Entscheidungsdatum
23.03.2020Norm
BFA-VG §21 Abs7Spruch
I401 2229606-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard AUER über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Libyan Arab Jamahiriya, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, Alser Straße 20, 1090 Wien, gegen Spruchpunkt IV. des Bescheides des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Salzburg, vom 25.02.2020, IFA-Zahl/Verfahrenszahl: XXXX, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 20.07.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Zu seiner Person lagen eine erkennungsdienstliche Behandlung vom 18.05.2015 in Griechenland sowie eine EURODAC-Treffermeldung hinsichtlich einer Asylantragstellung in der Bundesrepublik Deutschland vom 28.06.2016 vor.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden als Bundesamt bezeichnet) richtete am 25.07.2016 unter Bezugnahme auf die vorliegende EURODAC-Treffermeldung ein auf Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Deutschland.
Mit Schreiben vom 27.07.2016 stimmten die deutschen Behörden dem Wiederaufnahmeersuchen und der Rückübernahme des Beschwerdeführers gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO ausdrücklich zu.
Mit Bescheid des Bundesamtes vom 01.11.2016 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz, ohne in die Sache einzutreten, wegen der Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland gemäß § 5 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen, gegen den Beschwerdeführer die Außerlandesbringung angeordnet und die Abschiebung nach Deutschland für zulässig erklärt.
Die von ihm gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit in Rechtskraft erwachsenem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20.01.2017, W192 2141740-1/3E, als unbegründet abgewiesen.
Mit Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 27.02.2017 (in Rechtskraft erwachsen am 03.03.2017) wurde der Beschwerdeführer wegen mehrerer Vergehen nach dem Suchtmittelgesetz (SMG) zu einer bedingten Freiheitsstrafe von drei Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt.
Nach einer auf Grund eines bestehenden Festnahmeauftrages am 19.06.2017 erfolgten Festnahme wurde der Beschwerdeführer am 21.06.2017 mittels Flugzeug nach Deutschland abgeschoben.
Der Beschwerdeführer reiste erneut illegal ins Bundesgebiet ein. Am 23.03.2018 wurde er von Organen einer Polizeiinspektion festgenommen und in der Folge in die Justizanstalt Salzburg überstellt. Das am 27.04.2018 eingeleitete Konsultationsverfahren mit den deutschen Behörden, welche am 08.05.2018 einer Überstellung nach der Dublin-III-VO erneut zustimmten, wurde infolge der Inhaftierung des Beschwerdeführers ausgesetzt.
Mit Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 04.12.2018 wurde der Beschwerdeführer zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt.
Am 25.02.2019 wurde das Bundesamt per E-Mail des Sozialdienstes der Justizanstalt Salzburg darüber informiert, dass der Beschwerdeführer einen Asylantrag stellen wolle. Das E-Mail sei an die Landespolizeidirektion Salzburg weitergeleitet worden, weil ein Asylantrag nur vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gestellt werden könne. Aus einem Aktenvermerk des Polizeianhaltezentrums Salzburg vom 12.03.2019 ergebe sich, dass der Beschwerdeführer in Anwesenheit des Sozialdienstes der Justizanstalt am 27.02.2019 zur behaupteten Asylantragsstellung befragt worden sei und er in der Folge keinen Asylantrag gestellt habe. Am 12.03.2019 sei er über den Sachverhalt informiert und belehrt worden. Er habe einer Abschiebung in sein Heimatland zugestimmt.
Die bis 08.05.2019 durchführbare Überstellung nach Deutschland war aufgrund der Inhaftierung des Beschwerdeführers nicht möglich. Da er in Österreich keinen Asylantrag habe stellen wollen, sei ihm mit Schriftsatz des Bundesamtes vom 14.03.2019 die Länderinformationsblätter zu Libyen übermittelt und ihm mitgeteilt worden, dass beabsichtigt sei, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und ein Einreiseverbot für das Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten zu erlassen. Ihm wurde auch die Möglichkeit eingeräumt, zu seinen persönlichen Verhältnissen und zur beabsichtigten Vorgehensweise eine Stellungnahme abzugeben. Der Beschwerdeführer machte davon keinen Gebrauch.
