TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/31 W183 2228392-1

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Veröffentlicht am 31.03.2020
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Entscheidungsdatum

31.03.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W183 2228392-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Dr. PIELER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Iran, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.01.2020, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 13.03.2020 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkte I. -V. als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt VI. insofern Folge gegeben, als die Frist für die freiwillige Ausreise mit 18.05.2020 endet.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer verließ im Jahr 2019 Iran, stellte am 07.11.2019 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde am 08.11.2019 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Am 13.11.2019 und am 07.01.2020 wurde der Beschwerdeführer von der nunmehr belangten Behörde, dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), zu seinen Fluchtgründen niederschriftlich einvernommen.

Im behördlichen Verfahren gab der Beschwerdeführer als Fluchtgrund im Wesentlichen an, dass er in Iran zum Christentum konvertiert sei und Hauskirchen besucht habe. Eines Tages sah er, dass seine Hauskirche von der Polizei gestürmt worden sei, woraufhin er die Flucht angetreten habe.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid (zugestellt am 14.01.2020) wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt, sondern gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Iran zulässig ist (Spruchpunkte III. bis V.). Unter Spruchpunkt VI. wurde ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt.

Das BFA stellte der Beschwerdeführer amtswegig einen Rechtsberater zur Seite.

3. Mit Schriftsatz vom 06.02.2020 erhob der Beschwerdeführer durch seine Rechtsvertretung binnen offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde in vollem Umfang. Darin wurde im Wesentlichen auf die Länderberichte zu Iran, welche die Todesstrafe für Apostasie vorsehen, verwiesen und diese sowie Judikatur des Bundesverwaltungsgerichts auszugsweise wiedergegeben. Auch habe der Beschwerdeführer sehr wohl einen engen Bezug zum Christentum, weshalb ihm Asyl zu gewähren sei. In eventu sei subsidiärer Schutz zu gewähren, weil der Beschwerdeführer nur über rudimentäre Schulbildung verfüge und aufgrund seines Glaubens zusätzlich diskriminiert werde. Betreffend den Gesundheitszustand wurde ein radiologischer Befund vom 24.01.2020 vorgelegt.

4. Mit Schriftsatz vom 06.02.2020 (eingelangt am 07.02.2020) legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Bezug habenden Verwaltungsunterlagen dem Bundesverwaltungsgericht vor.

5. Mit Schreiben vom 10.02.2020 wurden der Beschwerdeführer sowie das BFA zu einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 13.03.2020 geladen und wurde in den Ladungen darauf hingewiesen, dass das Bundesverwaltungsgericht beabsichtige, die Länderberichte gemäß dem "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Iran, Gesamtaktualisierung am 14. Juni 2019" sowie den "Länderreport 10 des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Iran - Situation der Christen, Stand 3/2019" als Grundlage für die Feststellungen zur Situation in Iran heranzuziehen. Es wurde Gelegenheit zur Einsicht- und Stellungnahme gegeben. Das BFA entschuldigte sich für die Nichtteilnahme an der Verhandlung.

Die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers ersuchte mit Schriftsatz vom 03.03.2020 und vom 06.03.2020 um zeugenschaftliche Einvernahmen eines Pfarrgemeinderatsmitglieds sowie eines evangelischen Pfarrers, welche sohin vom Bundesverwaltungsgericht geladen wurden.

6. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 13.03.2020 unter Beiziehung eines Dolmetschs für die Sprache Farsi eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher der Beschwerdeführer sowie dessen Rechtsvertretung teilnahmen. Der Beschwerdeführer wurde ausführlich zu seiner Person, seinen Fluchtgründen sowie religiösen Aktivitäten in Österreich befragt. Es wurde ihm Gelegenheit gegeben, alle Gründe umfassend darzulegen, zu den ins Verfahren eingeführten Länderberichten Stellung zu nehmen und seine Situation in Österreich darzustellen. Die beiden beantragten Zeugen wurden einvernommen. Das BFA nahm an dieser Verhandlung nicht teil und gab keine schriftliche Stellungnahme zu der Situation im Herkunftsland ab.

In der Verhandlung legte der Beschwerdeführer mehrere Unterlagen betreffend seine Beteiligung in einer evangelischen Pfarrgemeinde, die Aufnahme im Taufkurs und den Besuch eines Glaubenskurses, seinen gesundheitlichen Zustand sowie Unterstützungsschreiben vor.

Eine Strafregisterabfrage wurde am Tag der Verhandlung durchgeführt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer ist ein volljähriger iranischer Staatsangehöriger. Er trägt den im Erkenntniskopf genannten Namen und ist am dort angeführten Datum geboren. Seine Identität steht nicht fest.

Der Beschwerdeführer stammt aus Teheran und lebte dort bis zu seiner Ausreise, sein Großvater gehörte der Volksgruppe der Gilak an. Der Beschwerdeführer spricht Gilaki (Muttersprache), Farsi sehr gut, Englisch mittelmäßig und ein paar Worte Deutsch. Er verfügt über einen Schulabschluss, studierte Zivilingenieurwesen (kein Abschluss) und arbeitete im Zollbereich sowie bei einer Firma, die Autofilter verkaufte. Seine wirtschaftliche Situation war gut.

Der Beschwerdeführer ist verheiratet und hat eine 12-jährige Tochter; Ehefrau und Tochter leben beide in Iran. Sie leben wirtschaftlich betrachtet ein normales Leben. In Iran leben weiters der Vater des Beschwerdeführers sowie eine Schwester mit ihrer Familie. Der Beschwerdeführer hat zu seiner Familie Kontakt und hat auch seinen Vater über seine Ausreise informiert. Zu zwei in Österreich lebenden Cousins hat der Beschwerdeführer keinen Kontakt.

Der Beschwerdeführer reiste unter Umgehung von Passkontrollen aus Iran aus, illegal nach Österreich ein und stellte am 07.11.2019 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Ein nicht auf das Asylgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht besteht nicht.

Der Beschwerdeführer ist psychisch gesund. Physisch leidet der Beschwerdeführer aufgrund eines Motorradunfalls vor rund 10 Jahren an Problemen mit seiner Wirbelsäure. Auch Nacken, Fuß und Knie sowie die linke Hand sind beeinträchtigt. Er muss deshalb Medikamente einnehmen, um die Schmerzen zu lindern.

Der Beschwerdeführer verfügt - abgesehen von zwei Cousins, zu denen er aber keinen Kontakt hat - über keine familiären oder sonstigen verwandtschaftlichen bzw. familienähnlichen sozialen Bindungen in Österreich. Der Beschwerdeführer lebt hier in keiner Lebensgemeinschaft. Der Beschwerdeführer ist in Österreich nicht Mitglied in Vereinen oder anderen Organisationen. Die sozialen Kontakte beschränken sich im Wesentlichen auf ein österreichisches Ehepaar und ein paar Personen aus dem kirchlichen Bereich.

Der Beschwerdeführer bezieht in Österreich Leistungen aus der Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig.

Der Beschwerdeführer besucht keinen Deutschkurs und spricht erst ein paar Worte Deutsch.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zum Fluchtvorbringen

Der Beschwerdeführer wuchs in Iran als schiitischer Moslem auf. Seine Frau hat Verständnis für sein christliches Interesse, würde selbst aber nicht konvertieren.

Es wird festgestellt, dass sich der Beschwerdeführer in Iran nicht tiefergehend dem Christentum zuwandte oder christlich missionierte. Es wird festgestellt, dass dies dem Beschwerdeführer von iranischen Behörden oder Privatpersonen auch nicht unterstellt wird.

In Österreich besucht der Beschwerdeführer seit seiner Ankunft im November 2019 Gottesdienste und andere kirchliche Veranstaltungen in verschieden Kirchen und unterschiedlichen Glaubenszweigen. Er selbst bekennt sich zum evangelischen Glauben, besucht aber auch katholische Veranstaltungen. Er geht in einen Glaubenskurs und wurde laut Bestätigung einer evangelischen Pfarrgemeinde A. und H.B. vom 05.03.2020 in den einjährigen Taufkurs aufgenommen. Es hat bis dato zwei Sitzungen gegeben. Der Beschwerdeführer meldete seinen Austritt aus der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich bislang nicht. Auch seine beiden in Österreich lebenden Cousins sind über seinen Aufenthalt in Österreich bzw. sein christliches Engagement nicht informiert. Der Beschwerdeführer verfügt über kein tiefergehendes Wissen zum Christentum bzw. zu dem von ihm gewählten protestantischen Zweig.

