TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/30 I416 1248489-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.04.2020
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Entscheidungsdatum

30.04.2020

Norm

AsylG 2005 §54 Abs2
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §55 Abs1 Z1
AsylG 2005 §58 Abs11
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §58 Abs7
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9 Abs2
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §52
IntG §11 Abs2
IntG §9
NAG §81 Abs36
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I416 1248489-2/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Alexander BERTIGNOL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, Staatsangehörigkeit Nigeria, vertreten durch den Verein Legal Focus, Lazarettgasse 28/3, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.08.2019, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben, der angefochtene Bescheid behoben und XXXX wird gemäß §§ 54, 55 Abs. 1 Z 1 und 58 Abs. 2 AsylG 2005 der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung" für die Dauer von 12 Monaten erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer reiste spätestens am 05.05.2002 illegal ins Bundesgebiet ein und stellte einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des damaligen Bundesasylamtes vom 17.03.2004, Zl.XXXX, abgewiesen wurde. Gleichzeitig wurde die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria für zulässig erklärt. Eine dagegen erhobene Berufung wurde mit Erkenntnis des damaligen Asylgerichtshofes vom 23.04.2007, Zl. XXXX, abgewiesen. Der gegen dieses Erkenntnis beim VwGH eingebrachten außerordentlichen Revision wurde die aufschiebende Wirkung mit Beschluss vom 01.06.2007 zuerkannt. Das Asylverfahren wurde letztlich durch die höchstgerichtliche Entscheidung des VwGH mit 19.04.2010 rechtskräftig negativ abgeschlossen.

2. Am XXXX heiratete der Beschwerdeführer eine österreichische Staatsbürgerin und stellte einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels bei der MA35, welchem nicht entsprochen wurde. Die Ehe des Beschwerdeführers wurde am XXXX mit Beschluss des BG XXXX einvernehmlich geschieden.

3. Mit rechtskräftigem Bescheid der BPD XXXX vom 21.12.2010, Zl. XXXX wurde gegen den Beschwerdeführer eine Ausweisung erlassen. Der Beschwerdeführer kam seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach und verblieb illegal in Österreich.

4. Am 20.05.2015 stellte der Beschwerdeführer den verfahrensgegenständlichen Antrag auf Erteilung eines humanitären Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG.

5. Mit Verfahrensanordnung vom 22.06.2015 forderte die belangte Behörde den Beschwerdeführer auf, zu seinem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK noch die fehlenden Personaldokumente in Form eines Reisepasses und einer Geburtsurkunde binnen einer Frist von vier Wochen vorzulegen und wurde nach Fristerstreckung am 12.08.2015 ein nigerianischer Staatsbürgerschaftsnachweis betreffend den Beschwerdeführer, ausgestellt von der Nigerianischen Botschaft XXXX, übermittelt.

6. Mit Schriftsatz vom 21.04.2016 beantragte der damalige Rechtsvertreter des Beschwerdeführers die Heilung des Mangels der Vorlage eines Reisepasses gemäß § 4 Abs. 1 Z 2 und 3 AsylG-DV und übermittelte die Kopie einer nigerianischen Geburtsurkunde.

7. Der Beschwerdeführer wurde mit Ladungsbescheid der belangten Behörde vom 23.04.2016 aufgefordert, an einem Interviewtermin zur Identitätsprüfung durch eine nigerianische Delegation am 29.04.2016 teilzunehmen, kam dieser Aufforderung jedoch nicht nach. Am 31.05.2016 erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer einen Festnahmeauftrag und einen Durchsuchungsauftrag für den 08.06.2016, jedoch konnte der Beschwerdeführer an seiner Wohnadresse nicht angetroffen werden. Dem Beschwerdeführer wurde auf Rückfrage über seine Rechtsvertretung mitgeteilt, dass er sich am 10.06.2016 um 10:15 Uhr selbstständig bei der belangten Behörde einfinden solle, um an einem Termin mit einer nigerianischen Delegation zur Identitätsfeststellung teilzunehmen. Dieser Aufforderung kam der Beschwerdeführer nicht nach. Der Beschwerdeführer wurde mit Ladungen vom 27.06.2016 und vom 29.07.2016 aufgefordert, am 15.07.2016 bzw. 18.08.2016 zwecks Befragung zu seinem Antrag auf Erteilung eines humanitären Aufenthaltstitels vor der belangten Behörde zu erscheinen, blieb diesen Terminen jedoch unentschuldigt fern. Mit Ladungsbescheid vom 18.08.2016 erfolgte die Aufforderung, an einem für den 29.08.2016 anberaumten Termin teilzunehmen, welcher der Beschwerdeführer wiederum nicht folgte. Am 23.09.2016 erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer neuerlich einen Festnahmeauftrag und einen Durchsuchungsauftrag, jedoch konnten diese nicht vollzogen werden, weil der Beschwerdeführer nicht an seiner Wohnadresse anzutreffen war.

