TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/6 I403 2205191-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.04.2020
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Entscheidungsdatum

06.04.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
AsylG 2005 §8 Abs4
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

I403 2205191-1/23E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Gambia, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.08.2018, Zl. XXXX, zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 stattgegeben und XXXX der Status einer subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Gambia zuerkannt. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte für die Dauer eines Jahres erteilt.

III. Der Beschwerde wird hinsichtlich der sonstigen Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides stattgegeben und diese werden ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige Gambias, stellte am 04.07.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz, welchen sie im Wesentlichen damit begründete, in Gambia von ihrem Vater zur Ehe mit dem Mann ihrer verstorbenen Schwester gezwungen worden zu sein. Dem habe sie sich nur durch die Flucht zu ihrem Onkel und die Ausreise aus Gambia entziehen können.

Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA; belangte Behörde) vom 06.08.2018 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs.1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 wurde der Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Gambia abgewiesen (Spruchpunkt II.). Mit Spruchpunkt III. wurde der Beschwerdeführerin ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Gambia zulässig ist (Spruchpunkt V.). Eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung wurde für eine freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt VI.). Das Vorbringen der Beschwerdeführerin wurde für nicht glaubhaft erachtet.

Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht mit Schriftsatz vom 05.09.2018 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben. Diesem wurde die Beschwerde am 07.09.2018 vorgelegt. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesverwaltungsgerichtes wurde die gegenständliche Rechtssache am 25.09.2019 der Gerichtsabteilung der erkennenden Richterin zugewiesen.

Am 23.01.2020 wurde eine mündliche Verhandlung durchgeführt; in weiterer Folge gab das Bundesverwaltungsgericht bei einem Facharzt für Psychiatrie ein psychiatrisches Gutachten in Auftrag. Das am 27.02.2020 erstellte Gutachten wurde zum Parteiengehör versandt; von Seiten der rechtsfreundlichen Vertretung der Beschwerdeführerin wurde am 11.03.2020 mitgeteilt, dass keine Einwendungen gegen das Gutachten erhoben würden; das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erstattete keine Stellungnahme.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person und zum Fluchtvorbringen der Beschwerdeführerin:

Die volljährige Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige Gambias. Sie ist ledig, Angehörige der Volksgruppe der Fulla und bekennt sich zum islamischen Glauben. Ihre Identität steht nicht fest.

Sie stammt aus einem Dorf ("XXXX") in Gambia, wuchs aber bei ihrem Onkel in XXXX auf, ehe sie Gambia im Mai 2015 als Minderjährige verließ. Inzwischen lebt ihr drei Jahre jüngerer Bruder, der an einer Erkrankung des Magens leidet, bei dem Onkel. Die Beschwerdeführerin steht in Kontakt mit ihrem Onkel und ihrem Bruder und schickt ihnen zeitweise Geld; zu ihren in XXXX lebenden Eltern hat sie keinen regelmäßigen Kontakt.

Die Beschwerdeführerin besuchte von 2007 bis 2016 die Grund- und die Mittelschule in XXXX. Sie wurde als Kind Opfer einer weiblichen Genitalverstümmelung.

Die Beschwerdeführerin leidet an einer posttraumatischen Belastungsstörung; sie ist in regelmäßiger psychotherapeutischer Behandlung, nimmt aber keine Medikamente.

Es ist nicht glaubhaft, dass die Beschwerdeführerin bei einer Rückkehr nach Gambia Opfer einer Zwangsverheiratung würde. Allerdings ist davon auszugehen, dass sich ihr psychischer Zustand im Falle einer Rückkehr massiv verschlechtern würde und eine erhebliche Suizidalität drohen würde. Eine Erwerbsfähigkeit wäre dann nicht mehr gegeben, so dass die Beschwerdeführerin in eine existenzbedrohende Notlage geraten würde.

1.2. Zur Situation in Gambia:

Aus dem aktuellen Länderinformationsblatt zu Gambia vom 30.01.2020 ergibt sich, dass Gambia sich seit mehr als drei Jahren in einem tiefgehenden demokratischen Wandlungsprozess befindet. Das Land reformiert sich grundlegend und die Freiheit der Bürger wird gestärkt. Auch die Einhaltung der Menschenrechte hat sich seit dem Amtsantritt von Präsident Barrow im Dezember 2016 verbessert; zu den wichtigsten Fragen gehört auch die Gewalt gegen Frauen. Vergewaltigung und häusliche Gewalt sind illegal, doch weit verbreitet. Auch weibliche Genitalverstümmelung ist seit 2015 verboten, bleibt aber ein Problem, gegen das die Regierung aber vorgeht. Im Jahr 2016 wurde die Ehe von Kindern unter 18 Jahren illegal. Etwa 33 % der Mädchen unter 18 Jahren sind verheiratet, 8,6 % vor dem Alter von 15 Jahren. Die per Gesetz verbotene Verheiratung von Minderjährigen wird vor allem im dörflichen Umfeld unter Berufung auf islamische Gesetze praktiziert.

Die UN-Vollversammlung hat in einem Bericht vom August 2019 ( "National report submitted in accordance with paragraph 5 of the annex to Human Rights Council Resolution 16/21" zu Gambia vom 22.08.2019, S 20) festgestellt, dass Gambia signifikante Schritte unternommen hat, um Frauen zu stärken; dennoch sind diese gerade ökonomisch noch immer gegenüber Männern benachteiligt. Mit dem "National Development Plan 2018-2021" versucht die Regierung dem entgegenzutreten. Es gibt auch Programme zur Reduktion geschlechtsspezifischer Gewalt. Zugleich geht man entschlossen und effektiv gegen Traditionen wie die weibliche Genitalverstümmelung und frühe Zwangsheiraten vor.

Dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Gambia vom 30.01.2020 ist zur Grundversorgung Folgendes zu entnehmen:

Gambia ist im internationalen Vergleich eines der ärmsten und am wenigsten entwickelten Länder der Welt. Lediglich ein Drittel der Bevölkerung verfügt über eine garantierte Ernährungssicherheit. Laut Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) waren zwischen 2014 und 2016 über 200.000 Gambier gezwungen, sich auf humanitäre Hilfe zu verlassen (EASO 12.2017). Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist v.a. in ländlichen Gegenden nur beschränkt gewährleistet (EASO 12.2017). Das staatliche "Social Welfare Service" bietet für bedürftige Frauen und Kinder Unterbringung, Nahrung und Kleidung. Nach Angaben der Weltbank sind knapp 40 % der Kinder unter 5 Jahren akut unterernährt. Sozialhilferegelungen etc. bestehen nicht (AA 5.8.2019).

Gambia ist wirtschaftlich schwach. Etwa drei Viertel der Bevölkerung arbeiten in der Landwirtschaft. Familien bauen auch in kleinem Umfang Produkte für den Eigenbedarf an. Viele führen kleine Einzelhandelsgeschäfte (EASO 12.2017).

Die Wirtschaft des Landes ist aufgrund von Rückschlägen abgewürgt (KAS 16.5.2018). Zudem ist die Landwirtschaft anfällig für Überschwemmungen und Dürren (EASO 12.2017). Die schlechte landwirtschaftliche Ernte führte 2016/2017 zu Ausfällen (KAS 16.5.2018). Der Landwirtschaftssektor ist nicht vielfältig genug aufgestellt, 91 % der Landbevölkerung sind Kleinbauern, mehrheitlich durch Subsistenzwirtschaft geprägt. Das Land ist stark importabhängig, praktisch alle Güter des täglichen Gebrauchs werden importiert. Die Preise sind entsprechend hoch (KAS 16.5.2018).

