TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/2 W191 2215244-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.06.2020
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Entscheidungsdatum

02.06.2020

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch

W191 2215244-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Rosenauer als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX alias XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Indien, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Andreas Waldhof, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.01.2019, Zahl 1172916402-171254423, zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. bis V. wird gemäß §§ 3, 8, 10 und 57 Asylgesetz 2005 sowie §§ 46, 52 und 55 Fremdenpolizeigesetz 2005 als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides wird insoweit stattgegeben, als die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 2 und 3 Fremdenpolizeigesetz 2005 91 Tage beträgt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein indischer Staatsangehöriger, versuchte am 06.11.2017, per Flugzeug aus Istanbul kommend, nach seiner Ankunft am Flughafen Wien-Schwechat in das Bundesgebiet einzureisen.

Bei seiner Identitätsfeststellung konnte der BF keine gültigen Reisedokumente vorweisen. Er gab an, XXXX zu heißen, geboren am XXXX , fürchte um sein Leben, da er "in der XXXX Minderheit lebe", stellte einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG) und stimmte seiner freiwilligen Unterbringung im Sondertransit zu.

1.2. Der BF wurde am 07.11.2017 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes des Stadtpolizeikommando Schwechat - Flughafen im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Punjabi erstbefragt.

Er machte nun zu seinem Namen und Geburtsdatum geänderte Angaben, stamme aus XXXX (Distrikt R S Pura - Ranbir Singh Pura), Provinz Jammu und Kaschmir, Indien, sei ledig, Angehöriger der Glaubensgemeinschaft der Sikhs und der Volksgruppe der Jat. Er habe zwölf Jahre die Schule besucht und sei zuletzt als Arbeiter tätig gewesen.

Zuhause lebten noch seine Eltern und zwei Brüder.

Er sei von Delhi aus per Flugzeug über Katar und die Türkei nach Österreich gereist. Seinen indischen Reisepass habe er bei seiner Ankunft am Flughafen Schwechat am WC entsorgt. Sein Vater habe die Reise - "wahrscheinlich mittels eines Schleppers" - organisiert. Auf den Aktenseiten 19 und 21 im Verwaltungsakt liegen Fotos der Papierschnipsel des offenbar aufgefundenen zerrissenen Reisepasses ein.

Als Fluchtgrund gab der BF an, er sei als Anhänger der Khalistan-Bewegung in Indien sowohl von Anhängern der regierenden Partei als auch von der Polizei verfolgt, von Hindus geschlagen und verletzt - wovon er auch Narben am Körper aufweise - und von Hindus und Muslimen mit dem Umbringen bedroht worden.

Dem BF wurde die Einreise in das Bundesgebiet gestattet, und er wurde zum Asylverfahren zugelassen.

1.3. Bei seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA), Regionaldirektion Niederösterreich am 20.02.2018, im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Punjabi, gab der BF im Wesentlichen Folgendes an:

Er spreche Punjabi und Hindi und sei gesund. Seinen Reisepass habe am Flughafen eine unbekannte Person, die mit ihm gereist sei, zerrissen. Seine Familie lebe in R S Pura an der Grenze, in Punjab habe er eine Tante und auch noch Verwandte in anderen Distrikten. Sein Vater finanziere als Hilfsarbeiter in einer Fabrik die Familie. Ein Bruder sei in Saudi Arabien. Er habe Kontakt zu seiner Familie.

Der BF machte Angaben zu seinen Lebensumständen in Österreich und machte kaum Integrationsbemühungen geltend.

Zu seinem Fluchtvorbringen gab er an, es habe im Jahr 2016 eine Schlägerei gegeben, bei der geschossen worden und eine Person umgekommen sei. Die Sikhs hätten Poster ihres Gurus aufgehängt und die Polizei hätte sie aufgefordert, diese wieder zu entfernen. Bei Schießereien seien viele Leute umgekommen, er habe ein Video dazu. Er selbst sei an der Demonstration nicht beteiligt gewesen.

Die Frage, ob die Khalistan-Bewegung eine politische sei, verneinte der BF. Er sei Sardar und deshalb verfolgt worden. Einmal sei er am 19.08.2016 in der Nacht von drei unbekannten Personen überfallen und geschlagen worden. Von den Dorfleuten sei er "immer geschlagen" worden, aber er wisse nicht, warum. Die Polizei hätte ihnen nicht geholfen, weil sie zu arm seien. Auf Nachfrage machte der BF allgemeine Angaben zu Sardar und Guru.

Wie sein Vater die Reise finanziert hätte, wenn er doch so arm sei, wisse er nicht, vielleicht habe er irgendwelche Grundstücke verkauft.

Der BF nahm "Länderfeststellungen" zu seinem Herkunftsstaat, die mit ihm erörtert wurden, zur allfälligen Abgabe einer Stellungnahme binnen Frist entgegen, er nahm in der Folge dazu nicht Stellung.

1.4. Laut Mitteilung des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 18./19. Bezirk vom 10.07.2018 meldete der BF am 09.07.2018 das Gewerbe "Güterbeförderung mit Kraftfahrzeugen [...]" für einen Standort in 1190 Wien an.

1.5. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens wies das BFA mit Bescheid vom 24.01.2019 den Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 06.11.2017 gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.) und erkannte ihm den Status eines Asylberechtigten ebenso wie gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG den Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien nicht zu (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG in Verbindung mit § 9 BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (in der Folge FPG) erlassen. Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Indien gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkte IV. und V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise des BF "2" [zwei] Wochen [richtig:14 Tage] ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).

In der Bescheidbegründung traf die belangte Behörde Feststellungen zur Person des BF und zur Lage in seinem Herkunftsstaat. Er habe nicht glaubhaft gemacht, dass er in Indien asylrelevant verfolgt werde, und es bestünden keine stichhaltigen Gründe gegen eine Abschiebung des BF nach Indien. Im Falle der Rückkehr drohe ihm keine Gefahr, die eine Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertigen würde. Der BF erfülle nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels, der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stehe sein Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens angesichts der kurzen Aufenthaltsdauer und des Fehlens von familiären oder privaten Bindungen im Inland nicht entgegen. Angesichts der abweisenden Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergebe sich die Zulässigkeit einer Abschiebung des BF nach Indien.

Beweiswürdigend wurde ausführlich und umfassend ausgeführt, dass der BF aufgrund seiner divergierenden Aussagen im Verfahren zu Name, Geburtsdatum, Beruf, Verbleib seines Reisepasses u.a.m. seine persönliche Glaubwürdigkeit massiv erschüttert habe.

Sein Fluchtvorbringen habe er aufgrund mehrerer angeführter Unstimmigkeiten (seine arme Familie besitze angeblich Grundstücke, bezahle Flugkosten u.a.m.) sowie mit seinen unstimmigen Angaben zu angeblichen Vorfällen und seinem offensichtlichen Unwissen über die Khalistan-Bewegung und über Sardar - wie eine kurze Online-Recherche ergeben habe - nicht glaubhaft gemacht.

Der BF würde bei einer Rückkehr nach Indien nicht in eine wirtschaftlich existenzbedrohende Lage geraten, zumal er in erwerbsfähigem Alter, gesund und arbeitsfähig sei und offenkundig auch bisher in Indien seinen Lebensunterhalt habe bestreiten können.

1.6. Gegen diesen Bescheid brachte der BF mit Schreiben seines gewillkürten anwaltlichen Vertreters vom 13.02.2019 fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG) ein.

In der dürftigen Beschwerdebegründung wurde das Vorbringen des BF knapp zusammengefasst wiederholt und angegeben, der BF habe dargelegt, dass er arbeitswillig und arbeitsbereit sei, dass er in der Früh bete und im Falle der Hilfsbedürftigkeit selbstverständlich helfe, wobei er bei der Küche arbeite und alles sauber mache, und sei ihm von der Caritas die Möglichkeit eines Deutschkurses verweigert worden. Er nehme derzeit einen Deutschunterricht in der Kirche und über das Mobiltelefon.

Der BF stellte den "Antag", "eine mündliche Verhandlung anzuhalten".

1.7. Mit Berufungsvorentscheidung vom 18.02.2019 wies das BFA diese Beschwerde gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG als unbegründet ab und fasste in der Entscheidungsbegründung die dafür maßgeblichen Gründe noch einmal übersichtlich zusammen.

In der Begründung wurde ausgeführt, dass "einem allfälligen Vorlageantrag gemäß § 15 Abs. 2 Z 1 VwGVG von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung" zukomme.

