Entscheidungsdatum
31.03.2020Norm
AsylG 2005 §3Spruch
I405 2106966-2/6E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag. Sirma KAYA als Einzelrichterin über den Antrag von XXXX, geb. XXXX, StA. Nigeria, vertreten durch den gerichtlich bestellten Erwachsenenschutzvertreter Dr. Max Kapferer, Schmerlingstraße 2/2, 6020 Innsbruck, auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX, GZ: XXXX, rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens:
A) Der Antrag auf Wiederaufnahme wird gemäß § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1. Der Wiederaufnahmewerber stellte am 05.04.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er im Wesentlichen mit privaten Motiven begründete.
2. Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA, belangte Behörde) am 10.04.2015 gab der Wiederaufnahmewerber befragt zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen an, bei seiner Ersteinvernahme am 05.04.2015 nicht die Wahrheit gesagt zu haben, sondern nur aus wirtschaftlichen Gründen seinen Herkunftsstaat verlassen zu haben.
3. Mit Bescheid des BFA vom XXXX, Zl. XXXX, wies die belangte Behörde seinen Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie dem Wiederaufnahmewerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen den Wiederaufnahmewerber eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt III.).
4. Der Wiederaufnahmewerber erhob gegen diesen Bescheid mit Schriftsatz vom 28.04.2015 fristgerecht Beschwerde und führte das Bundesverwaltungsgericht am 23.10.2018 eine mündliche Verhandlung durch, in welcher der Wiederaufnahmewerber als Partei einvernommen wurde.
5. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX, GZ: XXXX, wurde die Beschwerde des Wiederaufnahmewerbers als unbegründet abgewiesen sowie sein Antrag auf unentgeltliche Beigabe eines Verfahrenshelfers als unzulässig zurückgewiesen. Zur gesundheitlichen Lage des Wiederaufnahmewerbers wurde festgestellt, dass er an akuter Belastungsreaktion, Angst und depressiver Störung gemischt sowie an einer posttraumatischen Belastungsstörung leide, wogegen er medikamentös behandelt werde. Ansonsten sei er körperlich gesund und arbeitsfähig. Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht aus, die Feststellungen zu seinem Gesundheitszustand gründen sich einerseits auf die glaubhaften Angaben des Wiederaufnahmewerbers im Rahmen seiner Einvernahme vor dem Bundesverwaltungsgericht am 23.10.2018 und gehen andererseits aus dem Schreiben über die ambulante Untersuchung des Bezirkskrankenhauses XXXX vom 10.10.2018 hervor.
6. Mit Schriftsatz vom 23.08.2019 stellte der Wiederaufnahmewerber durch seinen Rechtsvertreter einen Antrag auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX, GZ: XXXX, rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens. Dieser wurde zusammengefasst damit begründet, dass am 14.08.2019 ein ambulanter Bericht der Abteilung für Psychiatrie des Bezirkskrankenhauses XXXX übermittelt worden sei und darin von fachärztlicher Seite die Bestellung eines Erwachsenenschutzvertreters empfohlen worden sei. Aufgrund dessen ergebe sich, dass der Wiederaufnahmewerber im rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahren nicht in der Lage gewesen sei, seine Fluchtgründe in einer verständlichen Art und Weise vorzubringen.
7. Mit Schriftsatz vom 28.10.2019 teilte der Rechtsvertreter des Wiederaufnahmewerbers dem erkennenden Gericht mit, dass ein Sachverständiger mit der Erstellung eines Gutachtens zum gesundheitlichen Zustand des Wiederaufnahmewerbers beauftragt wurde. Zusätzlich wurde eine Kopie des Beschlusses des Bezirksgerichtes XXXX vom XXXX, Zl. XXXX, vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der relevante Sachverhalt ergibt sich unter anderem aus den unter Punkt I. getroffenen Ausführungen.
Der Wiederaufnahmewerber erschien im Oktober 2018 erstmals in der Ambulanz des Bezirkskrankenhauses XXXX und wurde im Zeitraum bis 14.08.2019 insgesamt fünf Mal vorstellig.