8. Die belangte Behörde teilte dem Beschwerdeführer mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 01.08.2017 mit, dass die Abweisung seines Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus humanitären Gründen und die Erlassung einer Rückkehrentscheidung beabsichtigt sei. Dem Beschwerdeführer wurde ein Auszug aus dem Länderinformationsblatt zu Nigeria, sowie ein Fragenkatalog zu seinen persönlichen Verhältnissen übermittelt und eine 14-tägige Frist zur Erstattung einer Stellungnahme eingeräumt. Drei Fristerstreckungsanträgen des rechtlichen Vertreters des Beschwerdeführers vom 18.08.2017, vom 08.09.2017 sowie vom 02.10.2017 wurde stattgegeben. Auf einen vierten Antrag auf Fristerstreckung vom 20.10.2017 informierte das BFA den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers, dass keine weitere Frist gewährt und das Verfahren fortgesetzt werde, sollte eine Stellungnahme ausbleiben. Am 10.11.2017 brachte der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers eine schriftliche Stellungnahme ein.

9. Der Beschwerdeführer wurde am 04.04.2019 im Zuge einer finanzpolizeilichen Schwerpunktkontrolle auf einem Autowrackabstellplatz bei seinem unrechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet betreten. Er wurde gemäß § 40 BFA-VG festgenommen und am 06.04.2019 durch die belangte Behörde niederschriftlich einvernommen. Er erklärte, sich seit insgesamt 18 Jahren illegal in Österreich aufzuhalten und ein Autoexportgeschäft zu betreiben, um seine Familie in Nigeria zu unterstützen. Im Bundesgebiet würden seine Ex-Frau und seine minderjährige Tochter leben, er habe nur selten Kontakt zu ihnen und seiner Ex-Frau komme die alleinige Obsorge für das Kind zu. Er sei unterstandslos und schlafe unregelmäßig an verschiedenen Orten. Dem Beschwerdeführer wurde mitgeteilt, dass gegen ihn eine Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot erlassen werde.

10. Mit Mandatsbescheid vom 06.04.2019, Zl. XXXX, verhängte die belangte Behörde über den Beschwerdeführer die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme sowie zur Sicherung der Abschiebung.

11. Am 26.04.2019 wurde der Beschwerdeführer durch eine Delegation der Nigerianischen Vertretungsbehörde in XXXX als nigerianischer Staatsangehöriger identifiziert.

12. Mit Strafverfügung der LPD XXXX vom 07.05.2019 wurde über den Beschwerdeführer wegen seines unrechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet gemäß § 120 Abs. 1a FPG eine Geldstrafe von 500,00 EUR verhängt.

13. Mit Schreiben vom 11.06.2019 erhob die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers Säumnisbeschwerde und führte darin aus, dass der Beschwerdeführer bereits sehr lange in Österreich aufhältig und integriert sei und daher die Voraussetzungen zur Erteilung eines Aufenthaltstitels erfülle.

14. Am 01.08.2019 wurde der Beschwerdeführer aus der Schubhaft entlassen und dazu begründend angeführt, dass ein Heimreisezertifikat derzeit nicht zeitnah erlangbar sei.

15. Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid vom 29.08.2019, Zl. XXXX, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers vom 20.05.2015 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG ab (Spruchpunkt I.), erließ gegen ihn gemäß § 10 Abs. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 53 Absatz 2 FPG (Spruchpunkt II.), stellte gemäß § 52 Absatz 9 FPG fest, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt III.) und legte gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG eine 14-tägige Frist für seine freiwillige Ausreise fest (Spruchpunkt IV.). Seinem Antrag auf Heilung des Mangels der Vorlage eines Reisepasses gemäß § 4 Abs. 1 Z 2 und 3 AsylG-DV wurde gleichzeitig stattgegeben, mit der Begründung, dass der Beschwerdeführer zwar über kein gültiges Reisedokument verfüge, aber einen Staatsbürgerschaftsnachweis aus Nigeria vorgelegt habe und seine Identität mehr oder minder feststehe, daher könne eine inhaltliche Entscheidung getroffen werden.

16. Mit Verfahrensanordnung gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG vom 29.08.2019 wurde dem Beschwerdeführer der Verein Menschenrechte Österreich als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.

