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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
KFG 1967 §64 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des E in F, vertreten durch DDr. Elisabeth Steiner und Dr. Daniela Witt-Dörring, Rechtsanwälte in Wien I,
Nibelungengasse 1-3/3/46, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Burgenland vom 20. November 1996, Zl. VI/2-V-2115/11-1996, betreffend Erteilung einer Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird in seinem Ausspruch, daß dem Beschwerdeführer auf die Dauer von drei Jahren ab Zustellung des angefochtenen Bescheides keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden darf, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 23. Dezember 1994 auf Erteilung der Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppe B gemäß § 64 Abs. 2 und § 66 Abs. 2 lit. e KFG 1967 wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit abgewiesen. Ferner wurde gemäß § 64 Abs. 2 in Verbindung mit § 73 Abs. 2 KFG 1967 angeordnet, daß dem Beschwerdeführer auf die Dauer von drei Jahren ab Zustellung des angefochtenen Bescheides keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden dürfe.
In der Begründung des angefochtenen Bescheides führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, sie habe aufgrund der Berufung des Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 4. Juli 1995, mit dem der Antrag auf Verlängerung der (bis 13. Jänner 1995 befristeten) Lenkerberechtigung - der nach Ablauf der Befristung als Antrag auf Erteilung der Lenkerberechtigung zu behandeln gewesen sei - wegen mangelnder geistiger und körperlicher Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen abgewiesen worden sei, zunächst ein Gutachten des ärztlichen Amtssachverständigen eingeholt, nach dessen Ergebnis der Beschwerdeführer zum Lenken von Kraftfahrzeugen bedingt geeignet sei. In der Folge sei bekannt geworden, daß der Beschwerdeführer am 14. April 1996 und am 17. April 1996 jeweils eine Übertretung nach § 5 Abs. 2 StVO 1960 begangen habe. Der Beschwerdeführer habe dazu erklärt, daß er den Vorfall vom 14. April 1996 bedaure. Hinsichtlich des Vorfalles vom 17. April 1996 bestreite er, den Pkw gelenkt zu haben.
Wegen der am 14. April 1996 begangenen Übertretung sei der Beschwerdeführer rechtskräftig bestraft worden. Das Verwaltungsstrafverfahren wegen der am 17. April 1996 begangenen Übertretung sei noch nicht rechtskräftig abgeschlossen.
Aus den Verwaltungsakten ergebe sich, daß dem Beschwerdeführer nach Entziehung der Lenkerberechtigung wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung im Jahr 1981 die Lenkerberechtigung in den Folgejahren wiederholt befristet erteilt worden sei. Wegen einer am 3. August 1984 begangenen Übertretung gemäß § 5 Abs. 2 StVO 1960 sei ihm die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppe B für die Dauer von drei Monaten entzogen worden.
In der Folge sei ihm wieder mehrmals die Lenkerberechtigung befristet erteilt worden. Am 21. Februar 1987 habe er neuerlich eine Übertretung gemäß § 5 Abs. 2 StVO 1960 begangen, aufgrund welcher ihm die Lenkerberechtigung für die Dauer von sechs Monaten vorübergehend entzogen worden sei.
Mit Bescheid der Erstbehörde vom 1. Juli 1988 sei ihm eine bis 1. Jänner 1989 befristete Lenkerberechtigung erteilt worden. Am 18. Juli 1989 habe er eine Übertretung gemäß § 5 Abs. 1 StVO 1960 begangen. Die Erstbehörde habe ihm darauf mitgeteilt, daß aufgrund dieses Vorfalles eine positive Erledigung eines Ansuchens um Wiedererteilung der Lenkerberechtigung nicht möglich sei.
Am 28. November 1989 habe der Beschwerdeführer eine Übertretung gemäß § 64 Abs. 1 KFG 1967 begangen. Am 13. Februar 1990 habe er eine Übertretung gemäß § 5 Abs. 2 StVO 1960 begangen. Mit Bescheid der Erstbehörde vom 6. September 1990 sei sein Antrag auf Wiedererteilung der Lenkerberechtigung abgewiesen worden.