1.8. Mit Schreiben seines gewillkürten anwaltlichen Vertreters vom 25.02.2019 stellte der BF einen Vorlageantrag wegen "Rechtswidrigkeit in Folge von Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes".

Die belangte Behörde habe mit ihren weiten Ausführungen zu den unterschiedlichen Angaben des BF in der Erstbefragung und in der Einvernahme und ihre damit begründete [mangelnde] Glaubwürdigkeit des BF "jedenfalls ihre verfahrensrechtlichen Verpflichtungen" verletzt.

Die Ausführungen in der Begründung der Berufungsvorentscheidung über die aufschiebende Wirkung seien unzutreffend.

Erneut wurde ein "Antag" gestellt, unter anderem, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.

2. Beweisaufnahme:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:

* Einsicht in den dem BVwG vorliegenden Verwaltungsakt des BFA, beinhaltend die Niederschriften der Erstbefragung am 07.11.2017 und der Einvernahme vor dem BFA am 22.02.2018, die Beschwerde vom 13.02.2019, die Berufungsvorentscheidung vom 18.02.2019 und den Vorlageantrag vom 25.02.2019

* Einsicht in Dokumentationsquellen betreffend den Herkunftsstaat des BF im erstbehördlichen Verfahren (Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Aktenseiten 278 bis 295)

Der BF hat im Verfahren weder bezüglich seiner Identität noch bezüglich seines Flucht- oder sonstigen Vorbringens Beweismittel oder sonstige Belege vorgelegt.

3. Ermittlungsergebnis (Sachverhaltsfeststellungen):

Das BVwG geht auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens von folgendem für die Entscheidung maßgeblichen, glaubhaft gemachten Sachverhalt aus:

3.1. Zur Person des BF:

Der BF führt den Namen XXXX , geboren am XXXX alias XXXX , geboren am XXXX , ist indischer Staatsangehöriger, bekennt sich zur Glaubensgemeinschaft der Sikhs und ist ledig. Er gehört der Volksgruppe/Kaste der Jat an, stammt nach seinen Angaben aus XXXX (Distrikt R S Pura - Ranbir Singh Pura), Provinz Jammu und Kaschmir. Seine Muttersprache ist Punjabi, er spricht auch Hindi.

Der BF hat zwölf Jahre die Schule besucht und dann nach seinen Angaben bei seiner Erstbefragung als "Arbeiter" gearbeitet. Zu Hause leben noch seine Eltern und ein Bruder, ein Bruder lebt in Saudi Arabien. Sein Vater arbeitet in einer Fabrik. Der BF hat Kontakt zu seiner Familie.

3.2. Zu den Fluchtgründen des BF:

3.2.1. Der BF hat sein Vorbringen, dass er in Indien als Anhänger der Khalistan-Bewegung von der regierenden Partei, von der Polizei, von Hindus und von Muslimen verfolgt, geschlagen und mit dem Umbringen verfolgt worden sei (Angaben bei der Erstbefragung) sowie dass er wegen seiner Stellung als Sardar sowie wegen Gefolgschaft zu einem Guru (Angaben bei seiner Einvernahme vor dem BFA) verfolgt worden sei, nicht glaubhaft gemacht.

3.2.2. Der BF hat nicht glaubhaft gemacht, dass er im Falle seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat einer Verfolgung aus den oben genannten Gründen ausgesetzt wäre.

3.3. Innerstaatliche Flucht- bzw. Schutzalternative:

Für den Fall der Wahrunterstellung seines Vorbringens steht dem BF eine zumutbare Flucht- bzw. Schutzalternative zur Verfügung.

Die Polizei ist mangels Meldewesens und Ausweispflicht nicht in der Lage, eine Person, die in Indien verzieht, zu finden, wenn es sich nicht um einen landesweit gesuchten Kriminellen handelt. Die Fahndung nach Menschen wird durch das Fehlen eines obligatorischen indienweiten Meldesystems und durch das Fehlen einer Ausweispflicht erheblich erschwert. Umso weniger besteht eine reale Gefahr, dass Privatpersonen ihren indienweit verzogenen Feind finden können. Er reiste ohne Probleme aus Indien aus. Die Einreise nach Indien ist dem nach seinen eigenen Aussagen nicht zur Verhaftung ausgeschriebenen BF jedenfalls möglich. Selbst wenn dem BF Verfolgung durch Private drohen würde, wäre er in der Lage, innerhalb Indiens vor dieser Verfolgung zu fliehen. Dies ergibt sich aus der einheitlichen Berichtslage.

Diese Tatsache begünstigt die Niederlassung in einem anderen Landesteil (selbst) im Falle von Verfolgung oder strafrechtlicher Verfolgung, ohne dass die Person ihre Identität verbergen muss, und je nachdem, wie die individuellen Fähigkeiten wie z.B. Sprache, Kenntnisse und die körperliche Verfassung sind.

Da der BF - er ist relativ jung, im erwerbsfähigen Alter, männlich, arbeitsfähig und verfügt über Schulbildung und Berufserfahrung - in Indien jedenfalls ein Fortkommen hat, ist es ihm auch zumutbar, einer allfälligen Verfolgung durch die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Flucht- bzw. Schutzalternative zu entgehen, zumal er auf die Unterstützung seiner Eltern und seines Bruders, die nach wie vor in Indien leben und zu denen der BF Kontakt hat, zählen kann.

3.4. Zur Integration des BF in Österreich:

Der BF ist seit November 2017 in Österreich aufhältig. Ihm steht kein Aufenthaltsrecht außerhalb des Asylrechtes zu, und er hatte niemals ein anderes als das vorübergehende Aufenthaltsrecht als Asylwerber in Österreich.

Der BF hat keine hinsichtlich Art. 8 EMRK relevanten Familienangehörigen oder Verwandten in Österreich. Allfällige freundschaftliche Beziehungen in Österreich sind erst zu einem Zeitpunkt entstanden, an dem sich der BF seiner unsicheren aufenthaltsrechtlichen Stellung bewusst sein musste.

Der BF besucht in Österreich keine Kurse oder Schulen und hat Deutschkenntnisse nicht belegt.

Der BF hat laut Mitteilung des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 18./19. Bezirk am 09.07.2018 das Gewerbe "Güterbeförderung mit Kraftfahrzeugen [...]" für einen Standort in 1190 Wien angemeldet, aber im Verfahren weder die Ausübung einer erlaubten Erwerbstätigkeit angegeben noch Belege dafür vorgelegt.

Die Vornahme irgendwelcher Freizeitaktivitäten (sozialer oder kultureller Art) hat der BF weder angegeben noch belegt.

Der BF ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

Eine Integration des BF in Österreich in besonderem Ausmaß liegt nicht vor.

3.5. Zur Lage im Herkunftsstaat des BF:

3.5.1. Auf Grund der Erkenntnisquellen zum Herkunftsstaat des BF steht fest, dass es in diesem Staat die Todesstrafe gibt. Dass der BF einem diesbezüglich real bestehenden Risiko unterliegen würde, hat sich jedoch auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nicht ergeben und wurde vom BF auch nicht behauptet.

3.5.2. Zur allgemeinen Lage in Indien (Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA vom 04.02.2019, zuletzt aktualisiert am 09.08.2019, Schreibfehler teilweise korrigiert):

"[...] 2. Politische Lage

Indien ist mit über 1,3 Milliarden Menschen und einer multireligiösen und multiethnischen Gesellschaft die bevölkerungsreichste Demokratie der Welt (CIA Factbook 23.01.2019; vgl. AA 18.09.2018). Die Zentralregierung hat im indischen Föderalsystem deutlich größere Kompetenzen als die Regierungen der Bundesstaaten. Indien verfügt über 29 Bundesstaaten und sechs Unionsterritorien (AA 11.2018a). Im Einklang mit der Verfassung haben die Bundesstaaten und Unionsterritorien ein hohes Maß an Autonomie und tragen die Hauptverantwortung für Recht und Ordnung (USDOS 20.04.2018). Die Hauptstadt New Delhi hat einen besonderen Rechtsstatus (AA 11.2018a).

Die Gewaltenteilung zwischen Parlament und Regierung entspricht britischem Muster (AA 18.09.2018, der Grundsatz der Gewaltenteilung von Legislative, Exekutive und Judikative ist durchgesetzt (AA 11.2018a). Die Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit, die über einen dreistufigen Instanzenzug verfügt, ist verfassungsmäßig garantiert (AA 18.09.2018). Das oberste Gericht (Supreme Court) in New Delhi steht an der Spitze der Judikative und wird gefolgt von den High Courts auf Länderebene (GIZ 3.2018a). Die Pressefreiheit ist von der Verfassung verbürgt, jedoch immer wieder Anfechtungen ausgesetzt (AA 9.2018a). Indien hat zudem eine lebendige Zivilgesellschaft (AA 11.2018a).