Mit Beschluss des Bezirksgerichtes XXXX vom XXXX, Zl. XXXX, wurde RA Dr. Max Kapferer mit sofortiger Wirksamkeit gemäß § 119 AußStrG zum Rechtbeistand im Verfahren, in dem die Notwendigkeit der Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters geprüft wird, sowie gemäß § 120 AußStrG zum einstweiligen Erwachsenenvertreter zur Besorgung folgender dringender Angelegenheiten bestellt: Vertretung vor Ämtern, Gerichten und Behörden, insbesondere im Asylverfahren (Wiederaufnahmeverfahren).
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde aufgenommen durch Einsicht in den vorliegenden Verwaltungsakt und den vorliegenden Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes, einschließlich des rechtskräftigen Erkenntnisses vom XXXX, in den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens vom 23.08.2019 samt der beigeschlossenen Kopie der ärztlichen Stellungnahme des Bezirkskrankenhauses XXXX vom 14.08.2019 sowie in den vorgelegten Beschluss des Bezirksgerichtes XXXX vom XXXX.
Die Feststellung hinsichtlich seiner ambulanten Betreuung im Bezirkskrankenhaus XXXX ergibt sich aus dem im Gerichtsakt befindlichen Schreiben über die ambulante Untersuchung des Bezirkskrankenhauses XXXX vom 10.10.2018 in Zusammenschau mit deren glaubhaften Stellungnahme vom 14.08.2019.
Die Feststellung hinsichtlich der gerichtlichen Bestellung eines Rechtsbeistandes und Erwachsenenschutzvertreters ergibt sich aus der vorliegenden und unbedenklichen Kopie des Beschlusses des Bezirksgerichtes XXXX vom XXXX, Zl. XXXX.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung des Antrags auf Wiederaufnahme des Verfahrens
3.1. Rechtslage
Gemäß § 32 Abs. 1 Z 2 ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof gegen das Erkenntnis nicht mehr zulässig ist und neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anders lautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten.
Der Antrag auf Wiederaufnahme ist gemäß § 32 Abs. 2 VwGVG binnen zwei Wochen beim Verwaltungsgericht einzubringen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Erkenntnisses und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.
In der Regierungsvorlage zum Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz 2013 (2009 Blg. NR, XXIV. GP) ist festgehalten, dass die Bestimmungen über die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im VwGVG weitgehend den Bestimmungen der §§ 69 bis 72 AVG mit den entsprechenden Anpassungen auf Grund der Einführung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz entsprechen. Durch den Ausschluss der Anwendung des IV. Teiles des AVG ist das AVG in diesem Bereich für unanwendbar erklärt worden, wobei aufgrund der inhaltlichen Übereinstimmung und ähnlichen Formulierung der Bestimmung des § 32 Abs. 1-3 VwGVG mit § 69 AVG die bisher ergangenen höchstgerichtlichen Entscheidungen sinngemäß anzuwenden sind bzw. die bisherigen Judikaturrichtlinien zu § 69 AVG herangezogen werden können.
3.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Rechtsfall
Der gegenständliche Antrag zielt darauf ab, das mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX rechtskräftig abgeschlossene vorangegangene Verfahren wiederaufzunehmen, gegen dessen Entscheidung kein ordentliches Rechtsmittel mehr zulässig ist.
Der vom Wiederaufnahmewerber geltend gemachte Wiederaufnahmegrund iSd § 32 Abs. 1 Z 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) setzt unter anderem voraus, dass neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anders lautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG rechtfertigen neu hervorgekommene Tatsachen und Beweismittel (also solche, die bereits zur Zeit des früheren Verfahrens bestanden haben, aber erst später bekannt wurden) - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - eine Wiederaufnahme des Verfahrens, wenn sie die Richtigkeit des angenommenen Sachverhalts in einem wesentlichen erscheinen lassen; gleiches gilt nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes für neu entstandene Beweismittel, sofern sie sich auf "alte" - d.h. nicht erst nach Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens entstandene - Tatsachen beziehen (vgl. VwGH 08.09.2015, Ra 2014/18/0089, mwN).