17. Gegen den Bescheid der belangten Behörde erhob der Beschwerdeführer durch seine ausgewiesene Rechtsvertretung mit Schriftsatz vom 16.09.2019 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und begründete dies mit inhaltlich falscher Entscheidung und mangelhafter Verfahrensführung. Der Beschwerdeführer befinde sich seit geraumer Zeit in Österreich und sei hier aufgrund seiner langen Aufenthaltsdauer vielfältig verwurzelt. So habe er die Deutsch-Zertifikate A2 und B1 absolviert, sei Mitglied einer Kirchengemeinde und habe dort Freiwilligenarbeit geleistet. Auch bestehe ein familiäres Verhältnis zu österreichischen Freunden. Der Beschwerdeführer stellte daher die Anträge, das Bundesverwaltungsgericht möge nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung feststellen, dass die Abweisung des Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK, die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, sowie die Feststellung der Zulässigkeit seiner Abschiebung nach Nigeria nicht zulässig und zu beheben seien; sowie dem Beschwerdeführer einen Aufenthaltstitel gewähren und feststellen, dass die Ausweisung nach Nigeria dauerhaft nicht zulässig sei. Für den Fall einer insgesamt negativen Entscheidung werde beantragt, die ordentliche Revision an den VwGH zuzulassen.

18. Beschwerde und Bezug habender Akt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 20.09.2019 vorgelegt.

19. Am 28.09.2019 wurde ein privates Unterstützungsschreiben einer mit dem Beschwerdeführer befreundeten Familie übermittelt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

1.1. Die unter Punkt I. getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende weitere Feststellungen getroffen:

1.2 Zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Nigeria und somit Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 10 FPG. Er ist kein begünstigter Drittstaatsangehöriger und es kommt ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu.

Die Identität des Beschwerdeführers steht fest.

Der Beschwerdeführer reiste spätestens am 05.05.2002 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und hält sich seit nunmehr 18 Jahren ununterbrochen im Bundesgebiet auf. In der Zeit zwischen 10.03.2017 und 03.04.2019 verfügte der Beschwerdeführer über keinen Wohnsitz in Österreich, in der übrigen Zeit verfügte er über eine Meldeadresse bzw. über eine Obdachlosenmeldung.

Beschwerdeführer leidet an, Morbus Ebstein, einer angeborenen Herzfehlbildung. Es liegt keine schwere Erkrankung vor, er ist nicht rehabilitations- oder pflegebedürftig und soweit gesund und arbeitsfähig.

Die Eltern und Geschwister leben in Nigeria.

In Österreich leben die Ex-Frau und die minderjährige Tochter des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer steht mit seiner Ex Frau selten in Kontakt, die Obsorge der mj. Tochter liegt nicht beim Beschwerdeführer. Ansonsten verfügt er über keine Verwandten und über keine maßgeblichen privaten und familiären Beziehungen im Bundesgebiet.

Der Beschwerdeführer hat am 31.03.2016 eine Deutschprüfung auf dem Niveau A2 absolviert und Kurse bis zum Niveau B1 besucht. Er hat Kontakte zu Österreichern geknüpft und verschiedene Unterstützungsschreiben sowie eine Einstellungszusage vorgelegt, weiters ist er Mitglied einer Kirchengemeinde. Der Beschwerdeführer war in den Jahren 2007 und 2008 für insgesamt rund 2 1/2 Monate als Arbeiter bei einer Personalleasingfirma beschäftigt und hat anschließend seinen Lebensunterhalt durch die Verrichtung von Schwarzarbeit bestritten. Er geht derzeit keiner erlaubten Beschäftigung nach und bezieht Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

2. Beweiswürdigung

Der erkennende Einzelrichter des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:

2.1 Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor dieser, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz. Ergänzend wurden aktuelle Auszüge aus dem Strafregister der Republik Österreich, des Betreuungsinformationssystems, dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger, des Zentralen Fremdenregisters und des Zentralen Melderegisters eingeholt.

2.2 Zur Person des Beschwerdeführers:

Aufgrund der Vorlage eines Staatsbürgerschaftsnachweises, ausgestellt von der Nigerianischen Botschaft XXXX am 12.08.2015, einer vorgelegten nigerianischen Geburtsurkunde, sowie des Umstandes, dass der Beschwerdeführer am 26.04.2019 durch eine Delegation der Nigerianischen Vertretungsbehörde in XXXX als nigerianischer Staatsangehöriger identifiziert wurde, kann seine Identität mit ausreichender Sicherheit festgestellt werden.

Die Feststellung zur Volljährigkeit und zu den Lebensumständen des Beschwerdeführers gründen sich auf die diesbezüglichen glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde. Es ist im Verfahren nichts hervorgekommen, das Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers aufkommen lässt.