Indien ist eine parlamentarische Demokratie und verfügt über ein Mehrparteiensystem und ein Zweikammerparlament (USDOS 20.04.2018). Darüber hinaus gibt es Parlamente auf Bundesstaatsebene (AA 18.09.2018).

Der Präsident ist das Staatsoberhaupt und wird von einem Wahlausschuss gewählt, während der Premierminister Leiter der Regierung ist (USDOS 20.04.2018). Das Präsidentenamt bringt vor allem repräsentative Aufgaben mit sich, im Krisenfall verfügt der Präsident aber über weitreichende Befugnisse. Seit Juli 2017 ist Präsident Ram Nath Kovind indisches Staatsoberhaupt (AA 11.2018a). Das wichtigste Amt innerhalb der Exekutive bekleidet aber der Premierminister (GIZ 3.2018a).

Wahlen zum Unterhaus finden nach einfachem Mehrheitswahlrecht ("first-past-the-post") alle fünf Jahre statt, zuletzt im April/Mai 2014 mit knapp 830 Millionen Wahlberechtigten (AA 18.09.2018). Dabei standen sich drei große Parteienbündnisse gegenüber: Die United Progressive Alliance (UPA) unter Führung der Kongresspartei, die National Democratic Alliance (NDA) unter Führung der Bharatiya Janata Party (BJP - Indische Volkspartei) und die sogenannte Dritte Front, die aus elf Regional- und Linksparteien besteht, sowie die aus einem Teil der India-Against-Corruption-Bewegung hervorgegangene Aam Aadmi Party (AAP) (GIZ 3.2018a; vgl. FAZ 16.05.2014). Abgesehen von kleineren Störungen verliefen die Wahlen korrekt und frei (AA 18.09.2018). Als deutlicher Sieger mit 336 von 543 Sitzen löste das Parteienbündnis "National Democratic Alliance" (NDA) mit der "Bharatiya Janata Party" (BJP) als stärkste Partei (282 Sitze) die Kongress-Partei an der Regierung ab (AA 18.09.2018). Die BJP holte sie nicht nur die absolute Mehrheit, sie ließ auch den bislang regierenden Indian National Congress (INC) weit hinter sich. Der INC kam nur noch auf 46 Sitze und erlitt die schlimmste Niederlage seit der Staatsgründung 1947. Wie es mit dem INC mit oder ohne die Familie Gandhi weitergeht, wird abzuwarten sein. Die Gewinne der Wahlen im Punjab, Goa und Manipur sowie das relativ gute Abschneiden in Gujarat sind jedenfalls Hoffnungsschimmer, dass die Zeit der Kongresspartei noch nicht vorbei ist (GIZ 13.2018a). Die Anti-Korruptionspartei (AAP), die 2013 bei der Wahl in Delhi 28 von 70 Sitzen erringen konnte, errang 2014 landesweit nur vier Sitze (GIZ 3.2018; vgl. FAZ 16.05.2014). Der BJP-Spitzenkandidat, der bisherige Ministerpräsident von Gujarat, Narendra Modi, wurde zum Premierminister gewählt und steht seither einem 26-köpfigen Kabinett (mit zusätzlichen 37 Staatsministern) vor (AA 18.09.2018).

In Indien wird im Zeitraum zwischen April und Mai 2019 wiedergewählt. Der genaue Zeitplan ist jedoch noch unklar. In den Umfragen liegt der hindu-nationalistische Premier Narendra Modi mit seiner BJP vorne (DS 01.01.2019).

Die seit 2014 im Amt befindliche neue Regierung will nicht nur den marktwirtschaftlichen Kurs fortsetzen, sondern ihn noch intensivieren, indem bürokratische Hemmnisse beseitigt und der Protektionismus verringert werden soll. Ausländische Investoren sollen verstärkt aktiv werden (GIZ 3.2018b).

[...]

3. Sicherheitslage

Indien ist reich an Spannungen entlang von Ethnien, Religionen, Kasten und auch Lebensperspektiven, die sich oft in kommunal begrenzten Ausschreitungen entladen (GIZ 3.2018a). Terroristische Anschläge in den vergangenen Jahren (Dezember 2010 in Varanasi, Juli 2011 in Mumbai, September 2011 in New Delhi und Agra, April 2013 in Bangalore, Mai 2014 in Chennai und Dezember 2014 in Bangalore) und insbesondere die Anschläge in Mumbai im November 2008 haben die Regierung unter Druck gesetzt. Von den Anschlägen der letzten Jahre wurden nur wenige restlos aufgeklärt, und die als Reaktion auf diese Vorfälle angekündigten Reformvorhaben zur Verbesserung der indischen Sicherheitsarchitektur wurden nicht konsequent umgesetzt (AA 24.04.2015). Aber auch im Rest des Landes gab es Terroranschläge mit islamistischem Hintergrund. Im März 2017 platzierte eine Zelle des "Islamischen Staates" (IS) in der Hauptstadt des Bundesstaates Madhya Pradesh eine Bombe in einem Passagierzug. Die Terrorzelle soll laut Polizeiangaben auch einen Anschlag auf eine Kundgebung von Premierminister Modi geplant haben (BPB 12.12.2017).

Die Spannungen im Nordosten des Landes gehen genauso weiter wie die Auseinandersetzung mit den Naxaliten (GIZ 3.2018a). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der "Naxaliten" in Frage gestellt (AA 18.09.2018).

Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2016 insgesamt 898 Todesopfer durch terrorismus-relevante Gewalt. Im Jahr 2017 wurden 803 Personen durch terroristische Gewalt getötet und im Jahr 2018 wurden 935 Menschen durch Terrorakte getötet. Bis zum 13.01.2019 wurden zwölf Todesopfer durch terroristische Gewaltanwendungen registriert [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 13.01.2019).

Konfliktregionen sind Jammu und Kashmir, die nordöstlichen Regionen und der maoistische Gürtel. In Jharkhand und Bihar setzten sich die Angriffe von maoistischen Rebellen auf Sicherheitskräfte und Infrastruktur fort. In Punjab kam es bis zuletzt durch gewaltbereite Regierungsgegner immer wieder zu Ermordungen und Bombenanschlägen. Neben den islamistischen Terroristen tragen die Naxaliten (maoistische Untergrundkämpfer) zur Destabilisierung des Landes bei. Von Chattisgarh aus kämpfen sie in vielen Unionsstaaten (von Bihar im Norden bis Andrah Pradesh im Süden) mit Waffengewalt gegen staatliche Einrichtungen. Im Nordosten des Landes führen zahlreiche Separatistengruppen (United Liberation Front Assom, National Liberation Front Tripura, National Socialist Council Nagaland, Manipur People's Liberation Front etc.) einen Kampf gegen die Staatsgewalt und fordern entweder Unabhängigkeit oder mehr Autonomie. Der gegen Minderheiten wie Moslems und Christen gerichtete Hindu-Radikalismus wird selten von offizieller Seite in die Kategorie Terror eingestuft, sondern vielmehr als "communal violence" bezeichnet (ÖB 12/2018).

Gegen militante Gruppierungen, die meist für die Unabhängigkeit bestimmter Regionen eintreten und/oder radikalen Auffassungen anhängen, geht die Regierung mit großer Härte und Konsequenz vor. Sofern solche Gruppen der Gewalt abschwören, sind in der Regel Verhandlungen über ihre Forderungen möglich. Gewaltlose Unabhängigkeitsgruppen können sich politisch frei betätigen (AA 18.09.2018).

Pakistan und Indien

Pakistan erkennt weder den Beitritt Jammu und Kaschmirs zur indischen Union im Jahre 1947 noch die seit dem ersten Krieg im gleichen Jahr bestehende de-facto-Aufteilung der Region auf beide Staaten an. Indien hingegen vertritt den Standpunkt, dass die Zugehörigkeit Jammu und Kaschmirs in seiner Gesamtheit zu Indien nicht zur Disposition steht (AA 11.2018b). Seit 1947 gab es bereits drei Kriege aufgrund des umstrittenen Kaschmir-Gebiets (BBC 23.01.2018).