Die Wiederaufnahme des Verfahrens setzt weiters die Eignung der neuen Tatsachen oder Beweismittel voraus, dass diese allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anders lautendes Ergebnis herbeigeführt hätten. Ob diese Eignung vorliegt, ist eine Rechtsfrage, die im Wiederaufnahmeverfahren zu beantworten ist (vgl. VfGH 20.02.2014, U 2298/2013); ob tatsächlich ein anderes Ergebnis des Verfahrens zustande kommt, ist sodann eine Frage, die im wiederaufgenommenen Verfahren zu klären ist (vgl. VwGH 19.04.2007, 2004/09/0159).
Tauglich ist ein Beweismittel als Wiederaufnahmegrund (ungeachtet des Erfordernisses der Neuheit) also nur dann, wenn es nach seinem objektiven Inhalt und unvorgreiflich der Bewertung seiner Glaubwürdigkeit die abstrakte Eignung besitzt, jene Tatsachen in Zweifel zu ziehen, auf welche das Bundesverwaltungsgericht entweder die den Gegenstand des Wiederaufnahmeverfahrens bildende Entscheidung oder zumindest die zum Ergebnis dieser Entscheidung führende Beweiswürdigung tragend gestützt hat (vgl. VwGH 19.04.2007; 22.02.2001, 2000/04/0195; 19.04.2007, 2004/09/0159; Hengstschläger/Leeb, AVG § 69 Rz 42 ff.; Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013) § 32 VwGVG Anm. 9).
Tatsachen und Beweismittel können nur dann einen Grund für die Wiederaufnahme des rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens darstellen, wenn sie bei Abschluss des seinerzeitigen Verfahrens schon vorhanden gewesen sind, ihre Verwertung der Partei aber ohne ihr Verschulden erst nachträglich möglich geworden ist (sogenannte "nova reperta"), nicht aber, wenn es sich um erst nach Abschluss des seinerzeitigen Verfahrens neu entstandene Tatsachen und Beweismittel handelt (sogenannte "nova causa superveniens") (vgl. zB. VwGH 08.11.1991, 91/18/0101; 07.04.2000, 96/19/2240; 20.06.2001, 95/08/0036; 19.03.2003, 2000/08/0105; siehe weiters Hengstschläger/Leeb, AVG, Bd. 4 [2009] § 69 Rz 28).
"Tatsachen" sind Geschehnisse im Seinsbereich, mit "Beweismittel" sind Mittel zur Herbeiführung eines Urteils über Tatsachen gemeint (VwGH 11.03.2008, 2006/05/0232).
Die neu hervorgekommenen Tatsachen und Beweismittel dürfen ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht worden sein. Es ist zwar notwendig, aber nicht ausreichend, dass die Tatsachen (Beweismittel) im wiederaufzunehmenden Verfahren nicht geltend gemacht worden sind; es ist darüber hinaus auch erforderlich, dass sie - allenfalls auch im Verfahren vor einer höheren Instanz - nicht geltend gemacht werden konnten und dass die Partei daran kein Verschulden trifft. Jegliches Verschulden, das die Partei an der Unterlassung ihrer Geltendmachung trifft, auch leichte Fahrlässigkeit, schließt somit den Rechtsanspruch auf Wiederaufnahme des Verfahrens aus (VwGH 19.03.2003, 2000/08/0105). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 69 AVG - die wie oben ausgeführt auf die Bestimmungen des § 32 VwGVG anzuwenden sind - handelt es sich beim "Verschulden" im Sinne des Abs. 1 Z 2 um ein Verschulden im Sinne des § 1294 ABGB. Bei der Beurteilung des Verschuldens im Zusammenhang mit einer Wiederaufnahme ist das Maß dafür ein solcher Grad des Fleißes und der Aufmerksamkeit, welcher bei gewöhnlichen Fähigkeiten aufgewendet werden kann (siehe § 1297 ABGB). Konnte die wiederaufnahmewerbende Partei eine Tatsache oder ein Beweismittel bei gehöriger Aufmerksamkeit und gebotener Gelegenheit schon im Verwaltungsverfahren geltend machen, unterließ sie es aber, liegt ein ihr zuzurechnendes Verschulden vor, das eine Wiederaufnahme des Verfahrens ausschließt (VwGH 08.04.1997, 94/07/0063; 10.10.2001, 98/03/0259). Ob die Fahrlässigkeit leicht oder schwer ist (§ 1294 ABGB), ist irrelevant (vgl. Walter/Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht9 [2011] Rz 589; Hengstschläger/Leeb, AVG § 69 Rz 36 ff.).
