TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/30 W260 2191169-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.03.2020
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Entscheidungsdatum

30.03.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs3 Z1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W260 2191169-1/31E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Markus BELFIN als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Salzburg, Außenstelle Salzburg, vom 19.02.2018, Zl. 1120360800-160887480, nach Durchführung von mündlichen Verhandlungen zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. XXXX (im Folgenden "Beschwerdeführer") reiste illegal ins Bundesgebiet ein und hat am 26.06.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

2. Bei der Erstbefragung vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag gab der Beschwerdeführer im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari an, er wäre afghanischer Staatsangehöriger, würde der Volksgruppe der Hazara angehören, wäre schiitischer Moslem und würde aus der Provinz Ghazni stammen. Die Eltern, zwei Brüder und eine Schwester des Beschwerdeführers würden in Afghanistan leben. Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab der Beschwerdeführer an, in Afghanistan würde es keine Sicherheit geben. Er wäre mit einem Mädchen zusammen gewesen. Als ihre Familie davon erfahren habe, hätten sie ihn steinigen wollen. Im Falle einer Rückkehr fürchte er um sein Leben.

3. Nach Zulassung des Verfahrens wurde der Beschwerdeführer am 27.12.2017 vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge "belangte Behörde") im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari niederschriftlich einvernommen. Der Beschwerdeführer legte ein Konvolut an Integrationsunterlagen und Beweismittel vor. Er gab zusammengefasst an, dass er gesund wäre und bestätigte, wie in der Erstbefragung ausgeführt, seine Volksgruppenzugehörigkeit, seine Religionszugehörigkeit und seine Herkunftsprovinz. Er hätte vier Jahre lang die Schule besucht und als Autolackierer gearbeitet. Ein Bruder des Beschwerdeführers würde mittlerweile in Indonesien leben. Die anderen Familienmitglieder würden nach wie vor in Afghanistan leben und eine eigene Landwirtschaft betreiben.

Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab der Beschwerdeführer zusammengefasst an, er wäre ungefähr ein Jahr lang mit der Tochter eines Mullahs zusammen gewesen. Er hätte sie ab und zu mit dem Motorrad zur Schule gebracht und abgeholt und wäre auch bei ihr zu Hause gewesen, wenn ihr Vater gearbeitet hätte. Eines Abends hätte ihn der Mullah aber zu Hause beim Mädchen "erwischt". Es wäre zum Streit zwischen dem Beschwerdeführer und dem Mullah gekommen, bei dem er den Mullah auch "geschupst" hätte. Der Beschwerdeführer wäre dann nach Hause gegangen und hätte seinem Vater davon berichtet. Sein Vater hätte ihn dann zu einem Freund gebracht und drei Tage später wäre der Beschwerdeführer ausgereist. Vor ungefähr sieben Monaten hätte ihm sein Vater eine Anzeigebestätigung des Mullahs gegen den Beschwerdeführer und ein Schreiben der afghanischen Kriminalpolizei per Post zukommen lassen. Sein Vater hätte ihm auch erzählt, dass die Freundin des Beschwerdeführers in einem Frauenhaus untergekommen wäre.

4. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 19.02.2018 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG 2005 wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Weiters wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

Begründend führte das Bundesamt aus, dass der Beschwerdeführer seine Fluchtgründe, wonach er eine außereheliche Beziehung zur Tochter eines Mullahs gehabt hätte und ihm deshalb strafrechtliche Konsequenzen und Verfolgung durch den Mullah in Afghanistan drohen, nicht habe glaubhaft machen können. Es drohe dem Beschwerdeführer auch keine Gefahr, die die Erteilung eines subsidiären Schutzes rechtfertigen würde. Er könne eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul in Anspruch nehmen. Der Beschwerdeführer verfüge in Österreich zudem über kein schützenswertes Privat- und Familienleben, welches einer Rückkehrentscheidung entgegenstehen würde.

5. Der Beschwerdeführer erstattete namens seiner bevollmächtigten Rechtsberatung fristgerecht Beschwerde und wiederholte im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen.

Er monierte, dass das Ermittlungsverfahren und die Länderfeststellungen der belangten Behörde mangelhaft wären. Der Beschwerdeführer zitierte Länderberichte zur Situation von Personen in Afghanistan, die vorehelichen Geschlechtsverkehr gehabt haben und führte aus, dass es sich dabei um ein "Zina"-Verbrechen handeln würde, das mit schweren Strafen bedroht wäre. Entgegen der Annahme der belangten Behörde hätte der Beschwerdeführer sein Vorbringen sehr detailliert und lebensnah geschildert. Bei einer Rückkehr würde ihm Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Personen, die in Afghanistan gegen religiöse und soziale traditionelle Normen verstoßen, drohen. Eine innerstaatliche Fluchtalternative würde nicht bestehen, da sich die Verfolgung auf das gesamte Staatsgebiet erstrecken würde.

6. Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 03.04.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

7. Am 02.07.2018 langte beim Bundesverwaltungsgericht ein Taufzertifikat der "Church of Christ- Gemeinde Christi" ein, wonach der Beschwerdeführer am 09.06.2018 getauft worden sei.

8. Mit Verfahrensanordnung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 05.11.2018 wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass die Unterschrift des Zeugen auf dem Taufzertifikat nicht lesbar sei. Der Beschwerdeführer wurde aufgefordert, den Namen des Zeugen samt ladungsfähiger Adresse für die anberaumte Beschwerdeverhandlung bekannt zu geben.

Mit Schreiben vom 15.11.2018 gab der Beschwerdeführer bekannt, dass es sich bei dem Zeugen um XXXX handelt.

9. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 26.11.2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch.

Der Beschwerdeführer wurde im Beisein seiner bevollmächtigten Vertreterin, eines Dolmetschers für die Sprache Dari sowie in Anwesenheit eines Vertreters der belangten Behörde zu seinen Fluchtgründen und zu seiner Situation in Österreich befragt. XXXX war als Zeuge geladen. Der Beschwerdeführer legte in der Beschwerdeverhandlung eine Taufbestätigung, sowie eine Bestätigung des "Verein für Mission und Asylantenintegration der Gemeinde Christi" vom 14.11.2018 vor, die als Beilage ./I zum Akt genommen wurden. Aufgrund fortgeschrittener Zeit wurde die Verhandlung auf den 01.02.2019 vertagt.

10. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 01.02.2019 eine fortgesetzte öffentliche mündliche Verhandlung durch. Der Beschwerdeführer wurde im Beisein seiner bevollmächtigten Vertreterin, eines Dolmetschers für die Sprache Dari sowie in Anwesenheit eines Vertreters der belangten Behörde zu seinen Fluchtgründen und zu seiner Situation in Österreich befragt. XXXX wurde als Zeuge einvernommen.

Der Beschwerdeführer legte in der Beschwerdeverhandlung Integrationsunterlagen und Beweismittel vor, die als Beilagen ./II und ./III zum Akt genommen wurden.

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes wurden folgende Unterlagen in das gegenständliche Verfahren vom Bundesverwaltungsgericht eingebracht: Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Stand: 08.01.2019; UNHCR- Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018; auszugsweise Übersetzung der EASO Country Guidance Afghanistan vom Juni 2018, Seiten 21-25 und 98-109; Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 13.09.2018, AFGHANISTAN, Lage in Herat-Stadt und Mazar-e-Sharif aufgrund anhaltender Dürre; Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 15.09.2016, AFGHANISTAN, Außerehelicher Geschlechtsverkehr, Uneheliches Kind; Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 12.07.2017, AFGHANISTAN, Christen, Konvertiten, Abtrünnige in Afghanistan.