Es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer in Österreich nicht aus einem innerem Entschluss zum Christentum konvertiert ist und die christliche Glaubensüberzeugung aktuell nicht derart ernsthaft ist, sodass sie Bestandteil der Identität des Beschwerdeführers wurde. Es wird davon ausgegangen, dass sich der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Iran nicht privat oder öffentlich zum christlichen Glauben bekennen wird.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich nicht missionarisch tätig und beabsichtigt nicht ernsthaft, dies in Zukunft zu tun. Die iranischen Behörden oder Verwandte (mit Ausnahme seiner Frau) und Freunde des Beschwerdeführers in Iran wissen von den oben festgestellten christlichen Aktivitäten des Beschwerdeführers in Österreich nicht Bescheid. Von der Frau des Beschwerdeführers geht keine Bedrohung aus.

Es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer in Iran keine Verfolgung aufgrund seiner ethnischen Zugehörigkeit oder (unterstellter) oppositioneller Gesinnung droht.

Der Beschwerdeführer brachte keine weiteren Gründe, warum er eine Rückkehr in den Heimatstaat fürchtet, vor.

1.3. Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat

Aus dem ins Verfahren eingeführten Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Iran vom 14. Juni 2019 (LIB 2019) ergibt sich wie folgt:

Zur Sicherheitslage

Den komplexen Verhältnissen in der Region muss stets Rechnung getragen werden. Bestimmte Ereignisse und Konflikte in Nachbarländern können sich auf die Sicherheitslage im Iran auswirken.

Latente Spannungen im Land haben wiederholt zu Kundgebungen geführt, besonders im Zusammenhang mit (religiösen) Lokalfeiertagen und Gedenktagen. Dabei ist es in verschiedenen iranischen Städten bisweilen zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Demonstranten gekommen, die Todesopfer und Verletzte gefordert haben, wie beispielsweise Ende Dezember 2017 und im Januar 2018 (EDA 11.6.2019).

Das Risiko von Anschlägen besteht im ganzen Land. Am 22. September 2018 forderte ein Attentat auf eine Militärparade in Ahvaz (Provinz Khuzestan) zahlreiche Todesopfer und Verletzte. Am 7. Juni 2017 wurden in Teheran Attentate auf das Parlament und auf das Mausoleum von Ayatollah Khomeini verübt. Sie haben über zehn Todesopfer und zahlreiche Verletzte gefordert. In den Grenzprovinzen im Osten und Westen werden die Sicherheitskräfte immer wieder Ziel von bewaffneten Überfällen und Anschlägen (EDA 11.6.2019, vgl. AA 11.6.2019b). In Iran kommt es, meistens in Minderheitenregionen, unregelmäßig zu Zwischenfällen mit terroristischem Hintergrund. Seit den Pariser Anschlägen vom November 2015 haben iranische Behörden die allgemeinen Sicherheitsmaßnahmen im Grenzbereich zu Irak und zu Pakistan, aber auch in der Hauptstadt Teheran, erhöht (AA 11.6.2019b). Im ganzen Land, besonders außerhalb von Teheran, kann es immer wieder zu politisch motivierten Kundgebungen mit einem hohen Aufgebot an Sicherheitskräften kommen (BMEIA 11.6.2019).

In der Provinz Sistan-Belutschistan (Südosten, Grenze zu Pakistan/Afghanistan) kommt es regelmäßig zu Konflikten zwischen iranischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppierungen.

Die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt und es gibt vermehrte Sicherheits- und Personenkontrollen. Wiederholt wurden Ausländer in der Region festgehalten und längeren Verhören unterzogen. Eine Weiterreise war in manchen Fällen nur noch mit iranischer Polizeieskorte möglich. Dies geschah vor dem Hintergrund von seit Jahren häufig auftretenden Fällen bewaffneter Angriffe auf iranische Sicherheitskräfte in der Region (AA 20.6.2018b). Die Grenzzone Afghanistan, östliches Kerman und Sistan-Belutschistan stehen teilweise unter dem Einfluss von Drogenhändlerorganisationen sowie von extremistischen Organisationen. Sie haben wiederholt Anschläge verübt und setzen teilweise Landminen auf Überlandstraßen ein. Es kann hier jederzeit zu bewaffneten Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften kommen (EDA 11.6.2019).

In der Provinz Kurdistan und der ebenfalls von Kurden bewohnten Provinz West-Aserbaidschan gibt es wiederholt Anschläge gegen Sicherheitskräfte, lokale Repräsentanten der Justiz und des Klerus. In diesem Zusammenhang haben Sicherheitskräfte ihr Vorgehen gegen kurdische Separatistengruppen und Kontrollen mit Checkpoints noch einmal verstärkt. Seit März 2011 gab es in der Region wieder verstärkt bewaffnete Zusammenstöße zwischen iranischen Sicherheitskräften und kurdischen Separatistenorganisationen wie PJAK und DPIK, mit Todesopfern auf beiden Seiten. Insbesondere die Grenzregionen zum Irak und die Region um die Stadt Sardasht waren betroffen. Trotz eines im September 2011 vereinbarten Waffenstillstandes kam es im Jahr 2015 und verstärkt im Sommer 2016 zu gewaltsamen Konflikten. In bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen iranischen Sicherheitskräften und Angehörigen der DPIK im September 2016 nahe der Stadt Sardasht wurden zehn Personen und drei Revolutionsgardisten getötet. Seit Juni 2016 kam es in der Region zu mehreren derartigen Vorfällen. Bereits 2015 hatte es nahe der Stadt Khoy, im iranisch-türkischen Grenzgebiet (Provinz West-Aserbaidschan), Zusammenstöße mit mehreren Todesopfern gegeben. Seit 2015 kommt es nach iranischen Angaben in der Provinz Khuzestan und in anderen Landesteilen, auch in Teheran, wiederholt zu Verhaftungen von Personen, die mit dem sogenannten Islamischen Staat in Verbindung stehen und Terroranschläge in Iran geplant haben sollen (AA 11.6.2019b). Im iranisch-irakischen Grenzgebiet sind zahlreiche Minenfelder vorhanden (in der Regel Sperrzonen). Die unsichere Lage und die Konflikte in Irak verursachen Spannungen im Grenzgebiet. Gelegentlich kommt es zu Schusswechseln zwischen aufständischen Gruppierungen und den Sicherheitskräften. Bisweilen kommt es auch im Grenzgebiet zur Türkei zu Schusswechseln zwischen militanten Gruppierungen und den iranischen Sicherheitskräften. (EDA 11.6.2019). Schmuggler, die zwischen dem iranischen und irakischen Kurdistan verkehren, werden mitunter erschossen, auch wenn sie unbewaffnet sind (ÖB Teheran 12.2018).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (11.6.2019b): Iran: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/iran-node/iransicherheit/202396, Zugriff 11.6.2019

* BMeiA - Bundesminsterium für europäische und internationale Angelegenheiten (11.6.2019): Reiseinformation Iran, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/iran/ , Zugriff 11.6.2019

* EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (11.6.2019): Reisehinweise Iran, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/iran/reisehinweise-fuerdeniran.html, Zugriff 11.6.2019

* ÖB - Österreichische Botschaften (12.2018): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2007543/Asyll%C3%A4nderbericht+2018.pdf, Zugriff 11.6.2019