Die Feststellungen zu seinem negativ entschiedenen Antrag auf internationalen Schutz, dem bisherigen Aufenthalt in Österreich, der Dauer seines Aufenthaltes im Bundesgebiet, sowie das Fehlen einer Aufenthaltsberechtigung ergeben sich unstrittig aus dem Verwaltungsakt sowie dem Gerichtsakt des Asylgerichtshofes und dem Auszug aus dem Zentralen Fremdenregister.

Die Feststellungen zu seinem Gesundheitszustand ergeben sich unstrittig aus dem Verwaltungsakt und den Feststellungen der belangten Behörde, denen der Beschwerdeführer nicht entgegengetreten ist. Beim Beschwerdeführer wurde Morbus Ebstein, eine angeborene Herzfehlbildung, diagnostiziert. Aus einem Schreiben eines Facharztes für Innere Medizin vom 19.08.2015 geht hervor, dass eine operative Sanierung der Herzerkrankung des Beschwerdeführers nicht erforderlich ist und halbjährliche Kontrollen vorgesehen sind (AS 505), wobei sich im gesamten Akteninhalt keinerlei Hinweise darauf finden, dass der Beschwerdeführer den empfohlenen Kontrollterminen nachgekommen wäre. Aus einem Schreiben eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 16.08.2016 (AS 618) geht hervor, dass die Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers trotz seiner Erkrankungen gegeben ist und finden sich im Verwaltungsakt und in der Beschwerde auch keine gegenteiligen Hinweise.

Die Feststellungen zur in Nigeria lebenden Familie des Beschwerdeführers ergeben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde.

Die Feststellung, dass in Österreich die Ex-Frau des Beschwerdeführers lebt und zu dieser kaum Kontakt besteht, erschließt sich aus den eigenen Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer in Österreich eine mj. Tochter hat, ansonsten aber über keine Verwandten noch Familienangehörige verfügt, erschließt sich auch aus seinen eigenen Angaben vor der belangten Behörde und wurde diese Angaben seitens der belangten Behörde ohne Prüfung der Entscheidung zu Grunde gelegt.

Dass der Beschwerdeführer seinen Unterhalt durch Schwarzarbeit bestritten hat, dass er für kurze Zeit in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden ist wird von ihm selbst vorgebracht und auch von der belangten Behörde im bekämpften Bescheid nicht in Zweifel gezogen, ebenso, dass er über einen Bekannten - und Freundeskreis in Österreich verfügt, wie die vorgelegten Unterstützungsschreiben belegen und Mitglied einer Kirchengemeinde ist. Der Bezug der staatlichen Grundversorgung ist durch Auszüge aus dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger und Betreuungsinformationssystem belegt.

Zudem kann die abgelegte Deutschprüfung A2 (AS 517) als integrativer Schritt gewertet werden. Die Prüfung wurde am 31.03.2016 abgelegt.

Aus den obgenannten Unterlagen und Ausführungen ergeben sich insgesamt durchaus Integrationsbemühungen.

Die Feststellung über die strafgerichtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Stattgabe der Beschwerde

Anzuwendende Rechtslage:

Die maßgeblichen Bestimmungen des § 55 AsylG 2005 lauten:

§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen."

Die maßgebliche Bestimmung des § 9 Abs. 2 BFA-Verfahrensgesetz lautet:

"Schutz des Privat- und Familienlebens

§ 9. (2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist."

3.1. Zur Erteilung des Aufenthaltstitels

Es ist zu prüfen, ob eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG einen zulässigen Eingriff in das Recht des Beschwerdeführers auf Achtung des Privat- und Familienlebens in Österreich darstellt (Art. 8 Abs. 1 und 2 EMRK).

Bei dieser Interessenabwägung sind - wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird - insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration des Fremden, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren sowie die Frage zu berücksichtigen, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (vgl. VfSlg. 18.224/2007, 18.135/2007; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423).

Nach der Rechtsprechung des EGMR garantiert die Konvention Fremden kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem Staat. Unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (z.B. eine Ausweisungsentscheidung) aber in das Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in dem Gastland zugebracht oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl. EGMR 8.3.2008, Nnyanzi v. The United Kingdom, Appl. 21.878/06; 04.10.2001, Fall Adam, Appl. 43.359/98, EuGRZ 2002, 582; 09.10.2003, Fall Slivenko, Appl. 48.321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.06.2005, Fall Sisojeva, Appl. 60.654/00, EuGRZ 2006, 554).

Bei der Beurteilung der Rechtskonformität von behördlichen Eingriffen ist nach ständiger Rechtsprechung des EGMR, des Verfassungs- und des Verwaltungsgerichtshofes auf die besonderen Umstände des Einzelfalls einzugehen. Die Verhältnismäßigkeit einer solchen Maßnahme ist (nur) dann gegeben, wenn ein gerechter Ausgleich zwischen den Interessen des Betroffenen auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens im Inland einerseits und dem staatlichen Interesse an der Wahrung der öffentlichen Ordnung andererseits gefunden wird. Der Ermessensspielraum der zuständigen Behörde und die damit verbundene Verpflichtung, allenfalls von einer Aufenthaltsbeendigung Abstand zu nehmen, variiert nach den Umständen des Einzelfalls.