Den Parteien des Verfahrens wurde die Möglichkeit eingeräumt, hierzu innerhalb einer Frist von drei Wochen eine schriftliche Stellungnahme abzugeben.

11. Der Beschwerdeführer und die belangte Behörde gaben jeweils mit Schreiben vom 21.02.2019 eine Stellungnahme ab.

12. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.12.2019 wurde insbesondere aufgrund der behaupteten Konversion und einer durch das Gericht zu prüfenden etwaigen Verfestigung des Glaubens beim Beschwerdeführer eine weitere mündliche Verhandlung für den 27.01.2020 anberaumt und dem Beschwerdeführer aktuelle Länderberichte (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Stand: 13.11.2019) übermittelt.

13. Aus dem vom Bundesverwaltungsgericht am 24.01.2020 eingeholten Auszug aus dem Strafregister ist ersichtlich, dass im Strafregister der Republik Österreich für den Beschwerdeführer keine Verurteilungen aufscheinen.

14. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 27.01.2020 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch.

Der Beschwerdeführer wurde im Beisein seiner bevollmächtigten Vertreterin, eines Dolmetschers für die Sprache Dari, sowie in Anwesenheit eines Vertreters der belangten Behörde zu seinen Fluchtgründen und zu seiner Situation in Österreich befragt. Der Beschwerdeführer legte in der Beschwerdeverhandlung Integrationsunterlagen vor, die als Beilage ./VII zum Akt genommen wurde. Den Parteien des Verfahrens wurde die Möglichkeit eingeräumt, hierzu innerhalb einer Frist von zwei Wochen eine schriftliche Stellungnahme abzugeben.

15. Der Beschwerdeführer gab mit Schreiben vom 30.01.2020 eine Stellungnahme ab. Die belangte Behörde gab keine Stellungnahme ab.

16. Diesem Erkenntnis wurde das ergänzende Informationsblatt zur Rechtsmittelbelehrung beigelegt

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX , geboren am XXXX in der Provinz Ghazni in Afghanistan, er ist afghanischer Staatsangehöriger. Der Beschwerdeführer gehört der Volksgruppe der Hazara an, ist schiitischer Moslem, gesund, ledig und kinderlos. Seine Muttersprache ist Dari.

Der Beschwerdeführer wurde in einem Dorf in der Provinz Ghazni geboren und wuchs dort gemeinsam mit seinen Eltern, zwei Brüdern und einer Schwester auf. Er lebte bis zu seiner Ausreise nach Österreich in seinem Heimatdorf. Er hat vier Jahre lang die Schule besucht und als Autolackierer gearbeitet.

Der Beschwerdeführer ist Zivilist.

Der Beschwerdeführer ist nach den afghanischen Gepflogenheiten und der afghanischen Kultur sozialisiert, er ist mit den afghanischen Gepflogenheiten vertraut.

Der Beschwerdeführer reiste Ende 2015 aus Afghanistan aus und gelangte über den Iran, weitere Staaten und Ungarn nach Österreich, wo er illegal einreiste.

1.2. Zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer stellte am 26.06.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

Weder der Beschwerdeführer noch seine Familie wurden in Afghanistan jemals von den Taliban, oder von anderen Personen, aufgesucht, oder von diesen bedroht.

Der Beschwerdeführer hat Afghanistan weder aus Furcht vor Eingriffen in die körperliche Integrität noch wegen Lebensgefahr verlassen.

Der Beschwerdeführer war in Afghanistan nicht in ein Mädchen verliebt, er hatte keine außereheliche Beziehung in Afghanistan. Der Beschwerdeführer hat sich in Afghanistan nicht heimlich mit einem Mädchen getroffen. Der Vorfall, wonach der Beschwerdeführer und seine Freundin von deren Vater, welcher Mullah sei, erwischt worden wären und der Beschwerdeführer und der Mullah in Streit geraten wären, hat sich nicht ereignet. Der Beschwerdeführer wird in Afghanistan auch nicht verdächtigt oder beschuldigt eine außereheliche Beziehung geführt zu haben.

Der Beschwerdeführer wuchs als Angehöriger der muslimischen Religion schiitischer Ausrichtung auf. Er war auch bei seiner Einreise in Österreich im Juni 2016 und im Rahmen der Einvernahme bei der belangten Behörde im Dezember 2017 schiitischer Moslem. Am 09.06.2018 wurde er getauft und ist seither Mitglied der "Church of Christ"/ Gemeinde Christi. Der Beschwerdeführer ist aber nicht dauerhaft vom islamischen Glauben abgefallen. Er hat einen christlichen Glauben nicht verinnerlicht. Ein christlicher Glaube ist nicht wesentlicher Bestandteil der Identität des Beschwerdeführers geworden. Er tritt auch nicht spezifisch gegen den Islam oder gar religionsfeindlich auf.

Bei einer Rückkehr nach Afghanistan würde der Beschwerdeführer seinem derzeitigen Interesse für den christlichen Glauben nicht mehr nachkommen oder dieses nach außen zur Schau tragen. Die Familie des Beschwerdeführers oder andere Personen in Afghanistan haben keine Kenntnis vom derzeitigen Interesse des Beschwerdeführers am Christentum in Österreich.

Der Beschwerdeführer war in Afghanistan wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit zu den Hazara konkret und individuell weder physischer noch psychischer Gewalt ausgesetzt.

Der Beschwerdeführer ist wegen seines Aufenthalts in einem westlichen Land oder wegen seiner Wertehaltung in Afghanistan keinen psychischen oder physischen Eingriffen in seine körperliche Integrität ausgesetzt. Der Beschwerdeführer hat sich in Österreich keine Lebenseinstellung angeeignet, die einen nachhaltigen und deutlichen Bruch mit den allgemein verbreiteten gesellschaftlichen Werten in Afghanistan darstellt. Es liegt keine westliche Lebenseinstellung beim Beschwerdeführer vor, die wesentlicher Bestandteil seiner Persönlichkeit geworden ist, und die ihn in Afghanistan exponieren würde.

1.2.2. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan drohen dem Beschwerdeführer individuell und konkret weder Lebensgefahr noch ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch Mitglieder der Taliban oder durch andere Personen.

Bei einer Rückkehr nach Afghanistan droht dem Beschwerdeführer auch keine Verfolgung aufgrund seiner behaupteten außerehelichen Beziehung oder seines behaupteten Religionswechsels.

Dem Beschwerdeführer droht bei einer Rückkehr nach Afghanistan wegen seiner Zugehörigkeit zur Religionsgemeinschaft der Schiiten oder zur Volksgruppe der Hazara konkret und individuell weder physische noch psychische Gewalt.

Der Beschwerdeführer ist bei einer Rückkehr nach Afghanistan aufgrund seines in Österreich ausgeübten Lebensstils oder seinem Aufenthalt in einem europäischen Land weder psychischer noch physischer Gewalt ausgesetzt.

Auch sonst haben sich im gesamten Verfahren keine Hinweise für eine dem Beschwerdeführer in Afghanistan individuell drohende Verfolgung ergeben.

1.3. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

1.3.1. Dem Beschwerdeführer könnte bei einer Rückkehr in die Provinz Ghazni aufgrund der dort herrschenden allgemeinen schlechten Sicherheitslage ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen.

