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40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
AVG §45 Abs3Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa, über die Revision der P S in M, vertreten durch Dr. Rainer Wechselberger, Rechtsanwalt in 6290 Mayrhofen, Waldbadstraße 537, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 11. März 2020, Zl. LVwG-2019/25/2658-7, betreffend gewerberechtliches Betriebsanlagenverfahren (mitbeteiligte Partei: H GmbH, vertreten durch Mag. Andreas Schiestl, Rechtsanwalt in 6263 Fügen, Franziskusweg 10; belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Schwaz), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die mitbeteiligte Partei betreibt auf Grundlage des Bescheides der belangten Behörde vom 28. November 2011 in M den näher beschriebenen Gastgewerbebetrieb. Die Revisionswerberin wohnt unmittelbar neben der Betriebsanlage.
2 Mit Bescheid vom 28. Oktober 2019 nahm die belangte Behörde die von der mitbeteiligten Partei am 13. Juni 2019 angezeigte Änderung der mit Bescheid der belangten Behörde vom 28. November 2011 genehmigten Betriebsanlage und zwar die Verlängerung 1. der Öffnungszeiten der Bar von 02.00 Uhr auf 03.00 Uhr (Ausschank und Bewirtung von Gästen) und 2. der Betriebszeiten der Bar von 03.00 Uhr auf 04.00 Uhr (für Aufräum- und Putzarbeiten sowie Nebentätigkeiten) von jeweils 6. Dezember eines Kalenderjahres bis 30. April des folgenden Kalenderjahres (jeweils Wintersaison) sowie 3. eine näher beschriebene Änderung des Eingangs- und Ausgangsbereiches der Bar im Erdgeschoß gemäß § 345 Abs. 6 iVm § 81 Abs. 2 Z 7 GewO 1994 zur Kenntnis und sprach aus, dass der Bescheid gemäß § 345 Abs. 6 GewO 1994 einen Bestandteil des Genehmigungsbescheides bilde (Spruchpunkt I.). Überdies wies die belangte Behörde die Einwände der Revisionswerberin ab (Spruchpunkt II.).
3 Die dagegen erhobene Beschwerde der Revisionswerberin wies das Landesverwaltungsgericht Tirol (Verwaltungsgericht) nach öffentlicher mündlicher Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis ab und sprach aus, dass die Revision nicht zulässig sei.
4 Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, ausgehend vom in der mündlichen Verhandlung erörterten Gutachten des lärmtechnischen Sachverständigen werde im Hinblick auf die angezeigten Änderungen der Betriebsanlage der planungstechnische Grundsatz gemäß ÖAL-Richtlinien Nr. 3 eingehalten. Die Voraussetzungen des § 81 Abs. 2 Z 7 GewO 1994 seien somit erfüllt, weshalb die Anzeige der Änderung der Betriebsanlage gemäß § 345 Abs. 6 GewO 1994 mit Bescheid zur Kenntnis zu nehmen gewesen sei.
5 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision mit dem Antrag auf kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Zu ihrer Zulässigkeit bringt die Revision vor, es fehle höchstgerichtliche Rechtsprechung zur „Frage, wann der Beurteilungspegel der ortsüblichen Schallimmission repräsentativer Quellen in einer Skitourismusregion zu ermitteln“ sei. Es sei amtsbekannt, „dass der Februar tourismusmäßig der stärkste Monat einer Wintersaison“ sei. Dies wirke sich zweifelsohne auf die Ortsüblichkeitsmessung aus. „Gemäß ÖAL-Richtlinie Nr. 3 Blatt 1“ habe „die Ortsüblichkeitsmessung in repräsentativer und reproduzierbarer Weise zu erfolgen und“ sei „eine Planung auf die sichere Seite im Sinne des Nachbarschaftsschutzes zu bewirken. Die Wahl der Messpunkte in Bezug auf Anzahl und Situierung sowie Messzeitpunkt und Dauer“ habe „in repräsentativer Weise zu erfolgen“. Die am 7. Februar 2018 (gemeint richtig 2019) durchgeführte Messung nehme „keine Rücksicht auf tourismus- und lärmmäßig schwächere Zeiten, wie beispielsweise vom 06.12. bis Weihnachten, vom 06.01. bis zu den Semesterferien oder ab Mitte März“.
10 Die Behörde hat - im Rahmen ihrer Pflicht zur amtswegigen Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes - ein Gutachten eines Sachverständigen auf seine Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit hin zu prüfen und ist dabei auch gehalten, sich im Rahmen der Begründung des Bescheides mit dem Gutachten auseinander zu setzen und es entsprechend zu würdigen (vgl. VwGH 26.2.2016, Ro 2014/03/0004, mwN). Die Parteien haben die Möglichkeit, Unvollständigkeiten und Unschlüssigkeiten eines Gutachtens im Rahmen des Verfahrens der Behörde aufzuzeigen oder einem Gutachten (etwa durch Beibringung eines eigenen Gutachtens) auf gleicher fachlicher Ebene entgegenzutreten. All dies gilt auch für das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten erster Instanz (vgl. VwGH 29.11.2017, Ra 2015/04/0014, Rn. 11, mwN).
11 Die Wahl des Messzeitpunktes ist ebenso wie die Wahl der Messpunkte und der Messmethode sowie der Rahmenbedingungen ein Parameter, der der Fachkunde eines (hier lärmtechnischen) Sachverständigen zuzuordnen ist. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Einwand gegen die Wahl des Messzeitpunktes für eine Lärmmessung nicht zielführend, wenn er nicht auf gleicher fachlicher Ebene erfolgt (vgl. VwGH 27.5.2009, 2008/05/0270; bzw. VwGH 18.9.2019, Ra 2019/04/0103, Rn.15, mwN, betreffend die Wahl des Messpunktes).
12 Die Revisionswerberin bestreitet nicht, dass sie dem lärmtechnischen Gutachten nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegen getreten ist. Dass dieses Gutachten unschlüssig und unvollständig wäre und ihm somit Mängel im Sinn der oben wiedergegebenen Rechtsprechung (vgl. VwGH 25.4.2019, Ra 2017/07/0214, Rn. 24, mwN) anhaften würden, wird in der Revision nicht nachvollziehbar aufgezeigt.
13 Ausgehend vom Zulässigkeitsvorbringen werden somit in der Revision keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 20. Juli 2020
Schlagworte
Gutachten Parteiengehör ParteieneinwendungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020040078.L00Im RIS seit
03.09.2020Zuletzt aktualisiert am
03.09.2020