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt des Fremden regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen. Nur dann, wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, wurden Aufenthaltsbeendigungen ausnahmsweise auch nach so langem Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen (vgl. zum Ganzen etwa VwGH 17.10.2016, Ro 2016/22/0005, Rn. 11 bis 13; VwGH 23.2.2017, Ra 2016/21/0325, Rn. 9 und 10, sowie VwGH 8.11.2018, Ra 2016/22/0120, Punkte 6.2. und 7.2., jeweils mwN).

Der unbescholtene Beschwerdeführer hat die Zeit seines Aufenthaltes zumindest in Ansätzen genützt um sich in Österreich zu integrieren. Er weist Deutschkenntnisse auf dem Niveau A2 auf und war in kurzfristig legal beschäftigt und hat seinen Lebensunterhalt wenn auch durch Schwarzarbeit, in der Zeit seiner Abmeldung von der GVS, aus eigenem bestritten. Darüber hinaus hat der Beschwerdeführer einen Freundes- und Bekanntenkreis aufgebaut und unterstützt durch diverse Hilfstätigkeiten eine Kirchengemeinde.

Ein darüberhinausgehendes "besonders zu berücksichtigendes Integrationsverhalten" wird von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bei einem so langen Aufenthalt nicht gefordert (vgl. VwGH 23.2.2017, Ra 2016/21/0325, Rn. 12).

Umgekehrt hat der Verwaltungsgerichtshof in mehreren Entscheidungen zum Ausdruck gebracht, dass ungeachtet eines mehr als zehnjährigen Aufenthaltes und des Vorhandenseins gewisser integrationsbegründender Merkmale auch gegen ein Überwiegen der persönlichen Interessen bzw. für ein größeres öffentliches Interesse an der Verweigerung eines Aufenthaltstitels (oder an der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme) sprechende Umstände in Anschlag gebracht werden können. Dazu zählen das Vorliegen einer strafgerichtlichen Verurteilung (vgl. etwa die Erkenntnisse des VwGH vom 30.06.2016, Ra 2016/21/0165, und vom 10.11.2015, Ro 2015/19/0001, sowie die Beschlüsse des VwGH vom 03.09.2015, Ra 2015/21/0121, und vom 25.04.2014, Ro 2014/21/0054), Verstöße gegen Verwaltungsvorschriften (wie etwa das Ausländerbeschäftigungsgesetz; siehe VwGH, 16.10.2012, 2012/18/0062, sowie VwGH, 25.04.2014, Ro 2014/21/0054), eine zweifache Asylantragstellung (vgl. VwGH, 20.07.2016, Ra 2016/22/0039, sowie das zitierte Erkenntnis Ra 2014/22/0078 bis 0082), unrichtige Identitätsangaben, sofern diese für die lange Aufenthaltsdauer kausal waren (vgl. die zitierten Erkenntnisse Ra 2015/21/0249 bis 0253 sowie Ra 2016/21/0165), sowie die Missachtung melderechtlicher Vorschriften (vgl. VwGH, 31.01.2013, 2012/23/0006). Fallgegenständlich kann diesbezüglich die einmalige Bestrafung wegen des unrechtmäßigen Aufenthaltes herangezogen werden, die strafrechtlichen Verurteilungen liegen bereits 17 Jahre zurück und gilt er als strafrechtlich unbescholten und hat sich der Beschwerdeführer seitdem auch wohlverhalten. Entsprechend ist auch der Umstand zu berücksichtigen, dass der Inlandsaufenthalt überwiegend unrechtmäßig war (siehe die Erkenntnisse des VwGH vom 30.06.2016, Ra 2016/21/0165, sowie vom 11.11.2013, 2013/22/0072) und dass der Beschwerdeführer seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen war.

Sonstige gegen ein Überwiegen der persönlichen Interessen bzw. für ein größeres öffentliches Interesse an der Verweigerung eines Aufenthaltstitels (oder an der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme) sprechende Umstände hat das BFA aber weder festgestellt noch sonst in seiner Entscheidungsbegründung ins Treffen geführt. Insbesondere ist der Fall nicht mit dem Sachverhalt vergleichbar, der der Entscheidung VwGH, 17.11.2016, Ra 2016/21/0183-5, zugrunde lag, weil in dem damals zugrundeliegenden Fall ein Drittstaatsangehöriger seine Abschiebung bzw. die Erlangung eines Heimreisezertifikates durch die Verwendung einer Alias-Identität verhindert hatte. Im gegenständlichen Fall steht die Identität des Beschwerdeführers fest, verwendete dieser keine Aliasidentität und hat der Beschwerdeführer im Asylverfahren auch seinen nigerianischen Reisepass mit der Nummer A2874089 vom 19.09.2005 vorgelegt.