Die Mutter, ein Bruder und eine Schwester des Beschwerdeführers leben im Heimatdorf in der Provinz Ghazni in Afghanistan. Die Schwester ist verheiratet und wohnt bei ihrem Mann. Ein weiterer Bruder lebt in Indonesien. Der Vater des Beschwerdeführers ist im Mai 2019 verstorben. Der Beschwerdeführer hat regelmäßigen Kontakt zu seiner Familie in Afghanistan. Die Familie des Beschwerdeführers besitzt landwirtschaftliche Grundstücke in der Provinz Ghazni, die vom Bruder des Beschwerdeführers bewirtschaftet werden. Der Bruder versorgt die Familie des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer unterstützt seine Familie derzeit finanziell nicht. Die Familie des Beschwerdeführers kann ihn bei einer Rückkehr nach Afghanistan nicht finanziell unterstützen.

Der Beschwerdeführer verfügt über keine Verwandte in Mazar-e Sharif.

Er kann Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen.

Der Beschwerdeführer ist anpassungsfähig und kann einer regelmäßigen Arbeit nachgehen.

Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Ansiedelung in der Stadt Mazar-e Sharif kann der Beschwerdeführer grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Er kann selbst für sein Auskommen und Fortkommen sorgen und in Mazar-e Sharif einer Arbeit nachgehen und sich selber erhalten.

Es ist dem Beschwerdeführer möglich, nach anfänglichen Schwierigkeiten nach einer Ansiedlung in der Stadt Mazar-e Sharif Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können.

1.3.2. COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet. In Österreich gibt es mit Stand 30.03.2020, 08:00 Uhr, 8.958 bestätigte Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen und 97 Todesfälle; in Afghanistan wurden ca. 40 Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen nachgewiesen, wobei ein diesbezüglicher Todesfall bestätigt wurde.

Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei ca. 80% der Betroffenen leicht und bei ca. 15% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5% der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung derart schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Diese sehr schweren Krankheitsverläufe treten am häufigsten in den Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen (wie z.B. Diabetes, Herzkrankheiten und Bluthochdruck) auf.

1.4. Zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:

Der Beschwerdeführer reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich ein und hält sich zumindest seit Juni 2016 durchgehend in Österreich auf. Er ist nach seinem Antrag auf internationalen Schutz vom 26.06.2016 in Österreich aufgrund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG durchgehend rechtmäßig aufhältig.

Der Beschwerdeführer verfügt über Deutschkenntnisse auf Niveau A2. Er besuchte Deutschkurse und Integrationskurse.

Der Beschwerdeführer lebt von der Grundversorgung, er ist am österreichischen Arbeitsmarkt nicht integriert und geht keiner Erwerbstätigkeit nach. Er verfügt über keine verbindliche Arbeitszusage.

Er arbeitet nicht ehrenamtlich.

Der Beschwerdeführer konnte in Österreich Freundschaften zu anderen Asylwerbern, seinem Unterkunftgeber und Mitgliedern seiner (kirchlichen) Gemeinde knüpfen. Der Beschwerdeführer verfügt jedoch weder über Verwandte noch über sonstige enge soziale Bindungen, wie Ehefrau oder Kinder in Österreich.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.5. Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:

Die Länderfeststellungen zur Lage in Afghanistan basieren auf nachstehenden Quellen:

- Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan in der Fassung der Gesamtaktualisierung vom 13.11.2019 (LIB),

- UNHCR Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 (UNHCR)

- EASO Country Guidance: Afghanistan von Juni 2019 (EASO)

1.5.1. Allgemeine Sicherheitslage

Afghanistan ist ein Zentralstaat mit 34 Provinzen, die in Distrikte gegliedert sind. Auf einer Fläche von ca. 632.000 Quadratkilometern leben ca. 32 Millionen Menschen (LIB, Kapitel 2).

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt insgesamt volatil und weist starke regionale Unterschiede auf. Provinzen und Distrikten mit aktiven Kampfhandlungen stehen andere gegenüber, in denen die Lage trotz punktueller Sicherheitsvorfälle vergleichsweise stabil ist. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädte und den Großteil der Distriktzentren (LIB, Kapitel 3). Die Hauptlast einer unsicheren Sicherheitslage in der jeweiligen Region trägt die Zivilbevölkerung (UNHCR, Kapitel II. B).

Für die Sicherheit in Afghanistan sind verschiedene Organisationseinheiten der afghanischen Regierungsbehörden verantwortlich. Die Afghan National Defense and Security Forces (ANDSF) umfassen militärische, polizeiliche und andere Sicherheitskräfte. Das Innenministerium ist primär für die interne Ordnung zuständig, dazu zählt auch die Afghan National Police (ANP) und die Afghan Local Police (ALP). Die Afghan National Army (ANA) ist für die externe Sicherheit verantwortlich, dennoch besteht ihre Hauptaufgabe darin, den Aufstand im Land zu bekämpfen. Die ANP gewährleistet die zivile Ordnung und bekämpft Korruption sowie die Produktion und den Schmuggel von Drogen. Der Fokus der ANP liegt derzeit in der Bekämpfung von Aufständischen gemeinsam mit der ANA. Die ALP wird durch die USA finanziert und schützt die Bevölkerung in Dörfern und ländlichen Gebieten vor Angriffen durch Aufständische (LIB, Kapitel 5).

In Afghanistan sind unterschiedliche regierungsfeindliche Gruppierungen aktiv, welche eine Bedrohung für die gesamte regionale Sicherheit und Stabilität in Afghanistan darstellen. Eine Bedrohung für Zivilisten geht insbesondere von Kampfhandlungen zwischen den Konfliktparteien sowie improvisierten Sprengkörpern, Selbstmordanschlägen und Angriffen auf staatliche Einrichtungen und gegen Gläubige und Kultstätten bzw. religiöse Minderheiten aus (LIB, Kapitel 3).

1.5.2. Allgemeine Wirtschaftslage

Afghanistan ist nach wie vor eines der ärmsten Länder der Welt und stark von internationalen Hilfsgeldern abhängig. Dabei bleibt das Gefälle zwischen urbanen Zentren und ländlichen Gebieten Afghanistans eklatant. Lebensgrundlage für rund 80% der Bevölkerung ist die Landwirtschaft (LIB, Kapitel 21).

Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist angespannt und die Arbeitslosigkeit ist hoch. Persönliche Kontakte, Empfehlungen sowie ein Netzwerk sind wichtig um einen Job zu finden. Arbeitgeber bewerten persönliche Beziehungen und Netzwerke höher als formelle Qualifikationen. Fähigkeiten, die sich Rückkehrer im Ausland angeeignet haben, können eine wichtige Rolle bei der Arbeitsplatzsuche spielen. Der afghanische Arbeitsmarkt ist durch eine starke Dominanz des Agrarsektors, eine Unterrepräsentation von Frauen und relativ wenigen Möglichkeiten für junge Menschen gekennzeichnet. Ebenso korreliert ein Mangel an Bildung mit Armut, wobei ein niedriges Bildungsniveau und Analphabetismus immer noch weit verbreitet sind. In Afghanistan existiert keine finanzielle oder sonstige Unterstützung bei Arbeitslosigkeit (LIB, Kapitel 21).