Negativ wirkte sich auch die politische Krise des Jahres 2017 aus. Der jüngste Länderbericht des Internationalen Währungsfonds schätzt, dass die Tourismuseinnahmen im ersten Quartal 2017 aufgrund der politischen Turbulenzen um rund ein Drittel (8,8 Mio. $) gesunken sind (EASO 12.2017) und sich nur zögerlich erholten (KAS 16.5.2018). Die Überweisungen (Geldtransfers) von Auswanderern in ihr Heimatland werden auf rund 10% des BIP geschätzt. Im internationalen Handel haben China und Indien die EU (insbesondere Frankreich und Großbritannien) als Hauptexporteur teilweise abgelöst (EASO 12.2017).

Eine zerstörte Wirtschaft, ausgebeutete Staatsressourcen, eine ineffiziente Infrastruktur, enorme soziale Herausforderungen sowie ein Mangel an Möglichkeiten für die junge Bevölkerung waren die Rahmenbedingungen, unter denen Barrow seine Präsidentschaft angetreten hat (KAS 16.5.2018).

Als Jammeh Anfang 2017 ins Exil nach Äquatorialguinea ging, nahm er Vermögenswerte mit unbekanntem Wert mit (EASO 12.2017). Der systematische Diebstahl von Staatseigentum wurde rückwirkend seit 2014 auf 4 % des BIP jährlich geschätzt (KAS 16.5.2018). Laut Medien sei das Land "fast bankrott". Niedrige Ernteerträge, ängstliche Touristen und Investoren sowie wachsende Staatsverschuldung tragen zur weiteren Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation bei (EASO 12.2017). Das Land ist auf finanzielle Unterstützung aus dem Ausland angewiesen. Nach Angaben der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD) machten die Hilfen ausländischer Geber 2013 11% des BIP aus (EASO 12.2017). Die externe Schuldenlast beläuft sich auf über 1 Mrd. US-Dollar (20 % des BIP). Aufgrund der Schuldennotlage können keine neuen Investitionen im Land getätigt werden, der Privatsektor erhält auch keinen Zugang zu Krediten auf dem Finanzmarkt. Die Elektrizitätskrise mit mehrmals täglichen Stromausfällen behindert zudem wirtschaftliche Aktivitäten und Investitionen (KAS 16.5.2018).

Ausländische Geber versprachen der Barrow-Regierung finanzielle Unterstützung unter der Bedingung, dass die Entwicklung der Demokratie gefördert und die Menschenrechte geachtet werden (EASO 12.2017).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (5.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Gambia (Stand: Juli 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2014284/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Gambia_%28Stand_Juli_2019%29%2C_05.08.2019.pdf, Zugriff 25.11.2019

- EASO - European Asylum Support Office (12.2017): The Gambia - Country Focus, https://www.ecoi.net/en/file/local/1419801/90_1513324824_easo-201712-coi-report-gambia.pdf, Zugriff 20.9.2018

- KAS - Konrad-Adenauer-Stiftung (16.5.2018): Ein Jahr Demokratie in Gambia, http://www.kas.de/wf/doc/kas_52476-544-1-30.pdf?180516145500, Zugriff 20.9.2018

Dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Gambia vom 30.01.2020 ist zur medizinischen Versorgung Folgendes zu entnehmen:

Die medizinische Versorgung in Gambia ist mangelhaft (AA 5.8.2019), wogegen die ärztliche Versorgung im Großraum Banjul ausreichend ist (BMEIA 3.12.2019). Die medizinische Versorgung im Lande bleibt eingeschränkt und ist technisch, apparativ und / oder hygienisch problematisch. Auch im privaten Sektor ist nur eine begrenzte Diagnostik und Behandlung möglich (AA 18.9.2018; vgl. AA 5.8.2019). Deutlich besser ist die Lage in Privatkliniken, wobei auch diese diese keinen europäischen Standard bieten (AA 5.8.2019). Die Versorgung ist besonders bei Notfällen, z. B. nach Autounfällen, aber auch im Falle eines Herzinfarktes oder eines Schlaganfalles sehr eingeschränkt (AA 18.9.2018). Die Mehrheit der Gesundheitseinrichtungen befindet sich im Stadtgebiet, was bedeutet, dass der Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen in ländlichen Gebieten komplexer ist. Im Allgemeinen leiden alle Einrichtungen unter einem Mangel an gut ausgebildetem Personal und Defiziten in Bezug auf Infrastruktur, medizinische Ausrüstung und Versorgung mit bestimmten Medikamenten (EASO 12.2017).

Eine allgemeine Krankenversicherung existiert nicht. Staatliche Krankenhäuser bieten zwar eine quasi kostenlose Versorgung, diese ist jedoch aufgrund mangelnder Ärzte, Apparaturen und Medikamente unzureichend. Es existiert eine staatliche psychiatrische Einrichtung, in der es allerdings oft an Medikamenten und gelegentlich an Lebensmitteln fehlt. Die Einrichtung wird von kubanischen Ärzten betreut, die nicht immer anwesend sind. Die Versorgung mit Medikamenten ist über Apotheken möglich (AA 5.8.2019).

Die traditionelle Medizin ist für einen Großteil der Bevölkerung Gambias oft der erste Ansprechpartner, da die Ärzte über das ganze Land verstreut und vor allem in ländlichen Regionen besser zugänglich sind. Und auch die Behörden Gambias streben eine stärkere Partnerschaft mit traditionellen Heilern an, um die Erbringung von Gesundheitsdienstleistungen zu verbessern. Im Jahr 2015 gab es in Gambia 213 Mediziner (1.1 Arzt für 10.000 Einwohner). Darüber hinaus erlauben traditionelle Mediziner oft Sachleistungen, die für arme Haushalte günstiger sind (AA EASO 12.2017).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (18.9.2018): Gambia: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/gambia-node/gambiasicherheit/213624, Zugriff 18.9.2018

- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (5.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Gambia (Stand: Juli 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2014284/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Gambia_%28Stand_Juli_2019%29%2C_05.08.2019.pdf, Zugriff 25.11.2019

- BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (3.12.2019): Reise & Aufenthalt - Gambia - Gesundheit & Impfungen, http://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/gambia/, Zugriff 16.1.2020

- EASO - European Asylum Support Office (12.2017): The Gambia - Country Focus, https://www.ecoi.net/en/file/local/1419801/90_1513324824_easo-201712-coi-report-gambia.pdf, Zugriff 20.9.2018

Dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Gambia vom 30.01.2020 ist zur Frage der Rückkehr Folgendes zu entnehmen:

Die Regierung arbeitete mit dem Büro des UN-Hochkommissars für Flüchtlinge (UNHCR) und anderen humanitären Organisationen zusammen, um Binnenvertriebenen, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen, Asylbewerbern, Staatenlosen oder anderen Betroffenen Schutz und Unterstützung zu gewähren (USDOS 13.3.2019).

Staatliche Einrichtungen zur Aufnahme von Rückkehrerinnen und Rückkehrern existieren nicht. Rückkehrer werden in der Regel wieder von ihrer (Groß-) Familie aufgenommen. Zwischen der International Organisation of Migration (IOM) und der EU wurde eine Vereinbarung zum Schutz und zur Wiedereinbürgerung von Migranten getroffen (EU-IOM Initiative on Migrant Protection and Reintegration), welche Unterstützung für freiwillig oder zwangsweise zurückgekehrte Gambier vorsieht. Der erhebliche Rückstau bei den Reintegrationsmaßnahmen wegen unerwartet hohen Rückkehrerzahlen v.a. aus Libyen und Anlaufschwierigkeiten des 2017 eingerichteten IOM-Büros konnte seit Mitte 2018 in etwa halbiert werden. Zum Stand März 2019 erhielten knapp 2.500 von insgesamt ca. 4.100 Rückkehrern Reintegrationsunterstützungsmaßnahmen. Des Weiteren gibt es zahlreiche NGOs, die in Gambia tätig sind, hauptsächlich im Grundbildungsbereich (AA 5.8.2019).