Zu Apostasie und Konversion

Apostasie (d.h. Religionswechsel weg vom Islam) ist im Iran zwar nicht im Strafgesetzbuch aber aufgrund der verfassungsrechtlich verankerten islamischen Jurisprudenz verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht (ÖB Teheran 12.2018). Konvertierte werden jedoch zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund anderer Delikte, wie zum Beispiel "mohareb" ("Waffenaufnahme gegen Gott"), "mofsid-fil-arz/fisad-al-arz" ("Verdorbenheit auf Erden"), oder "Handlungen gegen die nationale Sicherheit". In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie selten, bei keiner der Hinrichtungen in den letzten zehn Jahren gibt es Hinweise darauf, dass Apostasie ein bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war. Hingegen gab es mehrere Exekutionen wegen "mohareb" (ÖB Teheran 12.2018, vgl. DIS/DRC 23.2.2018). Die Todesstrafe ist bei Fällen, die mit Konversion zusammenhängen keine geläufige Bestrafung. Allein wegen Konversion werden keine Gerichtsverfahren geführt (DIS/DRC 23.2.2018). Schon seit vielen Jahren wurde kein Christ mehr vom Regime getötet, wahrscheinlich aus Angst vor den daraus resultierenden internationalen Folgen (Open Doors 2019). Anklagen lauten meist auf "Organisation von Hauskirchen" und "Beleidigung des Heiligen", wohl um die Anwendung des Scharia-Rechts und damit die Todesstrafe wegen Apostasie zu vermeiden (AA 12.1.2019). Konversion wird als politische Aktivität angesehen. Fälle von Konversion gelten daher als Angelegenheiten der nationalen Sicherheit und werden vor den Revolutionsgerichten verhandelt. Nach anderen Quellen wurden im Jahr 2017 gegen mehrere christliche Konvertiten hohe Haftstrafen (10 und mehr Jahre) verhängt [Anmerkung der Staatendokumentation: Verurteilungsgrund unklar] (AA 12.1.2019, vgl. AI 22.2.2018). Laut Weltverfolgungsindex 2019 wurden im Berichtszeitraum viele Christen, besonders solche mit muslimischem Hintergrund, vor Gericht gestellt und zu langen Gefängnisstrafen verurteilt bzw. warten noch auf ihren Prozess. Ihre Familien sind während dieser Zeit öffentlichen Demütigungen ausgesetzt (Open Doors 2019).

Missionstätigkeit unter Muslimen kann eine Anklage wegen Apostasie und Sanktionen bis zur Todesstrafe nach sich ziehen. Muslime dürfen daher nicht an Gottesdiensten anderer Religionen teilnehmen. Trotz des Verbots nimmt die Konversion weiter zu. Unter den Christen in Iran stellen Konvertiten aus dem Islam mit schätzungsweise mehreren Hunderttausend inzwischen die größte Gruppe dar, noch vor den Angehörigen traditioneller Kirchen (AA 12.1.2019). Laut der iranischen NGO Article 18 wurden von Jänner bis September 2018 37 Konvertiten zu Haftstrafen wegen "Missionsarbeit" verurteilt (HRW 17.1.2019). In Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß Abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf. Wer zum Islam zurückkehrt, tut dies ohne besondere religiöse Zeremonie, um Aufsehen zu vermeiden. Es genügt, wenn die betreffende Person glaubhaft versichert, weiterhin oder wieder dem islamischen Glauben zu folgen. Es gibt hier für den Rückkehrer bestimmte religiöse Formeln, die dem Beitritt zum Islam ähneln bzw. nahezu identisch sind (ÖB Teheran 12.2018).

Einige Geistliche, die in der Vergangenheit in Iran verfolgt oder ermordet wurden, waren im Ausland zum Christentum konvertiert. Die Tragweite der Konsequenzen für jene Christen, die im Ausland konvertiert sind und nach Iran zurückkehren, hängt von der religiösen und konservativen Einstellung ihres Umfeldes ab. Jedoch wird von familiärer Ausgrenzung berichtet, sowie von Problemen, sich in der islamischen Struktur des Staates zurechtzufinden (z.B. Eheschließung, soziales Leben) (ÖB Teheran 12.2018).

Es liegen keine Daten bzw. Details zu Rechtsprechung und Behördenpraxis im Zusammenhang mit "Konversion" vom Schiitentum zum Sunnitentum vor. Diese "Konversion" ist auch nicht als Apostasie zu werten; bislang wurde noch kein solcher Fall als Apostasie angesehen. Aufgrund von Diskriminierung von Sunniten im Iran könnten öffentlich "konvertierte" Sunniten jedoch Nachteile in Beruf und Privatleben erfahren. Außerdem werden Personen, die vom schiitischen zum sunnitischen Glauben übertreten und dies öffentlich kundtun, zunehmend verfolgt. Im derzeitigen Parlament sind Sunniten (vorwiegend aus Sistan-Belutschistan) vertreten. Gewisse hohe politische Ämter sind jedoch de facto Schiiten vorbehalten. Keine besonderen Bestimmungen gibt es zur Konversion von einer nicht-islamischen zu einer anderen nicht-islamischen Religion, da diese nicht als Apostasie gilt (ÖB Teheran 12.2018).

Die Schließungen der "Assembly of God"-Kirchen im Jahr 2013 führten zu einer Ausbreitung der Hauskirchen. Dieser Anstieg bei den Hauskirchen zeigt, dass sie - obwohl sie verboten sind - trotzdem die Möglichkeit haben, zu agieren. Obwohl die Behörden die Ausbreitung der Hauskirchen fürchten, ist es schwierig, diese zu kontrollieren, da sie verstreut, unstrukturiert und ihre Örtlichkeiten meist nicht bekannt sind. Nichtsdestotrotz werden sie teils überwacht. Die Behörden nutzen Informanten, die die Hauskirchen infiltrieren, deshalb organisieren sich die Hauskirchen in kleinen und mobilen Gruppen. Wenn Behörden Informationen bezüglich einer Hauskirche bekommen, wird ein Überwachungsprozess in Gang gesetzt. Es ist eher unwahrscheinlich, dass die Behörden sofort reagieren, da man zuerst Informationen über die Mitglieder sammeln und wissen will, wer in der Gemeinschaft welche Aufgaben hat. Ob die Behörden eingreifen, hängt von den Aktivitäten und der Größe der Hauskirche ab. Die Überwachung von Telekommunikation, Social Media und Online-Aktivitäten ist weit verbreitet. Es kann jedoch nicht klargestellt werden, wie hoch die Kapazitäten zur Überwachung sind. Die Behörden können nicht jeden zu jeder Zeit überwachen, haben aber eine Atmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen (DIS/DRC 23.2.2018).

In den letzten Jahren gab es mehrere Razzien in Hauskirchen und Anführer und Mitglieder wurden verhaftet (FH 4.2.2019). Eine Hauskirche kann beispielsweise durch Nachbarn aufgedeckt werden, die abnormale Aktivitäten um ein Haus bemerken und dies den Behörden melden. Ansonsten haben die Behörden eigentlich keine Möglichkeit eine Hauskirche zu entdecken, da die Mitglieder in der Regel sehr diskret sind (DIS/DRC 23.2.2018).

Organisatoren von Hauskirchen können sich dem Risiko ausgesetzt sehen, wegen "Verbrechen gegen Gott" angeklagt zu werden, worauf die Todesstrafe steht. Es ist aber kein Fall bekannt, bei dem diese Beschuldigung auch tatsächlich zu einer Exekution geführt hätte. In Bezug auf die Strafverfolgung von Mitgliedern von Hauskirchen besagt eine Quelle, dass eher nur die Anführer von Hauskirchen gerichtlich verfolgt würden, während eine andere Quelle meint, dass auch "low-profile" Mitglieder davon betroffen sein können. Manchmal werden inhaftierte Anführer von Hauskirchen oder Mitglieder auf Kaution entlassen, und wenn es ein prominenter Fall ist, werden diese Personen von den Behörden gedrängt, das Land zu verlassen. Ein Hauskirchenmitglied, das zum ersten Mal festgenommen wird, wird normalerweise nach 24 Stunden wieder freigelassen, mit der Bedingung, dass sie sich vom Missionieren fernhalten. Eine Vorgehensweise gegen Hauskirchen wäre, dass die Anführer verhaftet und dann wieder freigelassen werden, um die Gemeinschaft anzugreifen und zu schwächen. Wenn sie das Missionieren stoppen, werden die Behörden i.d.R. aufhören, Informationen über sie zu sammeln. Es soll auch die Möglichkeit geben, sich den Weg aus der Haft zu erkaufen (DIS/DRC 23.2.2018).