Wenn die belangte Behörde auf das öffentliche Interesse der Bekämpfung der Schwarzarbeit hinweist, so gesteht sie im bekämpften Bescheid selbst zu, dass der Beschwerdeführer nicht in diesem Zusammenhang bestraft wurde, sowie dass der Beschwerdeführer strafrechtlich unbescholten ist.

Die belangte Behörde macht dem Beschwerdeführer auch (grundsätzlich zu Recht) zum Vorwurf, dass er nach Abweisung seines Antrags auf internationalen Schutz der damit verbundenen Ausweisung keine Folge geleistet habe und sein Aufenthalt seit damals unrechtmäßig sei.

Dabei handelt es sich aber, wie der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 21.01.2020, Ra 2019/21/0378 ausführt, um Gesichtspunkte, die - in mehr oder weniger großem Ausmaß - typischerweise auf Personen zutreffen, die nach negativer Erledigung ihres Antrags auf internationalen Schutz einen mehr als zehnjährigen inländischen und zuletzt jedenfalls unrechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet aufweisen. Diese Umstände sprechen somit per se nicht gegen die Anwendbarkeit Rechtsprechungslinie des VwGH, wonach bei einem mehr als zehnjährigen Aufenthalt regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen ist. Ihnen kommt daher für sich genommen noch kein entscheidungswesentliches Gewicht zu (vgl. auch dazu VwGH 19.12.2019, Ra 2019/21/0243, nunmehr Rn. 13).

Damit kommt es fallbezogen darauf an, ob Umstände vorliegen, die das gegen einen Verbleib im Inland sprechende öffentliche Interesse verstärken bzw. die Länge der Aufenthaltsdauer des Revisionswerbers im Inland relativieren. Dabei darf im gegenständlichen Fall nicht unberücksichtigt bleiben, dass sein Asylverfahren über sieben Jahre gedauert hat, ohne dass diese Verfahrensdauer dem Beschwerdeführer erkennbar angelastet werden könnte (siehe in diesem Sinn abermals VwGH 19.12.2019, Ra 2019/21/0243, Rn. 12).

Auch der von der belangten Behörde ins Treffen geführte Umstand, dass der Beschwerdeführer während seines Aufenthaltes über Monate hinweg abgetaucht war und sich unangemeldet versteckt habe wodurch eine Integration in diesem "Modus" von Vornherein unwahrscheinlich und unmöglich sei, ist nicht geeignet, die öffentlichen Interessen, die gegen einen Verbleib in Österreich sprechen, angesichts der fast achtzehnjährigen Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers maßgeblich zu verstärken.

Der Beschwerdeführer gab vor der belangten Behörde an, dass er unterstandslos sei und unregelmäßig an verschiedenen Orten schlafen würde. Dass der Beschwerdeführer bewusst untergetaucht ist, um seine Abschiebung zu vereiteln, ist aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht anzunehmen. Dies zeigt sich auch in seinen Behördenkontakten, diverse Schreiben (AS 243ff.), Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels bei der MA 35 (AS 246) und Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes (AS 326). Dass die belangte Behörde im Zeitraum zwischen 2010 und 2015 die erforderlichen Schritte zur Effektuierung der Abschiebung gesetzt hat, ist dem Akt nicht zu entnehmen, vielmehr spricht die belangte Behörde noch im April 2012 selbst davon, dass der Beschwerdeführer für ein Abschiebeverfahren greifbar sei (AS 359).

Es kann dem Beschwerdeführer auch nicht negativ angelastet werden, dass er immerhin versucht hat, mit seinem Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, seinen Aufenthalt in Österreich zu legalisieren (siehe dazu das Erkenntnis des VwGH vom 31.01.2013 Zl. 2012/23/0006). Auch die diesbezügliche Verfahrensdauer von 2015 bis August 2019 kann dem Beschwerdeführer nur zum Teil erkennbar angelastet werden, da der Beschwerdeführer zumindest bis März 2017 über eine aufrechte Meldeadresse im Bundesgebiet verfügte, zudem war es der belangten Behörde bis jetzt nicht möglich ein HRZ für den Beschwerdeführer zu erlangen, wie der gegenständliche Verfahrensakt belegt.

Die Gesamtschau der zu berücksichtigenden Faktoren ergibt daher, dass die Interessensabwägung zu Gunsten des Beschwerdeführers ausfällt.