Die Wiederaufnahme eines Verfahrens dient jedenfalls nicht dazu, Versäumnisse während eines Verwaltungsverfahrens zu sanieren (VwGH 27.07.2001, 2001/07/0017; 22.12.2005, 2004/07/0209).
Wie bereits im Rahmen des Verfahrensganges dargestellt, begründet der Wiederaufnahmewerber seinen Antrag im Wesentlichen damit, dass sich aus der vorgelegten psychiatrischen Stellungnahme des Bezirkskrankenhauses vom 14.08.2019 ergäbe, dass der Wiederaufnahmewerber im vorangegangenen Asylverfahren krankheitsbedingt nicht in der Lage war, seine Fluchtgründe in einer verständlichen Art und Weise vorzubringen.
Dieser Stellungnahme lassen sich anfänglich folgende gestellten Diagnosen entnehmen: akute Belastungsreaktion, posttraumatische Belastungsstörung, Angst und depressive Störung gemischt. Unter dem Punkt "Aktualanamnese" beschreiben die zuständigen Ärzte ihren Eindruck des Wiederaufnahmewerbers im Verlauf der ambulanten Behandlung. Der Wiederaufnahmewerber sei im Oktober 2018 erstmals im Bezirkskrankenhaus vorstellig geworden und seither fünf Mal vor Ort gewesen. Im Schriftsatz heißt es überdies, die Kommunikation sei immer sehr schwierig gewesen und habe nicht sichergestellt werden können, ob der Wiederaufnahmewerber seine Ärzte verstanden habe. Das traumatisierende Ereignis sei von ihm unterschiedlich geschildert worden und sei dies sicherlich nicht aus Boshaftigkeit geschehen. Auch könne gesagt werden, dass in letzter Zeit der Eindruck stärker geworden sei, dass es ihm schlechter gehe und er sich immer schwerer tue, sich auszudrücken und auch mehr Schwierigkeiten gehabt habe, sich im Alltag zurecht zu finden. Gemäß dem "Psychopathologischen Status" habe der Wiederaufnahmewerber unter anderem eine Aufmerksamkeits-, Auffassungs- und Konzentrationsstörung, jedoch keine Gedächtnisstörung. Teilweise seien Sätze, ungeachtet der bestehenden sprachlichen Hürden, oft nicht vollständig und sei nicht klar, ob die Bedeutung der Worte verstanden werde. Zuletzt heißt es, aufgrund der beschriebenen Schwierigkeiten sei von fachärztlicher Sicht ein Erwachsenenschutzbeauftragter zu empfehlen.
Mit Beschluss vom XXXX, Zl. XXXX hat das Bezirksgericht XXXX dem Wiederaufnahmewerber einen Rechtsbeistand sowie einen einstweiligen Erwachsenenvertreter, insbesondere zur Vertretung im Asylverfahren, beigegeben.