Bei Razzien in Hauskirchen werden meist die religiösen Führer zur Verantwortung gezogen, vor allem aus politischen Gründen. Aufgrund der häufigen Unterstützung ausländischer Kirchen für Kirchen in Iran und der Rückkehr von Christen aus dem Ausland lautet das Urteil oft Verdacht auf Spionage und Verbindung zu ausländischen Staaten und Feinden des Islam (z.B. Zionisten), oder Bedrohung für die nationale Sicherheit. Diese Urteile sind absichtlich vage formuliert, um ein größtmögliches Tätigkeitsspektrum abdecken zu können. Darüber hinaus beinhalten die Urteile auch den Konsum von Alkohol während der Messe (obwohl der Alkoholkonsum im Rahmen der religiösen Riten einer registrierten Gemeinschaft erlaubt ist), illegale Versammlung, Respektlosigkeit vor dem Regime und Beleidigung des islamischen Glaubens. Den verhafteten Christen werden teilweise nicht die vollen Prozessrechte gewährt - oft werden sie ohne Anwaltsberatung oder ohne formelle Verurteilung festgehalten bzw. ihre Haft über das Strafmaß hinaus verlängert. Berichten zufolge sollen auch Kautionszahlungen absichtlich sehr hoch angesetzt werden, um den Familien von Konvertiten wirtschaftlich zu schaden. Im Anschluss an die Freilassung wird Konvertiten das Leben erschwert, indem sie oft ihren Job verlieren bzw. es ihnen verwehrt wird, ein Bankkonto zu eröffnen oder ein Haus zu kaufen (ÖB Teheran 12.2018). Die Regierung nutzt Kautionszahlungen, um verurteilte Christen vorsätzlich verarmen zu lassen, und drängt sie dazu, das Land zu verlassen (Open doors 2019).

Ob ein Mitglied einer Hauskirche im Visier der Behörden ist, hängt auch von seinen durchgeführten Aktivitäten, und ob er/sie auch im Ausland bekannt ist, ab. Normale Mitglieder von Hauskirchen riskieren, zu regelmäßigen Befragungen vorgeladen zu werden, da die Behörden diese Personen schikanieren und einschüchtern wollen. Eine Konversion und ein anonymes Leben als konvertierter Christ allein führen nicht zu einer Verhaftung. Wenn der Konversion aber andere Aktivitäten nachfolgen, wie zum Beispiel Missionierung oder andere Personen im Glauben zu unterrichten, dann kann dies zu einem Problem werden. Wenn ein Konvertit nicht missioniert oder eine Hauskirche bewirbt, werden die Behörden i.d.R. nicht über ihn Bescheid wissen (DIS/DRC 23.2.2018).

Konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, werden für die Behörden nicht von Interesse sein. Wenn ein Konvertit schon vor seiner Ausreise den Behörden bekannt war, könnte dies anders sein. Wenn er den Behörden nicht bekannt war, dann wäre eine Rückkehr nach Iran kein Problem. Konvertiten, die ihre Konversion aber öffentlich machen, können sich Problemen gegenübersehen. Wenn ein zurückgekehrter Konvertit sehr freimütig über seine Konversion in den Social Media-Kanälen, einschließlich Facebook berichtet, können die Behörden auf ihn aufmerksam werden und ihn bei der Rückkehr verhaften und befragen. Der weitere Vorgang würde davon abhängen, was der Konvertit den Behörden erzählt. Wenn der Konvertit kein "high-profile"-Fall ist und nicht missionarisch tätig ist bzw. keine anderen Aktivitäten setzt, die als Bedrohung der nationalen Sicherheit angesehen werden, wird der Konvertit wohl keine harsche Strafe bekommen. Eine Bekanntgabe der Konversion auf Facebook allein, würde nicht zu einer Verfolgung führen, aber es kann durchaus dazu führen, dass man beobachtet wird. Ein gepostetes Foto im Internet kann von den Behörden ausgewertet werden, gemeinsam mit einem Profil und den Aktivitäten der konvertierten Person. Wenn die Person vor dem Verlassen des Landes keine Verbindung mit dem Christentum hatte, würde er/sie nicht verfolgt werden. Wenn eine konvertierte Person die Religion in politischer Weise heranzieht, um zum Beispiel Nachteile des Islam mit Vorteilen des Christentums auf sozialen Netzwerken zu vergleichen, kann das zu einem Problem werden (DIS/DRC 23.2.2018).

Ob eine Taufe für die iranischen Behörden Bedeutung hat, kann nicht zweifelsfrei gesagt werden. Während Amnesty International und eine anonyme Quelle vor Ort aussagen, dass eine Taufe keine Bedeutung habe, ist sich ein Ausländer mit Kontakt zu Christen in Iran darüber unsicher; Middle East Concern, eine Organisation, die sich um die Bedürfnisse von Christen im Mittleren Osten und Nordafrika kümmert, ist der Meinung, dass eine dokumentierte Taufe die Behörden alarmieren und problematisch sein könnte (DIS/DRC 23.2.2018).

Die Regierung schränkt die Veröffentlichung von religiösem Material ein, und christliche Bibeln werden häufig konfisziert. Auch Publikationen, die sich mit dem Christentum beschäftigen und schon auf dem Markt waren, wurden konfisziert, obwohl es von der Regierung genehmigte Übersetzungen der Bibel gibt. Verlage werden unter Druck gesetzt, Bibeln oder nicht genehmigtes nicht-muslimisches Material nicht zu drucken (US DOS 29.5.2018).

Zu Grundversorgung und Rückkehr:

Die Grundversorgung ist in Iran gesichert, wozu neben staatlichen Hilfen auch das islamische Spendensystem beiträgt. Der Mindestlohn liegt bei ca. 14 Mio. IRR im Monat (ca. 97 Euro). Das durchschnittliche pro Kopf Einkommen liegt bei ca. 388 Euro (AA 12.1.2019).

Allein der Umstand, dass eine Person einen Asylantrag gestellt hat, löst bei Rückkehr keine staatlichen Repressionen aus. In der Regel dürften die Umstände der Wiedereinreise den iranischen Behörden gar nicht bekannt werden. Trotzdem kann es in Einzelfällen zu einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt kommen. Bisher wurde kein Fall bekannt, in dem Zurückgeführte im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert wurden. (AA 12.1.2019)

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der

* Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457257/4598_1548938794_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 3.6.2019

* AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425078.html, Zugriff 3.6.2019

* DIS/DRC - The Danish Immigration Service/Danish Refugee Councile (23.2.2018): IRAN - House Churches and Converts. Joint report from the Danish Immigration Service and the Danish Refugee Council based on interviews in Tehran, Iran, Ankara, Turkey and London, United Kingdom, 9 September to 16 September 2017 and 2 October to 3 October 2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1426255/1788_1520517773_house-churches-and-converts.pdf, Zugriff 3.6.2019

* FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2006369.html, Zugriff 3.6.2019

* HRW - Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002197.html, Zugriff 3.6.2019

* ÖB Teheran (12.2018): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2007543/Asyll%C3%A4nderbericht+2018.pdf, Zugriff 3.6.2019

* Open Doors (2019): Weltverfolgungsindex 2019 Länderprofil Iran, https://www.opendoors.de/christenverfolgung/weltverfolgungsindex/laenderprofile/iran, Zugriff 3.6.2019

* US DOS - US Department of State (29.5.2018): 2017 Report on International Religious Freedom - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1436871.html, Zugriff 3.6.2019

Aus dem Länderreport 10 Iran zur Situation der Christen des Deutschen Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Stand 3/2019) ergibt sich wie folgt:

Ein Mitglied einer Hauskirche, das Mission betreibt, an christlichen Konferenzen außerhalb Irans teilnimmt, sich möglicherweise auch im Besitz christlicher Materialen befindet und insofern in den Fokus der Ordnungskräfte oder Geheimdienste geraten kann, wird bestenfalls vernommen und verwarnt. Es kann aber auch zu einer Festnahme mit anschließendem Strafverfahren führen. Das Ziel der vorgenannten Sicherheitskräfte ist nicht die Privatperson, sondern die Hauskirche als Organisation und die aktiv missionierenden Führungspersonen. Organisatoren von Hauskirchen können sich dem Risiko ausgesetzt sehen, wegen "Verbrechen gegen Gott" angeklagt zu werden, worauf die Todesstrafe steht. Es ist aber kein Fall eines Konvertiten bekannt, bei dem diese Beschuldigung auch tatsächlich zu einer Exekution geführt hat. Mitglieder von Hauskirchen, die nicht der Leitung der Gemeinschaft zugerechnet werden, werden oftmals nach einer zweitägigen Haft und verschiedenen Vernehmungen, in deren Verlauf sie zu der Organisation der Hauskirche und eventuellen noch nicht bekannten Mitgliedern befragt werden, wieder auf freien Fuß gesetzt. (S 8f.)