Mit rechtskräftigem Urteil des Oberlandesgerichtes Linz vom 07.08.2019 wurde der vom Beschwerdeführer gegen das (Straf-) Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 04.12.2018 erhobenen Berufung und der gegen den Beschluss des Landesgerichtes Salzburg (gemäß § 494a Abs. 1 Z 2 StPO) gerichteten Beschwerde nicht Folge gegeben.
Der Beschwerdeführer wurde am 08.01.2020 in die Justizanstalt St. überstellt. Das Bundesamt wurde am 22.02.2020 darüber informiert, dass er eine freiwillige Ausreise gemäß § 133a StVG anstrebe.
Das Bundesamt räumte dem Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 24.01.2020 erneut die Möglichkeit ein, zu der in Aussicht genommenen Erlassung aufenthaltsbeendender Maßnahmen und zu den übermittelten Länderinformationsblättern zum Herkunftsstaat eine Stellungnahme abzugeben. Von dieser Möglichkeit machte der Beschwerdeführer erneut keinen Gebrauch.
Mit Bescheid vom 25.02.2020 erteilte das Bundesamt dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt I.), erließ gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) (Spruchpunkt II.), stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Libyen zulässig ist (Spruchpunkt III.), erließ gegen ihn gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 5 FPG ein unbefristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt IV.), gewährte gemäß § 55 Abs. 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt V.) und erkannte einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt VI.).
Gegen Spruchpunkt IV. dieses Bescheides erhob der Beschwerdeführer Beschwerde, in der er - ohne nähere Begründung - "die Erlassung eines schengenweiten Einreiseverbotes in unbefristeter Dauer als zu hoch bemessen" erachtete und "um Aufhebung bzw. angemessene Herabsetzung desselben" ersuchte.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Zunächst wird der unter Punkt I. dargestellte Verfahrensgang festgestellt. Darüber hinaus werden mit Bezug auf das Einreiseverbot folgende Feststellungen getroffen:
Der Beschwerdeführer, dessen Identität nicht feststeht, wurde am 21.06.2017 nach Deutschland per Flugzeug abgeschoben. Spätestens am 13.10.2017 reiste er erneut unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet ein.
Er ging in Österreich keiner Erwerbstätigkeit nach, er verfügt über kein Vermögen und es treffen ihn keine Sorgepflichten.
Mit erstem Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 27.02.2017 wurde der Beschwerdeführer wegen der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall und Abs. 2a SMG und nach § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall und Abs. 2 SMG zu einer bedingten Freiheitsstrafe von drei Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt.
Mit zweitem Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 04.12.2018 wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens der Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen nach § 85 Abs. 2 StGB, der Verbrechen der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1 StGB, des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 15 Abs. 1, 105 StGB, 106 Abs. 1 Z 1 StGB, der Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 und Abs. 2 erster Fall StGB, der Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 StGB, des Vergehens der falschen Beweisaussage als Beteiligter nach §§ 12 zweiter Fall, 288 Abs. 1 und Abs. 4 StGB, des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB, des Vergehens des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15 Abs. 1, 269 Abs. 1 StGB und des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 und Abs. 4 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Jahren verurteilt.
Das Landesgericht Salzburg führte in diesem Urteil unter anderem aus, dass der Angeklagte (bzw. der Beschwerdeführer) und A L sich im November 2016 kennengelernt und eine Beziehung geführt hätten. Seit ca. Mai 2017 sei es vermehrt zu Streitigkeiten aus Eifersucht des Beschwerdeführers gekommen. Der Beschwerdeführer sei im Mai 2017 (richtig: am 21.06.2017) nach Deutschland abgeschoben worden, habe aber mit A L noch telefonischen Kontakt gehabt. Anfang Juni 2017 habe A L die Beziehung zum Beschwerdeführer beendet, sodass seither keine Lebensgemeinschaft mehr bestanden habe. Am späten Abend des 13.10.2017 sei der Beschwerdeführer seiner ehemaligen Lebensgefährtin auf ihrem Weg nach Hause gefolgt und habe ihr in der Folge auf ihren Rücken geschlagen, in dem Wissen, dass sie aufgrund von mehrfachen Operationen starke Schmerzen am Rücken habe. Nach einem heftigen Wortwechsel, wobei der Beschwerdeführer seine Lebensgefährtin als "Schlampe" bezeichnet habe, und einer von ihr dem Beschwerdeführer verpassten Ohrfeige habe er seiner Lebensgefährtin einen Schlag in deren Gesicht versetzt. Dadurch sei ihre Brille gebrochen und habe der Bügel ihr linkes Auge getroffen. Aufgrund dieses Schlages des Beschwerdeführers sei es zum Zerplatzen ihres bereits mehrfach voroperierten linken Augapfels mit Glaskörperverlust, dem Verlust der Kunststofflinse sowie einer Netzhautabhebung gekommen. Die Lebensgefährtin habe schon Jahre vor dem gegenständlichen Ereignis eine durchbohrende Verletzung am linken Auge erlitten, woraufhin eine Hornhautverpflanzung und das Einsetzen einer Kunststofflinse erfolgt sei. Sie sei aufgrund der jetzigen Verletzung bereits fünf Mal operiert worden. Der gegenständliche Schlag in ihr Gesicht sei ursächlich für die jetzige Verletzung. Seitdem bestehe bei der Lebensgefährtin eine funktionelle Einäugigkeit. An diesem Auge könnten als Sehvermögen nur mehr Handbewegungen erkannt werden und sei dieses Sehvermögen nur minimal besser als eine volle Erblindung. Eine relevante Besserung sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen.