In den Jahren 2016-2017 lebten 54,5% der Bevölkerung unterhalb der nationalen Armutsgrenze. Immer mehr Menschen greifen auf negative Bewältigungsmechanismen wie Kleinkriminalität, Kinderehen, Kinderarbeit und Betteln zurück, von denen insbesondere Binnenvertriebene betroffen sind. Der Zugang zu einer produktiven oder entgeltlichen Beschäftigung ist begrenzt, 80% der Beschäftigung gelten als anfällig und unsicher in Form von Selbst- oder Eigenbeschäftigung, Tagarbeit oder unbezahlter Arbeit. Der saisonale Effekt ist erheblich. Die Arbeitslosenquote ist in den Frühlings- und Sommermonaten relativ niedrig (rund 20%), während sie im Winter 32,5% erreichen kann (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).

In Afghanistan gibt es neben der Zentralbank auch mehrere kommerzielle Banken. Es ist mittlerweile auch relativ einfach, in Afghanistan ein Bankkonto zu eröffnen. Geld kann auch über das Hawala System (Form des Geldtausches) transferiert werden. Dieses Systemfunktioniert schnell, zuverlässig und günstig. Spezielle Dokumente sind nicht notwendig und der Geldtransfer ist weltweit möglich und wird von verschiedenen Bevölkerungsschichten verwendet (LIB, Kapitel 21).

Im Zeitraum von 2016 bis 2017 waren 44,6% der afghanischen Bevölkerung sehr stark bis mäßig von Lebensmittelunsicherheit betroffen. In allen Wohnbevölkerungsgruppen war seit 2011 ein Anstieg festzustellen, wobei der höchste Anstieg in den ländlichen Gebieten zu verzeichnen war (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).

Afghanistans jährliche Wachstumsrate der städtischen Bevölkerung gehört zu den höchsten der Welt. Kabul war das Zentrum des Wachstums, und der Rest der städtischen Bevölkerung konzentriert sich hauptsächlich auf vier andere Stadtregionen: Herat, Mazar-e Sharif, Kandahar und Jalalabad. Die große Mehrheit (72%, basierend auf ALCS-Zahlen für 2016-2017) der afghanischen Stadtbevölkerung lebt in Slums oder in ungenügenden Wohnungen. 86% der städtischen Häuser in Afghanistan können (gemäß der Definition von UN-Habitat) als Slums eingestuft werden. Der Zugang zu angemessenem Wohnraum stellt für die Mehrheit der Afghanen in den Städten eine große Herausforderung dar (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).

In den Städten besteht grundsätzlich die Möglichkeit, sicheren Wohnraum zu mieten. Darüber hinaus bietet die Städte die Möglichkeit von "Teehäusern", die mit 30 Afghani (das sind ca. ? 0,35) bis 100 Afghani (das sind ca. ? 1,20) pro Nacht relativ günstig sind. "Teehäuser" werden von Reisenden, Tagesarbeitern, Straßenhändlern, jungen Menschen, alleinstehenden Männern und anderen Personen, die in der Gegend keine ständige Unterkunft haben, als vorübergehende Unterkunft genutzt (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V). Man muss niemanden kennen, um eingelassen zu werden (EASO Bericht Afghanistan Netzwerke, Kapital 4.2.).

Der Zugang zu sauberem Trinkwasser sowie angemessenen sanitären Einrichtungen hat sich in den letzten Jahren erheblich verbessert. Der Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen, wie Wasserversorgung und Abwasserentsorgung, war in den Städten im Allgemeinen besser als auf dem Land. Der Zugang zu Trinkwasser ist für viele Afghanen jedoch nach wie vor ein Problem, und die sanitären Einrichtungen sind weiterhin schlecht (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).

1.5.3. Medizinische Versorgung

Das afghanische Gesundheitsministerium gab an, dass 60 % der Menschen im April 2018 Zugang zu Gesundheitsdiensten hatten, wobei der Zugang als eine Stunde Fußweg zur nächsten Klinik definiert wurde. Trotz der Tatsache, dass die Gesundheitsversorgung laut afghanischer Verfassung kostenlos sein sollte, müssen die Menschen in vielen öffentlichen Einrichtungen für Medikamente, Arzthonorare, Labortests und stationäre Versorgung bezahlen. Hohe Behandlungskosten sind der Hauptgrund, weswegen die Behandlung vermieden wird (EASO, Kapitel Common Analysis: Afghanistan, V).

90% der medizinischen Versorgung in Afghanistan werden nicht direkt vom Staat zur Verfügung gestellt, sondern von nationalen und internationalen NGOs, die über ein Vertragssystem beauftragt werden. Über dieses Vertragssystem wird sowohl primäre, als auch sekundäre und tertiäre medizinische Versorgung zur Verfügung gestellt. Allerdings mangelt es an Investitionen in medizinische Infrastruktur. Der Bauzustand vieler Kliniken ist schlecht. Während in den Städten ein ausreichendes Netz von Krankenhäusern und Kliniken besteht, ist es in den ländlichen Gebieten für viele Afghanen schwierig, eine Klinik oder ein Krankenhaus zu erreichen (LIB, Kapitel 22).

Psychische Krankheiten wie posttraumatische Belastungsstörung, Depression und Angstzustände - die oft durch den Krieg hervorgerufen wurden - sind in Afghanistan weit verbreitet, es gibt aber nur geringe Kapazitäten zur Behandlung dieser Erkrankungen. Spezifische Medikamente sind grundsätzlich verfügbar (LIB, Kapitel 22.1).

1.5.4. Ethnische Minderheiten

In Afghanistan sind ca. 40 - 42% Paschtunen, rund 27 - 30% Tadschiken, ca. 9 - 10% Hazara und 9% Usbeken. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt. Soziale Gruppen werden in Afghanistan nicht ausgeschlossen und kein Gesetz verhindert die Teilnahme von Minderheiten am politischen Leben. Es kommt jedoch im Alltag zu Diskriminierungen und Ausgrenzungen ethnischer Gruppen und Religionen sowie zu Spannungen, Konflikten und Tötungen zwischen unterschiedlichen Gruppen (LIB, Kapitel 17).

Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 9-10% der Bevölkerung aus. Wichtige Merkmale der ethnischen Identität der Hazara sind die schiitische Konfession (mehrheitlich Zwölfer-Schiiten) und ihre ethnisch-asiatisches Erscheinungsbild. Ihre Gesellschaft ist traditionell strukturiert und basiert auf der Kernfamilie bzw. dem Klan. Es bestehen keine sozialen oder politischen Stammesstrukturen (LIB, Kapitel 17.3).

Die Lage der Hazara, die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgt waren, hat sich grundsätzlich verbessert und Hazara bekleiden inzwischen auch prominente Stellen in der Regierung und im öffentlichen Leben, sind jedoch in der öffentlichen Verwaltung nach wie vor unterrepräsentiert. Hazara werden am Arbeitsmarkt diskriminiert. Soziale Diskriminierung gegen schiitische Hazara, basierend auf Klasse, Ethnie oder religiösen Ansichten, finden ihre Fortsetzung in Erpressung (illegale Steuern), Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit, physischer Misshandlung und Inhaftierung. Nichtsdestotrotz genießt die traditionell marginalisierte schiitische muslimische Minderheit, zu der die meisten ethnischen Hazara gehören, seit 2001 eine zunehmende politische Repräsentation und Beteiligung an nationalen Institutionen (LIB Kapitel 17.3).

Hazara neigen sowohl in ihren sozialen als auch politischen Ansichten dazu, liberal zu sein, dies steht im Gegensatz zu den Ansichten sunnitischer Militanter. Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen führen weiterhin zu Konflikten und Tötungen. Angriffe durch den ISKP und andere aufständische Gruppierungen auf spezifische religiöse und ethno-religiöse Gruppen - inklusive der schiitischen Hazara - halten an (LIB, Kapitel 17.3).

