Entscheidungsdatum
24.06.2019Norm
AsylG 2005 §10Spruch
L519 2210368-1/16E
schriftliche ausfertigung des am 02.01.2019 mündlich verkündeten erkenntnisses
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Isabella Zopf als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Türkei, vertreten durch Mag. Susanne SINGER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 19.09.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 02.01.2019 zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird in allen Spruchpunkten mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass die Dauer des Einreiseverbotes von 9 auf 10 Jahre hinaufgesetzt wird.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
I.1. Die beschwerdeführende Partei (in weiterer Folge kurz als bP bezeichnet), ist Staatsangehöriger der Republik Türkei. Sie reiste am XXXX 2003 in das Bundesgebiet ein und verfügt seither über eine aufrechte Meldeadresse und Aufenthaltstitel in Österreich.
I.2. Am XXXX 2016 wurde sie wegen Körperverletzung gem. § 83 StGB zur Anzeige gebracht.
Am 06.04.2016 wurde das Ermittlungsverfahren gegen sie wegen § 83 StGB wegen Geringfügigkeit eingestellt.
I.3. Am 08.01.2018 wurde sie wegen Vergewaltigung gem. § 201 StGB zur Anzeige gebracht.
Am XXXX 2018 wurde die bP seitens des LG XXXX wegen des am XXXX 2017 begangenen Verbrechens der Vergewaltigung gem. § 201 StGB schuldig befunden und zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten, davon 10 Monate bedingt, rechtskräftig verurteilt.
I.4. Am 01.08.2018 wurde der bP vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) ein Schreiben übermittelt, in welchem sie über die Einleitung des gegenständlichen Verfahrens und die bis dahin erfolgte Beweisaufnahme informiert wurde. Zudem wurde ihr die Möglichkeit einer Stellungnahme binnen 14 Tagen hierzu eingeräumt und wurden ihr Länderfeststellungen übermittelt.
Am 29.08.2018 langte die Stellungnahme der bP vom 24.08.2018 bei der belangten Behörde nach Gewährung einer Fristerstreckung ein.
I.5. Am 12.09.2018 langte eine Verwaltungsvormerkung der bP bei der Stadt XXXX ein.
I.6. Mit im Spruch genannten Bescheid der belangten Behörde wurde gemäß § 10 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen die bP eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in die Türkei gemäß § 46 FPG zulässig sei. Der Beschwerde wurde gem. § 18 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt. Eine Frist zur freiwilligen Ausreise wurde nicht gewährt. Gemäß § 53 FPG wurde in Bezug auf die bP ein Einreiseverbot für die Dauer von 9 Jahren erlassen.
I.6.1. Die Behörde zog die folgenden Beweismittel, teils von der bP vorgelegt, heran:
* Stellungnahme vom 29.08.2018
* Vollmacht bezüglich der rechtlichen Vertretung
* Passkopie XXXX
* Kopie der Aufenthaltskarte: XXXX
* Haushaltsgemeinschaftsbestätigung
* GISA Auszug
* Zeugnis: Lehrgang zum geprüften Bauwerksabdichter
* Sachverständigengutachten vom 01.02.2016 betreffend Erkrankung des Vaters
* Strafregisteranfrage
* ZMR Anfrage
* Anfrage via Anfrageplattform des BMI
* Abschlussbericht der XXXX
Vernehmung des Täters
Vernehmung des Opfers
Zeugenvernehmung
Gekürzte Urteilsausfertigung des LG XXXX
* Abschlussbericht der PI XXXX
Vernehmungen des Täters und Opfers sowie ärztliches Gutachten betreffend Vorfall 2016 (Ohrfeige).
* Verwaltungsvormerkung der Stadt XXXX
I.6.2. Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die belangte Behörde das Verhalten der bP als Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung.
I.6.3. Zur abschieberelevanten Lage in der Republik Türkei traf die belangte Behörde ausführliche und schlüssige Feststellungen.
I.6.4. Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass die Rückkehrentscheidung keinen ungerechtfertigten Eingriff in Art. 8 EMRK darstelle und aufgrund der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ein Einreiseverbot zu erlassen sei.
I.7. Gegen den im Spruch genannten Bescheid wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.