Der UNHCR koordinierte die Regierungsarbeit mit der Internationalen Organisation für Migration, der Gambia Red Cross Society und anderen Organisationen, um diesen Schutz und diese Unterstützung zu gewährleisten (USDOS 13.3.2019).

Rückkehrer bzw. wiedereingebürgerte Personen unterliegen keiner besonderen Behandlung. Fälle von Misshandlung oder Festnahmen sind nicht bekannt. Bei Rückkehr muss nicht mit staatlichen Maßnahmen aufgrund der Asylantragstellung gerechnet werden. Der "Social Welfare Service" unterhält eine Einrichtung zur Unterbringung von Minderjährigen, dürfte sich aber eher an Kinder jüngeren Alters richten. Ob eine Unterbringung von abgeschobenen Minderjährigen dort möglich ist, muss im Einzelfall geklärt werden (AA 5.8.2019).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (5.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Gambia (Stand: Juli 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2014284/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Gambia_%28Stand_Juli_2019%29%2C_05.08.2019.pdf, Zugriff 25.11.2019

- USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - The Gambia, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2019/03/The-Gambia-2018.pdf, Zugriff 25.11.2019

Dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Gambia vom 30.01.2020 ist zu Frauen Folgendes zu entnehmen:

Die Verfassung sieht die Gleichstellung aller Personen vor dem Gesetz vor (USDOS 13.3.2019). Gemäß Art.28 der gambischen Verfassung sind Frauen und Männer gleichberechtigt. Dieser Grundsatz erfährt jedoch durch Gesetzgebung, religiöse Traditionen und allgemeine gesellschaftliche Verhältnisse Einschränkungen. Frauen sind im politischen und wirtschaftlichen Leben unterrepräsentiert, auch weil sie häufig ein geringeres Bildungsniveau aufweisen als Männer (AA 5.8.2019).

Vergewaltigung und häusliche Gewalt sind illegal, aber weit verbreitet (FH 4.2.2019; vgl. AA 5.8.2019), trotz des "National Plan of action on gender-based violence 2013 - 2017", mit dem die Regierung versucht, Gewalt gegen Frauen zu senken. Auch Vergewaltigung in der Ehe kommt vor und ist nicht kriminalisiert. Es gibt keine effektiven Beschwerdemechanismen für Gewalt gegen Frauen, was sich in einer niedrigen Verfolgungsrate und unzureichender Unterstützung von Opfern auswirkt (AA 5.8.2019).

Art. 33 der Verfassung lässt Diskriminierung in so zentralen Bereichen wie Adoption, Heirat, Scheidung und Erbe zu und nimmt zudem Stammes- und Gewohnheitsrecht vom Schutz vor Diskriminierung aus. In Gambia gilt dadurch für bestimmte Volksgruppen bspw. das Scharia-Recht, welches gerade hinsichtlich des Erbrechtes und der Anzahl der erlaubten Ehepartner Frauen benachteiligt (AA 5.8.2019). Es gibt keine Gesetze, die Polygamie oder Leviratsehe verbieten (in denen eine Witwe mit dem jüngeren Bruder ihres Ehepartners verheiratet ist) (FH 4.2.2019).

Das gambische Recht bietet formellen Schutz der Eigentumsrechte, obwohl die Scharia (islamisches Recht) Bestimmungen über Familienrecht und Erbschaft die Diskriminierung von Frauen erleichtern können. Frauen haben weniger Zugang zu Hochschulbildung, Justiz und Beschäftigung als Männer (FH 4.2.2019). Die Beschäftigung im formalen Sektor steht für Frauen mit denselben Gehältern wie für Männer offen. Es gibt keine gesetzliche Diskriminierung in der Beschäftigung, Zugang zu Krediten, Besitz und Führung eines Unternehmens sowie bei Wohnen oder Bildung (USDOS 13.3.2019).

Frauen sind im Parlament unterrepräsentiert: Drei Frauen wurden 2012 und 2017 gewählt. Darüber hinaus sind drei der fünf Personen, die Barrow 2017 nach der Verfassung direkt als Parlamentsmitglieder ernennen konnte, Frauen (EASO 12.2017).

Weibliche Genitalverstümmelung ist seit 2015 verboten, bleibt aber weiterhin ein Problem (AI 22.2.2018; vgl. AA 5.8.2019; EASO 12.2017; FH 4.2.2019; USDOS 13.3.2019). Jede Person, die trotz des Verbots FGM durchführt, beantragt, anregt, fördert oder Werkzeuge für das Verfahren bereitstellt, wird mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren und/oder einer Geldstrafe von 50.000 Dalasi (rund 1.000 Euro) bestraft. Jede Person, die von FGM weiß und das verbotene Verfahren nicht meldet, muss 10.000 Dalasi zahlen. Eine lebenslange Freiheitsstrafe gilt für jeden, der eine FGM vornimmt, die zum Tod des betreffenden Mädchens führt (EASO 12.2017). Der Staat arbeitet mit zivilgesellschaftlichen Organisationen, Anwälten, Frauengruppen und der Polizei zusammen, um mehr Bewusstsein und Wissen zu vermitteln. In der gebildeten Gesellschaftsschicht ist weibliche Genitalverstümmelung nach Regierungsangaben kaum verbreitet (AA 5.8.2019).

Statistiken zeigen, dass FGM im Kindesalter erfolgt, wobei 55 % der Frauen angaben, dass sie vor dem Alter von 5 Jahren beschnitten wurden, und 28 %, zwischen 5 und 9 Jahren. Weitere 7 % gaben an, dass sie im Alter von 10 bis 14 Jahren beschnitten wurden. FGM tritt in ländlichen Regionen (79 % der Frauen im Alter von 15-49 Jahren) häufiger auf als in urbanen Gebieten (72%). Allerdings gibt es eine Lücke im Gesetzestext, die genutzt werden kann, um das Gesetz zu umgehen: Der Gesetzestext verbietet nicht ausdrücklich das Schneiden, welches beispielsweise im Senegal durchgeführt wird (EASO 12.2017). FGM bleibt weit verbreitet, da ein Beharren auf dieser "Tradition" eine wirkliche Verbesserung verhindert (AA 5.8.2019; vgl. EASO 12.2017).

Die Verfassung und das Gesetz schreiben eine obligatorische, gebührenfreie Ausbildung durch die Sekundarstufe vor. Im Rahmen des gebührenfreie Bildungsplans müssen Familien jedoch oft für Bücher, Uniformen, Mittagessen, Schulgeld und Prüfungsgebühren zahlen. Schätzungsweise 75 % der Kinder im Grundschulalter sind an Grundschulen eingeschrieben (USDOS 13.3.2019). Mit dem "Children's Act" wurde 2005 eine umfangreiche Gesetzgebung erlassen, die Kinderrechte und deren Durchsetzung regelt (AA 5.8.2019). Der dem Gesundheitsministerium angegliederte "Social Welfare Service", der in allen Fragen von Kinderrechten bzw. Kindeswohlverletzungen eingeschaltet werden kann, ist gut organisiert und geht seiner Aufgabe gewissenhaft nach (AA 5.8.2019).