Nach dem friedlichen Unabhängigkeitskampf gegen die britische Kolonialherrschaft zeigte bereits die blutige Teilung Britisch-Indiens, die mit einer Massenflucht, schweren Gewaltausbrüchen und Pogromen einherging, wie schwierig es sein wird, die ethnisch, religiös, sprachlich und sozioökonomisch extrem heterogene Gesellschaft in einem Nationalstaat zusammenzuhalten. Die inter-religiöse Gewalt setzte sich auch nach der Teilung zwischen Indien und Pakistan fort (BPB 12.12.2017).

Indien wirft Pakistan vor, Infiltrationen von Terroristen auf indisches Staatsgebiet zumindest zu dulden, wenn nicht zu befördern. Größere Terroranschläge in Indien in den Jahren 2001 und 2008 und ein terroristischer Angriff auf eine Militärbasis im indischen Teil Kaschmirs im September 2016 hatten die Spannungen in den bilateralen Beziehungen erheblich verschärft. Gemäß Regierungserklärung reagierte Indien auf den Anschlag, bei dem 18 indische Soldaten ums Leben kamen, mit einer begrenzten Militäroperation ("surgical strike") im pakistanisch kontrollierten Teil Kaschmirs, die sich nach indischen Angaben gegen eine bevorstehende terroristische Infiltration richtete. Immer wieder kommt es zu Schusswechseln zwischen Truppenteilen Indiens und Pakistans an der Waffenstillstandslinie in Kaschmir. Indien sieht Pakistan in der Verantwortung für die terroristischen Bedrohungen an seiner Nordwestgrenze und erhöht den Druck auf den Nachbarn, um wirksame pakistanische Maßnahmen gegen den Terrorismus zu erreichen (AA 11.2018b).

Der von 2014-2015 Hoffnung gebende Dialogprozess zwischen beiden Seiten ist 2016 zum Stillstand gekommen. Aktuell sind die Beziehungen auf sehr niedrigem Niveau stabil (AA 11.2018b).

[...]

3.1. Jammu und Kaschmir sind weiterhin stark militarisiert und am stärksten von Terrorismus betroffen (BPB 20.11.2017; vgl. USDOS 9.2018). Separatistische und dschihadistische Kämpfer führen weiterhin eine anhaltende Erhebung gegen die Regierung aus (FH 27.01.2018. Militante Gruppen in Jammu und Kaschmir kämpfen weiterhin gegen Sicherheitskräfte, kaschmirische Einrichtungen und lokale Politiker, die sie für "Statthalter" und "Kollaborateure" der indischen Zentralregierung halten. Überläufer zur Regierungsseite und deren Familien werden besonders grausam "bestraft". Die Zahl der als terroristisch eingestuften Vorfälle in Jammu und Kaschmir hat nach einem rückläufigen Trend im Jahr 2015 in den Jahren 2016 und 2017 zugenommen (AA 18.09.2018).

In Indien bleibt das zentrale Ziel islamistischer Fundamentalisten die Abspaltung Kaschmirs. Im Einklang mit der Dschihad-Ideologie sehen sich viele islamistische Gruppierungen zudem im Krieg gegen alle Ungläubigen und streben die gewaltsame Islamisierung des gesamten Subkontinents an. Befördert wird der Konflikt durch die anhaltende wirtschaftliche Benachteiligung und Diskriminierung vieler Muslime (BPB 12.12.2017).

Im Juni 2018 prangerte das UN-Menschenrechtsbüro die Situation in Kaschmir an. Durch übermäßige Gewaltanwendung der indischen Sicherheitskräfte wurden im Zeitraum zwischen Juli 2016 und April 2018 zahlreiche Zivilisten getötet. Von der indischen Regierung wurde der Bericht zurückgewiesen (ONHCR 14.06.2018; vgl. HRW 17.01.2019).

Es gab wiederholt Vorwürfe wegen Menschenrechtsverletzungen durch Regierungskräfte in Jammu und Kaschmir während der durchgeführten Sicherheitsoperationen. Im Jahr 2018 kam es zu einer Zunahme der Gewalt gegen militante Personen, welche von vielen auf politisches Versagen bei der Sicherstellung der Rechenschaftspflicht für Missbräuche zurückgeführt wurde (HRW 17.01.2019). In den ersten zehn Monaten des Jahres 2017 wurden 42 militante Angriffe im Staat Jammu und Kaschmir gemeldet, bei denen 184 Menschen getötet wurden, darunter 44 Sicherheitskräfte. Mehrere Personen wurden getötet oder verletzt, als die Regierung versuchte, gewalttätige Proteste einzudämmen (HRW 18.01.2018.

Nichtstaatliche Kräfte, darunter organisierte Aufständische und Terroristen, verübten zahlreiche Morde und Bombenanschläge in den Konfliktregionen wie etwa Jammu und Kaschmir (USDOS 20.04.2018). An der umstrittenen Grenze zwischen Indien und Pakistan kommt es immer wieder zu kleineren Feuergefechten mit Todesopfern unter der Zivilbevölkerung und dem Militär. Insbesondere nach dem Angriff von Uri verschärfte sich in Indien die anti-pakistanische Rhetorik (BPB 20.11.2017). Seither wird die Provinz Kaschmir von einer Spirale der Gewalt beherrscht. Die derzeitige Menschenrechtslage in Kaschmir ist alarmierend und wird zunehmend kritisch gesehen. Bewaffnete Gruppen stehen im Verdacht, Menschen in Jammu und Kaschmir getötet zu haben (GIZ 3.2018a; vgl. AI 22.02.218).

Von Pakistan aus haben aufständische Gruppierungen in Jammu und Kaschmir Entführungen, Erpressungen und andere Formen der Einschüchterung durchgeführt. Nach mehreren Jahren relativer Stabilität verschlechterte sich die Situation im Staat 2016 nach der Ermordung eines populären, militanten separatistischen Führers deutlich. Die Situation verschlimmerte sich 2017, als mehr als 300 Zivilisten, Sicherheitskräfte und Militante durch militärische Gewalt getötet wurden. Indischen Sicherheitskräften werden häufig Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen, von denen nur wenige bestraft werden. Bürgerliche Freiheiten werden, insbesondere in Zeiten der Unruhe eingeschränkt (FH 04.01.2018. Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2016 insgesamt 267 Todesopfer durch terrorismusrelevante Gewalt. Im Jahr 2017 wurden 354 Personen durch Terrorakte getötet und im Jahr 2018 sind 457 Todesopfer durch terroristische Gewalt registriert worden. Per 13.01.2019 sind insgesamt 17 Todesfälle durch terroristische Gewaltanwendungen aufgezeichnet [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 13.01.2019).

Im indischen Teil Kaschmirs bleibt weiterhin der Armed Forces (Special Powers) Act (AFSPA) in Kraft (USDOS 20.04.2018; vgl. BPB 20.11.2017). Unter diesem Sonderermächtigungsgesetz kam es wiederholt zu außergerichtlichen Tötungen, Vergewaltigungen und Folter durch Angehörige der Sicherheitskräfte. Bei der Unterdrückung von Protesten starben über 90 Menschen und Tausende wurden verletzt (BPB 20.11.2017). Die 1997 eingesetzte staatliche Menschenrechtskommission von Jammu und Kaschmir hat kaum Wirkungen entfaltet. Insbesondere hat sie keine Möglichkeit, Übergriffe von Armee und paramilitärischen Kräften zu untersuchen (ÖB 12.2018). Nach einer langsamen Normalisierung der Beziehungen haben sich seit 2014 die Positionen auf beiden Seiten wieder verhärtet (BPB 20.11.2017).

3.2. Punjab

Laut Angaben des indischen Innenministeriums zu den Zahlen der Volkszählung im Jahr 2011 leben von den 21 Mio. Sikhs 16 Mio. im Punjab (MoHA o.D.).

Der Terrorismus im Punjab ist Ende der 1990er Jahre nahezu zum Erliegen gekommen. Die meisten hochkarätigen Mitglieder der verschiedenen militanten Gruppen haben den Punjab verlassen und operieren von anderen Unionsstaaten oder Pakistan aus. Finanzielle Unterstützung erhalten sie auch von Sikh-Exilgruppierungen im westlichen Ausland (ÖB 12.2018).