In den folgenden Jahren ab 1991 seien dem Beschwerdeführer mehrmals befristete Lenkerberechtigungen erteilt worden, zuletzt mit Bescheid vom 13. Jänner 1994 befristet bis 13. Jänner 1995.
Am 29. März 1994 habe der Beschwerdeführer eine Übertretung nach § 5 Abs. 2 StVO 1960 begangen, worauf ihm die Lenkerberechtigung für die Zeit von sechs Monaten vorübergehend entzogen worden sei.
Am 23. Dezember 1994 sei ihm der Führerschein ausgefolgt worden. Gleichzeitig habe er den nunmehr verfahrensgegenständlichen Antrag auf Verlängerung der Gültigkeit der Lenkerberechtigung gestellt.
Im Hinblick auf das am 14. und 17. April 1996 gesetzte Verhalten des Beschwerdeführers im Zusammenhalt mit seinem bisherigen Verhalten sei er als verkehrsunzuverlässig anzusehen. Trotz befristeter Lenkerberechtigungen habe er die zuvor genannten Alkoholdelikte begangen. Die deshalb wiederholt verfügten Entziehungen der Lenkerberechtigung hätten ihn nicht davon abgehalten - noch dazu während des anhängigen Verfahrens betreffend seinen Antrag auf Wiedererteilung der Lenkerberechtigung - neuerlich Alkoholdelikte zu begehen. Auch wenn das Verfahren wegen der am 17. April 1996 begangenen Übertretung noch nicht rechtskräftig abgeschlossen sei, zeige doch auch sein an diesem Tag gesetztes Verhalten, daß er eine die Verkehrssicherheit durch Trunkenheit in hohem Maße gefährdende Sinnesart aufweise. Die Verkehrssicherheit sei daher derzeit und auch für einen Prognosezeitraum von drei Jahren in sinngemäßer Heranziehung des § 73 Abs. 2 KFG 1967 nicht gegeben.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag auf kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Großteil der Beschwerdeausführungen beschäftigt sich mit behaupteten Verfahrensfehlern im Zusammenhang mit dem ärztlichen Amtssachverständigengutachten betreffend die gesundheitliche Eignung des Beschwerdeführers zum Lenken von Kraftfahrzeugen. Diese Ausführungen gehen ins Leere, weil die belangte Behörde - wie Spruch und Begründung des angefochtenen Bescheides ohne jeden Zweifel erkennen lassen - den Antrag des Beschwerdeführers nicht wegen des Fehlens seiner geistigen oder körperlichen Eignung sondern wegen der bei ihm anzunehmenden Verkehrsunzuverlässigkeit abgewiesen hat.
Soweit der Beschwerdeführer rügt, die belangte Behörde habe sich auf die Vorfälle vom 14. April 1996 und vom 17. April 1996 gestützt, obwohl die diesbezüglichen Verwaltungsstrafverfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen seien, übersieht er, daß die Begehung einer Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 StVO 1960 im Zusammenhang mit dem Lenken eines Kraftfahrzeuges eine die Verkehrsunzuverlässigkeit indizierende bestimmte Tatsache gemäß § 66 Abs. 2 lit. e KFG 1967 darstellt und nicht deren Bestrafung. Im übrigen ergibt sich aus den Feststellungen der belangten Behörde, daß die Bestrafung des Beschwerdeführers betreffend die am 14. April 1996 begangene Übertretung gemäß § 5 Abs. 2 (in Verbindung mit § 99 Abs. 1 lit. b) StVO 1960 rechtskräftig geworden ist, sodaß die belangte Behörde aufgrund der dadurch bewirkten Bindung von der Begehung dieser Übertretung durch den Beschwerdeführer auszugehen hatte. Dazu kommt, daß der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme gegenüber der belangten Behörde vom 1. August 1996 die Begehung dieser Übertretung nicht bestritten, sondern um "etwas Verständnis" gebeten hat. Auch aus diesem Grund kann es nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die belangte Behörde davon ausgegangen ist, daß der Beschwerdeführer diese Übertretung begangen habe.