Die Rückkehr von Konvertiten in den Iran führt nicht zwingend zu einer Festnahme oder Inhaftierung. In den vergangenen zehn Jahren wurde seitens der in Iran vertretenen westlichen Botschaften, die grundsätzlich Rückführungen iranischer Staatsangehöriger vor Ort kontrollieren, kein Fall der Festnahme eines Konvertiten bei der Einreise gemeldet. (S 11)

Die zu Apostasie und Konversion festgestellte Situation stellt sich im gesamten iranischen Staatsgebiet gleichermaßen dar.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen ergeben sich aus den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsunterlagen sowie den Aktenbestandteilen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens. Als Beweismittel insbesondere relevant sind die Niederschriften der Einvernahmen durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes (Erstbefragung; EB) und durch das BFA (EV1 vom 13.11.2019 und EV2 vom 007.01.2020) sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (VH vom 13.03.2020), der Beschwerdeschriftsatz, das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Iran vom 14. Juni 2019 mit den darin enthaltenen, bei den Feststellungen näher zitierten Berichten, der Länderreport 10 Iran zur Situation der Christen des Deutschen Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Stand 3/2019), die vom Beschwerdeführer vorgelegten Dokumente (betreffend den Gesundheitszustand, die Aufnahme in den Taufkurs sowie den Besuch eines Glaubenskurses), die Zeugenaussagen in der mündlichen Verhandlung und die Strafregisterabfrage vom 13.03.2020.

2.2. Zu folgenden Feststellungen wird näher ausgeführt wie folgt:

2.2.1. Zur Person des Beschwerdeführers

Die Identität konnte mangels Vorlage (unbedenklicher) Dokumente nicht bewiesen werden und reiste der Beschwerdeführer mit einem gefälschten litauischen Reisepass nach Österreich ein (EB und AS 115). Hinsichtlich Name und Geburtsdatum liegt daher Verfahrensidentität vor.

Das Bundesverwaltungsgericht erachtet den Beschwerdeführer - betreffend weitere Personenmerkmale (Alter, Staatsangehörigkeit, ethnische Zugehörigkeit, Herkunftsregion, Sprachkenntnisse, Ausbildung und Berufserfahrung, Familienstand, Familienverhältnisse und Gesundheitszustand) sowie seine Situation in Österreich für persönlich glaubwürdig, weil er im Verfahren im Wesentlichen gleichbleibende Angaben dazu machte. Es gibt keine Gründe, an der Richtigkeit dieser Angaben zu zweifeln, und war der Beschwerdeführer diesbezüglich auch in der mündlichen Verhandlung persönlich glaubwürdig. Zusätzlich legte der Beschwerdeführer ärztliche Befunde als Beleg für seine gesundheitlichen Beschwerden vor. Aus diesen und der Aussage des Beschwerdeführers ergibt sich zwar, dass er körperlich eingeschränkt ist, der Beschwerdeführer führte aber beim BFA aus, dass er vor rund 10 Jahren eine Motorradunfall hatte und seither diese Probleme insbesondere im Rücken habe. Er habe aber dennoch eine Schreibtischarbeit in kaufmännischer Funktion ausüben können (AS 115). Es ist somit glaubwürdig, dass der Beschwerdeführer seinen Lebensunterhalt verdienen konnte und führte der Beschwerdeführer mit seiner Familie wirtschaftlich betrachtet ein "normales" Leben mit Haus und Auto (vgl. VH, S. 8).

Die Feststellung zur Einreise und Ausreise ergibt sich aus den vom BFA vorgelegten Unterlagen und der Aussage des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung.

Die Feststellungen zur Situation des Beschwerdeführers in Österreich ergeben sich aus den glaubwürdigen Aussagen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung. Es wird festgehalten, dass der Beschwerdeführer zu keinem Zeitpunkt im Verfahren Dokumente zu seiner Integration in Österreich vorlegte. Lediglich ein Unterstützungsschreiben wurde vorgelegt und wurde eine Verfasserin dieses Schreibens auch als Zeugin einvernommen. Daraus ergibt sich aber bloß, dass der Beschwerdeführer privat beim Deutschlernen unterstützt wird. In der mündlichen Verhandlung konnte sich das Bundesverwaltungsgericht ein aktuelles Bild von den nahezu nicht vorhandenen Deutschkenntnissen machen.

2.2.2. Zum Fluchtvorbringen

Die belangte Behörde führte im Wesentlichen ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren und kam bereits zu dem Schluss, dass das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers nicht glaubwürdig ist. In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht bestätigte sich die mangelnde Nachvollziehbarkeit des Fluchtvorbringens und ist dazu näher auszuführen wie folgt:

2.2.2.1. Zu den vom Beschwerdeführer vorgebrachten Vorfällen in Iran

Das Bundesverwaltungsgericht geht nicht davon aus, dass der Beschwerdeführer von iranischen Behörden gesucht bzw. verfolgt wurde, weil er - wie er selbst insbesondere in der mündlichen Verhandlung angab - weder Hauskirchen organisierte oder darin eine führende Rolle einnahm (VH, S. 10), noch öffentlich missionierte (AS 129, 263; VH, S. 11). Vor dem Hintergrund der eingeführten Länderberichte ist eine Verfolgung im Falle einer Rückkehr somit nicht objektivierbar. Nicht einmal im privaten Bereich ist dem Beschwerdeführer eine Missionierung gelungen. So gab er an, dass er zwar mit seiner Ehefrau gesprochen habe und sie Interesse am Christentum zeige, sie aber erst im Falle eines Aufenthalts in Österreich tatsächlich konvertieren würde (AS 263; VH, S. 22).

Eine Verfolgung durch Behörden aufgrund von Apostasie bzw. Konversion ist auch insofern nicht glaubwürdig vorgebracht worden, als der Beschwerdeführer selbst nie persönlich von Behörden kontaktiert oder gar bedroht wurde; es habe keine Vorfälle gegeben (vgl. AS 121, 123, 257; VH, S. 9, 10). Auch seine Familie in Iran erfuhr keinerlei Bedrohung, es wurde nicht einmal persönlich bei seiner Familie nach ihm gefragt. Das vom Beschwerdeführer im Rahmen der Einvernahme vor dem BFA (AS 111, 257) erstmals erwähnte Ladungsschreiben eines iranischen Gerichtes wegen "Abfall vom Glauben" ist aus mehreren Gründen nicht geeignet, eine Verfolgung glaubhaft zu machen. Besonders erschwerend wirkt in diesem Zusammenhang, dass der Beschwerdeführer nicht sogleich bei seiner Erstbefragung dieses Schreiben erwähnte, zumal er zu diesem Zeitpunkt bereits in dessen Besitz war (AS 113: "ich war in der Türkei, als mir meine Gattin das Bild schickte"). Auch sämtliche Erklärungsversuche, warum er es nicht sogleich erwähnte, wirken konstruiert und gänzlich unglaubwürdig (AS 113: "weil mich keiner gefragt hat"; VH, S. 10: "es war eine kurze Vernehmung"; zu letzterer Aussage ist anzumerken, dass der Beschwerdeführer bei der Erstbefragung sehr wohl in der Lage war, weniger wichtige Umstände wie etwa das Versteck bei einem Freund oder die Organisation eines Schleppers zu erwähnen: AS 65). In der mündlichen Verhandlung versuchte der Beschwerdeführer Widersprüche aufzuklären, er nannte aber auch an dieser Stelle nicht den Grund, warum er nicht gleich bei der Erstbefragung das Schreiben erwähnte (VH, S. 5). Aber auch vor dem Hintergrund der Länderberichte, welche deutlich machen, dass Konvertiten nicht wegen Konversion, sondern offiziell wegen politischer Verbrechen angeklagt werden, legt nahe, dass es sich bei diesem Schreiben, welches zudem lediglich in Form einer Fotografie am Handy vorgewiesen wurde, um ein für das Asylverfahren verfasstes Schreiben handelt. In welcher Form und wann dieses Schreiben der Gattin übermittelt wurde, ist nicht nachvollziehbar und kann keine Überprüfung auf Echtheit erfolgen. Die Frage, wann er das Foto der Ladung erhielt, beantwortete der Beschwerdeführer ebenfalls nicht (AS 113). Darüber hinaus war der Beschwerdeführer nicht in der Lage, den Inhalt dieses Schreibens näher wiederzugeben (vgl. AS 113; VH, S. 12). Sehr allgemein führte er aus, dass es das Gesetz des Landes sei (AS 257). Auch sprach er vor dem BFA von einer Ladung und in der mündlichen Verhandlung von einem Urteil (VH, S. 10). Würde es sich tatsächlich um eine Ladung handeln, wäre davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer sehr genau deren Inhalt kennt, zumal sie ja in einem Zusammenhang zu seiner Flucht und damit einem lebenseinschneidenden Ereignis steht. Seltsam mutet es auch an, dass nach der Zustellung der Ladung, was angeblich bereits vor Monaten der Fall war, bis dato keine Nachfrage nach ihm erfolgte. Würde er tatsächlich ernsthaft seitens iranischer Behörden gesucht werden, wäre es naheliegend, dass nach ihm gefragt worden wäre.

