TE Vwgh Beschluss 2020/7/16 Ra 2020/21/0218

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Veröffentlicht am 16.07.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

BFA-VG 2014 §9
B-VG Art133 Abs4
FrPolG 2005 §67 Abs1
VwGG §25a Abs1
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pelant, die Hofräte Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel, die Hofrätin Dr. Julcher und den Hofrat Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des H C A alias A in W, vertreten durch Edward W. Daigneault, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Lerchenfelder Gürtel 45/11, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. März 2020, I409 2132250-2/25E, betreffend Aufenthaltsverbot (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein nigerianischer Staatsangehöriger, stellte nach seiner Einreise in Österreich am 7. Februar 2014 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2        In der Folge wurde der Revisionswerber straffällig und zunächst mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 14. August 2014 wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall und Abs. 3 SMG (gewerbsmäßiges Überlassen von Suchtgift an einen anderen) zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten (davon sechs Monate bedingt nachgesehen) rechtskräftig verurteilt. Der unbedingte Teil der Freiheitsstrafe wurde bis zum 29. September 2014 vollzogen. Ungeachtet dessen wurde der Revisionswerber rückfällig, und es wurde deshalb über ihn mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 5. März 2015 wegen desselben, in Form des Versuchs begangenen Deliktes nach § 15 StGB, § 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall und Abs. 3 SMG eine unbedingte Freiheitsstrafe von zwölf Monaten verhängt. Unter einem wurde die Probezeit der ersten Verurteilung auf fünf Jahre verlängert. Aus dem Vollzug der Freiheitsstrafe wurde der Revisionswerber am 3. Oktober 2015 unter Festsetzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt entlassen.

3        Der Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 19. Juli 2016 in Verbindung mit einer Rückkehrentscheidung und einem auf vier Jahre befristeten Einreiseverbot vollumfänglich abgewiesen. Eine dagegen erhobene Beschwerde führte, nachdem der Revisionswerber am 7. November 2016 eine österreichische Staatsbürgerin, die von ihrem unionsrechtlichen Freizügigkeitsrecht Gebrauch gemacht hatte, geheiratet hatte, zur ersatzlosen Behebung der Rückkehrentscheidung und des Einreiseverbotes mit am 1. Oktober 2019 mündlich verkündetem und am 21. Oktober 2019 schriftlich ausgefertigtem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts. Das Beschwerdeverfahren hinsichtlich der Nichtgewährung von Asyl und subsidiärem Schutz wurde auf Grund der insoweit erfolgten Zurückziehung der Beschwerde eingestellt.

4        Bereits mit Bescheid vom 5. August 2019 verhängte das BFA über den Revisionswerber gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG ein für die Dauer von vier Jahren befristetes Aufenthaltsverbot (Spruchpunkt I.). Unter einem sprach es aus, dass gemäß § 70 Abs. 3 FPG kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.) und einer Beschwerde gegen das Aufenthaltsverbot gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt werde (Spruchpunkt III.).

5        In der Begründung ging das BFA davon aus, dass der Revisionswerber im Hinblick auf die Ehe mit einer freizügigkeitsberechtigten österreichischen Staatsbürgerin die Eigenschaft als begünstigter Drittstaatsangehöriger erlangt habe, sodass die bereits erlassene Rückkehrentscheidung gegenstandslos geworden und damit dem Einreiseverbot die Grundlage entzogen worden sei. Aufgrund der vom Revisionswerber weiterhin ausgehenden Gefährdung für die öffentliche Ordnung und Sicherheit sei gegen ihn ein Aufenthaltsverbot zu erlassen gewesen.

6        Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht, soweit sie sich gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung richtete, mit am 1. Oktober 2019 im Rahmen der durchgeführten mündlichen Verhandlung verkündetem Erkenntnis ab. Der dagegen erhobenen Revision wurde mit dem Erkenntnis VwGH 16.1.2020, Ra 2019/21/0360, stattgegeben, indem das bekämpfte Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben wurde.

7        Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 4. März 2020 wurde die Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. des Bescheides vom 5. August 2019 mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass das Aufenthaltsverbot für die Dauer von drei Jahren und sieben Monaten erlassen und ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat ab Rechtskraft dieses Erkenntnisses gewährt werde. Spruchpunkt III. betreffend die aufschiebende Wirkung wurde nunmehr ersatzlos behoben.