Darüber hinaus habe der Beschwerdeführer in der Zeit vom 13.10.2017 bis 22.03.2018 im Rahmen von mehreren Streitigkeiten gegenüber A L mehrfach geäußert, dass er sie umbringen werde, sollte sie ihn bei der Polizei aufgrund ihrer Augenverletzung anzeigen und gegen ihn aussagen. Zudem habe er geäußert, dass er auch ihre Tochter und ihren Bruder umbringen werde und, wenn er in das Gefängnis gehen sollte, werde er sie von einem Freund umbringen lassen. Der Beschwerdeführer habe solche Äußerungen auch im Hinblick darauf getätigt, dass sie keine Beziehung mit einem anderen Mann aufnehmen dürfe, weil er angenommen habe, dass A L einen neuen Mann habe. Er habe sie dadurch zur Unterlassung der Anzeigeerstattung gegen seine Person bei der Polizei genötigt, weil er auf keinen Fall wegen der Straftat verfolgt und allenfalls in Haft habe genommen werden wollen. Wegen seiner Eifersucht habe er A L zur Unterlassung der Aufnahme einer Beziehung zu einem anderen Mann nötigen wollen. Aus diesen Gründen habe er diese massiven Todesdrohungen ausgesprochen, um A L möglichst heftig in Angstzustände zu versetzen, was ihm auch gelungen sei. Diese Drohungen seien von A L ernst genommen worden, sie habe um das Leben ihrer Tochter, ihres Bruders und ihr eigenes Leben gefürchtet. Am 22.3.2018 habe sich A. L jedoch zur Anzeigeerstattung entschlossen.
Darüber hinaus habe er A L von ca. Mai 2017 bis 13.10.2017 am Telefon und am 20.03.2018 vor ihrer Wohnung mit dem Tod bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen. Es sei dem Beschwerdeführer darauf angekommen, durch seine Aussage bei A L einen nachhaltigen, das ganze Gemüt ergreifenden, peinvollen Seelenzustand, ausgelöst durch massive Erwartungsangst vor dem herannahenden Übel wegen der Ungewissheit über ihr weiteres Schicksal, hervorzurufen und sie solcherart in Furcht und Unruhe zu versetzen.
Am 15.12.2017 sei A L von der Polizeiinspektion H in der Strafsache gegen unbekannte Täter wegen des Verbrechens der Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen nach § 85 Abs. 2 StGB, nach Wahrheitsbelehrung als Zeugin, in einem Ermittlungsverfahren nach der Strafprozessordnung einvernommen worden. Sie habe dabei angegeben, dass sie bezüglich des Täters keine detaillierten Angaben machen könne, weil sie ohne Brille und mit dem tränenden Auge überhaupt nichts mehr gesehen habe. Vor dem Angriff habe sie nicht auf den Mann geachtet und zudem sei alles sehr schnell gegangen. Sie könne bloß angeben, dass der unbekannte Täter eine schwarze Kapuze getragen habe, aber ob es sich dabei um eine schwarze Jacke oder um einen Pullover gehandelt habe, könne sie nicht angeben. Der unbekannte Täter sei definitiv größer als sie gewesen. Mehr könne sie nicht angeben.