Eine Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer wäre daher zum maßgeblichen aktuellen Entscheidungszeitpunkt unverhältnismäßig im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EMRK.

Das Bundesverwaltungsgericht kommt daher unter Berücksichtigung dieser besonderen Umstände zum Ergebnis, dass eine Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer unzulässig ist.

Es ist daher von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen. Daher ist daher gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG festzustellen, dass die Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer auf Dauer unzulässig ist.

3.2. Zum Aufenthaltstitel:

Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 idF BGBl. 70/2015 ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 auch von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird.

Im Rahmen der erläuternden Bemerkungen zum FRÄG 2015 wurde klargestellt, dass auch das Bundesverwaltungsgericht - in jeder Verfahrenskonstellation - über einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 absprechen darf. Es handelt sich hierbei jedoch nicht um eine Einräumung einer amtswegigen Entscheidungszuständigkeit für das Bundesverwaltungsgericht, welche entsprechend dem Prüfungsbeschluss des VfGH vom 26. Juni 2014 (E 4/2014) als unzulässig zu betrachten wäre, da die Frage der Erteilung des Aufenthaltstitels diesfalls vom Prüfungsgegenstand einer angefochtenen Rückkehrentscheidung mitumfasst ist und daher in einem zu entscheiden ist.

In diesem Sinne betonte auch der Verwaltungsgerichtshof in seinen Entscheidungen vom 30.06.2016, Ra 2016/21/0103, sowie vom 04.08.2016, Ra 2016/21/0203, dass das Bundesverwaltungsgericht den Aufenthaltstitel im Rahmen seiner Sachentscheidungspflicht im verfahrensabschließenden Erkenntnis selbst in konstitutiver Weise zu erteilen habe. Auch das Bundesverwaltungsgericht hat daher im Falle, es erkennt im Beschwerdeverfahren erstmalig die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung, die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 anzuordnen (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, § 58 AsylG K4).

Gemäß § 55 Abs. 1 AsylG ist einem im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK geboten ist und

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.

Liegt gemäß Abs. 2 leg. cit. nur die die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.

Gemäß § 54 Abs. 2 AsylG ist eine "Aufenthaltsberechtigung" und eine "Aufenthaltsberechtigung plus" für die Dauer von zwölf Monaten beginnend mit dem Ausstellungsdatum auszustellen.

Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung plus" die Voraussetzungen nach Z 1 und Z 2 des § 55 Abs. 1 AsylG kumulativ vorliegen müssen und ist daher nicht nur zu prüfen, ob die Erteilung eines Aufenthaltstitels für die Beschwerdeführer zur Aufrechterhaltung deren Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist, sondern auch, ob der Beschwerdeführer das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz erfüllt.

Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung ist gemäß § 9 IntG erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung gemäß § 11 vorlegt (Z 1), einen gleichwertigen Nachweis gemäß § 11 Abs. 4 über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung vorlegt (Z 2), über einen Schulabschluss verfügt, der der allgemeinen Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 Universitätsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 120/2002, oder einem Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule entspricht (Z 3), einen Aufenthaltstitelt "Rot-Weiß-Rot Karte" gemäß § 41 Abs. 1 oder 2 NAG besitzt (Z 4) oder als Inhaber eines Aufenthaltstitels "Niederlassungsbewilligung Künstler" gemäß § 43a NAG eine künstlerische Tätigkeit in einer der unter § 2 Abs. 1 Z 1 bis 3 Kunstförderungsgesetz, BGBl. I Nr. 146/1988, genannten Kunstsparte ausübt; bei Zweifeln über das Vorliegen einer solchen Tätigkeit ist eine diesbezügliche Stellungnahme des zuständigen Bundesministers einzuholen.

§ 11 Abs. 2 Integrationsgesetz lautet:

Die Prüfung umfasst Sprach- und Werteinhalte. Mit der Prüfung ist festzustellen, ob der Drittstaatsangehörige über vertiefte elementare Kenntnisse der deutschen Sprache zur Kommunikation und zum Lesen und Schreiben von Texten des Alltags auf dem Sprachniveau A2 gemäß dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen und über Kenntnisse der grundlegenden Werte der Rechts- und Gesellschaftsordnung der Republik Österreich verfügt. Der Prüfungserfolgt ist mit "Bestanden" oder "Nicht bestanden" zu beurteilen. Zur erfolgreichen Absolvierung der Prüfung muss sowohl das Wissen über Sprach- sowie über Werteinhalte nachgewiesen werden. Wiederholungen von nicht bestandenen Prüfungen sind zulässig. Die Wiederholung von einzelnen Prüfungsinhalten ist nicht zulässig.