Der illegale Waffen- und Drogenhandel von Pakistan in den indischen Punjab hat sich in letzter Zeit verdreifacht. Im Mai 2007 wurden dem indischen Geheimdienst Pläne des pakistanischen Geheimdienstes, Inter-Services-Intelligence (ISI) bekannt, welcher gemeinsam mit der in Indien verbotenen Sikh-Gruppierung Babbar Khalasa International (BKI) und anderen militanten Sikh-Gruppierungen Anschläge auf Städte im Punjab (Jalandhar, Ludhiana, Pathankot) beabsichtigten. Die Sicherheitsbehörden im Punjab konnten bislang die aufkeimende Wiederbelebung der militanten Sikh-Bewegung erfolgreich neutralisieren (ÖB 12.2018). In Jammu und Kaschmir, im Punjab und in Manipur haben die Behörden besondere Befugnisse, ohne Haftbefehl Personen zu suchen und zu inhaftieren (USDOS 20.04.2018; vgl. BBC 20.10.2015). Menschenrechtsberichten zufolge kommt es im Punjab regelmäßig zu Fällen von Menschenrechtsverletzungen insbesondere der Sicherheitsbehörden (extralegale Tötungen, willkürliche Festnahmen, Folter in Polizeigewahrsam, Todesfolge von Folter etc.) (ÖB 12.2018).

Die Staatliche Menschenrechtskommission im Punjab hat in einer Reihe von schweren Menschenrechtsverletzungen durch die Sicherheitskräfte interveniert. In vielen Fällen wurde die Behörde zu Kompensationszahlungen verpflichtet. Die Menschenrechtskommission erhält täglich 200-300 Beschwerden über Menschenrechtsverletzung und ist in ihrer Kapazität überfordert. Oft sind Unterkastige oder Kastenlose Opfer der polizeilichen Willkür (ÖB 12.2018).

Neben den angeführten Formen der Gewalt, stellen Ehrenmorde vor allem in den nördlichen Bundesstaaten Haryana und Punjab weiterhin ein Problem dar (USDOS 20.04.2018).

Die Zugehörigkeit zur Sikh-Religion ist kein Kriterium für polizeiliche Willkürakte. Die Sikhs, 60 Prozent der Bevölkerung des Punjabs, stellen dort einen erheblichen Teil der Beamten, Richter, Soldaten und Sicherheitskräfte. Auch hochrangige Positionen stehen ihnen offen (ÖB 10.2017).

In Indien ist die Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit rechtlich garantiert und praktisch von den Behörden auch respektiert; in manchen Grenzgebieten sind allerdings Sonderaufenthaltsgenehmigungen notwendig. Sikhs aus dem Punjab haben die Möglichkeit, sich in anderen Landesteilen niederzulassen, Sikh-Gemeinden gibt es im ganzen Land verstreut. Sikhs können ihre Religion in allen Landesteilen ohne Einschränkung ausüben. Aktive Mitglieder von verbotenen militanten Sikh-Gruppierungen, wie Babbar Khalsa International, müssen mit polizeilicher Verfolgung rechnen (ÖB 10.2017).

[...]"

4. Rechtsschutz/Justizwesen

In Indien sind viele Grundrechte und -freiheiten verfassungsmäßig verbrieft, und die verfassungsmäßig garantierte unabhängige indische Justiz bleibt vielmals wichtiger Rechtegarant. Die häufig überlange Verfahrensdauer aufgrund überlasteter und unterbesetzter Gerichte sowie verbreitete Korruption, vor allem im Strafverfahren, schränken die Rechtssicherheit aber deutlich ein (AA 18.09.2018). Eine systematisch diskriminierende Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis lässt sich nicht feststellen, allerdings sind vor allem die unteren Instanzen nicht frei von Korruption. Vorurteile z.B. gegenüber Angehörigen niederer Kasten oder Indigenen dürften zudem eine nicht unerhebliche Rolle spielen (AA 18.09.2018).

Das Gerichtswesen ist von der Exekutive getrennt (FH 27.01.2018). Das Justizsystem gliedert sich in den Supreme Court, das Oberste Gericht mit Sitz in Delhi; das als Verfassungsgericht die Streitigkeiten zwischen Zentralstaat und Unionsstaaten regelt. Es ist auch Appellationsinstanz für bestimmte Kategorien von Urteilen wie etwa bei Todesurteilen. Der High Court bzw. das Obergericht besteht in jedem Unionsstaat. Es ist Kollegialgericht als Appellationsinstanz sowohl in Zivil- wie auch in Strafsachen und führt auch die Dienst- und Personalaufsicht über die Untergerichte des Staates aus, um so die Justiz von den Einflüssen der Exekutive abzuschirmen. Subordinate Civil and Criminal Courts sind untergeordnete Gerichtsinstanzen in den Distrikten der jeweiligen Unionsstaaten und nach Zivil- und Strafrecht aufgeteilt. Fälle werden durch Einzelrichter entschieden. Richter am District und Sessions Court entscheiden in Personalunion sowohl über zivilrechtliche als auch strafrechtliche Fälle (als District Judge über Zivilrechtsfälle, als Sessions Judge über Straffälle). Unterhalb des District Judge gibt es noch den Subordinate Judge, unter diesem den Munsif für Zivilsachen. Unter dem Sessions Judge fungiert der 1st Class Judicial Magistrate und unter diesem der 2nd Class Judicial Magistrate, jeweils für minder schwere Strafsachen (ÖB 12.2018).

Das Gerichtswesen ist auch weiterhin überlastet und verfügt nicht über moderne Systeme zur Fallbearbeitung. Der Rückstau bei Gericht führt zu langen Verzögerungen oder der Vorenthaltung von Rechtsprechung. Eine Analyse des Justizministeriums für 2015 bis 2016 ergab eine Vakanz von 43 Prozent der Richterstellen an den Obergerichten (USDOS 20.04.2018). Die Regeldauer eines Strafverfahrens (von der Anklage bis zum Urteil) beträgt mehrere Jahre; in einigen Fällen dauern Verfahren bis zu zehn Jahre. Auch der Zeugenschutz ist mangelhaft. Dies führt dazu, dass Zeugen vor Gericht häufig nicht frei aussagen, da sie bestochen oder bedroht worden sind (AA 18.09.2018).

Insbesondere auf unteren Ebenen der Justiz ist Korruption weit verbreitet, und die meisten Bürger haben große Schwierigkeiten, ihr Recht bei Gericht durchzusetzen. Das System ist rückständig und stark unterbesetzt, was zu langer Untersuchungshaft für eine große Zahl von Verdächtigen führt. Vielen von ihnen bleiben so länger im Gefängnis, als es der eigentliche Strafrahmen wäre (FH 27.01.2018). Die Dauer der Untersuchungshaft ist entsprechend zumeist exzessiv lang. Außer bei von Todstrafe bedrohten Delikten soll der Haftrichter nach Ablauf der Hälfte der drohenden Höchststrafe eine Haftprüfung und eine Freilassung auf Kaution anordnen. Allerdings nimmt der Betroffene mit einem solchen Antrag in Kauf, dass der Fall über lange Zeit gar nicht weiterverfolgt wird. Mittlerweile sind ca. 70 Prozent aller Gefangenen Untersuchungshäftlinge, viele wegen geringfügiger Taten, denen die Mittel für eine Kautionsstellung fehlen (AA 18.09.2018).

In der Verfassung verankerte rechtsstaatliche Garantien (z.B. das Recht auf ein faires Verfahren) werden durch eine Reihe von Sicherheitsgesetzen eingeschränkt. Diese Gesetze wurden nach den Terroranschlägen von Mumbai im November 2008 verschärft; u.a. wurde die Unschuldsvermutung für bestimmte Straftatbestände außer Kraft gesetzt (AA 18.09.2018).

Die Inhaftierung eines Verdächtigen durch die Polizei ohne Haftbefehl darf nach den allgemeinen Gesetzen nur 24 Stunden dauern. Eine Anklageerhebung soll bei Delikten mit bis zu zehn Jahren Strafandrohung innerhalb von 60, in Fällen mit höherer Strafandrohung innerhalb von 90 Tagen erfolgen. Diese Fristen werden regelmäßig überschritten.

Festnahmen erfolgen jedoch häufig aus Gründen der präventiven Gefahrenabwehr sowie im Rahmen der Sondergesetze zur inneren Sicherheit, z.B. aufgrund des Gesetzes über nationale Sicherheit ("National Security Act", 1956) oder des lokalen Gesetzes über öffentliche Sicherheit ("Jammu and Kashmir Public Safety Act", 1978). Festgenommene Personen können auf Grundlage dieser Gesetze bis zu einem Jahr ohne Anklage in Präventivhaft gehalten werden. Auch zur Zeugenvernehmung können gemäß Strafprozessordnung Personen über mehrere Tage festgehalten werden, sofern eine Fluchtgefahr besteht. Fälle von Sippenhaft sind dem Auswärtigen Amt nicht bekannt. (AA 18.09.2018).

Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass unerlaubte Ermittlungsmethoden angewendet werden, insbesondere um ein Geständnis zu erlangen. Das gilt insbesondere bei Fällen mit terroristischem oder politischen Hintergrund oder solchen mit besonderem öffentlichem Interesse. Es gibt Fälle, in denen Häftlinge misshandelt werden. Ein im Mai 2016 von der renommierten National Law University Delhi veröffentlichter empirischer Bericht zur Situation der Todesstrafe in Indien zeichnet ein düsteres Bild des indischen Strafjustizsystems. So haben bspw. 80 Prozent aller Todeskandidaten angegeben, in Haft gefoltert worden zu sein. Nach glaubwürdigen, vertraulichen Schätzungen des IKRK Internationales Komitee des Roten Kreuz) kommt es weiterhin zu systematischer Folter in den Verhörzentren in Jammu und Kaschmir (AA 18.09.2018).

Für Angeklagte gilt die Unschuldsvermutung, ausgenommen bei Anwendung des "Unlawful Activities (Prevention) Amendment Bill", und sie haben das Recht, ihren Anwalt frei zu wählen. Das Strafgesetz sieht öffentliche Verhandlungen vor, außer in Verfahren, in denen die Aussagen Staatsgeheimnisse oder die Staatssicherheit betreffen können. Es gibt kostenfreie Rechtsberatung für bedürftige Angeklagte, aber in der Praxis ist der Zugang zu kompetenter Beratung oft begrenzt (USDOS 20.04.2018). Gerichte sind verpflichtet, Urteile öffentlich zu verkünden, und es gibt effektive Wege der Berufung auf beinahe allen Ebenen der Justiz. Angeklagte haben das Recht, die Aussage zu verweigern und sich nicht schuldig zu bekennen (USDOS 20.04.2018).

Gerichtliche Ladungen in strafrechtlichen Angelegenheiten sind im Criminal Procedure Code 1973 (CrPC, Chapter 4, §§ 61-69), in zivilrechtlichen Angelegenheiten im Code of Civil Procedure 1908/2002 geregelt. Jede Ladung muss schriftlich, in zweifacher Ausführung ausgestellt, vom vorsitzenden Richter unterfertigt und mit Gerichtssiegel versehen sein. Ladungen werden gemäß CrPC prinzipiell durch einen Polizeibeamten oder durch einen Gerichtsbeamten an den Betroffenen persönlich zugestellt. Dieser hat den Erhalt zu bestätigen. In Abwesenheit kann die Ladung an ein erwachsenes männliches Mitglied der Familie übergeben werden, welches den Erhalt bestätigt. Falls die Ladung nicht zugestellt werden kann, wird eine Kopie der Ladung an die Residenz des Geladenen sichtbar angebracht. Danach entscheidet das Gericht, ob die Ladung rechtmäßig erfolgt ist oder ob eine neue Ladung erfolgen wird. Eine Kopie der Ladung kann zusätzlich per Post an die Heim- oder Arbeitsadresse des Betroffenen eingeschrieben geschickt werden. Falls dem Gericht bekannt wird, dass der Betroffene die Annahme der Ladung verweigert hat, gilt die Ladung dennoch als zugestellt. Gemäß Code of Civil Procedure kann die Ladung des Gerichtes auch über ein gerichtlich genehmigtes Kurierservice erfolgen (ÖB 12.2018).

Im ländlichen Indien gibt es auch informelle Ratssitzungen, deren Entscheidungen manchmal zu Gewalt gegen Personen führt, die soziale Regeln brechen - was besonders Frauen und Angehörige unterer Kasten betrifft (FH 27.01.2018).

5. Sicherheitsbehörden

Die indische Polizei (Indian Police Service) ist keine direkte Strafverfolgungs- oder Vollzugsbehörde (BICC 12.2018) und untersteht den Bundesstaaten (AA 18.09.2018). Sie fungiert vielmehr als Ausbildungs- und Rekrutierungsstelle für Führungsoffiziere der Polizei in den Bundesstaaten. Im Hinblick auf die föderalen Strukturen ist die Polizei dezentral in den einzelnen Bundesstaaten organisiert. Die einzelnen Einheiten haben jedoch angesichts eines nationalen Polizeigesetzes, zahlreichen nationalen Strafrechten und der zentralen Rekrutierungsstelle für Führungskräfte eine Reihe von Gemeinsamkeiten. Allgemein ist die Polizei mit der Strafverfolgung, Verbrechensprävention und -bekämpfung sowie der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung betraut und übt gleichzeitig eine teilweise Kontrolle über die verschiedenen Geheimdienste aus. Innerhalb der Polizei gibt es eine Kriminalpolizei (Criminal Investigation Department - CID), in die wiederum eine Sondereinheit (Special Branch) integriert ist. Während erstere mit nationalen und die Bundesstaaten übergreifenden Verbrechen betraut ist, hat die Sondereinheit Informationsbeschaffung und Überwachung jeglicher subversiver Elemente und Personen zur Aufgabe. In fast allen Bundesstaaten sind spezielle Polizeieinheiten aufgestellt worden, die sich mit Frauen und Kindern beschäftigen. Kontrolliert wird ein Großteil der Strafverfolgungsbehörden vom Innenministerium (Ministry of Home Affairs) (BICC 12.2018).

Ein Mangel an Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Polizei entsteht neben den strukturellen Defiziten auch durch häufige Berichte über Menschenrechtsverletzungen wie Folter, außergerichtliche Tötungen und Drohungen, die mutmaßlich durch die Polizei verübt wurden (BICC 12.2018). Die Polizei bleibt weiterhin überlastet, unterbezahlt und politischem Druck ausgesetzt, was in einigen Fällen zu Korruption führt (USDOS 20.04.2018). Polizeireformen verzögerten sich 2017 erneut (HRW 18.01.2018).

Die Effektivität der Strafverfolgung und der Sicherheitskräfte ist im gesamten Land sehr unterschiedlich ausgeprägt. Während es einerseits Fälle von Polizisten/Beamten gibt, die auf allen Ebenen ungestraft handeln, so gab es andererseits auch Fälle, in denen Sicherheitsbeamte für ihre illegalen Handlungen zur Verantwortung gezogen wurden (USDOS 20.04.2018).

Das indische Militär ist der zivilen Verwaltung unterstellt und hat in der Vergangenheit wenig Interesse an einer politischen Rolle gezeigt. Der Oberbefehl obliegt dem Präsidenten. Ihrem Selbstverständnis nach ist die Armee zwar die "Beschützerin der Nation", aber nur im militärischen Sinne (BICC 12.2018). Das Militär kann im Inland eingesetzt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit notwendig ist (AA 18.09.2018; vgl. BICC 12.2018). Paramilitärischen Einheiten werden als Teil der Streitkräfte, vor allem bei internen Konflikten eingesetzt, so in Jammu und Kaschmir sowie in den nordöstlichen Bundesstaaten. Bei diesen Einsätzen kommt es oft zu erheblichen Menschenrechtsverletzungen (BICC 12.2018).

Für den Einsatz von Streitkräften - vor allem von Landstreitkräften - in Unruhegebieten und gegen Terroristen wird als Rechtsgrundlage der "Armed Forces Special Powers Act" (AFSPA) zur Aufrechterhaltung von "Recht und Ordnung" herangezogen (USDOS 20.04.2018). Der AFSPA gibt den Streitkräften weitgehende Befugnisse zum Gebrauch tödlicher Gewalt, zu Festnahmen ohne Haftbefehl und Durchsuchungen ohne Durchsuchungsbefehl. Bei ihren Aktionen genießen die Handelnden der Streitkräfte weitgehend Immunität vor Strafverfolgung. Der AFSPA kommt zur Anwendung, nachdem Regierungen der Bundesstaaten ihre Bundesstaaten oder nur Teile davon auf der Basis des "Disturbed Areas Act" zu "Unruhegebieten" erklären. Das umstrittene Sonderermächtigungsgesetz für die Streitkräfte (AFSPA) wurde am 23.04.2018 für den Bundesstaat Meghalaya nach 27 Jahren aufgehoben und im Bundesstaat Arunachal Pradesh auf acht Polizeidistrikte beschränkt. Unverändert in Kraft ist es in folgenden als Unruhegebiete geltenden Staaten: Assam, und Nagaland sowie in Teilen von Manipur. Für Jammu und Kaschmir existiert eine eigene Fassung (AA 18.09.2018).