Im Wesentlichen wurde vorgebracht, dass die bP zwar bei der Verantwortung bleibe, es sei zu einvernehmlichen Geschlechtsverkehr und nicht zu einer Vergewaltigung gekommen, sie stelle aber keine Gefährdung für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dar. Das Verfahren im Jahr 2016 (Ohrfeigen Freundin) sei wegen Geringfügigkeit eingestellt worden. Zwischen den beiden Vorfällen lägen 1 Jahr und 9 Monate. Nichtsdestotrotz habe die bP ihr Verhalten gegenüber Frauen überdacht. Der Strafaufschub sei zu berücksichtigen, da damit festgehalten sei, dass die bP nicht gefährlich ist. Die bP sei in Österreich fest verankert und lebe bei ihrer Familie. Sie unterstütze die Mutter bei Behördengängen und Bankangelegenheiten sowie der Pflege des an Parkinson erkrankten Vaters. Zu dem Kind und der Ex Gattin in der Türkei bestehe abgesehen von den regelmäßigen Unterhaltszahlungen kein Kontakt und hätte die bP keine Anknüpfungspunkte in der Türkei.
Vorgelegt wurde von der bP:
* Beschluss über den Strafaufschub
I.8. Die Beschwerdevorlage langte am 29.11.2018 beim BVwG ein.
I.9. Mit Beschluss des BVwG vom 03.12.2018 wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
I.10. Im Aktenvermerk vom 19.12.2018 hielt das BVwG fest, dass die bP die Strafe nach Strafaufschub nicht fristgerecht angetreten ist und die Zustellung der Ladung für die Verhandlung an der Ladungsadresse nicht möglich war.
I.11. Für den 02.01.2019 lud das erkennende Gericht die Verfahrensparteien zu einer mündlichen Beschwerdeverhandlung.
Gemeinsam mit der Ladung wurde die bP - in Ergänzung bzw. Wiederholung zu den bereits bei der belangten Behörde stattgefundenen Belehrungen - ua. hinsichtlich der Obliegenheit zur Mitwirkung im Verfahren manuduziert und wurde die bP aufgefordert, Bescheinigungsmittel vorzulegen.
Nach Durchführung der mündlichen Verhandlung am 02.01.2019 wurde das Erkenntnis des BVwG vom selben Tag mündlich verkündet.
Die Beschwerde wurde vollinhaltlich abgewiesen und das Einreiseverbot von 9 auf 10 Jahre hinaufgesetzt.
Die bP wurde iSd § 29 Abs. 2 a VwGVG über das Recht, binnen zwei Wochen nach Ausfolgung bzw. Zustellung der Niederschrift eine Ausfertigung gemäß § 29 Abs. 4 zu verlangen bzw. darüber, dass ein Antrag auf Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 4 eine Voraussetzung für die Zulässigkeit der Revision beim Verwaltungsgerichtshof und der Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof darstellt, belehrt.
Nach Verkündung der Erkenntnisse wurde den bP sowie deren rechtsfreundlicher Vertretung eine Ausfertigung der Niederschrift ausgefolgt.
I.12. Mit Schreiben vom 16.01.2019 wurde die schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses begehrt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen
II.1.1. Die beschwerdeführende Partei
Bei der bP handelt es sich um einen türkischen Staatsangehörigen, welcher zur Volksgruppe der Kurden gehört und sich zum Mehrheitsglauben des Islam bekennt.
Der bP ist ein junger, gesunder, arbeitsfähiger Mann mit bestehenden familiären Anknüpfungspunkten im Herkunftsstaat und einer -wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich- gesicherten Existenzgrundlage. Die bP hatte einen Bandscheibenvorfall, steht aktuell jedoch in keiner Behandlung.
Die bP lebt seit XXXX 2003 in Österreich. Am XXXX 2011 wurde ihr ein Aufenthaltstitel "Niederlassungsbewilligung unbeschränkt" erteilt, zuletzt erhielt sie eine Rot-Weiß-Rot Karte plus, gültig bis April 2021. Die bP hat in Österreich mit XXXX 2018 ein selbstständiges Gewerbe (Bauwerksabdichter) angemeldet. Sie hat einen Bauwerksabdichterkurs absolviert. Zuvor hat sie zuerst 5 Jahre in der Türkei und dann in Österreich die Schule bzw. den polytechnischen Lehrgang besucht und vereinzelt für verschiedene Arbeitgeber gearbeitet. Sie hat jeweils für unter ein Jahr bei den verschiedenen Arbeitgebern gearbeitet und zwischenzeitlich Krankengeld und Arbeitslosengeld bezogen.