Der Beschwerdeführer vermochte überdies nicht nachvollziehbar darzulegen, warum die Behörden überhaupt auf ihn aufmerksam geworden sein sollen (vgl. VH, S. 11). Schließlich habe er seinen Angaben zufolge nur aus der Ferne eine angebliche Razzia gesehen und sei sofort geflüchtet. Nicht glaubwürdig ist überdies, dass der Beschwerdeführer mit einer Bibel aus Iran ausreiste, wo dies doch eine Gefährdung mit sich bringt. Auch gab er selbst im Jänner 2020 vor dem BFA an, dass er erst seit fünf oder sechs Monaten eine Bibel in der Hand habe (AS 261).

Abgesehen davon, dass nicht davon auszugehen ist, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner Hinwendung zum Christentum verfolgt wurde, konnte der Beschwerdeführer nicht einmal glaubwürdig vorbringen, dass er bereits in Iran das Christentum praktiziert hat. Er gab zwar an, dass er regelmäßig Hauskirchen besucht habe. Die Angaben zu deren Ablauf waren aber sehr vage gehalten (Lieder gesungen, der Predigt zugehört und Hand in Hand gebetet, VH, S. 11) und ähneln diese Angaben jenen, die iranische Asylwerber in vergleichbaren Verfahren machen und welche dem erkennenden Gericht aufgrund der zahlreichen Verfahren in diesem Bereich hinlänglich bekannt sind. Nähere Details schilderte der Beschwerdeführer nicht. Auch gab er als Motiv für die Besuche an, dass er sich mehr über das Christentum habe erkundigen wollen (VH, S. 10).

Weiters ist zu den Angaben anzumerken, dass sie so oberflächlich waren, dass sie auch hätten gemacht werden können, ohne jemals eine Hauskirche besucht zu haben. Auch reicht es dafür aus, dass man sich lediglich ein wenig mit dem Christentum befasst hat oder ein paar Mal an christlichen Gottesdiensten in Österreich teilgenommen hat. Dass dem so ist, dafür spricht insbesondere die Aussage des Beschwerdeführers, wonach in der Hauskirche jeden Sonntag das Abendmahl gefeiert worden sei und dieses genauso wie die Abendmahle in Österreich gewesen sei (VH, S. 11). Eine lebensnahe Schilderung, welche es schlüssig erscheinen ließe, dass eine Hauskirche tatsächlich besucht wurde, konnte der Beschwerdeführer nicht bieten.

Das in Ansätzen vorhandene Wissen zum Christentum bezieht sich vorwiegend auf wenige Punkte wie das Vater Unser, die Apostel oder die Zehn Gebote, welche aber leicht auswendig gelernt werden können und die kein Beleg dafür sind, dass der Beschwerdeführer bereits seit mehreren Jahren in Iran das Christentum praktizierte und verinnerlichte. Realitätsfern erscheint auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer über den Verbleib bzw. das Schicksal der anderen angeblichen Hauskirchenbesucher nichts weiß (AS 125; VH, S. 12), zumal er angeblich über einen längeren Zeitraum immer dieselbe Hauskirche besuchte, weshalb von einem persönlicheren Kontakt auszugehen wäre. Auch die Art und Weise, wie der Beschwerdeführer sein Fluchtvorbringen erstatte, ließ jegliche Emotionalität vermissen.

Während die Antworten auf Nachfragen im Wesentlichen stets sehr kurz und allgemein gehalten waren, war im Vergleich dazu die Fluchtgeschichte - insbesondere wie sie vor dem BFA erzählt wurde - ausführlich, was ebenfalls auf eine Vorbereitung und nicht eine spontane Erzählung eines tatsächlichen Erlebnisses schließen lässt.

Nicht überzeugend war auch das Vorbringen in Bezug auf eine angeblich erfolgte Taufe in Iran (vgl. EB AS 65, EV1 AS 121ff.). So konnte der Beschwerdeführer keine näheren oder detaillierten Angaben dazu machen. Er erklärte, sich nicht erinnern zu können, wann er getauft worden sei (AS 123), später gab er an, zwei Wochen nach seinem ersten Hauskirchenbesuch (AS 258). Weder erhielt er eine Bestätigung, noch absolvierte er einen Taufkurs. Ein näherer Bezug zu seiner Person und seinen Gefühlen wurde gleichfalls nicht dargelegt. Dass am Schluss "Amen" gesagt und man in ein Becken getaucht worden sei, sind äußerst oberflächliche, inhaltsleere Angaben zu einer Taufe (vgl. AS 123). Auch erscheint es aufgrund der großen Restriktionen in Iran unglaubwürdig, dass tatsächlich eine Taufe erfolgte. Offenbar geht der Beschwerdeführer selbst nicht davon aus, über eine gültige Taufe zu verfügen, wenn er gegenüber dem als Zeugen vom Bundesverwaltungsgericht einvernommenen Pfarrer angegeben hat, eine offizielle Taufe zu wünschen und eine Art Erinnerung an die erfolgte Taufe nicht ausreiche (vgl. VH, S. 17). Der Wunsch nach einer offiziell dokumentierten Taufe spricht auch dafür, dass es sich bei dem Taufvorhaben um ein asyltaktisches Vorgehen handelt. Würde der Beschwerdeführer um den religiösen Gehalt einer Taufe Bescheid wissen, würde er eine Erinnerung auch für ausreichend halten. Offenbar will er aber einen außenwirksamen Akt setzten. Wäre der Beschwerdeführer ein gefestigter Christ, dann müsste er erklären können, ob er getauft wurde oder nicht. Jedenfalls ist es widersprüchlich, wenn er einerseits behauptet, getauft zu sein und anderseits wünscht, getauft zu werden.

Einem tatsächlichen Besuch einer Hauskirche widerspricht schließlich noch die vom Beschwerdeführer vorgebrachte Sorge um seine Tochter. So gab er beim BFA an, dass seine Frau derzeit keine Hauskirchen besuche und er sie auch nicht dazu motivieren werde, weil sie und er eine Verantwortung für ein Kind tragen (AS 263). Dieser Umstand und die Sorge um die Tochter sind glaubwürdig und nachvollziehbar und aus genau diesem Grund ist es auch nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer, welcher vor dem Gericht den Eindruck erweckte, ein fürsorgender Familienvater zu sein, seine Familie jemals durch tatsächliche Hauskirchenbesuche in Iran hätte gefährden wollen. Vielmehr erwecken die Aussagen des Beschwerdeführers im Verfahren in ihrer Gesamtheit den Eindruck, dass der Beschwerdeführer für sich und vor allem auch für seine Frau und seine Tochter ein besseres Leben anstrebt (vgl. AS 265, wonach er Frau und Tochter nachholen wolle). Eine Verfolgung seiner Person aufgrund christlicher Aktivitäten wurde aber in keinster Weise anschaulich vorgebracht. Auch eine Verfolgung durch Privatpersonen wurde nicht vorgebracht.