Die Ehe von Kindern unter 18 Jahren ist illegal. Etwa 33 % der Mädchen unter 18 Jahren und 9 % unter dem Alter von 15 Jahren sind verheiratet (USDOS 13.3.2019; vgl. AA 5.8.2019). Die Verheiratung von Minderjährigen wird vor allem im dörflichen Umfeld unter Berufung auf islamische Gesetze praktiziert (AA 5.8.2019). Eine Informationskampagne durch die Regierung soll vor allem im ländlichen Raum die Bevölkerung für das Gesetz sensibilisieren (USDOS 13.3.2019). Das Gesetz sieht eine Freiheitsstrafe von 14 Jahren wegen sexueller Ausbeutung von Kindern und fünf Jahre wegen Beteiligung an Kinderpornographie vor. Das Mindestalter für einvernehmlichen Geschlechtsverkehr liegt bei 18 Jahren (USDOS 13.3.2019).

Kinderarbeit bleibt, vor allem zur Unterstützung im familiären Bereich, weit verbreitet (AA 5.8.2019). Obwohl Kinderarbeit und Zwangsarbeit illegal ist, sind einige Frauen und Kinder dem Sexhandel, der häuslichen Knechtschaft ausgesetzt. Die Regierung hat in jüngster Zeit verstärkte Anstrengungen unternommen, um gegen den Menschenhandel vorzugehen, unter anderem durch die Schulung von Sicherheitsbeamten und Grenzschutzbeamten zur Identifizierung von Opfern und durch die Bereitstellung besserer Dienstleistungen für die Betroffenen; jedoch waren die Erfolge bescheiden (FH 4.2.2019).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (5.8.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Gambia (Stand: Juli 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2014284/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Gambia_%28Stand_Juli_2019%29%2C_05.08.2019.pdf, Zugriff 25.11.2019

- EASO - European Asylum Support Office (12.2017): The Gambia - Country Focus, https://www.ecoi.net/en/file/local/1419801/90_1513324824_easo-201712-coi-report-gambia.pdf, Zugriff 19.9.2018

- FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Gambia, The, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2019/gambia, Zugriff 26.11.2019

- USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - The Gambia, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2019/03/The-Gambia-2018.pdf, Zugriff 25.11.2019

2. Beweiswürdigung:

Die erkennende Einzelrichterin des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) und der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.

2.2. Zur Person der Beschwerdeführerin:

Da die Beschwerdeführerin den österreichischen Behörden keine identitätsbezeugenden Dokumente vorlegen konnte, steht ihre Identität nicht fest.

Die Feststellungen zu ihrer Staatsangehörigkeit, ihrer Herkunft, ihrer Schulbildung und ihrer familiären Situation in Gambia ergeben sich aus ihren Aussagen in der Erstbefragung am 04.07.2016, in der Einvernahme durch das BFA am 04.04.2018 und in der mündlichen Verhandlung am 23.01.2020.

Die strafgerichtliche Unbescholtenheit der Beschwerdeführerin ergibt sich aus einer Abfrage im Strafregister der Republik Österreich vom 24.03.2020.

2.3. Zur gesundheitlichen Situation der Beschwerdeführerin:

Die gesundheitliche Situation der Beschwerdeführerin ergibt sich aus ihren Aussagen und aus den folgenden ärztlichen Befunden:

* Psychiatrischer Konsiliarbericht der Universitätsklinik XXXX für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik vom 07.04.2017 (Diagnosen: Akute Belastungsreaktion F43.0 und Anpassungsstörung F43.2)

* Ambulanzbericht des Landeskrankenhauses XXXX vom 15.11.2017 (Spannungskopfschmerzen, Akne)

* Bestätigung der Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik in XXXX, dass die Beschwerdeführerin dort vom 07.04.2017 bis 05.03.2018 laufend in psychologischer Behandlung stand

* Bestätigung einer Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe vom 03.09.2018 über die bei der Beschwerdeführerin vorgenommene weibliche Genitalverstümmelung

* Bestätigung über eine wöchentliche psychotherapeutische Behandlung seit Juli 2018 vom 09.09.2019

* Psychologisches Gutachten im Auftrag des XXXX, erstellt von einer Klinischen Psychologin und gerichtlich beeideten Sachverständigen vom 30.09.2019

* Gutachten eines Facharztes für Psychiatrie vom 27.02.2020

In diesem vom Bundesverwaltungsgericht beauftragten Gutachten eines Facharztes für Psychiatrie vom 27.02.2020 wurde festgestellt (der Name wurde im Folgenden durch "die Beschwerdeführerin" ersetzt):

"1) Die Beschwerdeführerin leidet an einer psychiatrisch krankheitswertigen Störung im Sinne einer Traumafolgestörung (nach ICD-10: F43.1, posttraumatische Belastungsstörung).

Oben wiedergegebene Symptomatik bzw, die auslösenden Ereignisse sprechen für diese Diagnose, letztlich besteht hier auch in den Befunden eine einheitliche Aussage - abgemildert wurde die Symptomatik bereits durch die etwa drei Jahre durchgeführten gesprächstherapeutischen Behandlungen, weshalb derzeit eher eine depressive Begleitstörung sowie emotionale Schwankungen und Schlafstörungen im Vordergrund stehen, eine geringe Stresstoleranz und eine sehr starke Verletzlichkeit gegenüber verunsichernden Lebensumständen und belastenden Lebensereignissen sich aber aus der Traumafolgestörung weiterhin ergibt.

2) Die derzeit durchgeführte psychotherapeutische und psychosoziale Behandlung und Betreuung ist notwendig, stellt auch die Therapie erster Wahl dar; auch aus heutiger Sicht ist eine zusätzliche medikamentöse Behandlung nicht ausreichend indiziert.

3) Daraus ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin auch aktuell in einer regelmäßigen, wöchentlich durchgeführten psychotherapeutischen Behandlung steht, die dabei vorliegende Sprachbarriere nur relativ ist und sinnvolle Kommunikation in deutsche Sprache bereits möglich ist.

Eine regelmäßige Einnahme von Medikamenten ist nie erfolgt und ist auch derzeit nicht dringend notwendig, sollte aber dann zusätzlich etabliert werden, wenn depressive Beschwerden oder Schlafstörungen über längere Zeiträume weiterhin bestehen bleiben und die Lebensführung der Betroffenen anhaltend einschränken - beispielsweise das gesprächstherapeutische Fortkommen zu behindern beginnen.

4) Die Folge einer Unterlassung oder eines Abbruches der seit Juni 2018 ununterbrochen durchgeführten Gesprächstherapie einerseits und der psychosozialen Begleitung andererseits wäre absehbar eine Zunahme der Ängste, der depressiven Symptome und dadurch auch wieder eine Reaktivierung posttraumatischer Symptome- Die Beschwerdeführerin erlebt derzeit erstmals in ihrem Leben Verständnis und Rücksicht ihres sozialen Umfeldes und wäre bei Verlust desselben gefährdet, wieder in die Erinnerungen an die sehr von Gewalt geprägten Erfahrungen in ihrem Heimatland zunehmend zurückzufallen.

5} Die Beschwerdeführerin leidet nicht an weiteren körperlichen oder psychischen Erkrankungen.

6) Wenn die laufenden Behandlungen fortgesetzt werden und sich die Rahmenbedingungen (rechtliche und soziale Sicherheit) stabilisieren bzw. verbessern, ist die Erwerbsfähigkeit der Beschwerdeführerin nicht wesentlich eingeschränkt.

7) Auch diese Frage (nach der Verhandlungsfähigkeit der Beschwerdeführerin) ist zu überwiegend verneinen. Zwar führt die Traumatisierung zu erhöhter Vorsicht und Aufmerksamkeit gegenüber Bedrohung oder möglichen Fehlern, das Aussageverhalten bzw. die Fähigkeit zur Realitätserkenntnis und Kritikfähigkeit und die Verhandlungsfähigkeit und situative Anpassung ist dadurch nicht wesentlich beeinträchtigt.