Familienangehörige (Großmutter und Schwester mit ihrer Familie sowie weitere Verwandte) leben nach wie vor in der Türkei, der Vater besitzt dort immer noch ein Haus, welches nur zeitweise vermietet ist. Die bP ist seit 2009 geschieden, die Ex-Ehegattin und das gemeinsame Kind leben nunmehr in der Türkei, nachdem das Kind in Österreich geboren wurde. Die bP ist nicht obsorgeberechtigt, aber unterhaltspflichtig gegenüber dem Kind. Die bP besucht die Türkei regelmäßig zu Urlaubszwecken.
In Österreich leben die Eltern der bP, zwei Brüder, mehrere Onkel und Tanten sowie Cousins. Sie ist in einer Wohnung mit einem Freund gemeldet, lebt aber zeitweise bei ihren Eltern und einem Bruder in deren Haushalt. Der Vater der bP leidet unter Parkinson und wird von der Mutter der bP gepflegt. Die bP ist vielfach unterwegs und unterstützt die Mutter bzw. den Vater lediglich bei Fahrten zu ärztlichen Terminen und macht vereinzelt Besorgungen.
Die bP hat eine Freundin in Österreich, lebt jedoch nicht mit ihr zusammen und verfügt über normale soziale Kontakte.
Die bP möchte offensichtlich ihr künftiges Leben in Österreich gestalten und hält sich seit 15 Jahren und damit die Hälfte ihres Lebens im Bundesgebiet auf. Sie reiste legal im Wege der Familienzusammenführung in das Bundesgebiet ein. Sie spricht Türkisch und Deutsch.
Die Identität der bP steht fest. Sie verfügt über einen bis 2028 gültigen türkischen Personalausweis sowie einen bis 2022 gültigen türkischen Reisepass.
II.1.2. Die bP wurde am XXXX 2018 wegen Körperverletzung gem. § 83 StGB zur Anzeige gebracht. Die bP wurde von der damaligen Freundin zur Anzeige gebracht, da die bP die Freundin im Zuge eines Streites im Februar 2016 ins Gesicht geschlagen hat, was häufiger vorkam. Das Ermittlungsverfahren wurde wegen Geringfügigkeit eingestellt.
Am XXXX 2018 wurde die bP vom LG XXXX wegen des am XXXX 2017 begangenen Verbrechens der Vergewaltigung gem. § 201 StGB für schuldig befunden und zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten, davon 10 Monate bedingt, Probezeit für 3 Jahre rechtskräftig verurteilt.
Die bP wurde mit diesem Urteil schuldig gesprochen, das Opfer K mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs genötigt zu haben, indem er sie gegen die Sitzbank eines Kleinbusses drückte, ihre Beine gewaltsam auseinander zwängte und ihre Hose und Unterhose bis zu den Knien hinunter zog, sich auf sie legte, sein Glied in ihre Scheide einführte und sie ungeachtet ihrer Gegenwehr vaginal penetrierte. Strafmindernd wurde die bisherige Unbescholtenheit bewertet, kein Umstand wurde als erschwerend festgestellt. Das Urteil wurde auf die Angaben des Opfers und einer Zeugin, den Chat-Verlauf und die SMS Nachrichten der bP sowie des Opfers gestützt. Festgehalten wurde im Urteil weiters, dass die Voraussetzungen für die Diversion nicht vorliegen, da ein hoher Gesinnungsunwert (Verwerflichkeit der inneren Einstellung des Angeklagten) und ein hoher Handlungsunwert (mit erheblicher Intensität ausgeführte Tatbegehungsweise) vorliegen und der Angeklagte nicht einmal eine bedingte Unrechtseinsicht und eine partielle Verantwortungsübernahme gezeigt hat.
Die bP befand sich im Zeitpunkt der mündlichen Verkündung in Haft. Der bP wurde mit Beschluss des LG ein Strafaufschub bis 15.12.2018 gewährt. Sie ist vorerst nicht zum Termin erschienen, weshalb sie erst am 20.12.2018 selbst die Haft antrat.
II.1.3. Die Lage im Herkunftsstaat im Herkunftsstaat Türkei
Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat werden folgende Feststellungen getroffen:
Sicherheitslage
Als Reaktion auf den gescheiterten Putsch vom 15.7.2016 hat der türkische Präsident am 20.7.2016 den Notstand ausgerufen. Dieser berechtigt die Regierung, verschiedene Einschränkungen der Grundrechte wie der Versammlungs- oder der Pressefreiheit zu verfügen (EDA 24.1.2017). Auf der Basis des Ausnahmezustandes können u. a. Ausgangssperren kurzfristig verhängt, Durchsuchungen vorgenommen und allgemeine Personenkontrollen jederzeit durchgeführt werden. Personen, gegen die türkische Behörden strafrechtlich vorgehen (etwa im Nachgang des Putschversuchs oder bei Verdacht auf Verbindungen zur sogenannten Gülen-Bewegung), kann die Ausreise untersagt werden (AA 24.1.2017a).