Aufgrund der oben angeführten Äußerungen habe der Beschwerdeführer A L dazu bestimmt, als Zeugin in einem Ermittlungsverfahren falsch auszusagen. Ihm sei es darauf angekommen, durch die falschen Angaben der A L einer Strafverfolgung zu entgehen.
Durch den Schlag in das Gesicht von A L habe der Beschwerdeführer deren Brille beschädigt. Durch diese Tat sei ein Sachschaden in unbekannter Höhe entstanden.
Der Beschwerdeführer habe am 06.06.2017 in S dadurch, dass er einem einschreitenden Polizeibeamten einen Stoß gegen den Oberkörper versetzt habe, wodurch dieser zu Sturz gekommen sei, sohin einen Beamten mit Gewalt an einer Amtshandlung, nämlich der Verbringung auf die Dienststelle, zu hindern versucht. Durch diese Handlung habe er diesen Polizeibeamten während und wegen der Vollziehung seiner Aufgaben und der Erfüllung seiner Pflichten an sich schwer, und zwar in Form einer Knochenabsplitterung am Ringfinger der rechten Hand sowie in Form von Prellungen und Schürfwunden am linken Fuß, verletzt.
Bei der Strafbemessung wurden das teilweise abgelegte Geständnis des Beschwerdeführers und dass die Taten teilweise bei Versuch geblieben sind als mildernd, als erschwerend das Zusammentreffen mehrerer Verbrechen mit mehreren Vergehen berücksichtigt.
Das Oberlandesgericht Linz gab der Berufung des Beschwerdeführers "wegen Strafe" gegen dieses Urteil sowie seiner Beschwerde gegen den zugleich ergangenen Beschluss auf Verlängerung einer Probezeit nach Durchführung einer Berufungsverhandlung keine Folge.
Zur Strafbemessung führte das Oberlandesgericht aus, der (Strafbemessungs-) Katalog sei zu Lasten des Beschwerdeführers noch um die Tatbegehung während offenen Verfahrens - sei der Beschwerdeführer doch aus Anlass der zu II. abgeurteilten Widerstands- und Körperverletzungshandlungen bereits polizeilich angefasst gewesen, ehe er im Konflikt mit A L neuerlich delinquierte - sowie um die einschlägige Vorstrafe (auch) wegen Suchtgiftüberlassung an Dritte und um den raschen Rückfall nach jener Verurteilung zu ergänzen.
Der Beschwerdeführer befand sich in der Zeit vom 23.03.2018 bis 08.01.2020 in der Justizanstalt S und befindet sich seit 08.01.2020 in der Justizanstalt St.
2. Beweiswürdigung:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt des Bundesamtes, den bekämpften Bescheid, die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20.01.2017 sowie den Beschwerdeschriftsatz. Auskünfte aus dem Zentralen Melderegister wurden ergänzend eingeholt.
Da der Beschwerdeführer den österreichischen Behörden keine identitätsbezeugenden Dokumente vorgelegt hat, steht seine Identität nicht fest.
Dass der Beschwerdeführer in Österreich keiner Beschäftigung nachging, er über kein Vermögen verfügt und er keine Sorgepflichten hat, gehen auf einen aktuellen Versicherungsdatenauszug sowie auf die im Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 04.12.2018 enthaltenen Feststellungen zurück.
Die Feststellungen zu seiner am 21.06.2017 erfolgten Abschiebung nach Deutschland sowie seine illegale Einreise nach Österreich spätestens am 13.10.2017 ergeben sich aus dem angefochtenen Bescheid und dem Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 04.12.2018, wonach er an diesem Tag seine ehemalige Lebensgefährtin vorsätzlich am Körper verletzt hatte.
Dass der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 27.02.2017 zu einer bedingten Freiheitsstrafe von drei Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren wegen Vergehen nach dem SMG sowie mit Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 04.12.2018 wegen mehrerer Verbrechen und Vergehen nach dem StGB zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt wurde, welches mit Urteil des Oberlandesgerichtes Linz vom 07.08.2019 bestätigt wurde, ergibt sich aus den sich im erstinstanzlichen Akt befindenden Urteilen.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Da der Beschwerdeführer nur gegen den Spruchpunkt IV. Beschwerde erhoben hat, sind die Spruchpunkte I., II., III., V. und VI. betreffend die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen (gemeint offenbar: einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz), die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, die Zulässigkeit der Abschiebung nach Libyen, die Nichtgewährung einer Frist für die freiwillige Ausreise und die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung in Rechtskraft erwachsen.