Auch im gegenständlichen Untersuchungsgespräch konnte sich die Beschwerdeführerin trotz der Stimmungs- und Affektschwankungen bis zuletzt kompetent und zusammenhängend zu Symptomen bzw. den Hintergründen von deren Entwicklung äußern.

8) Die Folgen einer Überstellung der Beschwerdeführerin zu ihrem Onkel bzw, nach Gambia dürfte mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer entscheidenden Verschlechterung des Gesundheitszustandes mit Reaktivierung bereits teilweise bearbeiteter traumatischer Gedächtnisinhalte führen.

Auch gibt die Beschwerdeführerin an, dass ihr Onkel ihr keinen nachhaltigen Schutz bieten könne aufgrund der in Gambia gesellschaftlich vorherrschenden Rahmenbedingungen - sie wäre also der Willkür ihres Vaters bzw. des ihr zugedachten Ehemannes in Gambia aller Voraussicht nach wieder ausgesetzt.

9) Gegenwärtig besteht bei der Beschwerdeführerin keine akute oder erhebliche Eigen- oder Fremdgefährdung. Nach der Flucht aus Gambia haben suizidale Impulse nicht bestanden, in Gambia jedoch rund um die arrangierte Hochzeit berichtet die Beschwerdeführerin aber über solche Gedanken und Pläne.

Gegenwärtig ist unter möglichst stützender sozialer Betreuung bzw. Integration und Psychotherapie auch nicht mit dem Auftreten einer konkreten Suizidalität zu rechnen- beides wird wohl nur an ihrem gegenwärtigen Aufenthaltsort gesichert sein.

10) Vor dem Hintergrund der Diagnose einer Traumafolgestörung mit einer Neigung zu depressiven Reaktionen bzw. Anpassungsstörungen und in Anbetracht der über einen längeren Zeitraum erlittenen schweren (mehr psychischen als körperlichen) Verletzungen und existenziellen Bedrohungen kann die Aussage getroffen werden, dass die Beschwerdeführerin im Falle einer Abschiebung nach Nigeria in Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit verfallen und sich daraus eine erhebliche Suizidalität entwickeln würde."

Abgesehen von den psychischen Problemen wurden keine gesundheitlichen Einschränkungen geltend gemacht, die Beschwerdeführerin bestätigte auch in der mündlichen Verhandlung am 23.01.2020, gesund zu sein.

2.4. Zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführerin:

Die Beschwerdeführerin hatte vorgebracht, dass sie aus Gambia geflohen sei, weil ihr Vater sie zur Ehe mit dem Mann ihrer verstorbenen Schwester habe zwingen wollen.

Das Fluchtvorbringen wurde vom BFA im angefochtenen Bescheid für nicht glaubhaft befunden. Dieser Einschätzung tritt das Bundesverwaltungsgericht aufgrund folgender Erwägungen bei:

Zunächst ist festzuhalten, dass es wenig plausibel ist, dass der von der Beschwerdeführerin immer als sehr traditionell, streng und brutal beschriebene Vater damit einverstanden gewesen wäre, dass die Beschwerdeführerin im Alter von sieben oder acht Jahren zu ihrem Onkel in die Hauptstadt zog, um dort die Schule zu besuchen. Noch weniger glaubhaft erscheint es, dass der Vater dann nach der Flucht der Beschwerdeführerin zugestimmt haben sollte, dass ihr drei Jahre jüngerer Bruder ebenfalls zu diesem Onkel, dem der Vater die Schuld an der Flucht der Beschwerdeführerin gegeben habe, gezogen sein soll. So meinte die Beschwerdeführerin zur Beziehung ihres Vaters zum Onkel vor dem BFA: "Zwischen meinem Vater und meinem Onkel gab es dann ein Riesenproblem, weil mein Vater mich seiner Ansicht nach ja geboren hatte und mein Onkel dazu beitrug, dass ich mich dem Willen meines Vaters widersetzte. (...) Mein Vater hat meinem Onkel vorgeworfen, dass ich seinetwegen das Land verlassen habe." Es wäre daher nicht anzunehmen, dass der Vater es zulassen würde, dass sein Sohn beim Onkel aufwächst.

Es ist außerdem widersprüchlich, dass die Beschwerdeführerin einerseits immer wieder betont, dass ihr Vater sich sehr streng an muslimische Traditionen halte und dass es diesen entspreche, dass man bereits sehr früh heirate (so sagte sie dem BFA: "In Gambia will es die Tradition, dass Mädchen unabhängig von ihrem Alter beim Eintreten der Menstruation verheiratet werden."), dass sie zugleich in der mündlichen Verhandlung aber angab, dass ihre Schwester bereits zwischen 20 und 24 Jahren alt war, als sie heiratete. Die Beschwerdeführerin gab zudem gegenüber dem BFA am 04.04.2018 an, dass ihre Schwester am 18.03.2016 verstorben sei und sie selbst mit deren Ehemann am 20.04.2016 in ihrem Heimatdorf verheiratet worden wäre. Am Ende der Einvernahme durch das BFA berichtigte sie sich dann dahingehend, dass die Hochzeit vermutlich erst gegen Monatsende stattgefunden hätte, weil nach der Tradition Gambias 40 Tage vergehen müssten, ehe die Heirat stattfinden könne. Die Frist von 40 Tagen war von ihr bereits im Vorfeld erwähnt worden und würden zwischen dem 18.03. und dem 20.04. weniger als 40 Tage liegen. Es fällt allerdings auf, dass die Beschwerdeführerin sich vorab exakt auf den 20.04. festgelegt hatte ("Nach dem Tod meiner Schwester habe ich am 20.04.2016 in XXXX geheiratet."). Es entsteht beim Durchlesen des Protokolls daher der Eindruck, dass die Beschwerdeführerin zunächst möglichst detaillierte Angaben machte und dann versuchte sich zu korrigieren, da sie merkte, dass die Daten nicht in Einklang mit dem von ihr erzählten Brauch einer 40-Tage-Frist zu bringen sind.

Im psychologischen Gutachten vom 30.09.2019 steht dann allerdings, dass die Beschwerdeführerin angegeben habe, ihre Schwester sei am 10.03.2016 verstorben. In einem weiteren Widerspruch dazu meinte die Beschwerdeführerin dann wieder, ihre Schwester sei am 10.09.2016 verstorben. Auch wenn im Laufe der Jahre Daten in der Erinnerung verschwimmen mögen, fällt doch auf, dass die Beschwerdeführerin drei exakte Daten zum Tod ihrer Schwester angibt - dass alle drei aber voneinander abweichen. Die erkennende Richterin verkennt dabei weder, dass die Beschwerdeführerin während des Verfahrens vor der belangten Behörde noch minderjährig war, noch dass die Ereignisse bereits Jahre zurückliegen und dass die Beschwerdeführerin an einer posttraumatischen Belastungsstörung leidet - dies würde etwa erklären, dass sich die Beschwerdeführerin gar nicht zu erinnern vermag bzw. jedenfalls keine konkreten Daten nennen könnte. Es kann allerdings nicht erklären, warum sie drei konkrete, zugleich komplett verschiedene Tage nennt.

In der mündlichen Verhandlung erklärte die Beschwerdeführerin auf Rückfrage, warum sie gegenüber dem BFA gesagt habe, dass ihre Schwester am 18.03.2016 verstorben sei, dass sie bzw. ihre gesetzliche Vertretung bereits während der Einvernahme auf diesen Fehler hingewiesen hätten. Die erkennende Richterin geht aber davon aus, dass dies dann einen Niederschlag im Protokoll gefunden hätte bzw. dessen Richtigkeit dann nicht durch die Unterschrift ihrer gesetzlichen Vertreterin bestätigt worden wäre.