Die innenpolitischen Spannungen und die bewaffneten Konflikte in den Nachbarländern Syrien und Irak haben Auswirkungen auf die Sicherheitslage. In den größeren Städten und in den Grenzregionen zu Syrien kann es zu Demonstrationen und Ausschreitungen kommen. Im Südosten des Landes sind die Spannungen besonders groß, und es kommt immer wieder zu Ausschreitungen und bewaffneten Zusammenstößen. Trotz erhöhter Sicherheitsmaßnahmen besteht das Risiko von Terroranschlägen jederzeit im ganzen Land. Seit dem Sommer 2015 hat die Zahl der Anschläge zugenommen. Im Südosten und Osten des Landes, aber auch in Ankara und Istanbul haben die Attentate zahlreiche Todesopfer und Verletzte gefordert, darunter Sicherheitskräfte, Bus-Passagiere, Demonstranten und Touristen (EDA 24.1.2017).
Die Situation im Südosten, so die Europäische Kommission, blieb eine der schwierigsten Herausforderungen für das Land. Die Türkei sah sich mit einer weiterhin sehr ernsten Verschlechterung der Sicherheitslage konfrontiert, in der es zu schweren Verlusten an Menschenleben nach dem Zusammenbruch der Verhandlungen zur Lösung der Kurdenfrage im Juli 2015 kam. Das Land wurde von mehreren terroristischen Großangriffen seitens der PKK und dem sog. Islamischen Staat (auch Da'esh) betroffen. Die Behörden setzten ihre umfangreiche Anti-Terror-kampagnen gegen die kurdische Arbeiterpartei (PKK) fort.Das Ausmaß der Binnenflucht aus jenen Zonen, in denen eine Ausgangssperre herrschte, sowie der mangelnde Zugang zur Grundversorgung in diesen Gebieten gaben der EK ebenfalls Anlass zu großer Sorge. Die EK sah die dringliche Notwendigkeit des ungehinderten Zuganges von unabhängigen Ermittlern in die Region. Überdies zitierte die EK die Venediger Kommission des Europarates, wonach sich die Verhängung der Ausgangssperren weder im Einklang mit der türkischen Verfassung noch mit den internationalen Verpflichtungen des Landes befände (EC 9.11.2016).
Die Parlamentarische Versammlung des Europarates (PACE) wies auf die rechtliche Einschätzung der Venediger Kommission vom 13.6.2016 hin, wonach die seit August 2015 verhängten Ausgangssperren im Südosten des Landes gegen die türkische Verfassung und den Rechtsrahmen verstoßen haben. Denn Ausgangssperren können nur in Zusammenhang mit dem materiellen oder dem Notstandsrecht verhängt werden, wofür es aber eines parlamentarischen Beschlusses bedarf, welcher jedoch nie gefasst wurde. Die Versammlung zeigte sich auch besorgt, dass 21 demokratisch gewählte kurdische Bürgermeister verhaftet und 31 weitere wegen Unterstützung oder Begünstigung einer terroristischen Organisation entlassen wurden. Die Versammlung äußerte ihre Besorgnis ob der breiten Interpretation des Anti-Terror-Gesetzes, um gewaltfreie Äußerungen zu bestrafen und jede Botschaft zu kriminalisieren, wenn diese sich bloß vermeintlich mit den Interessen einer Terrororganisation deckten (PACE 22.6.2016).
Mehr als 80 Prozent der Provinzen im Südosten des Landes waren von Gewalt betroffen. Sieben von neun Provinzen Südostanatoliens sowie zwölf von 14 Provinzen Ostanatoliens waren von Attentaten der PKK, der TAK und des sog. IS, Vergeltungsoperationen der Regierung und bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen der PKK und den türkischen Sicherheitskräften betroffen. In den Provinzen Diyarbakir, Mardin und Sirnak kam es zu den meisten, in Hakkâri, Kilis, Sanliurfa und Van zu relativ vielen Vorfällen (SFH 25.8.2016).