Die unter anderem auch in den von linksextremistischen Gruppen (sog. Naxaliten) betroffenen Bundesstaaten Zentralindiens eingesetzten paramilitärischen Einheiten Indiens unterstehen zu weiten Teilen dem Innenministerium (AA 18.09.2018). Dazu zählen insbesondere die National Security Guard (Nationale Sicherheitspolizei NSG), aus Angehörigen des Heeres und der Polizei zusammengestellte Spezialtruppe für Personenschutz, auch als "Black Cat" bekannt, die Rashtriya Rifles, eine Spezialtruppe zum Schutz der Verkehrs- und Nachrichtenverbindungen bei inneren Unruhen und zur Bekämpfung von bewaffneten Rebellionen, die Central Reserve Police Force (CRPF) - die Bundesreservepolizei, eine militärisch ausgerüstete Polizeitruppe für Sondereinsätze - die Border Security Force (BSF - Bundesgrenzschutz) als größte und am besten ausgestattete Miliz zum Schutz der Grenzen zu Pakistan, Bangladesch und Myanmar. Sie wird aber auch zur Aufrechterhaltung der inneren Ordnung in anderen Landesteilen eingesetzt. Weiters zählen die Assam Rifles - zuständig für Grenzverteidigung im Nordosten - die Indo-Tibetan Border Force (ITBP) als Indo-Tibetische Grenzpolizei sowie die Küstenwache, die Railway Protective Force zum Schutz der nationalen Eisenbahn und die Central Industrial Security Force zum Werkschutz der Staatsbetriebe dazu (ÖB 12.2018). Besonders in Unruhegebieten haben die Sicherheitskräfte zur Bekämpfung sezessionistischer und terroristischer Gruppen weitreichende Befugnisse, die oft exzessiv genutzt werden (AA 18.09.2018).

Die Grenzspezialkräfte ("Special Frontier Force)" unterstehen dem Büro des Premierministers. Die sogenannten Grenzspezialkräfte sind eine Eliteeinheit, die an sensiblen Abschnitten im Grenzgebiet zu China eingesetzt werden. Sie agieren im Rahmen der Geheimdienste, des sogenannten Aufklärungsbüros ("Intelligence Bureau" - Inlandsgeheimdienst) und dem Forschungs- und Analyseflügel ("Research and Analysis Wing" - Auslandsgeheimdienst) (War Heros of India, 16.09.2018).

Das Gesetz erlaubt es den Behörden auch, Häftlinge bis zu 180 Tage lang ohne Anklage in Gerichtsgewahrsam zu nehmen (einschließlich der 30 Tage in Polizeigewahrsam). Das Gesetz zur Verhinderung ungesetzlicher Aktivitäten (UAPA) gibt den Behörden die Möglichkeit, Personen in Fällen im Zusammenhang mit Aufständen oder Terrorismus festzuhalten (USDOS 20.04.2018).

6. Folter und unmenschliche Behandlung

Indien hat im Jahr 1997 das VN-Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe unterzeichnet. jedoch bisher nicht ratifiziert (AA 18.09.2018). Es sind außerdem keine für die Ratifizierung notwendigen Änderungen der nationalen Gesetzgebung eingeleitet worden (BICC 12.2018). Ein Gesetzentwurf zur Bekämpfung der Folter (Bill on the Prevention of Torture), welcher innerstaatliche Voraussetzung der Ratifizierung der VN Anti-Folterkonvention ist, wurde vom Parlament bisher nicht verabschiedet (AA 18.09.2018).

Folter ist in Indien jedoch verboten (AA 18.09.2018), und der indische Staat verfolgt Folterer grundsätzlich und veranstaltet Kampagnen zur Bewusstseinserhöhung der Sicherheitskräfte, doch bleiben Menschenrechtsverletzungen von Polizeibeamten und paramilitärischen Einheiten häufig ungeahndet und führen nicht einmal zu Ermittlungsverfahren. Besonders gefährdet sind Angehörige unterer Kasten und andere sozial benachteiligte Bevölkerungsschichten (ÖB 12.2018). Aufgrund von Folter erlangte Aussagen sind vor Gericht nicht zur Verwertung zugelassen (AA 18.09.2018). Das Gesetz verbietet somit Folter, aber es gibt Berichte von NGOs, dass solche Praktiken verbreitet sind, speziell in Konfliktgegenden (USDOS 20.04.2018). Folter durch Polizeibeamte, Armee und paramilitärische Einheiten bleibt häufig ungeahndet, weil die Opfer ihre Rechte nicht kennen, eingeschüchtert werden oder die Folter nicht überleben (AA 18.09.2018). Menschenrechtsexperten zufolge versuchte die Regierung auch weiterhin, Personen festzunehmen und ihnen einen Verstoß nach dem - aufgehobenen - Gesetz zur Bekämpfung von Terrorismus, terroristischer Akte und zerstörenden Handlungen anzulasten. Dieses Gesetz besagte, dass Geständnisse, die vor einem Polizisten abgelegt wurden, als zulässige Beweise im Gericht behandelt werden (USDOS 20.04.2018).

7. Korruption

Korruption ist weit verbreitet (USDOS 20.04.2018). Indien scheint im Korruptionswahrnehmungsindex (Corruption Perceptions Index) von Transparency International (TI) für das Jahr 2018 mit einer Bewertung von 41 (von 100) (0 sehr korrupt, 100 kaum korrupt) auf dem 78. Rang von 180 Staaten auf (TI 2018). 2017 wurde Indien mit 40 Punkten (Rang 81 von 180 Staaten) bewertet (TI 2018). Im Jahr 2016 wurde Indien ebenfalls mit 40 Punkten bewertet. Das entspricht dem 79. Rang von 176 gelisteten Staaten (TI 2017).

NGOs berichten, dass üblicherweise Bestechungsgelder bezahlt werden, um Dienstleistungen wie Polizeischutz, Schuleinschreibung, Zugang zu Wasserversorgung oder Beihilfen zu beschleunigen (USDOS 20.04.2018). Die unteren Bereiche des Gerichtswesens sind im Speziellen von Korruption betroffen und die meisten Bürger haben Schwierigkeiten, Recht durch die Gerichte zu erhalten (FH 28.01.2018). Korruption ist auf allen Regierungsebenen vertreten (USDOS 20.04.2018).

Obwohl Politiker und Beamte regelmäßig bei der Entgegennahme von Bestechungsgeldern erwischt werden, gibt es zahlreiche Korruptionsfälle, die unbemerkt und unbestraft bleiben (FH 27.01.2018). Das Gesetz sieht Strafen für Korruption im öffentlichen Dienst vor, in der Praxis kommen Staatsdiener mit korrupten Praktiken häufig straflos davon (USDOS 20.04.2018). Durch das vom Präsidenten im Jahr 2014 unterzeichnete Lok Pal- und Lokayuktas Gesetz wurden unabhängige, staatliche Gremien eingerichtet, an die man Beschwerden wegen korrupter Beamter oder Politiker richten kann und die ermächtigt sind, die Beschwerden zu untersuchen und Verurteilungen vor Gericht zu verfolgen. Obwohl Modi und Angehörige seiner Regierung Unterstützung für das Gesetz signalisiert haben, gibt es wenig Belege dafür, dass es effektiv umgesetzt wird. Das 2005 geschaffene Recht auf Information (RTI) wird vor allem angewandt, um Transparenz zu steigern und korrupte Machenschaften aufzudecken. Seit der Verabschiedung des Gesetzes sind mindestens 65 "Recht auf Informationsaktivisten" ermordet und mehr als 400 angegriffen oder belästigt worden (FH 27.01.2018).

Korruption behindert manchmal auch Regierungsprogramme zur Untersuchung behaupteter Korruption im Regierungsbereich (USDOS 20.04.2018). Im Mai 2015 nahm die Lok Sabha (Volkskammer) Änderungen des Gesetzes zum Schutz von Informanten (Whistleblowers Protection Act) aus 2014 an. Mitglieder der Opposition kritisierten, dass dadurch die ohnehin schon begrenzten Auswirkungen des Gesetzes weiter aufgeweicht würden (FH 27.01.2018).