Alle geschilderten Umstände zusammen lassen für das Gericht keine Zweifel übrig, dass es sich hinsichtlich der in Iran angeblich vorgefallenen Umstände um eine Konstruktion handelt. Im Rahmen einer ganzheitlichen Würdigung des Vorbringens des Beschwerdeführers ist somit nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Visier der iranischen Behörden stand oder ihm missionarische Tätigkeit unterstellt wurde bzw. wird.

2.2.2.2. Zu den vom Beschwerdeführer in Österreich gesetzten Aktivitäten

Aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes folgt, dass sobald auf Grund äußerer Tatsachen ein Wechsel der Religion aus innerer Überzeugung nicht unwahrscheinlich ist, sich das Gericht auf Grund einer ausführlichen Beurteilung der Persönlichkeit und aller Umstände der persönlichen Glaubwürdigkeit sowie darauf aufbauend einer ins einzelne gehenden Beweiswürdigung und allenfalls der Einvernahme von Personen, die Auskunft über den Glaubenswechsel und die diesem zugrunde liegenden Überzeugungen geben können, einen detaillierten Eindruck darüber verschaffen muss, inwieweit der Religionswechsel auf einer persönlichen Glaubensentscheidung beruht; dies selbst dann, wenn sich der Asylwerber zunächst auf unwahre Angaben betreffend seinen Fluchtgrund gestützt hat (vgl. VwGH 23.01.2019, Ra 2018/19/0260 unter Bezugnahme auf VfGH 27.02.2018, E 2958/2017).

Im gegenständlichen Fall ergeben sich die Feststellungen zu den christlich-religiösen Aktivitäten des Beschwerdeführers in Österreich aus den von ihm vorgelegten Bestätigungen (Glaubenskursbesuch und Aufnahme in den Taufkurs), der Zeugenaussage des Pfarrers und einer Bekannten des Beschwerdeführers sowie der Einvernahme des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung prüfte das erkennende Gericht die vom Beschwerdeführer vorgebrachte Konversion entsprechend den in der Folge unter Punkt 3.1.1. zitierten Vorgaben des Verwaltungsgerichtshofes und befragte den Beschwerdeführer zu seiner Motivation für den Glaubenswechsel, seinem Wissen in Bezug auf das Christentum, seinen Gottesdienstbesuchen und sonstigen religiösen Aktivitäten und einer allfälligen Verhaltens- und Einstellungsänderung. Die Befragung widmete sich der Glaubensüberzeugung des Beschwerdeführers sowohl im Hinblick auf eine öffentliche Ausübung des Glaubens als auch auf die persönliche, innere Beziehung zum Christentum.

Die mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht diente insbesondere dazu, einen Eindruck vom persönlichen Empfinden des Beschwerdeführers zu seiner neuen Religion zu gewinnen. Gerade darin konnte der Beschwerdeführer aber keinen emotionalen Bezug glaubwürdig darlegen. Die Erzählweise war knapp, wenig lebendig in der Ausdrucksweise und erschöpfte sich in Stehsätzen, welche dem erkennenden Gericht aus vergleichbaren Verfahren nahezu wortgleich bekannt sind (vgl. VH, S. 12: Liebe, Friede, Ruhe, kein Unterschied zwischen Mann und Frau; vgl. auch AS 265). Eine individuelle Motivation und Bezugsebene zum Christentum konnte beim Beschwerdeführer demnach nicht festgestellt werden. Die vom Beschwerdeführer vorgebrachte Drogensucht und Heilung davon kann nicht als entscheidende Motivation gewertet werden, weil wie oben bereits näher ausgeführt, die Hauskirchenbesuche Teil einer konstruierten Fluchtgeschichte sind. Auch hatte der Beschwerdeführer bereits vor zehn Jahren seinen Unfall und ist bislang nicht gefestigt im christlichen Glauben. Auffallend ist, dass der Beschwerdeführer selbst mehrfach im Verfahren angab, erst am Beginn zu sein. Er wolle unterrichtet werden sowie mehr lernen (VH, S. 6, 12; AS 261: "ich bin ein Neuling"). Auch brauche er noch Zeit in Bezug auf das Christentum (VH, S. 23).

Die Erzählung, wie er zur christlichen Kirche in Österreich fand, war oberflächlich und von Äußerlichkeiten geprägt: So hat er in der Sauna eine Dame kennengelernt, welche ihn zur Kirche mitnahm, dort gab es auch Kaffee und Kuchen und später fand er zu einer größeren evangelischen Gemeinde, wo auch viele Iraner und Afghanen sind, mit denen er sich unterhalten kann (VH, S. 14).

Die Antworten auf Fragen in Bezug auf die Rolle, welche der neue Glaube für den Beschwerdeführer persönlich spiele, begnügten sich mit Allgemeinplätzen, waren oberflächlich und ließen jegliche Individualität vermissen (Rettung, Liebe, Zuneigung, innere Ruhe; VH, S. 21). Es besteht kein erkennbarer Bezug zur persönlichen Glaubensüberzeugung. Dies wird etwa anhand der phrasenhaften und auf Zitate referierenden Ausführungen zu der Frage, was es für ihn bedeuten würde, seinen Glauben nicht mehr ausleben zu können, deutlich (vgl. VH, S. 23). Die Ausführungen zu seiner Lieblingsstelle in der Bibel waren knapp und konnte er diese stereotypen Aussagen auch nicht auf seine Person bezogen näher und nachvollziehbar erläutern (VH, S. 22: die Rettung). Gerade von einer Person, die angibt, seit langer Zeit die Bibel zu studieren und die der Bibel einen derart hohen Stellenwert beimisst, indem man sie trotz der Gefahrenlage auf die Flucht mitnimmt, wäre zu erwarten, dass sie ausführlicher und individueller auf diese Frage antwortet.

Der Beschwerdeführer konnte nicht nachvollziehbar darlegen, warum er in Österreich den Glaubenszweig des Protestantismus für seinen Tauf- und Glaubenskurs wählte. Seine Erzählweise lässt eher auf eine situationsbedingte Wahl schließen: So habe er über andere Leute zur evangelischen Gemeinde gefunden, er gehe aber auch in die katholische Kirche (vgl. AS 263; VH, S. 13f.).

Mit dem Vorbringen, seitdem er Christ sei, schikaniere er keine Tiere mehr (VH, S. 22), konnte der Beschwerdeführer keine Wesensänderung nachvollziehbar darlegen, weil er dies einerseits nicht näher ausführte und auch nicht nachvollziehbar ist, wie das genau mit dem christlichen Glauben zusammenhängt. Die Antwort lässt vielmehr darauf schließen, dass der Beschwerdeführer sie für die regelmäßig in Verhandlungen gestellte Frage nach der Wesensänderung vorbereitete. Floskelhaft ist die Aussage, dass er früher wütend gewesen sei.

Phrasenhaft wirkte die Kritik des Beschwerdeführers am Islam. So setzte er den Islam nur mit Krieg etc. in Verbindung und nannte Mohammed einen Vergewaltiger (VH, S. 21). Seltsam mutet die Aussage an, der Islam gefalle den Männern gut, wo der Beschwerdeführer doch selbst ein Mann ist (VH, S. 21). Diese Aussage erweckt den Eindruck, dass der Beschwerdeführer hiermit, gerade vor einer erkennenden Richterin weiblichen Geschlechts, seinem Asylvorbringen höhere Chancen verschaffen wollte. Über den Beschwerdeführer und seine tatsächliche, vor allem religiöse Einstellung sagt dies aber nur wenig aus.