Für den Menschenrechtskommissar des Europarates bestand kein Zweifel daran, dass weite Bevölkerungsteile von den Ausgangssperren und Antiterrormaßnahmen betroffen waren. Laut Parlamentarischer Versammlung des Europarates waren 1,6 Millionen Menschen in den städtischen Zentren von den Sperrstunden betroffen, und mindestens 355.000 Personen wurden vertrieben. Zahlreichen glaubwürdigen Berichten zufolge, die durch dokumentarische Beweise und Videoaufnahmen gesichert wurden, haben die türkischen Sicherheitskräfte in manchen Fällen schwere Waffen eingesetzt, darunter auch Artillerie und Mörser sowie Panzer und schwere Maschinengewehre. Dies deckt sich mit den Zerstörungen, die der Menschenrechtskommissar angetroffen hat. Mehre Städte in den südöstlichen Landesteilen wurden zum Teil schwer zerstört. Der Gouverneur von Diyarbakir schätzte, dass 50% der Häuser von sechs Stadtvierteln in der Altstadt von Sur nun völlig unbewohnbar wurden, und dass weitere 25% beschädigt wurden (CoE-CommDH 2.12.2016).
Bereits im März 2016 wurde von schweren Verwüstungen der Stadt Cizre berichtet. Vom Cudi-Viertel auf der linken Seite des Tigris waren nur noch die Ruinen eingestürzter Häuser übrig; ein Hinweis darauf, dass die Panzer mit ihren Granaten systematisch auf die Stützpfeiler der Wohnhäuser zielten. 80 Prozent der Wohngebiete in Cizre sollen zerstört worden sein (LMD 7.7.2016). In Silopi wurden gemäß Regierungsberichten vom März 2016 6.694 Häuser und Wohnungen im Zuge der Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und PKK-nahen Guerillakämpfern beschädigt, wobei 27 komplett zerstört wurden. Lokale Quellen setzten die Zahl der betroffenen Wohnstätten wesentlich höher an. 241 Wohnobjekte, die im Regierungsbericht nicht aufscheinen, seien völlig zerstört worden (Rudaw 15.3.2016).
Laut der Sicherheitsagentur "Verisk Maplecroft" wurden 2016 bei 269 Terroranschlägen 685 Menschen getötet und mehr als 2.000 verwundet (FT 4.1.2017). Das "Bipartisan Policy Center" zählte bis Dezember 2016 eine Verdoppelung der Opferzahlen im Vergleich zu 2015. Beinahe 300 Personen wurden 2016 bei den größeren Terroranschlägen der Freiheitsfalken Kurdistans (TAK) und des sog. Islamischen Staates getötet. 2015 waren es weniger als 150 (BI 21.12.2016).
Neben Anschlägen der PKK und ihrer Splittergruppe TAK wurden mehrere schwere Anschläge dem sog. Islamischen Staat zugeordnet.
Bei einem Selbstmordanschlag auf eine Touristengruppe im Zentrum Istanbuls wurden im Jänner 2016 zwölf Deutsche getötet. Die Regierung gab dem IS die Schuld für den Anschlag (Zeit 17.1.2017). Am 28. Juni 2016 kamen bei einem Terroranschlag auf den Istanbuler Flughafen Atatürk über 40 Menschen ums Leben. Die Behörden gingen von einer Täterschaft des sog. Islamischen Staates (IS) aus (Standard 30.6.2016). Am 20.8.2016 riss ein Selbstmordanschlag des sog. IS auf eine kurdische Hochzeit in Gaziantep mehr als 50 Menschen in den Tod (Standard 22.8.2016). Mahmut Togrul, lokaler Parlamentarier der HDP, sagte, dass die Hochzeitsgäste größtenteils Unterstützer der HDP gewesen seien, weshalb der Anschlag nicht zufällig, sondern als Racheakt an den Kurden zu betrachten sei (Guardian 22.8.2016). In einer Erklärung warf die HDP der Regierung vor, sie habe Warnungen vor Terroranschlägen durch den sog. IS ignoriert. Vielmehr habe die Regierungspartei AKP tatenlos zugesehen, wie sich die Terrormiliz IS gerade in der grenznahen Stadt Gaziantep ausgebreitet hat (tagesschau.de 21.8.2016). Ein weiterer schwerer Terroranschlag des sog. IS erfolgte in der Silvesternacht 2016/17. Während eines Anschlags auf den Istanbuler Nachtclub Reina wurden 39 Menschen getötet, darunter 16 Ausländer (Zeit 17.1.2017).