Auch die Angaben in der mündlichen Verhandlung rund um das Begräbnis der Schwester erweckten den Eindruck, dass die Beschwerdeführerin eine Geschichte erfand, wie der folgende Ausschnitt aus der Niederschrift vom 23.01.2020 zeigt:

"RI: Waren Sie bei ihrem Begräbnis?

BF: Nein.

RI: Warum nicht?

BF: Bei uns dürfen Kinder nicht an Begräbnissen teilnehmen.

RI: Ab wann gilt man nicht mehr als Kind?

BF: Bei uns ist es so, dass man mit Einsetzen der Menstruation kein Kind mehr ist.

RI: Aber dann galten Sie im September 2016 doch nicht mehr als Kind?

BF: Bevor man bei uns an einer Beerdigung teilnehmen kann, muss man nach traditionellem Ritus gewaschen werden, sonst darf man nicht teilnehmen. Bei den Muslimen ist es außerdem so, dass Frauen zwar an der Trauerfeier teilnehmen dürfen, nicht aber an der Beerdigung."

Nachdem die Beschwerdeführerin also zunächst ihre Nicht-Teilnahme am Begräbnis der Schwester damit erklärte, dass sie noch ein Kind gewesen sei, meinte sie dann, dass sie als Frau nicht habe teilnehmen dürfen. Auch wenn Unstimmigkeiten wie diese für sich genommen natürlich noch nicht geeignet wären, das Vorbringen für unglaubhaft zu erklären, so ergeben die Vielzahl an Irritationen und Brüchen in der Darstellung der Beschwerdeführerin das Bild einer nicht real erlebten Geschichte.

In der Einvernahme durch die belangte Behörde am 04.04.2018 schilderte die Beschwerdeführerin, dass sie eines Tages von der Schule nach Hause gekommen sei und ihren Onkel traurig vorgefunden habe. Er habe ihr erzählt, dass ihr Vater angerufen habe und ihm von den Plänen berichtet habe, die Beschwerdeführerin mit dem Ehemann der verstorbenen Schwester zu verheiraten. Zunächst erscheint es nicht nachvollziehbar, dass die Beschwerdeführerin einerseits betont, dass es Tradition in Gambia sei, dass die jüngere Schwester den Witwer einer älteren Schwester zu heiraten habe und dass sie es zugleich so schildert, als seien sie und ihr Onkel vollkommen vom Anliegen des Vaters überrascht worden. Erst auf entsprechenden Vorhalt der belangten Behörde meinte die Beschwerdeführerin dann, dass sie schon eine Vorahnung gehabt habe, sich aber nicht habe vorstellen können, dass man sie mit einem derart alten Mann verheiraten werde.

Dem BFA berichtete die Beschwerdeführerin weiter, dass der Onkel dann zunächst alleine zu ihrem Vater gefahren sei, dann mit ihr gemeinsam, dass es aber vergeblich gewesen sei. Unlogisch erscheint es, dass der Vater der Beschwerdeführerin sie wieder gemeinsam mit ihrem Onkel in das 1,5 bis 2 Stunden entfernte XXXX zurückfahren ließ, wenn er sie dann, wie die Beschwerdeführerin weiter ausführte, am nächsten Morgen wieder abholte, um sie zur Hochzeit zu bringen. Zudem berichtete die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung dann nur mehr davon, dass sie gemeinsam mit dem Onkel wenige Tage nach dem Anruf zu ihrem Elternhaus gefahren sei. Dass der Onkel zuvor bereits einmal dorthin gefahren war, erwähnte sie plötzlich nicht mehr.

Ein besonders eklatanter Widersprich liegt darin, dass die Beschwerdeführerin dem BFA am 04.04.2018 erklärte, dass ihr Vater sie am Tag nach dem Besuch im Dorf um 9 Uhr bei ihrem Onkel abgeholt habe und dass am selben Tag die Hochzeit stattgefunden habe und dass sie dann in der mündlichen Verhandlung am 23.01.2020 meinte, dass die Hochzeit am nächsten Tag abgehalten worden sei. Auch weitere Rückfragen der erkennenden Richterin wurden entsprechend beantwortet.

Während die Beschwerdeführerin gegenüber dem BFA erklärte: "Bei uns ist es, dass die weiblichen Ältesten des Dorfes am Morgen ins Zimmer der Braut kommen und sie mit speziellen Gewändern einkleiden.", gab sie in der mündlichen Verhandlung, zum Tag der Hochzeit befragt, zu Protokoll: "Es ist absolut nichts passiert. Da wir in einem kleinen Dorf lebten, gab es weder besondere Kleidung noch wurde mein Körper bemalt." Auch hier zeigt sich ein Widerspruch in ihrem Vorbringen. In der mündlichen Verhandlung damit konfrontiert, meinte die Beschwerdeführerin, sie habe vor dem BFA dasselbe gesagt. Man könne schon traditionelle afrikanische Kleider tragen, aber nichts Spezielles. Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes wurde damit der Widerspruch nicht überzeugend beseitigt, doch wird von Seiten der erkennenden Richterin Wert darauf gelegt, darauf hinzuweisen, dass sich die Unglaubwürdigkeit des Vorbringens nicht aus einem einzelnen Widerspruch ergibt, sondern aus einer Zusammenschau der zahlreichen Unstimmigkeiten und Widersprüche.

Die Beschwerdeführerin beschrieb die Zeremonien rund um die Eheschließung (in der Moschee bei Abwesenheit der Brautleute und unter Verwendung von Cola-Nüssen) durchaus in Übereinstimmung mit den Informationen, die man im Internet über traditionelle Eheschließungen in Gambia findet (vgl. etwa http://www.accessgambia.com/information/weddings.html; Zugriff am 08.02.2020), doch ist davon auszugehen, dass sie als jemand, der in Gambia aufgewachsen ist, Kenntnis von derartigen Rituale hat. Allerdings verwickelte sie sich in Widersprüche, was den zeitlichen Ablauf betraf, wie der folgende Ausschnitt aus der Niederschrift der mündlichen Verhandlung zeigt:

RI: Wie lange hat diese Zeremonie in der Moschee gedauert?

BF: Es handelte sich so zu sagen nur um ein Gebet. Die Ältesten haben sich dann noch unterhalten. Das hat zwischen einer und zwei Stunden gedauert.

RI: Woher wissen Sie, wie lange es gedauert hat?

BF: Genau genommen weiß ich gar nicht, wie lange das gedauert hat. Es können ein bis zwei Stunden gewesen sein.

RI: Wann beschlossen Sie zu flüchten?

BF: Als die Ältesten beim "19:00 Uhr Gebet" in der Moschee waren, kam meine Cousine zu mir. Ich weinte und sie fragte mich, ob ich weggehen würde, wenn sie mir Geld geben würde. Sie wollte aber, dass ich im Fall, dass man mich erwischen würde, niemandem sagte, dass sie es gewesen war, die mir das Geld gegeben hatte. Ich hatte einfach Angst davor, am Abend bzw. in der Nacht mit dem Mann Sex haben zu müssen.

RI: Was ich nicht verstehe: Sie sagen, um 17:00 Uhr war die Zeremonie und diese habe 1-2 Stunden gedauert. Jetzt sprechen Sie von 19:00 Uhr. Da müsste die Feier schon abgeschlossen gewesen sein.

BF: Um 17:00 Uhr sind die Ältesten in die Moschee gegangen und haben dann die Cola-Nuss miteinander gegessen. Wie viele Stunden das gedauert hat, kann ich nicht sagen. Feststeht, dass die Männer, das heißt, nur die Männer und keine Frauen, um 19:00 Uhr zum "19:00 Uhr Gebet" gegangen sind, wo es eine Zeremonie gab und sie Cola-Nuss gegessen haben, bevor sie um ca. 19:45 Uhr wieder nach Hause zurückgegangen sind.

