stärken, dass er Partnerschaften mit regionalen militanten Gruppen einging. Seit 2014 haben sich dem Islamischen Staat mehrere Gruppen in Afghanistan angeschlossen, z.B. Teherik-e Taliban Pakistan (TTP)-Fraktionen oder das Islamic Movement of Uzbekistan (IMU), während andere ohne formelle Zugehörigkeitserklärung mit IS-Gruppierungen zusammengearbeitet haben, z.B. die Jundullah-Fraktion von TTP oder Lashkar-e Islam (CTC 12.2018).

Der islamische Staat hat eine Präsenz im Osten des Landes, insbesondere in der Provinz Nangarhar, die an Pakistan angrenzt (CRS 12.2.2019 ;vgl. CTC 12.2018). In dieser sind vor allem bestimmte südliche Distrikte von Nangarhar betroffen (AAN 27.9.2016; vgl. REU 23.11.2017; AAN 23.9.2017; AAN 19.2.2019), wo sie mit den Taliban um die Kontrolle kämpfen (RFE/RL 30.10.2017; vgl. AAN 19.2.2019). Im Jahr 2018 erlitt der ISKP militärische Rückschläge sowie Gebietsverluste und einen weiteren Abgang von Führungspersönlichkeiten. Einerseits konnten die Regierungskräfte die Kontrolle über ehemalige IS-Gebiete erlangen, andererseits schwächten auch die Taliban die Kontrolle des ISKP in Gebieten in Nangarhar (UNSC 13.6.2019; vgl. CSR 12.2.2019). Aufgrund der militärischen Niederlagen war der ISKP dazu gezwungen, die Anzahl seiner Angriffe zu reduzieren. Die Gruppierung versuchte die Provinzen Paktia und Logar im Südosten einzunehmen, war aber schlussendlich erfolglos (UNSC 31.7.2019). Im Norden Afghanistans versuchten sie ebenfalls Fuß zu fassen. Im August 2018 erfuhr diese Gruppierung Niederlagen, wenngleich sie dennoch als Bedrohung in dieser Region wahrgenommen wird (CSR 12.2.2019). Berichte über die Präsenz des ISKP könnten jedoch übertrieben sein, da Warnungen vor dem Islamischen Staat laut einem Afghanistan-Experten "ein nützliches Fundraising-Tool" sind: so kann die afghanische Regierung dafür sorgen, dass Afghanistan im Bewusstsein des Westens bleibt und die Auslandshilfe nicht völlig versiegt (NAT 12.1.2017). Die Präsenz des ISKP konzentrierte sich auf die Provinzen Kunar und Nangarhar. Außerhalb von Ostafghanistan ist es dem ISKP nicht möglich, eine organisierte oder offene Präsenz aufrechtzuerhalten (UNSC 13.6.2019).

Neben komplexen Angriffen auf Regierungsziele, verübte der ISKP zahlreiche groß angelegte Anschläge gegen Zivilisten, insbesondere auf die schiitische-Minderheit (CSR 12.2.2019; vgl. UNAMA 24.2.2019; AAN 24.2.2019; CTC 12.2018; UNGASC 7.12.2018; UNAMA 10.2018). Im Jahr 2018 war der ISKP für ein Fünftel aller zivilen Opfer verantwortlich, obwohl er über eine kleinere Kampftruppe als die Taliban verfügt (AAN 24.2.2019). Die Zahl der zivilen Opfer durch ISKP-Handlungen hat sich dabei 2018 gegenüber 2017 mehr als verdoppelt (UNAMA 24.2.2019), nahm im ersten Halbjahr 2019 allerdings wieder ab (UNAMA 30.7.2019).

Der ISKP verurteilt die Taliban als "Abtrünnige", die nur ethnische und/oder nationale Interessen verfolgen (CRS 12.2.2019). Die Taliban und der Islamische Staat sind verfeindet. In Afghanistan kämpfen die Taliban seit Jahren gegen den IS, dessen Ideologien und Taktiken weitaus extremer sind als jene der Taliban (WP 19.8.2019; vgl. AP 19.8.2019). Während die Taliban ihre Angriffe weitgehend auf Regierungsziele und afghanische und internationale Sicherheitskräfte beschränken (AP 19.8.2019), zielt der ISKP darauf ab, konfessionelle Gewalt in Afghanistan zu fördern, indem sich Angriffe gegen Schiiten richten (WP 19.8.2019).

Al-Qaida und ihr verbundene Gruppierungen

Al-Qaida sieht Afghanistan auch weiterhin als sichere Zufluchtsstätte für ihre Führung, basierend auf langjährigen und engen Beziehungen zu den Taliban. Beide Gruppierungen haben immer wieder öffentlich die Bedeutung ihres Bündnisses betont (UNSC 15.1.2019). Unter der Schirmherrschaft der Taliban ist al-Qaida in den letzten Jahren stärker geworden; dabei wird die Zahl der Mitglieder auf 240 geschätzt, wobei sich die meisten in den Provinzen Badakhshan, Kunar und Zabul befinden. Mentoren und al-Qaida-Kadettenführer sind oftmals in den Provinzen Helmand und Kandahar aktiv (UNSC 13.6.2019).

Al-Qaida will die Präsenz in der Provinz Badakhshan stärken, insbesondere im Distrikt Shighnan, der an der Grenze zu Tadschikistan liegt, aber auch in der Provinz Paktika, Distrikt Barmal, wird versucht die Präsenz auszubauen. Des Weiteren fungieren al-Qaida-Mitglieder als Ausbilder und Religionslehrer der Taliban und ihrer Familienmitglieder (UNSC 13.6.2019).

Im Rahmen der Friedensgespräche mit US-Vertretern haben die Taliban angeblich im Jänner 2019 zugestimmt, internationale Terrorgruppen wie Al-Qaida aus Afghanistan zu verbannen (TEL 24.1.2019).

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Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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