Die PKK hat am 12.3.2016 eine Dachorganisation linker militanter Gruppen gegründet, um ihre eigenen Fähigkeiten auszuweiten und ihre Unterstützungsbasis jenseits der kurdischen Gemeinschaft auszudehnen. Die neue Gruppe, bekannt als die "Revolutionäre Bewegung der Völker" (HBDH), wird vom Chef der radikalsten linken Fraktion innerhalb der PKK, Duran Kalkan, geleitet. Erklärte Absicht der Gruppe, die den türkischen Staat und im Speziellen die herrschende AKP ablehnt, ist es, die politische Agenda voranzutreiben, wozu auch Terroranschläge u.a. gegen Ausländer gehören. Die Gruppe unterstrich zudem das Scheitern der kurdischen Parteien in der Türkei, auch der legalen HDP (Stratfor 15.4.2016). Laut Berichten beabsichtigt die HBDH Propagandaaktionen durchzuführen, um auch die Unterstützung von türkischen Aleviten zu erhalten, und um "Selbstverteidigungsbüros" in den Vierteln der südlichen und südöstlichen Städte zu errichten. Die HBDH will auch Druck auf Dorfvorsteher und Beamte ausüben, die in Schulen und Gesundheitsdiensten arbeiten, damit diese entweder kündigen oder die Ortschaften verlassen (HDN 4.4.2016). Neun verbotene Gruppen trafen sich auf Einladung der PKK am 23.2.2016 zur ihrer ersten Sitzung im syrischen Latakia, darunter die Türkische kommunistische Partei/ Marxistisch-Leninistisch (TKP/ML), die Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei (MLKP) [siehe 3.4.], die Revolutionäre Kommunistische Partei (DKP), die Türkische Kommunistische Arbeiterpartei/ Leninistin (TKEP/L), die Kommunistische Partei der Vereinten Nationen (MKP), die türkische Revolutionäre Kommunistenvereinigung (TIKB), das Revolutionshauptquartier und die Türkische Befreiungspartei-Front (THKP-C) [siehe 3.5] (HDN 4.4.2016; vgl. ANF News 12.3.2016). Die HBDH sieht in der Türkei eine Ein-Parteien-Diktatur bzw. ein faschistisches Regime entstehen, dass u.a. auf der Feindschaft gegen die Kurden gründet (ANF News 12.3.2016).
Quellen:
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- ANF News (12.3.2016): Peoples' United Revolutionary Movement established for a joint struggle, http://anfenglish.com/news/peoples-united-revolutionary-movement-established-for-a-joint-struggle, Zugriff 25.1.2017
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- CoE-CommDH - Council of Europe - Commissioner for Human Rights (2.12.2016): Memorandum on the Human Rights Implications of Anti-Terrorism Operations in South-Eastern [CommDH (2016)39], https://wcd.coe.int/com.instranet.InstraServlet?command=com.instranet.CmdBlobGet&InstranetImage=2952745&SecMode=1&DocId=2393034&Usage=2, Zugriff 24.1.2017
- Der Standard (22.8.2016): Anschlag auf Kurdenhochzeit: Ein Kind als Attentäter, http://derstandard.at/2000043149810/Anschlahgg-auf-Kurdenhohzeit-Ein-Kind-als-Attentaeter, Zugriff 24.1.2017
- Der Standard (30.6.2016): Istanbul-Anschlag: Spur nach Russland und Zentralasien, http://derstandard.at/2000040160430/Istanbul-Anschlag-Spur-nach-Russland-und-Zentralasien, Zugriff 24.1.2017
- Die Zeit (17.1.2017): Verdächtiger gesteht Attentat auf Nachtclub, http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2017-01/anschlag-istanbul-nachtclub-verdaechtiger-gestaendnis, Zugriff 24.1.2017
- EC - European Commission (9.11.2016): Turkey 2016 Report [SWD (2016) 366 final], http://ec.europa.eu/enlargement/pdf/key_documents/2016/20161109_report_turkey.pdf, Zugriff 24.1.2017
- EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (24.1.2017): Reisehinweise Türkei, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/tuerkei/reisehinweise-fuerdietuerkei.html, Zugriff 24.1.2017
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- HDN - Hürriyet Daily News (4.4.2016): Newly-formed PKK initiative to target Turkish cities, conduct political propaganda: Report, http://www.hurriyetdailynews.com/newly-formed-pkk-initiative-to-target-turkish-cities-conduct-political-propaganda-report.aspx?pageID=238&nID=97276&NewsCatID=341, Zugriff 25.1.2017
- LMD - Le Monde Diplomatique (7.7.2016): In den Ruinen von Cizre und Sûr, http://monde-diplomatique.de/artikel/!5317476, 24.1.2017
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- The Guardian (22.8.2016): Erdogan blames Isis for suspected suicide attack at wedding in Turkey, https://www.theguardian.com/world/2016/aug/20/several-dead-in-suspected-terrorist-blast-at-wedding-in-turkey, Zugriff 24.1.2017
Grundversorgung/Wirtschaft
Schätzungen besagten, dass sich das Wachstum des Bruttosozialprodukts 2016 auf unter 3% gemindert hat. Allerdings wird seitens der OECD ein Wiederanstieg auf 3,75% bis 2018 erwartet. Die türkische Wirtschaft ist weiterhin mit dem geopolitischen Gegenwind und ungelösten politischen Problemen konfrontiert. Nach dem gescheiterten Putschversuch im Juli 2015 verschlechterte sich die Marktstimmung nur vorrübergehend. Allerdings kam es im Zuge der geopolitischen Unsicherheiten und der Verlängerung des Ausnahmezustandes zu einer Herabstufung der Ratings, was zu einer zusätzlichen Schwächung der Landeswährung und der Aktienmärkte führte. Das Vertrauen der privaten Haushalte und Unternehmen sank. Die Unsicherheiten sind zwar hoch, doch die Fiskal-, Aufsichts- und Geldpolitik wirken unterstützend und sollten den Privatkonsum wieder anregen (OECD 11.2016).