1.5.5. Religionen

Etwa 99% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon 80 - 89,7% Sunniten. Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben (LIB Kapitel 16).

Schiiten

Der Anteil schiitischer Muslime an der Bevölkerung wird auf 10 - 19% geschätzt. Zu der schiitischen Bevölkerung zählen die Ismailiten und die Jafari-Schiiiten (Zwölfer-Schiiten). 90% von ihnen gehören zur ethnischen Gruppe der Hazara. Auseinandersetzungen zwischen Sunniten und Schiiten sind in Afghanistan selten, die Diskriminierung der schiitischen Minderheit durch die sunnitische Mehrheit ist zurückgegangen (LIB, Kapitel 16.1).

Die politische Repräsentation und die Beteiligung an den nationalen Institutionen seitens der traditionell marginalisierten schiitischen Minderheit, der hauptsächlich ethnische Hazara angehören, ist seit 2001 gestiegen. Einige schiitische Muslime bekleiden höhere Regierungsposten. Im Ulema-Rat, der nationalen Versammlung von Religionsgelehrten, die u. a. dem Präsidenten in der Festlegung neuer Gesetze und Rechtsprechung beisteht, beträgt die Quote der schiitischen Muslime 25-30%. Des Weiteren tagen rechtliche, konstitutionelle und menschenrechtliche Kommissionen, welche aus Mitgliedern der sunnitischen und schiitischen Gemeinschaften bestehen und von der Regierung unterstützt werden, regelmäßig, um die interkonfessionelle Schlichtung zu fördern (LIB, Kapitel 16.1).

Christen - Konvertiten:

Ausländische Christen und die wenigen Afghanen, die originäre Christen und nicht vom Islam konvertiert sind, werden normal und fair behandelt. Afghanische Christen sind in den meisten Fällen vom Islam zum Christentum konvertiert (LIB, Kapitel 16.2).

Bei der Konversion vom Islam zum Christentum wird in erster Linie nicht das Christentum als problematisch gesehen, sondern die Abkehr vom und der Austritt aus dem Islam. Laut islamischer Rechtsprechung soll jeder Konvertit drei Tage Zeit bekommen, um seinen Konfessionswechsel zu widerrufen. Sollte es zu keinem Widerruf kommen, gilt Enthauptung als angemessene Strafe für Männer, während Frauen mit lebenslanger Haft bedroht werden. Ein Richter kann eine mildere Strafe verhängen, wenn Zweifel an der Apostasie bestehen. Auch kann die Regierung das Eigentum der Abtrünnigen konfiszieren und deren Erbrecht einschränken. Konvertiten vom Islam zum Christentum werden von der Gesellschaft nicht gut behandelt, weswegen sie sich meist nicht öffentlich bekennen. In den meisten Fällen versuchen die Behörden Konvertiten gegen die schlechte Behandlung durch die Gesellschaft zu unterstützen, zumindest um potenzielles Chaos und Misshandlung zu vermeiden. Missionierung sind illegal. Die öffentliche Meinung stehe Christen und der Missionierung weiterhin feindselig gegenüber (LIB, Kapitel 16.2).

Apostaten (Abfall vom Islam):

Die Abkehr vom Islam (Apostasie) wird nach der Scharia als Verbrechen betrachtet, auf das die Todesstrafe steht. Es gibt keine Berichte über die Verhängung der Todesstrafe aufgrund von Apostasie oder der Strafverfolgung bei Blasphemie. Gefahr bis hin zur Ermordung droht Konvertiten hingegen oft aus dem familiären oder nachbarschaftlichen Umfeld. Die afghanische Gesellschaft hat generell eine sehr geringe Toleranz gegenüber Menschen, die als den Islam beleidigend oder zurückweisend wahrgenommen werden. Personen, die der Apostasie beschuldigt werden, sind Reaktionen von Familie, Gemeinschaften oder in einzelnen Gebieten von Aufständischen ausgesetzt, aber eher nicht von staatlichen Akteuren. Wegen konservativer sozialer Einstellungen und Intoleranz sowie der Unfähigkeit oder Unwilligkeit der Sicherheitskräfte, individuelle Freiheiten zu verteidigen, sind Personen, die mutmaßlich gegen religiöse und soziale Normen verstoßen, vulnerabel für Misshandlung (LIB, Kapitel 16.5).

1.5.6. Allgemeine Menschenrechtslage

Im Bereich der Menschenrechte hat Afghanistan unter schwierigen Umständen Fortschritte gemacht. Inzwischen ist eine selbstbewusste neue Generation von Afghaninnen und Afghanen herangewachsen, die sich politisch, kulturell und sozial engagiert und der Zivilgesellschaft eine stärkere Stimme verleiht. Diese Fortschritte erreichen aber nach wie vor nicht alle Landesteile und sind außerhalb der Städte auch gegen willkürliche Entscheidungen von Amtsträgern und Richtern sowie Einflussnahme örtlicher Machteliten nur schwer durchzusetzen. Die afghanische Regierung ist nicht in der Lage, die durch die afghanische Verfassung und einschlägige völkerrechtliche Verträge garantierten Menschenrechte vollumfänglich umzusetzen und zu gewährleisten (LIB, Kapitel 11).

Menschenrechtsverletzungen an der Zivilbevölkerung finden nach wie vor in allen Teilen des Landes und unabhängig davon statt, wer die betroffenen Gebiete tatsächlich kontrolliert (UNHCR, Kapitel II. C. 1).

Die Fähigkeit der Regierung, Menschenrechte zu schützen, wird durch die Unsicherheit und zahlreiche Angriffe durch regierungsfeindliche Kräfte untergraben. Insbesondere ländliche und instabile Gebiete leiden unter einem allgemein schwachen förmlichen Justizsystem, das unfähig ist, Zivil- und Strafverfahren effektiv und zuverlässig zu entscheiden (UNHCR, Kapitel II. C. 2).

1.5.7. Bewegungsfreiheit und Meldewesen

Das Gesetz garantiert interne Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Emigration und Rückkehr. Afghanen dürfen sich formell im Land frei bewegen und niederlassen (LIB, Kapitel 19).

Afghanistan hat kein zentrales Bevölkerungsregister, keine Datenbanken mit Adress- oder Telefonnummerneinträgen und auch keine Melde- oder Registrierungspflicht. Die Gemeinschafts- bzw. Bezirksältesten führen kein Personenstandsregister, die Regierung registriert jedoch Rückkehrer. Durch die hohe soziale Kontrolle ist gerade im ländlichen Raum keine, aber auch in den Städten kaum Anonymität zu erwarten (LIB, Kapitel 19.1).

1.5.8. Regierungsfeindliche Gruppierungen

In Afghanistan sind unterschiedliche regierungsfeindliche Gruppierungen aktiv - insbesondere die Grenzregion zu Pakistan bleibt eine Zufluchtsstätte für unterschiedliche Gruppierungen, wie Taliban, Islamischer Staat, al-Qaida, Haqqani-Netzwerk, Lashkar-e Tayyiba, Tehrik-e Taliban Pakistan, sowie Islamic Movement of Uzbekistan (LIB, Kapitel 2).

Taliban:

Die Mehrheit der Taliban sind immer noch Paschtunen, obwohl es eine wachsende Minderheit an Tadschiken, Usbeken, Belutschen und sogar mehreren hundert Hazara (einschließlich Schiiten) gibt. In einigen nördlichen Gebieten bestehen die Taliban bereits überwiegend aus Nicht-Paschtunen, da sie innerhalb der lokalen Bevölkerung rekrutieren (LIB, Kapitel 2).