Hinsichtlich der Übertretung vom 17. April 1996 lag bei Erlassung des angefochtenen Bescheides keine die belangte Behörde bindende rechtskräftige Bestrafung vor. Der Beschwerdeführer hat bestritten, diese Übertretung begangen zu haben. Der angefochtene Bescheid enthält keine nachvollziehbare Begründung, warum die belangte Behörde die Begehung dieser Übertretung als erwiesen angenommen hat.
Dieser Begründungsmangel führt allerdings nicht zu einer Verletzung von Rechten des Beschwerdeführers, weil die Abweisung seines Antrages auf Erteilung der Lenkerberechtigung aus dem Grund seiner mangelnden Verkehrsunzuverlässigkeit auch dann zu Recht erfolgt ist, wenn man davon ausgeht, daß er die ihm angelastete Übertretung vom 17. April 1996 nicht begangen hat. Maßgebend für die Rechtmäßigkeit der Abweisung des Antrages des Beschwerdeführers war, daß er im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides als verkehrsunzuverlässig anzusehen war. Dies war im Hinblick auf die am 14. April 1996 begangene Übertretung, die eine bestimmte Tatsache gemäß § 66 Abs. 2 lit. e KFG 1967 darstellt, und die Wertung dieser Tatsache gemäß § 66 Abs. 3 KFG 1967 anzunehmen, wobei im Rahmen des Wertungskriteriums der Verwerflichkeit der Tat zum Nachteil des Beschwerdeführers besonders ins Gewicht fällt, daß ihn zahlreiche Bestrafungen und Entziehungen der Lenkerberechtigung nicht davon abgehalten haben, neuerlich ein Alkoholdelikt im Zusammenhang mit dem Lenken von Kraftfahrzeugen - noch dazu ohne im Besitz einer Lenkerberechtigung zu sein - zu begehen. Die belangte Behörde war auch - im Gegensatz zur Auffassung des Beschwerdeführers - berechtigt, im Rahmen der Wertung gemäß § 66 Abs. 3 KFG 1967 länger zurückliegende Alkoholdelikte des Beschwerdeführers zu berücksichtigen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 28. November 1996, Zl. 94/11/0329, mwN).
Der auf § 64 Abs. 2 und § 73 Abs. 2 KFG 1967 gestützte Ausspruch der belangten Behörde, daß dem Beschwerdeführer für die Dauer von drei Jahren ab Zustellung des angefochtenen Bescheides keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden dürfe, findet im Gesetz keine Deckung. Ein Ausspruch, für welche Zeit keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden darf, ist gemäß § 73 Abs. 2 KFG 1967 nur bei der Entziehung der Lenkerberechtigung vorgesehen. Eine sinngemäße Anwendung dieser Bestimmung im Falle der Versagung einer Lenkerberechtigung ist im Gesetz nicht vorgesehen. Für eine analoge Anwendung des § 73 Abs. 2 KFG 1967 auf die Fälle der Versagung einer Lenkerberechtigung besteht kein Grund, weil eine Gesetzeslücke (im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit) nicht zu erkennen ist. Ein nach Versagung einer Lenkerberechtigung ohne wesentliche Änderung der maßgeblichen Sach- und Rechtslage gestellter neuerlicher Antrag auf Erteilung einer Lenkerberechtigung ist gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. Einer Sperre für neue Anträge auf Erteilung einer Lenkerberechtigung, wie sie § 73 Abs. 2 KFG 1967 im Falle der Entziehung der Lenkerberechtigung vorsieht, bedarf es daher bei Versagung einer Lenkerberechtigung nicht. Der die Festsetzung einer Frist enthaltende Ausspruch - dieser im Gesetz nicht vorgesehene Ausspruch ist von der Versagung der Lenkerberechtigung trennbar - war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben. Im übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 50 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Analogie Schließung von Gesetzeslücken VwRallg3/2/3European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1997110001.X00Im RIS seit
11.07.2001