Unter Berücksichtigung sämtlicher Beweismittel, welche zweifellos allesamt erst nach Rechtskraft der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX hervorgekommen sind, ist jedoch festzuhalten, dass sie sich auf keine Tatsachen beziehen, welche schon bei Abschluss des seinerzeitigen Verfahrens vorhanden gewesen sind. Aus dieser Stellungnahme lässt sich insbesondere nicht ableiten, dass der Wiederaufnahmewerber bereits bei Abschluss des Asylverfahrens einvernahmeunfähig gewesen sei. Aufgrund des rechtskräftigen Beschlusses des Bezirksgerichtes XXXX vom XXXX zeigt sich der Verdacht einer derartigen gesundheitlichen Beeinträchtigung des Wiederaufnahmewerbers, doch kann der gegenständlichen Stellungnahme der Zeitpunkt der beginnenden Verschlechterung nicht mit Sicherheit entnommen werden. Insbesondere berichten die zuständigen Ärzte, "es kann auf alle Fälle gesagt werden, dass in letzter Zeit der Eindruck stärker wurde, dass es ihm schlechter ging und er sich immer schwerer tat, sich auszudrücken und auch mehr Schwierigkeiten hatte, sich im Alltag zurecht zu finden.". Schon derartige Ausführungen sprechen für einen schlechter werdenden psychischen Zustand seit der ersten ambulanten Betreuung des Wiederaufnahmewerbers im Oktober 2018, in welchem Monat auch die mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht stattfand. Darüber hinaus zeigt das Schreiben der Abteilung für Psychiatrie des Bezirkskrankenhauses XXXX vom 10.10.2018 dieselben gestellten Diagnosen wie in der Stellungnahme vom 14.08.2019 und wurde zum damaligen Zeitpunkt, etwa zwei Wochen vor der mündlichen Verhandlung, unter dem Punkt "Psychopathogischer Status" die Auffassung, Konzentration und Merkfähigkeit des Wiederaufnahmewerbers als unauffällig beschrieben und auch keine Veränderung von Sprache und Sprachproduktion wahrgenommen.
Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits im ersten Verfahren die physischen Erkrankungen des Wiederaufnahmewerbers in seine Erwägungen einbezogen und sind seine psychischen Beschwerden den Ausführungen im Antrag zufolge aufgrund der drohenden Abschiebung akut geworden, sodass schon von daher sein aktueller Gesundheitszustand im gegenständlichen Verfahren nicht unter den Tatbestand des § 32 Abs. 1 Z. 2 VwGVG zu subsumieren war.
Unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände ergibt sich sohin für das erkennende Gericht, dass es sich bei dieser Verschlechterung des psychischen Zustandes des Wiederaufnahmewerbers um eine neu entstandene Tatsache handelt, welche erst nach Abschluss des seinerzeitigen Asylverfahrens eingetreten ist. Zusammengefasst ist daher auszuführen, dass es dem Wiederaufnahmewerber nicht gelungen ist, einen die Wiederaufnahme rechtfertigenden Grund geltend zu machen.
Die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX, GZ: XXXX, rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens liegen somit nicht vor und war der Antrag des Wiederaufnahmewerbers als unbegründet abzuweisen.
4. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-Verfahrensgesetz kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.
Zur Frage der Zulässigkeit des Unterbleibens einer mündlichen Verhandlung äußerte sich der Verfassungsgerichtshof vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EGMR (zur Zulässigkeit des Unterbleibens einer mündlichen Verhandlung) dahingehend, dass das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen tatsachenwidrig ist, in Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC steht, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden hat, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt wurde." (vgl. VfGH vom 14.03.2012, U 466/11).
Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit den Antrag auf Wiederaufnahme geklärt erschien und es sich bei der Einordnung, ob die Eignung eines vorgebrachten Wiederaufnahmegrundes vorliegt, um eine Rechtsfrage handelt (vgl. VwGH 19.04.2007, 2004/09/0159; Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013) § 32 VwGVG Anm. 9), konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben (vgl. VwGH 28.05.2014, Ra 2014/20/0017 und 0018; VfGH 14.03.2012, U 466/11 ua.).
Dem Entfall der Verhandlung stehen auch weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010, S 389, entgegen.
Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte sohin gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben und wurde zudem die Durchführung einer solchen auch nicht beantragt.
Zu B) Zur Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder im gegenständlichen Antrag vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Die gegenständliche Entscheidung weicht auch nicht von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens ab.
Schlagworte
Asylverfahren Bindungswirkung Erwachsenenvertreter Fluchtgründe Gesundheitszustand Gutachten nova reperta psychiatrische Erkrankung Rechtskraft der Entscheidung Rechtskraftwirkung Sachverständigengutachten Verschulden WiederaufnahmeantragEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:I405.2106966.2.00Im RIS seit
13.08.2020Zuletzt aktualisiert am
13.08.2020