Die Gesamtstärke der Taliban betrug im Jahr 2017 über 200.000 Personen, darunter ca. 150.000 Kämpfer, davon rund 60.000 Vollzeitkämpfer mobiler Einheiten und der Rest ist Teil der lokalen Milizen. Die Taliban betreiben Trainingslager in Afghanistan (LIB, Kapitel 2).

Zwischen 01.12.2018 und 31.05.2019 haben die Talibanaufständischen mehr Angriffe ausgeführt als in der Vergangenheit üblich, trotzdem war die Gesamtzahl effektiver feindlicher Angriffe stark rückläufig. Diese Angriffe hatten hauptsächlich militärische Außenposten und Kontrollpunkte sowie andere schlecht verteidigte ANDSF-Posten zum Ziel - die Taliban beschränken ihre Angriffe weitgehend auf Regierungsziele und afghanische und internationale Sicherheitskräfte (LIB, Kapitel 2).

Haqani-Netzwerk:

Das seit 2012 bestehende Haqqani-Netzwerk ist eine teilautonome Organisation, Bestandteil der afghanischen Taliban und Verbündeter von al-Qaida. Als gefährlichster Arm der Taliban, hat das Haqqani-Netzwerk seit Jahren Angriffe in den städtischen Bereichen ausgeführt und ist für einige der tödlichsten Angriffe in Afghanistan verantwortlich (LIB, Kapitel 2).

Islamischer Staat (IS/DaesH) - Islamischer Staat Khorasan Provinz:

Die Stärke des ISKP variiert zwischen 1.500 und 3.000, bzw. 2.500 und 4.000 Kämpfern bzw. ist ihre Zahl auf 5.000 gestiegen. Der IS ist seit Sommer 2014 in Afghanistan aktiv. Durch Partnerschaften mit militanten Gruppen konnte der IS seine organisatorischen Kapazitäten sowohl in Afghanistan als auch in Pakistan stärken. Er ist vor allem im Osten des Landes in der Provinz Nangarhar präsent (LIB, Kapitel 2).

Neben komplexen Angriffen auf Regierungsziele, verübte der ISKP zahlreiche groß angelegte Anschläge gegen Zivilisten, insbesondere auf die schiitische-Minderheit. Die Zahl der zivilen Opfer durch ISKP-Handlungen hat sich dabei 2018 gegenüber 2017 mehr als verdoppelt, nahm im ersten Halbjahr 2019 allerdings wieder ab. Die Taliban und der IS sind verfeindet. Während die Taliban ihre Angriffe überwiegend auf Regierungszeile bzw. Sicherheitskräfte beschränken, zielt der IS darauf ab konfessionelle Gewalt zu fördern und Schiiten anzugreifen (LIB, Kapitel 2).

Al-Qaida:

Al-Qaida sieht Afghanistan auch weiterhin als sichere Zufluchtsstätte für ihre Führung, basierend auf langjährigen und engen Beziehungen zu den Taliban. Al-Qaida will die Präsenz in der Provinz Badakhshan stärken, insbesondere im Distrikt Shighnan, der an der Grenze zu Tadschikistan liegt, aber auch in der Provinz Paktika, Distrikt Barmal, wird versucht die Präsenz auszubauen (LIB, Kapitel 2).

1.5.9. Provinzen und Städte

1.5.9.1. Herkunftsprovinz Ghazni:

Die Provinz Ghazni liegt im Südosten Afghanistans. Fast die Hälfte der Bevölkerung von Ghazni sind Paschtunen, etwas weniger als die Hälfte sind Hazara und rund 5% sind Tadschiken. Ghazni hat 1.338.597 Einwohner (LIB, Kapitel 3.10).

Ghazni gehört zu den relativ volatilen Provinzen im Südosten Afghanistans. Taliban-Kämpfer sind in einigen der unruhigen Distrikte der Provinz aktiv, wo sie oft versuchen, terroristische Aktivitäten gegen die Regierung und Sicherheitseinrichtungen durchzuführen. Gleichzeitig führen die Regierungskräfte regelmäßig Operationen in Ghazni durch, um die Aufständischen aus der Provinz zu vertreiben. In der Provinz kommt es regelmäßig zu militärischen Operationen, Luftangriffen und Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften. Im Jahr 2018 gab es 653 zivile Opfer (253 Tote und 400 Verletzte) in Ghazni. Dies entspricht einer Steigerung von 84% gegenüber 2017. Die Hauptursache für die Opfer waren Kämpfe, gefolgt von Luftangriffen und gezielten oder vorsätzlichen Morden (LIB, Kapitel 3.10).

In der Provinz Ghazni reicht eine "bloße Präsenz" in dem Gebiet nicht aus, um ein ernstes Risiko für ernsthafte Schäden gemäß Artikel 15(c) der Qualifizierungsrichtlinie festzustellen. Es wird dort jedoch ein hohes Maß an willkürlicher Gewalt erreicht, und dementsprechend ist ein geringeres Maß an Einzelelementen erforderlich, um die Annahme zu begründen, dass ein Zivilist, der dieses Gebiet zurückgekehrt ist, einem realen Risiko eines ernsthaften Schadens im Sinne von Artikel 15(c) der Qualifizierungsrichtlinie ausgesetzt ist (EASO, Kapitel Guidance note: Afghanistan, III.3).

1.5.9.2. Mazar-e Sharif

Mazar-e Sharif ist die Provinzhauptstadt von Balkh, einer ethnisch vielfältigen Provinz, welche von Paschtunen, Usbeken, Hazara, Tadschiken, Turkmenen, Aimaq, Belutschen, Arabern und sunnitischen Hazara (Kawshi) bewohnt wird. Sie hat 469.247 Einwohner und steht unter Kontrolle der afghanischen Regierung (LIB, Kapitel 3.5).

Das Niveau an willkürlicher Gewalt ist in der Stadt Mazar-e Sharif so gering, dass für Zivilisten an sich nicht die Gefahr besteht, von erheblichen Eingriffen in die psychische oder physische Unversehrtheit betroffen zu sein (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, III).

Mazar-e Sharif ist über die Autobahn sowie über einen Flughafen (mit nationalen und internationalen Anbindungen) legal zu erreichen (LIB, Kapitel 21). Der Flughafen von Mazar-e Sharif (MRZ) liegt 9 km östlich der Stadt im Bezirk Marmul. Die Befahrung der Straßen von diesem Flughafen bis zur Stadt Mazar-e Sharif ist zur Tageszeit im Allgemeinen sicher (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).

Mazar-e Sharif ist ein Import-/Exportdrehkreuz, ein regionales Handelszentrum sowie ein Industriezentrum mit großen Fertigungsbetrieben und einer Vielzahl von kleinen und mittleren Unternehmen (LIB, Kapitel 21). Mazar-e Sharif gilt im Vergleich zu Herat oder Kabul als wirtschaftlich relativ stabiler. Die größte Gruppe von Arbeitern in der Stadt Mazar-e Sharif sind im Dienstleistungsbereich und als Verkäufer tätig (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).

Die Unterkunftssituation stellt sich in Mazar-e Sharif, wie in den anderen Städten Afghanistans auch, für Rückkehrer und Binnenflüchtlinge als schwierig dar. Viele Menschen der städtischen Population lebt in Slums oder nichtadäquaten Unterkünften. In Mazar-e Sharif besteht grundsätzlich die Möglichkeit, sicheren Wohnraum, wie beispielsweise in Teehäusern, zu mieten. (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).