RI: War die Hochzeitsfeier um 17:00 Uhr oder um 19:00 Uhr?

BF: Um 17:00 Uhr.

RI: Danach ist niemand zu Ihnen ins Haus gekommen? Sie blieben nach wie vor alleine?

BF: Niemand ist zurück nach Hause gekommen, die Ältesten sind in die Moschee gegangen.

RI: Sie waren doch schon in der Moschee?

BF: Nach dem "17:00 Uhr Gebet" sind die Ältesten und auch mein Vater zurück nach Hause. Um 19:00 Uhr sind sie dann wieder in die Moschee zum Gebet.

RI: Ihr Vater kam nach Hause?

BF: Ja.

So sprach die Beschwerdeführerin einmal davon, dass alle Ältesten, darunter ihr Vater, ab 17 Uhr in der Moschee gewesen seien, dann aber wieder, dass sie nach der Hochzeitszeremonie um 17 Uhr nach Hause zurückgekehrt wären und dann um 19 Uhr wieder in die Moschee gegangen seien. Die Beschwerdeführerin war nicht in der Lage, hier einen konsistenten Ablauf der Ereignisse zu schildern.

Zu ihren konkreten Rückkehrbefürchtungen meinte die Beschwerdeführerin vor dem BFA am 04.04.2018, dass die Ältesten und ihr Vater sie "schlagen, zur Heirat zwingen und viele andere traditionelle Sachen mit ihr machen würden." Auch in der mündlichen Verhandlung beharrte die Beschwerdeführerin darauf, dass sie befürchten würde, von ihrem Vater oder den Ältesten ihres Heimatdorfes gegen ihren Willen verheiratet zu werden. Dies ist aber insbesondere deswegen wenig überzeugend, weil die Beschwerdeführerin doch ihren eigenen Angaben nach bereits traditionell verheiratet ist; die Hochzeitszeremonie wurde ja um 17 Uhr in der Moschee durchgeführt. Daher erscheint auch die Aussage in der mündlichen Verhandlung, dass sie einmal mit ihrer Mutter telefoniert habe und diese ihr gesagt habe, dass ihr Vater sie noch immer verheiraten wolle, nicht glaubhaft; vielmehr wäre zu erwarten gewesen, dass sie zu ihrem Ehemann (nach traditionellem Recht) zurückkehren sollte.

Im Übrigen bestärkt auch der Umstand, dass die Beschwerdeführerin erst in Österreich, aber noch nicht in Italien einen Antrag auf internationalen Schutz stellte, den Schluss, dass die Beschwerdeführerin nicht aufgrund einer konkreten Verfolgung ihrer Person nach Europa geflüchtet ist. Ihre diesbezügliche Erklärung in der mündlichen Verhandlung ist nicht nachvollziehbar:

RI: Sie waren ja ein paar Tage in Italien. Wenn Sie Schutz gebraucht haben, warum haben Sie nicht dort Schutz gesucht?

BF: In Italien waren so viele Menschen aus Gambia und ich hatte große Angst, dass sie mich vielleicht erkannt hätten und meinen Eltern erzählt hätten, dass XXXX in Italien ist.

RI: Wo haben Sie so viele Menschen aus Gambia getroffen?

BF: Ich selbst habe diese Leute nicht getroffen, ich weiß das alles nur aus Youtube und dem Internet, wo ich das gesehen habe.

Soweit in der Stellungnahme der Psychotherapeutin der Beschwerdeführerin vom 09.09.2019 erklärt wird, dass "keinerlei Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit" bestehen würden, muss darauf hingewiesen werden, dass das Bundesverwaltungsgericht der Person der Beschwerdeführerin nicht per se die "Glaubwürdigkeit" abspricht, dass es aber Sache der Asylbehörden bzw. des Gerichtes ist, festzustellen, ob ein Vorbringen glaubhaft gemacht wurde. In der Stellungnahme ihrer Psychotherapeutin vom 09.09.2019 führt diese weiter aus, dass für die "Bearbeitung der schweren Traumatisierungen und dauerhafte Stabilisierung die Gewährung von Aufenthaltsrecht/Anerkennung ihres Asylstatus wichtig und notwendig sind, da der ungeklärte Aufenthaltsstatus und Ablehnungen stark verunsichernd wirken, die posttraumatische Belastungssymptomatik reaktiviert, starke Ängste und depressive Symptomatik triggern und dauerhaften Gesundung somit nicht erreicht werden kann." In diesem Zusammenhang ist darauf zu verweisen, dass die Vergabe von internationalem Schutz nicht unter einem therapeutischen Blickwinkel zu sehen ist, wenn auch der gesundheitliche Zustand natürlich in Hinblick auf mögliche Rückkehrgefährdungen zu berücksichtigen ist.

Auch im vom XXXX beauftragten Gutachten einer Psychologin wird von dieser erklärt, dass die Angaben der Beschwerdeführerin als "sehr glaubwürdig anzusehen" seien, ohne dass dies allerdings näher begründet würde; in diesem Gutachten findet sich eine Nacherzählung des Vorbringens der Beschwerdeführerin, kombiniert mit Aussagen zu Gambia, wobei nur in einem Fall eine diesbezügliche Quelle genannt wird. So wird als "Conclusio" festgestellt, dass ihre psychischen Störungen auf die Familiengeschichte in Gambia und ihre Flucht zurückzuführen seien, dass der unsichere Aufenthaltsstatus ihre Ängste verstärkt habe und wurde zur Frage einer möglichen Rückkehr nach Gambia festgestellt: "Im Falle der Rückführung nach Gambia würden XX körperliche Bestrafungen (Schläge, Abrasieren ihrer Haare,...) und gesellschaftliche Ausgrenzungen durch den Vater, ihren Ehemann und dessen Ehefrauen und die örtliche Gemeinschaft, insbesondere die Dorfältesten, erwarten. Sie müsste auch die bereits durchgeführte Zwangsheirat vollziehen. Es ist davon auszugehen, dass sie in letzter Konsequenz das gleiche Schicksal erleidet wir ihre Schwester, die aufgrund der unmenschlichen Behandlung in der Zwangsehe nach 2 Jahren Ehe gestorben ist. Müsste XX Österreich verlassen, ist aufgrund ihres Krankheitsbildes und ihrer hoffnungslosen Lage in Gambia nicht auszuschließen, dass sie den Suizid wählen würde." Nach Auseinandersetzung mit dem Gutachten kommt die erkennende Richterin zum Ergebnis, dass das Gutachten in erster Linie die Aussagen der Beschwerdeführerin übernimmt und diese durch Informationen zur Lage in Gambia ergänzt, ohne dass eine entsprechende Expertise als länderkundige Sachverständige bei der Gutachterin offengelegt worden wäre.