Zu Spruchpunkt A):
3.2. Zur Verhängung eines unbefristeten Einreiseverbots:
3.2.1. Gemäß § 53 Abs. 1 FPG (in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018) kann vom Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.
Gemäß § 53 Abs. 3 FPG ist ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 9 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn
1. ...
5. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;
6. ...
3.2.2. Bei der anzustellenden Gefährdungsprognose ist nicht auf die bloße Tatsache einer Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen (vgl. VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0289; 27.04.2017, Ra 2016/22/0094, jeweils mwN).
Die vom Bundesamt unter Bedachtnahme auf die konkreten Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Gefährdungsprognose und Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK rechtfertigen das gegenüber dem Beschwerdeführer erlassene unbefristete Einreiseverbot.
Der Beschwerdeführer ließ die gegenüber ihn erlassene Rückkehrentscheidung und die Feststellung seiner Abschiebung nach Libyen unbekämpft. Er bekämpfte "nur" die Erlassung des schengenweit geltenden unbefristeten Einreiseverbotes, welches er als zu hoch bemessen erachtete, und begehrte dessen Aufhebung, in eventu die angemessene Herabsetzung desselben. Der Beschwerdeführer äußerte sich nicht zur Gefährdungsprognose. Er führte keine für ihn sprechenden Argumente, die bei der Abwägung der öffentlichen und seinen familiären sowie privaten Interessen berücksichtigt werden könnten, ins Treffen. Auch aus dem erstinstanzlichen Akt ergeben sich keine Anhaltspunkte, die im Rahmen der Prognosebeurteilung zugunsten des Beschwerdeführers sprechen würden.
Der Beschwerdeführer reiste, obwohl er in Deutschland am 28.06.2016 einen Asylantrag gestellt hatte, am 20.07.2016 illegal nach Österreich ein. Da der Beschwerdeführer am 29.07.2016, also zehn Tage nach seiner Einreise, eine Straftat nach dem SMG beging, wurde er mit Urteil vom 27.02.2017 wegen der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach dem SMG zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von drei Monaten unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit verurteilt. Er wurde am 21.06.2017 nach Deutschland abgeschoben. Er gelangte, ohne die Entscheidung der deutschen Behörden über seinen Asylantrag abzuwarten, ca. vier Monate später, also im Oktober 2017, erneut auf illegalem Weg in das österreichische Bundesgebiet. Am späten Abend des 13.10.2017 verletzte der Beschwerdeführer seine ehemalige Lebensgefährtin, die er auf ihrem Nachhauseweg verfolgte, durch Schläge auf den Rücken und einen heftigen Schlag in das Gesicht, wodurch ihre Brille zerstört wurde und Bruchstücke derselben in ihr linkes Auge gelangten, was zum Zerplatzen des linken Augapfels mit Glaskörperverlust, Verlust einer Kunststofflinse sowie einer Netzhautabhebung samt Augeninnendrucksteigerung, sohin einer funktionellen Einäugigkeit, geführt hatte, vorsätzlich am Körper und führte dadurch eine schwere Dauerfolge in Form einer schweren Schädigung des Sehvermögens bei der Verletzten herbei (vgl. das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 04.12.2018, S 1 f).
Insbesondere wegen dieser Körperverletzung, aber auch wegen der gefährlichen Drohung der Lebensgefährtin mit dem Tod, der gefährlichen Bedrohung der Lebensgefährtin, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, der Bestimmung der Lebensgefährtin zur Falschaussage, um eine allfällige Verurteilung des Beschwerdeführers hintanzuhalten, der Zerstörung deren Brille sowie des Versuchs, einen Beamten am 06.06.2017 an der Vornahme einer Amtshandlung zu hindern, und der mit der Amtshandlung des Polizeibeamten einhergehenden schweren Körperverletzung wurde der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 04.12.2018 bzw. des Urteils des Oberlandesgerichtes Linz vom 07.08.2018 wegen mehrerer (oben angeführter) Verbrechen und Vergehen zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt.