Die türkische Wirtschaft hat mit enormen Problemen zu kämpfen. Im dritten Quartal des Jahres 2016 fiel das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 1,8% niedriger aus als im Vorjahresquartal, teilte die nationale Statistikbehörde mit. Es war das erste Mal seit 27 Quartalen, dass ein Minus verzeichnet wurde. Die BIP-Entwicklung im dritten Quartal ist bislang das deutlichste Zeichen, dass die schwierige politische Lage im Land sich auf die Wirtschaft auswirkt. Laut der Statistikbehörde gingen die privaten Konsumausgaben um 3,2% zurück. Die Exporte sanken demnach sogar um 7% (Zeit 12.12.2016).
Ein düsteres Bild ergibt ein Blick auf die Detailzahlen für 2016. Die Fertigungsindustrie als Rückgrat der türkischen Wirtschaft sank im dritten Quartal 2016 um fast 5%. Der wichtige Agrarsektor und der Dienstleistungsbereich schrumpften um 1% respektive 2% seit Anfang 2016. Turbulenzen im Privatsektor, Erschütterungen im Bankenbereich, ein Anstieg der Arbeitslosigkeit sowie schrumpfende Einkommen drohen für 2017. Der Hauptgrund liegt darin, dass sich die türkische Wirtschaft auf externe Fonds verlässt und sich eben diese angesichts eines gestiegenen Dollars aus dem Land zurückziehen (AM 4.1.2017).
Die Arbeitslosigkeit bleibt ein gravierendes Problem. Aus der jungen Bevölkerung drängen jährlich mehr als eine halbe Million Arbeitssuchende auf den Arbeitsmarkt, können dort aber nicht vollständig absorbiert werden. Hinzu kommt das starke wirtschaftliche Gefälle zwischen strukturschwachen ländlichen Gebieten (etwa im Osten und Südosten) und den wirtschaftlich prosperierenden Metropolen. Die durchschnittliche Arbeitslosenquote lag im Jahr 2015 bei knapp über 10%. Herausforderungen für den Arbeitsmarkt bleiben der weiterhin hohe Anteil der Schwarzarbeit und die niedrige Erwerbsquote von Frauen. Dabei bezieht der überwiegende Teil der in Industrie, Landwirtschaft und Handwerk erwerbstätigen ArbeiterInnen weiterhin den offiziellen Mindestlohn. Er wurde für das Jahr 2016 auf 1.647 Türkische Lira brutto festgesetzt. Die Entwicklung der Realeinkommen hat mit der Wirtschaftsentwicklung nicht Schritt halten können, sodass insbesondere die ärmeren Bevölkerungsschichten am Rande des Existenzminimums leben (AA 10.2016c, BS 2016).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (1.2017c): Wirtschaft, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_E9DC3FE4C4E50A1CDD48B99ED27D8701/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Tuerkei/Wirtschaft_node.html, Zugriff 6.2.2017
- AM - Al Monitor (4.1.2017): Why 2017 doesn't bode well for Turkey's economy, http://fares.al-monitor.com/pulse/originals/2017/01/turkey-economy-black-winter-alarm.html, Zugriff 11.1.2017
- BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Turkey Country Report, http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Turkey.pdf, Zugriff 11.1.2017
- Die Zeit (12.12.2016): Türkische Wirtschaft schrumpft erstmals seit Jahren, http://www.zeit.de/wirtschaft/2016-12/tuerkei-wirtschaft-politische-situation-unruhe-auswirkungen, Zugriff 11.1.2017
- OECD - Organisation for Economic Co-operation and Development (11.2016): developments in individual oecd and selected non-member economies - Turkey, http://www.oecd.org/eco/outlook/economic-forecast-summary-turkey-oecd-economic-outlook-november-2016.pdf, Zugriff 11.1.2017
II.1.4. Die bP stellt aufgrund ihres strafbaren Verhaltens eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr für die Gemeinschaft dar. Eine positive Zukunftsprognose (bzgl. des Verhaltens) konnte nicht erstellt werden. Es ergibt sich aus dem Ermittlungsverfahren überdies, dass die Abschiebung des bP in die Türkei zulässig und möglich ist und war die Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot geboten.