Gemäß Angaben des Zentrale Untersuchungsbehörde (Central Bureau of Investigation - CBI) unterhält jeder Bundesstaat in Indien mindestens ein Büro unter der Leitung eines Polizeichefs, in welchem Beschwerden per Post, Fax oder persönlich eingereicht werden können. Dabei kann auf Wunsch auch die Identität des Beschwerdeführers geheim gehalten werden. Vom CBI wurden im Untersuchungszeitraum [Anm.: 2016] 673 Korruptionsfälle registriert (CBI o.D.; vgl. USDOS 20.04.2018).

Eine von Transparency International und LocalCircles durchgeführte Umfrage hat ergeben, dass ein Einsatz von Bestechungsgeldern immer noch das effizienteste Mittel darstellt, um die Arbeit von Regierungsstellen abzuwickeln. Die Zahl jener Personen, die zugaben, ein Bestechungsgeld bei Behörden erlegt zu haben, lag 2017 bei 45 Prozent. So hat es einen Anstieg der Bestechung um 11 Prozent gegeben. Kommunale Unternehmen, Grundbuchabteilungen wie auch Polizeidienststellen stellen dabei die korruptionsanfälligsten Regierungsstellen dar (IT 11.10.2018).

Der Bericht mit dem Titel India Corruption Survey 2018 besagt, dass 58 Prozent der Bürger angeben, dass ihre Staaten über keine Anti-Korruptions-Helpline verfügen, während bis zu 33 Prozent angaben, dass sie sich nicht über das Vorhandensein einer solchen Hotline in ihren Staaten im Klaren seien (ICS 2018).

Einzelpersonen - oder NGOs im Namen von Einzelpersonen oder Gruppen - können sogenannte Rechtsstreitpetitionen von öffentlichem Interesse ("Public interest litigation petitions") bei jedem Obersten Gericht oder direkt beim Obersten Bundesgericht, dem "Supreme Court" einbringen, um rechtliche Wiedergutmachung für öffentliche Rechtsverletzungen einzufordern. Diese Beschwerden können Verstöße gegen staatliche Aufgaben durch einen Regierungsangestellten oder eine Verletzung von Verfassungsbestimmungen sein. NGOs schätzen diese Anträge sehr, um Regierungsangehörige gegenüber zivilgesellschaftlichen Organisationen für Korruption und Parteilichkeit, zur Rechenschaft zu ziehen (USDOS 20.04.2018).

Nach glaubwürdigen, vertraulichen Schätzungen des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes (IKRK) kommt es weiterhin zu systematischer Folter in den Verhörzentren in Jammu und Kaschmir. Für den Zeitraum Januar bis August 2017 beziffert Amnesty International die Zahl der Todesfälle in Haftanstalten auf 894, in Polizeigewahrsam auf 74 (AA 18.09.2018). Trotz der Trainings für senior police officers bleiben willkürliche Verhaftungen, Folter und erzwungene Geständnisse durch Sicherheitskräfte verbreitet (ÖB 12.2018).

Es kommt immer wieder zu willkürlichen Übergriffen der Staatsorgane, insbesondere der Polizeikräfte, vor allem gegenüber Häftlingen in Polizeigewahrsam. In einigen Fällen wird von willkürlichen und nicht gemeldeten Verhaftungen berichtet, bei denen dem Verhafteten mitunter ausreichend Wasser und Nahrung vorenthalten werden. Von etlichen Ausnahmen abgesehen, werden gesetzeswidrige Handlungen in diesem Bereich geahndet. Die angerufenen Gerichte haben hierbei in den letzten Jahren verstärkt Verantwortung gezeigt, zumal NGOs und die Presse kritisch über die ihnen bekannt gewordenen Fälle berichten. Auch über Übergriffe der Militärs und der paramilitärischen Gruppen bei ihren Einsätzen im Inneren (vor allem in Jammu und Kaschmir sowie in Indiens Nordosten) berichten Menschenrechtsorganisationen und die Nationale Menschenrechtskommission. Auch diese werden vereinzelt (militär-) gerichtlich geahndet, Prozess und Prozessausgang bleiben allerdings geheim (ÖB 12.2018).

[...]

11. Allgemeine Menschenrechtslage

Indien hat 1948 die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte unterzeichnet (AA 18.09.2018). Die nationale Gesetzgebung in Menschenrechtsangelegenheiten ist breit angelegt. Alle wichtigen Menschenrechte sind verfassungsrechtlich garantiert (ÖB 12.2018). Die Umsetzung dieser Garantien ist allerdings häufig nicht in vollem Umfang gewährleistet (AA 18.09.2018). Eine Reihe von Sicherheitsgesetzen schränken die rechtsstaatlichen Garantien, z.B. das Recht auf ein faires Verfahren, aber ein. Diese Gesetze wurden nach den Terroranschlägen von Mumbai im November 2008 verschärft; u.a. wurde die Unschuldsvermutung für bestimmte Straftatbestände außer Kraft gesetzt. Besonders in Unruhegebieten haben die Sicherheitskräfte zur Bekämpfung sezessionistischer und terroristischer Gruppen weitreichende Befugnisse, die oft exzessiv genutzt werden. Es gibt glaubhafte Berichte über extralegale Tötungen (AA 18.09.2018).

Die wichtigsten Menschenrechtsprobleme sind Missbrauch durch Polizei und Sicherheitskräfte einschließlich außergerichtlicher Hinrichtungen, Folter und Vergewaltigung. Korruption bleibt weit verbreitet und trägt zur ineffektiven Verbrechensbekämpfung bei, insbesondere auch von Verbrechen gegen Frauen, Kinder und Mitglieder registrierter Kasten und Stämme sowie auch gesellschaftlicher Gewalt aufgrund von Geschlechts-, Religions-, Kasten- oder Stammeszugehörigkeit (USDOS 20.04.2018).

Eine verallgemeinernde Bewertung der Menschenrechtslage ist für Indien kaum möglich: Drastische Grundrechtsverletzungen und Rechtsstaatsdefizite koexistieren mit weitgehenden bürgerlichen Freiheiten, fortschrittlichen Gesetzen und engagierten Initiativen der Zivilgesellschaft. Vor allem die Realität der unteren Gesellschaftsschichten, die die Bevölkerungsmehrheit stellen, ist oftmals von Grundrechtsverletzungen und Benachteiligung geprägt (AA 18.09.2018). Ursache vieler Menschenrechtsverletzungen in Indien bleiben tiefverwurzelte soziale Praktiken wie nicht zuletzt das Kastenwesen (AA 18.09.2018). Frauen, Mitglieder ethnischer und religiöser Minderheiten sowie niederer Kasten werden systematisch diskriminiert (BICC 12.2018). Während die Bürger- und Menschenrechte von der Regierung größtenteils respektiert werden, ist die Lage in den Regionen, dort wo es interne Konflikte gibt, teilweise sehr schlecht. Dies trifft insbesondere auf Jammu und Kaschmir und den Nordosten des Landes zu. Den Sicherheitskräften, aber auch den nichtstaatlichen bewaffneten Gruppen, seien es separatistische Organisationen oder regierungstreue Milizen, werden massive Menschenrechtsverletzungen angelastet. Dem Militär und den paramilitärischen Einheiten werden Entführungen, Folter, Vergewaltigungen, willkürliche Festnahmen und außergerichtliche Hinrichtungen vorgeworfen. Insbesondere hinsichtlich der Spannungen zwischen Hindus und Moslems, welche im Jahr 2002 zu Tausenden von Todesfällen führten, wird den Sicherheitskräften Parteilichkeit vorgeworfen. Die Stimmung wird durch hindu-nationalistische Parteien angeheizt, welche auch in der Regierung vertreten sind (BICC 12.2018).

Separatistische Rebellen und Terroristen in Jammu und Kaschmir, den nordöstlichen Bundesstaaten und im "Maoistengürtel" begingen schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen, darunter Morde an Zivilisten, Polizisten, Streitkräften und Regierungsbeamten. Aufständische sind für zahlreiche Fälle von Entführung, Folter, Vergewaltigung, Erpressung und den Einsatz von Kindersoldaten verantwortlich (USDOS 20.04.2018). In manchen Bundesstaaten schränkt das Gesetz die religiöse Konversion ein, Einschränkungen in Bezug auf die Bewegungsfreiheit dauern an (USDOS 20.04.2018).

[...]

16. Religionsfreiheit

Die Verfassung garantiert Religionsfreiheit (USDOS 29.05.2018; vgl. AA 18.09.2018), ordnet einen säkularen Staat an, fordert den Staat auf, alle Religionen unparteilich zu behan

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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