Die meisten Menschen in Mazar-e Sharif haben Zugang zu erschlossener Wasserversorgung (76%), welche in der Regel in Rohrleitungen oder aus Brunnen erfolgt. 92% der Haushalte haben Zugang zu besseren Sanitäreinrichtungen (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).

In der Stadt Mazar-e Sharif gibt es 10 - 15 - teils öffentliche, teils private - Krankenhäuser. In Mazar-e Sharif existieren mehr private als öffentliche Krankenhäuser. Private Krankenhäuser sind sehr teuer, jede Nacht ist kostenpflichtig. Zusätzlich existieren etwa 30-50 medizinische Gesundheitskliniken die zu 80% öffentlich finanziert sind (LIB, Kapitel 22).

1.5.10. Situation für Rückkehrer/innen

In den ersten vier Monaten des Jahres 2019 kehrten insgesamt 63.449 Menschen nach Afghanistan zurück. Im Jahr 2018 kamen 775.000 aus dem Iran und 46.000 aus Pakistan zurück (LIB, Kapitel 23).

Soziale, ethnische und familiäre Netzwerke sind für einen Rückkehrer unentbehrlich. Der Großteil der nach Afghanistan zurückkehrenden Personen verfügt über ein familiäres Netzwerk, auf das in der Regel zurückgegriffen wird. Wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage, den ohnehin großen Familienverbänden und individuellen Faktoren ist diese Unterstützung jedoch meistens nur temporär und nicht immer gesichert. Neben der Familie als zentrale Stütze der afghanischen Gesellschaft, kommen noch weitere wichtige Netzwerke zum Tragen, wie z.B. der Stamm, der Clan und die lokale Gemeinschaft. Diese basieren auf Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Religion oder anderen beruflichen Netzwerken sowie politische Netzwerke usw. Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. Ein Mangel an Netzwerken stellt eine der größten Herausforderungen für Rückkehrer dar. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden (LIB, Kapitel 23).

Rückkehrer aus dem Iran und aus Pakistan, die oft über Jahrzehnte in den Nachbarländern gelebt haben und zum Teil dort geboren wurden, sind in der Regel als solche erkennbar. Offensichtlich sind sprachliche Barrieren, von denen vor allem Rückkehrer aus dem Iran betroffen sind, weil sie Farsi (die iranische Landessprache) oder Dari (die afghanische Landessprache) mit iranischem Akzent sprechen. Es gibt jedoch nicht viele Fälle von Diskriminierung afghanischer Rückkehrer aus dem Iran und Pakistan aufgrund ihres Status als Rückkehrer. Fast ein Viertel der afghanischen Bevölkerung besteht aus Rückkehrern. Diskriminierung beruht in Afghanistan großteils auf ethnischen und religiösen Faktoren sowie auf dem Konflikt (LIB, Kapitel 23).

Rückkehrer aus Europa oder dem westlichen Ausland werden von der afghanischen Gesellschaft häufig misstrauisch wahrgenommen. Es sind jedoch keine Fälle bekannt, in denen Rückkehrer nachweislich aufgrund ihres Aufenthalts in Europa Opfer von Gewalttaten wurden. Wenn ein Rückkehrer mit im Ausland erlangten Fähigkeiten und Kenntnissen zurückkommt, stehen ihm mehr Arbeitsmöglichkeiten zur Verfügung als den übrigen Afghanen, was bei der hohen Arbeitslosigkeit zu Spannungen innerhalb der Gemeinschaft führen kann (LIB, Kapitel 23).

Der Mangel an Arbeitsplätzen stellt für den Großteil der Rückkehrer die größte Schwierigkeit dar. Der Zugang zum Arbeitsmarkt hängt maßgeblich von lokalen Netzwerken ab. Die afghanische Regierung kooperiert mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Für Afghanen, die im Iran geboren oder aufgewachsen sind und keine Familie in Afghanistan haben, ist die Situation problematisch (LIB, Kapitel 23).

Viele Rückkehrer leben in informellen Siedlungen, selbstgebauten Unterkünften oder gemieteten Wohnungen. Die meisten Rückkehrer im Osten des Landes leben in überbelegten Unterkünften und sind von fehlenden Möglichkeiten zum Bestreiten des Lebensunterhaltes betroffen (LIB, Kapitel 23).

Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, können verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Rückkehrer erhalten Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Für Rückkehrer leisten UNHCR und IOM in der ersten Zeit Unterstützung. Bei der Anschlussunterstützung ist die Transition von humanitärer Hilfe hin zu Entwicklungszusammenarbeit nicht immer lückenlos. Es gibt keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer. Der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer aus Europa kehrt direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Es befinden sich viele Rückkehrer in Gebieten, die für Hilfsorganisationen aufgrund der Sicherheitslage nicht erreichbar sind (LIB, Kapitel 23).

Die "Reception Assistance" umfasst sofortige Unterstützung oder Hilfe bei der Ankunft am Flughafen: IOM trifft die freiwilligen Rückkehrer vor der Einwanderungslinie bzw. im internationalen Bereich des Flughafens, begleitet sie zum Einwanderungsschalter und unterstützt bei den Formalitäten, der Gepäckabholung, der Zollabfertigung, usw. Darüber hinaus arrangiert IOM den Weitertransport zum Endziel der Rückkehrer innerhalb des Herkunftslandes und bietet auch grundlegende medizinische Unterstützung am Flughafen an. 1.279 Rückkehrer erhielten Unterstützung bei der Weiterreise in ihre Heimatprovinz. Für die Provinzen, die über einen Flughafen und Flugverbindungen verfügen, werden Flüge zur Verfügung gestellt. Der Rückkehrer erhält ein Flugticket und Unterstützung bezüglich des Flughafen-Transfers. Der Transport nach Herat findet in der Regel auf dem Luftweg statt (LIB, Kapitel 23).

Familien in Afghanistan halten in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren (LIB, Kapitel 23).

1.5.11. Auszüge aus der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 15.09.2016, AFGHANISTAN, Außerehelicher Geschlechtsverkehr, Uneheliches Kind:

"(...)

Den nachfolgend zitierten Quellen ist zu entnehmen, dass außerehelicher Geschlechtsverkehr laut afghanischem Gesetz strafbar ist, zu harten Strafen führen kann und gesellschaftlich geächtet wird.

Gemäß dem folgenden Bericht von Congressional Research Service werden Frauen regelmäßig wegen zina, einem Begriff für Ehebruch, eingesperrt, welcher laut Strafgesetzbuch eine Straftat ist. Diese Straftat beinhaltet das Weglaufen von Zuhause, sich der Wahl eines Ehemannes von der Familie zu widersetzen, durchzubrennen oder das Fliehen vor häuslicher Gewalt. Frauen können ebenso dafür verhaftet werden, ein uneheliches Kind geboren zu haben.

(...)

Human Rights Watch - eine international tätige, nichtstaatliche Organisation, die für die Wahrung der Menschenrechte eintritt - berichtet dass in Afghanistan hunderte von Frauen und Mädchen wegen "moralischer Vergehen" verhaftet werden. Diese sogenannten Vergehen beinhalten das Weglaufen von Zuhause, das Begehen von zina oder den Versuch es zu begehen, oder außerehelichen Geschlechtsverkehr. Zina ist laut afghanischem Strafgesetzbuch strafbar und kann mit bis zu 15 Jahren Haft bestraft werden. Das Weglaufen von Zuhause ist keine Straftat, dennoch wird es von der Polizei und den Richtern als solche gehandelt und manchmal als "Versuch von zina" angeklagt.