Zu den religiösen Aktivitäten des Beschwerdeführers ist eingangs festzuhalten, dass diese erst seit wenigen Monaten erfolgen. Belegt ist, dass der Beschwerdeführer erst Anfang März in den ein Jahr dauernden Taufkurs aufgenommen wurde. Aus der Einvernahme in Verbindung mit den Zeugenaussagen ergibt sich zwar, dass der Beschwerdeführer regelmäßig Gottesdienste besucht. Er besucht aber sowohl katholische wie auch evangelische Veranstaltungen. Dass der Beschwerdeführer gerne die Kirche besucht und dort ein gutes Gefühl hat, ist nicht verwunderlich, da der alleine nach Österreich geflüchtete Beschwerdeführer somit soziale Kontakte knüpfen kann und ihm eine Dame aus der Kirche auch Deutsch beibringt. Mangels guter Deutschkenntnisse kann der Beschwerdeführer aber den Gottesdiensten noch nicht gut folgen. Zwar liest er die Bibelverse auf Farsi mit (VH, S. 14), die Predigt kann er aber nicht verstehen und wäre gerade diese individuelle inhaltliche Auseinandersetzung wichtig.

Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht, dass der Beschwerdeführer über ein gewisses Grundwissen zum Christentum verfügt. Dieses Wissen alleine ist jedoch nicht ausreichend, um von einem inneren Glaubenswandel sprechen zu können, zumal der Beschwerdeführer nicht in der Lage war, nachvollziehbar darzulegen, warum gerade die christliche und insbesondere evangelische Glaubenslehre für ihn persönlich entscheidend und in seiner Glaubensausübung relevant war bzw. ist. Auch nannte er im Wesentlichen bloß das Vater Unser (AS 123) oder Stichwörter, die zwar einen Bezug zum Christentum haben bzw. nicht mit diesem in Widerspruch stehen, machte aber keine weiteren Ausführungen (vgl. VH, S. 22 zur Frage der Bestandteile des christlichen Glaubens).

In Bezug auf die in der mündlichen Verhandlung gestellten Wissensfragen zum Christentum und zu der vom Beschwerdeführer gewählten Glaubensrichtung verlangt das Bundesverwaltungsgericht bewusst keine tiefgehenden, theologisch-wissenschaftlichen Kenntnisse und soll diesem Aspekt kein überzogenes Gewicht beigemessen werden. Von einer Person, welche sich im Erwachsenenalter und unter Kenntnis der grundsätzlichen Gefahrenlage, die eine Konversion für sie und ihre Familie mit sich bringen kann, bewusst für einen neuen Glauben entscheidet, kann aber verlangt werden, dass sie sich mit den Wesensmerkmalen dieses Glaubens auseinandergesetzt hat und über ein entsprechendes Grundwissen zum Christentum sowie der gewählten Glaubensrichtung verfügt. Schließlich handelt es sich bei einer Konversion um den Beitritt zu einer anderen Glaubensgemeinschaft, welche auf einer religiösen Lehre mit spezifischen Geboten bzw. Verboten und Praktiken basiert, und nicht lediglich um einen Lebenswandel hin zu einem "besseren" Lebensgefühl, welches auch unabhängig vom Beitritt zu einer Religionsgemeinschaft erreicht werden kann. Folglich sollte ein Konvertit nachvollziehbar sowohl die persönlich-individuelle Ebene des Konversionsprozesses beschreiben als auch die Charakteristika der neuen Religion in objektiver Hinsicht anführen können. Das Bundesverwaltungsgericht hat bei den Wissensfragen als Maßstab die Glaubensinhalte jener Religionsgemeinschaft herangezogen, der der Beschwerdeführer angehört (vgl. VwGH 17.12.2019, Ra 2019/18/0350). Die mangelnde Auseinandersetzung mit der Lehre des Protestantismus zeigt sich unter anderem daran, dass der Beschwerdeführer mit dem Begriff "Sakramente" nichts anfangen konnte und auch die Stellung von Maria nicht korrekt angab (VH, S. 22).

Der vom Bundesverwaltungsgericht als Zeuge einvernommene Pfarrer kennt den Beschwerdeführer erst seit kurzem ("vor einer Woche", "ein persönliches Gespräch"; VH, S. 15ff.). Der Beweiswert seiner Zeugenaussage hinsichtlich der inneren Glaubensfestigung des Beschwerdeführers ist daher nur gering. Auch sagte dieser Zeuge, dass der Beschwerdeführer erst an zwei Terminen des Taufkurses teilnahm. Wenn der Zeuge ausführt, dass ihn beeindruckt habe, dass der Beschwerdeführer persönliche Dinge wie die Nervosität vor der Verhandlung, ansprach, so ist dazu festzuhalten, dass es sich bei einer solchen Nervosität um eine ganz verständliche und nachvollziehbare Gemütslage handelt, daraus aber nicht auf eine besondere, ernsthafte und verinnerlichte Hinwendung zum Christentum geschlossen werden kann. Auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer Gefallen und Interesse am Christentum gefunden hat - wie auch der Zeuge aussagte - wird nicht verkannt, doch ist dies nicht ausreichend, um von einer hier maßgeblichen Verinnerlichung des christlichen Glaubens zu sprechen. Festzuhalten ist schließlich auch, dass der Pfarrer aussagte, dass der Beschwerdeführer nun mit dem einjährigen Taufkurs beginne und dieser Taufkurs sehr wichtig bei einem Glaubenswechsel ist. Grundsätzlich müsse man schon den Inhalt der Bibel kennen (VH, S. 18).

Die zweite Zeugin ist eine Bekannte des Beschwerdeführers, die sich um ihn - wie auch um andere Asylwerber - kümmert und ihm auch Deutsch beibringt. Ihre Zeugenaussage zum Glauben des Beschwerdeführers ist aufgrund der Nahebeziehung nur wenig aussagekräftig (VH, S. 19f.); auch kennt sie den Beschwerdeführer erst seit Dezember 2019; darüber hinaus ist sie Katholikin. Sie gab zwar an, dass der Beschwerdeführer alles genau lernen möchte, doch zeigt dies, dass der Beschwerdeführer erst am Anfang steht und bemüht ist, sich zu integrieren. Wenn sie ausführt, dass der Beschwerdeführer hilfsbereit ist, so zeigt dies zwar, dass er ein "guter" Mensch ist, doch ist dies alleine kein Beleg für ein verinnerlichtes Christentum.

Im Ergebnis ist bei einer Gesamtbetrachtung aller Beweismittel und insbesondere aufgrund der Einvernahme des Beschwerdeführers und des Umstandes, dass er erst seit wenigen Monaten christliche Veranstaltungen besucht, eine ernsthafte und innere Glaubensüberzeugung in Bezug auf das Christentum nicht ableitbar. Der Beschwerdeführer hat sich im Zusammenhang mit der Ausübung seines Glaubens auf außenwirksame Akte (Beginn eines Taufkurses und Gottesdienstbesuche) beschränkt, lässt aber eine tatsächliche, tiefergehende Auseinandersetzung mit Glaubensinhalten im Sinne einer nachhaltigen, persönlichen Hinwendung vermissen, sodass in weiterer Folge auch nicht von der Weitergabe von Glaubensinhalten und dem Verbreiten der christlichen Glaubenslehre ausgegangen werden kann. Dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Iran missionieren würde, hat er zwar in Form eines Stehsatzes behauptet ("es sei die Aufgabe als Christ, andere zu missionieren"; VH, S. 23). Eine solche Tätigkeit erscheint aber aufgrund des geringen Wissens und mangels persönlicher Identifikation mit dem christlichen Glauben ausgeschlossen. Auch ist anzumerken, dass der Beschwerdeführer in der Zeit, als er - seinen eigenen Angaben zufolge - bereits getaufter Christ war, sich nicht zu seinem Christ-Sein bekannte und auch nicht missionierte (AS 129); warum er es nun tun sollte, erschließt sich nicht.

Dass Privatpersonen in Iran mit den christlichen Aktivitäten des Beschwerdeführers in Österreich ein ernsthaftes Problem haben, ist im Verfahren nicht hervorgekommen. Der Beschwerdeführer hat es nicht behauptet bzw. hat er nicht einmal seinen in Österreich lebenden Cousins, welche muslimischen Glaubens sind (AS 119), von seinem Aufenthalt oder christlichen Aktivitäten hier erzählt.

Die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer keine weiteren Fluchtgründe vorbrachte, ergibt sich aus seiner Einvernahme, wo er von sich aus keine weiteren Gründe nannte, welche asylrelevant wären bzw. diesbezügliche Fragen expliz

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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