Die Beschwerdeführerin behauptete zudem, dass sie im Jahr 2017 über Whatsapp Sprachnachrichten von deutschen, italienischen und österreichischen Telefonnummern erhalten habe; der Anrufer habe sie beschimpft und gesagt, die Beschwerdeführerin sei seine Ehefrau. Dies wurde von der Beschwerdeführerin gemeinsam mit ihrer Betreuerin am 28.11.2017 auch zur Anzeige gebracht. Doch auch bei diesem Vorbringen tätigte die Beschwerdeführerin unterschiedliche Aussagen: Gegenüber dem BFA meinte sie am 04.04.2018, dass sie ihren jüngeren Bruder gefragt habe, ob er ihre Telefonnummer weitergegeben habe. Er habe schließlich zugegeben, die Nummer der Mutter gegeben zu haben und könne sich die Beschwerdeführerin vorstellen, dass ihr Vater dadurch an ihre Telefonnummer gekommen sei und sie nun so bedrohe und einschüchtere. Dagegen erklärte sie in der mündlichen Verhandlung am 23.01.2020, dass ihr Onkel verneint habe, dass er ihre Nummer weitergegeben habe und dass sie sich an die Antwort ihres Bruders nicht mehr erinnern könne, aber glaube, dass er auch gesagt habe, dass er die Nummer nicht weitergegeben habe. Dies ist ein eklatanter Widerspruch, da davon auszugehen ist, dass sich die Beschwerdeführerin daran erinnern würde, wenn ihr Bruder gesagt hätte, er habe die Nummer an die Eltern weitergegeben, wodurch ein Zusammenhang zwischen den Drohungen und ihrem Vater wahrscheinlicher geworden wäre.

Zusammengefasst geht das Bundesverwaltungsgericht aufgrund der dargelegten Widersprüche und Unstimmigkeiten davon aus, dass die Beschwerdeführerin in Gambia nicht gegen ihren Willen mit dem Mann ihrer verstorbenen Schwester verheiratet wurde und dass ihr auch für den Fall einer Rückkehr nach Gambia keine Zwangsverheiratung droht. Es ist diesbezüglich auch zu berücksichtigen, dass die Beschwerdeführrein nun als volljährige Frau nach Gambia zurückkehren würde und sich dem Willen ihrer Eltern nicht beugen müsste.

Soweit vorgebracht wurde, dass die Beschwerdeführerin als Kind Opfer einer weiblichen Genitalverstümmelung wurde, findet dies ebenso wie der Umstand, dass die Beschwerdeführerin berichtete, nicht genau definierbare Schmerzen im Unterleib zu haben, die eventuell damit in Zusammenhang stehen könnten, Berücksichtigung. Eine konkrete Verfolgung der Beschwerdeführerin für den Fall der Rückkehr nach Gambia ergibt sich daraus aber nicht.

2.5. Zu den Rückkehrbefürchtungen der Beschwerdeführerin:

Wie bereits ausgeführt wurde, geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass die Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr nicht von ihrem Vater gegen ihren Willen verheiratet würde. Ebenso wurde festgestellt, dass die Beschwerdeführerin auch noch nicht gegen ihren Willen mit dem Mann ihrer verstorbenen Schwester verheiratet wurde und dass sie daher auch nicht gezwungen werden könnte, zu diesem zurückzukehren. Eine diesbezügliche Gefahr ergibt sich daher für sie nicht.

Auf die Frage der erkennenden Richterin, ob - abgesehen von der behaupteten Zwangsverheiratung - weitere Gründe gegen eine Rückkehr nach Gambia sprechen würden, meinte die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung: "Selbst wenn ich nicht in das Dorf meines Vaters zurückkehre, ist Gambia ein islamischer Staat. Wo sollte ich denn hingehen? Alle würden sagen, dass XXXX von ihren Eltern weggelaufen ist und lange in Europa war und als Prostituierte gearbeitet hat. Keiner würde sich um mich kümmern und alle würden vor mir weglaufen." Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht, dass in der traditionellen Gesellschaft Gambias eine Frau, die jahrelang alleine in Europa war, bei einer Rückkehr mit Diskriminierung und Vorurteilen zu rechnen hätte. Dieser Umstand würde allerdings auch nicht ausreichen, um die reale Gefahr einer existenzbedrohenden Notlage aufzuzeigen.

Im Falle der Beschwerdeführerin ist aber insbesondere auch zu berücksichtigen, dass sie Gambia bereits als Minderjährige verlassen hat, dass sie über keine Berufsausbildung verfügt, die ihr eine berufliche Existenz in Gambia ermöglichen würde und dass sie auf kein starkes familiäres Netzwerk zurückgreifen könnte. Auch wenn die behauptete Zwangsverheiratung für die erkennende Richterin nicht glaubhaft ist, scheint es doch innerfamiliäre Probleme gegeben zu haben, welche die Beschwerdeführerin dazu gezwungen haben, bei ihrem Onkel, fernab von ihrem Elternhaus, zu leben. Ihr Onkel kümmert sich inzwischen um ihren kranken Bruder, es erscheint fraglich, ob er die finanziellen Ressourcen hat, die Beschwerdeführerin zu unterstützen, ist sie es doch, die ihm von Österreich aus Geld schickt. Ob sie von ihrem Onkel mit offenen Armen willkommen geheißen und ausreichend unterstützt würde, wenn sie nach Gambia zurückkehren würde, ist daher - auch aufgrund der in vielen afrikanischen Ländern verbreiteten Vorurteile gegenüber Frauen, die nach einem jahrelangen Aufenthalt in Europa zurückkehren und denen oftmals unterstellt wird, der Prostitution nachgegangen zu sein - fraglich. Insbesondere ist aber zu berücksichtigen, dass die Beschwerdeführerin an einer posttraumatischen Belastungsstörung leidet, die sich nach dem unbestritten gebliebenen Gutachten eines Facharztes für Psychiatrie bei einer Rückkehr nach Gambia verschlechtern und zu einer erhöhten Suizidgefahr führen würde.

Aus den Länderberichten ergibt sich zudem, dass die wirtschaftliche Lage in Gambia prekär ist - umso mehr muss das für eine junge Frau ohne Berufsausbildung, ohne starken Familienverband und mit psychischer Erkrankung gelten. Mit einer staatlichen Unterstützung bei ihrer Rückkehr könnte sie nicht rechnen. Zusammengefasst kommt das Bundesverwaltungsgericht daher zum Ergebnis, dass die Beschwerdeführerin eine besonders vulnerable Person ist, die bei einer Rückkehr nach Gambia in eine die Existenz bedrohende Notlage geraten würde.

2.6. Zu den Länderfeststellungen:

Bei dem auszugsweise zitierten Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Gambia, das auch dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegt wurde, handelt es sich um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen, sowohl staatlichen als auch nicht-staatlichen Ursprungs, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Darüber hinaus wurde der "National report submitted in accordance with paragraph 5 of the annex to Human Rights Council Resolution 16/21" zu Gambia des Human Rights Council der Verienten Nationen vom 22.08.2019 berücksichtigt.

Soweit in der Verhandlung ein Bericht über Kinder in Gambia vorgelegt wurde, entfaltet dieser keine besondere Relevanz für das gegenständliche Verfahren, da die Beschwerdeführerin inzwischen volljährig ist und sich der Bericht zudem auf die Lage im Jahr 2010 bezog und manche Aussagen nicht mehr zutreffen, so etwa, dass weibliche Genitalverstümmelung in Gambia nicht verboten sei.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Zum Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1, Abschnitt A, Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Im Hinblick auf die behauptete Gefahr einer Verfolgung der Beschwerdeführerin durch eine ihr drohende (bzw. eine bereits erfolgte) Zwangsverheiratung wurde dargelegt, dass dieses Vorbringen nicht glaubhaft ist. Sonstige Fluchtgründe wurden nicht vorgebracht. Der Beschwerdeführerin ist es damit im gesamten Verfahren nicht gelungen, eine konkret und gezielt gegen ihre Person gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität, welche ihre Ursache in einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe hätte, glaubhaft zu machen.

Aus diesen Gründen ist festzustellen, dass der Beschwerdeführerin im Herkunftsstaat Gambia keine Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht und Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides zu bestätigen ist.

3.2. Zum Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 8 Abs. 1 Ziffer 1 AsylG 2005 idgF ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Gemäß § 8 Abs. 2 leg. cit. ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aber

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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