(...)

Der Artikel 427 des afghanischen Strafgesetzbuchs von 1979 besagt, dass eine Person, die Ehebruch oder Päderastie begeht, zu einer langfristigen Haft verurteilt werden soll.

(...)

Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen UNICEF berichtet, dass der Artikel 427 des Strafgesetzbuches eine illegale sexuelle Beziehung als Ehebruch betrachtet, welche eine langfristige Haft für den Täter vorsieht. Laut dem Gesetz der Scharia [anm.: islamisches Recht] sind der "zani" (Täter des Geschlechtsverkehrs, üblicherweise Männer) und die "zaniah" (Empfängerin, üblicherweise Frauen) harten Strafen wie Ehrenmorde, ortsüblichen Regeln und dem Gesetz der Scharia ausgesetzt.

(...)"

1.5.12. Auszüge aus der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 12.07.2017, AFGHANISTAN, Christen, Konvertiten, Abtrünnige in Afghanistan:

"(...)

Nachfolgend zitierte Quelle ist zu entnehmen, dass nur wenige Berichte in Afghanistan zu der Behandlung von originären Christen und Konvertiten - innerhalb der Gemeinschaft, in Haftanstalten, durch den Staat und die Behörden - existieren. Ähnliches gilt laut nachfolgend zitierter Quelle für Abtrünnige, die vom islamischen Glauben abgefallen sind; zu dieser Personengruppe gibt es fast keine öffentlichen Berichte.

(...)

Berichte von Fehlverhalten gegenüber jenen, die zum Christentum übergetreten sind, existieren in sozialen Medien, und nur ganz wenige Fälle passieren in der Öffentlichkeit.

(...)

Die Behandlung von christlichen Konvertiten in der Gesellschaft:

Jene Menschen, die vom Islam zum Christentum übergetreten sind, werden nicht gut behandelt; sie werden von den Menschen erniedrigt und in den meisten Fällen würden sie nicht öffentlich zu ihrem Christentum stehen.

Nachdem es keine Anzahl von sich öffentlich bekennenden Christen in der afghanischen Gesellschaft gibt, ist es unmöglich zu beurteilen, wie diese in der Gesellschaft behandelt werden.

(...)

Die Behandlung von christlichen Konvertiten durch Staat und Behörden:

Es wird immer so getan, als ob sie normal behandelt werden und sie in der Öffentlichkeit nicht schlechter behandelt werden; nichtsdestotrotz werden sie ganz normal wie andere Menschen behandelt. In den meisten Fällen versuchen die Behörden sie gegen die schlechte Behandlung durch die Gesellschaft zu unterstützen, zumindest um potentielles Chaos und Misshandlung zu vermeiden.

Nachdem es keine Anzahl zu sich öffentlich bekennenden Christen in der afghanischen Gesellschaft gibt, ist es unmöglich zu beurteilen, wie staatliche Behörden diese behandeln.

(...)

Gemäß dem Gesetz haben alle Afghanen - gleich welchen Glaubens - dieselben Bürgerrechte und genießen alle Leistungen, die von staatlichen Behörden angeboten werden; keine staatliche Agentur oder Behörde fragt nach dem Glauben, bevor sie eine öffentliche Leistung anbietet. Damit werden alle Leistungen gleich sowohl an muslimische und als auch nicht muslimischen Afghanen angeboten.

(...)

Höchstwahrscheinlich werden jene, die den Islam öffentlich kritisiert haben, strafrechtlich verfolgt werden; aber die meisten strafrechtlichen Verfolgungen werden nicht zu einer schnellen und bestimmten Bestrafung führen. Auch ist unklar, ob die strafrechtlichen Verfolgungen dem Schutz oder der Bestrafung dienen. In wenigen Fällen werden die Schuldigen verhaftet und aus dem Land gebracht.

Selbstverständlich gibt es einen Unterschied zwischen ländlichen und städtischen Gegenden; die städtische Gesellschaft ist flexibler und gleicht in diesen Fällen die Situation aus, während in ländlichen Gebieten die Gesellschaft und Menschen strenger und harscher sind.

(...)

Religiöse Freiheit für Christen in Afghanistan existiert; gemäß der afghanischen Verfassung ist es Gläubigen erlaubt, ihre Religion in Afghanistan frei auszuführen, ihren Gott anzubeten und ihre Religion im Rahmen des Gesetzes in Afghanistan zu leben. Das offensichtlichste Beispiel dafür ist die First Lady von Afghanistan, die eine Christin ist und als First Lady in Afghanistan akzeptiert ist. Hundertausende Ausländer, die Christen sind, leben und arbeiten in Afghanistan und werden von der afghanischen Gesellschaft akzeptiert. Dennoch gibt es unterschiedliche Interpretationen zu religiöser Freiheit, da konvertierte Christen viele Einschränkungen im Gegensatz zu originären Christen haben. Religiöse Freiheit beinhaltet nicht die Konversion.

(...)"

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt sowie in den Gerichtsakt und durch Einvernahme des Beschwerdeführers in den mündlichen Verhandlungen und durch Einvernahme von XXXX als Zeugen.

2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen dahingehend übereinstimmenden Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, vor dem Bundesamt, in der Beschwerde und vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die getroffenen Feststellungen zum Namen und zum Geburtsdatum des Beschwerdeführers gelten ausschließlich zur Identifizierung der Person des Beschwerdeführers im Asylverfahren.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, zu seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, seiner Muttersprache, seinem Lebenslauf, seinem Aufwachsen sowie seiner familiären Situation in Afghanistan, seiner Schulbildung und seiner Berufserfahrung als Autolackierer gründen sich auf seinen diesbezüglich schlüssigen und stringenten Angaben. Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen im gesamten Verfahren gleich gebliebenen Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln.

Die Feststellung zur Sozialisierung des Beschwerdeführers nach den afghanischen Gepflogenheiten, ergibt sich daraus, dass er in Afghanistan mit seiner afghanischen Familie aufgewachsen ist, dort zur Schule gegangen ist und als Autolackierer gearbeitet hat.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand gründen auf den diesbezüglich glaubhaften Aussagen des Beschwerdeführers beim Bundesamt (vgl. AS 43) und auf dem Umstand, dass im Verfahren nichts Gegenteiliges hervorgekommen ist.

2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

2.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 idF BGBl. I Nr. 145/2017, (in der Folge: AsylG 2005) liegt es auch am Beschwerdeführer, entsprechend glaubhaft zu machen, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht.

Das Asylverfahren bietet, wie der VwGH in seinem Erkenntnis vom 27.05.2019, Ra 2019/14/0143-8, wieder betonte, nur beschränkte Möglichkeiten, Sachverhalte, die sich im Herkunftsstaat des Asylwerbers ereignet haben sollen, vor Ort zu verifizieren. Hat der Asylwerber keine anderen Beweismittel, so bleibt ihm lediglich seine Aussage gegenüber den Asylbehörden, um das Schutzbegehren zu rechtfertigen. Diesen Beweisschwierigkeiten trägt das österreichische Asylrecht in der Weise Rechnung, dass es lediglich die Glaubhaftmachung der Verfolgungsgefahr verlangt. Um den Status des Asylberechtigten zu erhalten, muss die Verfolgung nur mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit drohen. Die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt jedoch nicht. Dabei hat der Asylwerber im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht nach § 15 Abs. 1 Z

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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