8        In Bezug auf das Aufenthaltsverbot bejahte das Bundesverwaltungsgericht eine vom Revisionswerber ausgehende tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr im Sinn des § 67 Abs. 1 erster bis vierter Satz FPG. Dies begründete es insbesondere damit, dass der Revisionswerber gewerbsmäßig Kokain verkauft habe und die erste Verurteilung zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe ihn nicht davon abgehalten habe, neuerlich eine auf der gleichen schädlichen Neigung beruhende Straftat zu begehen. So sei der Revisionswerber knapp vier Monate nach dem Vollzug der teilbedingten Freiheitsstrafe erneut straffällig geworden, wobei er wieder gewerbsmäßig Kokain zu verkaufen versucht habe. Das sei ein Beleg für seine hohe Rückfallsneigung und dafür, dass selbst das bereits verspürte Haftübel nicht die gewünschte Wirkung gezeigt habe. Wenngleich sich der Revisionswerber seit dem Ende des Vollzugs der letzten Freiheitsstrafe mit 3. Oktober 2015 für einen Zeitraum von vier Jahren und fünf Monaten wohlverhalten habe, könne angesichts des Umstandes, dass die der zweiten Verurteilung zugrunde liegenden strafbaren Handlungen innerhalb der offenen Probezeit gesetzt worden seien, keineswegs verlässlich ein Wegfall oder eine erhebliche Minderung der von ihm ausgehenden Gefährdung angenommen werden. Das Bundesverwaltungsgericht halte, insbesondere aufgrund des in der Verhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks, einen Beobachtungszeitraum von insgesamt acht Jahren für erforderlich, um beim Revisionswerber einen nachhaltigen Gesinnungswandel sicherstellen zu können, weshalb die von der belangten Behörde vorgesehene Befristung des Aufenthaltsverbotes auf drei Jahre und sieben Monate zu reduzieren gewesen sei.

9        Bei der Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG berücksichtigte das Bundesverwaltungsgericht den (mit Unterbrechungen durch längere Aufenthalte in Spanien) sechsjährigen inländischen Aufenthalt des Revisionswerbers, während dessen es ihm aber nicht gelungen sei, sich in sprachlicher, beruflicher oder gesellschaftlicher Hinsicht maßgeblich zu integrieren. Die Ehe mit seiner Frau sei zu einem Zeitpunkt eingegangen worden, als sein Antrag auf internationalen Schutz bereits in erster Instanz abgewiesen und eine Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot gegen ihn erlassen worden sei. Somit hätte dasEhepaar nicht darauf vertrauen dürfen, im Bundesgebiet dauerhaft ein Familienleben führen zu können. Es sei der Ehefrau des Revisionswerbers auch möglich und zumutbar, den Revisionswerber im Ausland zu besuchen oder gemeinsam mit ihm ins Ausland zu übersiedeln, um dort das Familienleben fortsetzen zu können; eine diesbezügliche Bereitschaft habe die Ehefrau des Revisionswerbers bekundet. Zudem hätte das Ehepaar offenbar längere Zeit in Spanien gelebt und geplant, seinen Lebensmittelpunkt überhaupt ganz dorthin zu verlegen. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes habe daher nicht zwingend eine (dauerhafte) Trennung zwischen dem Revisionswerber und seiner Ehefrau zur Folge. Im Ergebnis sei ein Eingriff in das Privat- und Familienleben des Revisionswerbers durch Erlassung des Aufenthaltsverbotes als verhältnismäßig anzusehen.

10       Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

11       Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich (u.a.) wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG „nicht zur Behandlung eignen“, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

12       An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen dieser in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

13       Unter diesem Gesichtspunkt wendet sich der Revisionswerber gegen die Gefährdungsprognose des Bundesverwaltungsgerichts. Insoweit ist aber darauf hinzuweisen, dass die einzelfallbezogene Beurteilung betreffend die hinsichtlich eines Aufenthaltsverbotes im Sinn des § 67 Abs. 1 erster bis vierter Satz FPG erstellte Gefährdungsprognose - ebenso wie die gemäß § 9 BFA-VG vorgenommene Interessenabwägung - dann nicht revisibel ist, wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofesentwickelten Grundsätze vorgenommen wurde (vgl. etwa VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0290, Rn. 6, mwN). Im vorliegenden Fall war es nicht unvertretbar, dass das Bundesverwaltungsgericht in der gebotenen Gesamtbetrachtung - nachdem es sich vom Revisionswerber in der mündlichen Verhandlung einen persönlichen Eindruck verschafft hatte - die für ein Aufenthaltsverbot nach § 67 Abs. 1 erster bis vierter Satz FPG erforderliche Gefährdungsprognose bejaht hat (vgl. zu einem Aufenthaltsverbot wegen Vergehen nach dem SMG etwa VwGH 23.1.2020, Ro 2019/21/0018). Entgegen dem Revisionsvorbringen wurde vom Bundesverwaltungsgericht auch ausreichend begründet, warum es ein Aufenthaltsverbot in der verhängten Höhe für erforderlich erachtete. Ebenso erweist sich angesichts des strafrechtlichen Fehlverhaltens des Revisionswerbers die Interessenabwägung als nicht unvertretbar, zumal der Revisionswerber der schon im Bescheid des BFA geäußerten Annahme, das Familienleben mit seiner Ehefrau könne in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union fortgesetzt werden, im Beschwerdeverfahren nicht entgegen getreten ist. Der erst in der Revision erfolgte Hinweis darauf, dass der an ein Studium in Österreich gebundene Bezug von Weiterbildungsgeld durch die Ehefrau des Revisionswerbers einer Übersiedlung entgegen stünde, stellt eine im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof unbeachtliche Neuerung dar.

14       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat zurückzuweisen.

Wien, am 16. Juli 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020210218.L00

Im RIS seit

03.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

03.09.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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