Die Übergangsbestimmung des § 81 Abs. 36 NAG lautet:

Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG gilt als erfüllt, wenn Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 68/2017 vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 68/2017 erfüllt haben oder von der Erfüllung ausgenommen waren.

Die weiteren maßgeblichen Bestimmungen des NAG (idF vor BGBl I. Nr. 68/2017) lauten:

Modul 1 der Integrationsvereinbarung

Gemäß § 14a Abs. 1 erster Satz NAG sind Drittstaatsangehörige mit erstmaliger Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 8 Abs. 1, Z 1, 2, 4, 5, 6 oder 8 zur Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung verpflichtet.

Gemäß Abs. 4 leg. cit. ist das Modul 1 der Integrationsvereinbarung erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige

1. einen Deutsch-Integrationskurs besucht und einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über den erfolgreichen Abschluss des Deutsch-Integrationskurses vorlegt,

2. einen allgemein anerkannten Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse gemäß § 14 Abs. 2 Z 1 [= Kenntnisse der deutschen Sprache zur vertiefenden elementaren Sprachverwendung] vorlegt,

3. über einen Schulabschluss verfügt, der der allgemeinen Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 des Universitätsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 120, oder einem Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule entspricht oder

4. einen Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte" gemäß § 41 Abs. 1 oder 2 besitzt.

Der Aufenthaltstitel ""Aufenthaltsberechtigung" unterscheidet sich von der "Aufenthaltsberechtigung plus" gemäß § 54 Abs. 1 AsylG nur in Bezug auf die Berechtigung zur Ausübung von Erwerbstätigkeiten, und zwar dahin, dass die "Aufenthaltsberechtigung" insoweit weniger Rechte einräumt. Statt wie bei der "Aufenthaltsberechtigung plus", die einen unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt iSd § 17 AuslBG vermittelt, besteht nämlich für die Ausübung einer unselbständigen Erwerbstätigkeit das Erfordernis einer Berechtigung nach dem AuslBG.

Im gegenständlichen Fall bedeutet dies:

Der Beschwerdeführer verfügt über ein Deutsch Zertifikat A2 eines anerkannten Prüfzentrum für das Österreichische Sprachdiplom (ÖSD), ausgestellt am 31.03.2016.

Gemäß der zitierten Übergangsbestimmung ist die mangelnde Absolvierung eines Wertekurses gemäß § 11 Abs. 2 IntG als Nachweis, dass der Beschwerdeführer mit den Werten der Republik Österreich in Kenntnis und verbunden ist, nicht maßgeblich für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung plus" gemäß § 55 AsylG Abs. 1, soweit er die Voraussetzungen des Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG idF vor dem BGBl. I Nr. 68/2017, vor dem Zeitpunkt seines Inkrafttretens erfüllt hat.

Der Beschwerdeführer erfüllt somit ohne Vorlage eines Nachweises über die Absolvierung eines Wertekurses über die Kenntnisse der grundlegenden Werte der Rechts- und Gesellschaftsordnung der Republik Österreich bzw. durch die Vorlage seines Sprachzertifikates auf dem Niveau A2, nur die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005.

Da die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 Abs. 1 AsylG 2005 in Folge des Ausspruches der dauerhaften Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung und der Vorlage des Zertifikats A2 gegeben sind, war dem Beschwerdeführer der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung" zu gewähren.

Der angefochtene Bescheid ist daher zu beheben und ist festzustellen, dass die Rückkehrentscheidung des Beschwerdeführers auf Dauer unzulässig ist.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wird daher - unter der Voraussetzung der 124-Erfüllung der allgemeinen Mitwirkungspflicht im Sinne des § 58 Abs. 11 AsylG - dem Beschwerdeführer den Aufenthaltstitel im Sinne des § 58 Abs. 4 AsylG auszufolgen haben.

Der Aufenthaltstitel gilt gemäß § 54 Abs. 2 AsylG 2005 zwölf Monate lang, beginnend mit dem Ausstellungsdatum.

4. Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen blieben im Verfahren unwidersprochen und ist der Sachverhalt aus der Aktenlage als geklärt anzusehen. Der Beschwerde wurde stattgegeben, von Seiten der belangten Behörde wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht beantragt.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte sohin gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder fehlt es an einer Rechtsprechung, noch weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab und ist diese auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind somit weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen und konnte sich das Bundesverwaltungsgericht bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchteil A) wiedergegeben.

Schlagworte

Aufenthaltsberechtigung Aufenthaltstitel befristete Aufenthaltsberechtigung Ermessensspielraum Integration Integrationsvereinbarung Interessenabwägung öffentliche Interessen Privat- und Familienleben private Interessen Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I416.1248489.2.00

Im RIS seit

13.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

13.08.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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