Der Beschwerdeführer wurde innerhalb der mit Urteil vom 27.02.2017 bestimmten Probezeit von drei Jahren rückfällig. Am 06.06.2017 beging er das Verbrechen der schweren Körperverletzung gegenüber einem einschreitenden Polizeibeamten.
Die Voraussetzungen für ein unbefristetes Einreiseverbot gemäß § 53 Abs. 3 Z 5 FPG liegen im Hinblick auf die rechtskräftige Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren vor. Die geschilderten, gegen Leib und Leben der ehemaligen Lebensgefährtin gesetzten Straftaten, die gegen sie erfolgten schweren Nötigungen und gefährlichen Drohungen, um sie in Angst und Schrecken zu versetzen, sowie die an einem Polizisten begangene schwere Körperverletzung, die wiederholte Straffälligkeit sowie der rasche Rückfall nach seiner ersten Verurteilung begründen die Gefahr, dass der Beschwerdeführer weitere (schwere bzw. gravierende) Straftaten begehen wird. Sein gesamtes an den Tag gelegtes Verhalten, wozu auch zu zählen ist, dass er den Abschluss seines Asylverfahrens in Deutschland nicht abgewartet hat, er zwei Mal illegal nach Österreich eingereist ist und er wenige Monate nach seiner ersten Einreise nach Österreich wegen Vergehen gegen das SMG zu einer, wenn auch bedingt nachgesehenen, Freiheitsstrafe verurteilt wurde, zeigt, dass er kein Interesse hat, die Gesetze Österreichs und der anderen EU- bzw. "Schengen-Staaten" zu respektieren. Da es keine Anhaltspunkte für ein positives Verhalten des Beschwerdeführers vor, während und nach der Haft gibt, kann von einer positiven Zukunftsprognose nicht ausgegangen werden.
Unter Berücksichtigung aller genannten Umstände sowie in Ansehung des bisherigen Fehlverhaltens und des sich daraus ergebenden Persönlichkeitsbildes des Beschwerdeführers ist weiterhin von einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung auszugehen. Es ist daher dem Bundesamt beizutreten, wenn es im vorliegenden Fall über den Beschwerdeführer ein unbefristetes Einreiseverbot verhängt hat.
Es war spruchgemäß zu entscheiden.
4. Abstandnahme von der mündlichen Verhandlung:
Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt darauf hingewiesen, dass bei der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer mündlichen Verhandlung sowohl in Bezug auf die Gefährdungsprognose als auch in Bezug auf die für die Abwägung nach Art. 8 EMRK relevanten Umstände besondere Bedeutung zukommt (vgl. VwGH 05.12.2017, Ra 2016/01/0166, mwN). Daraus ist aber noch keine "absolute" (generelle) Pflicht zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung in Verfahren über die Aberkennung des Status des Asylberechtigten und aufenthaltsbeendende Maßnahmen abzuleiten. Gemäß dem auch im vorliegenden Fall in Betracht zu ziehenden § 21 Abs. 7 BFA-VG kann - ein diesbezüglicher Antrag liegt im konkreten Fall nicht vor - (ausnahmsweise) von der Durchführung einer Verhandlung unter anderem dann abgesehen werden, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt scheint. Dies ist im konkreten Fall der Fall.
Das Bundesverwaltungsgericht musste sich keinen persönlichen Eindruck vom Beschwerdeführer im vorliegenden Fall trotz des Vorliegens einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verschaffen, da, zumal zugunsten des Beschwerdeführers keine für ihn sprechenden Fakten zu berücksichtigen waren, auch dann für den Beschwerdeführer kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das Bundesverwaltungsgericht von ihm einen persönlichen Eindruck verschafft. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte daher unterbleiben.
Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte sohin gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben.
Zu Spruchpunkt B) - Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder fehlt es an einer Rechtsprechung in Bezug auf die Erlassung eines unbefristeten Einreiseverbotes im Sinn des § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 5 FPG und die dabei anzustellende Gefährdungsprognose, noch weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.
Schlagworte
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ECLI:AT:BVWG:2020:I401.2229606.1.00Im RIS seit
13.08.2020Zuletzt aktualisiert am
13.08.2020