2. Beweiswürdigung
II.2.1. Das erkennende Gericht hat durch den vorliegenden Verwaltungsakt Beweis erhoben und ein ergänzendes Ermittlungsverfahren sowie eine Beschwerdeverhandlung durchgeführt. Der festgestellte Sachverhalt in Bezug auf den bisherigen Verfahrenshergang steht aufgrund der außer Zweifel stehenden Aktenlage fest und ist das ho. Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.
II.2.2. Die personenbezogenen Feststellungen hinsichtlich der bP ergeben sich aus ihren in diesem Punkt nicht widerlegten Angaben sowie den seitens der bP vorgelegten Bescheinigungsmittel. Die Feststellungen zu den strafrechtlich relevanten Vorfällen ergeben sich aus den diesbezüglichen, polizeilichen Unterlagen über die Einvernahmen, dem Strafregisterauszug und der gekürzten Urteilsausfertigung.
II.2.3 Zu der getroffenen Auswahl der Quellen, welche zur Feststellung der abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat herangezogen wurden, ist anzuführen, dass es sich hierbei aus der Sicht des erkennenden Gerichts um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen -sowohl staatlichen, als auch nichtstaatlichen Ursprunges- handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Die getroffenen Feststellungen ergeben sich daher im Rahmen einer ausgewogenen Gesamtschau unter Berücksichtigung der Aktualität und der Autoren der einzelnen Quellen. Auch kommt den Quellen im Rahmen einer Gesamtschau Aktualität zu.
Die bP trat auch den Quellen und deren Kernaussagen nicht konkret und substantiiert entgegen.
II.2.4. In Bezug auf den weiteren festgestellten Sachverhalt ist anzuführen, dass die von der belangten Behörde vorgenommene freie Beweiswürdigung (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76; Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305) im hier dargestellten Rahmen im Sinne der allgemeinen Denklogik und der Denkgesetze im Wesentlichen von ihrem objektiven Aussagekern her in sich schlüssig und stimmig ist.
II.2.4.1. Nach der Rechtsprechung des VwGH hat die Verpflichtung der Behörde zur amtswegigen Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes dort ihre Grenze, wo es der Mitwirkung der Partei bedarf und diese eine solche unterlässt (Erk. d. VwGH vom 12.9.2006, 2003/03/2006).
Auf die Mitwirkung des Asylwerbers im Verfahren ist Bedacht zu nehmen (§ 15 AsylG 2005) und im Rahmen der Beweiswürdigung - und damit auch bei der Beurteilung der Glaubhaftmachung - zu berücksichtigen (Feßl/Holzschuster, Asylgesetz 2005 Kommentar, S 385 mwN auf die Judikatur des VwGH). Wenn es sich um einen der persönlichen Sphäre der Partei zugehörigen Umstand handelt (zB ihre familiäre [VwGH 14.2.2002, 99/18/0199 ua], gesundheitliche [VwSlg 9721 A/1978; VwGH 17.10.2002, 2001/20/0601], oder finanzielle [vgl VwGH 15.11.1994, 94/07/0099] Situation), von dem sich die Behörde nicht amtswegig Kenntnis verschaffen kann (vgl auch VwGH 24.10.1980, 1230/78), besteht eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Asylwerbers (VwGH 18.12.2002, 2002/18/0279). Wenn Sachverhaltselemente im Ausland ihre Wurzeln haben, ist die Mitwirkungspflicht und Offenlegungspflicht der Partei in dem Maße höher, als die Pflicht der Behörde zur amtswegigen Erforschung des Sachverhaltes wegen des Fehlens der ihr sonst zu Gebote stehenden Ermittlungsmöglichkeiten geringer wird. Tritt in solchen Fällen die Mitwirkungspflicht der Partei in den Vordergrund, so liegt es vornehmlich an ihr, Beweise für die Aufhellung auslandsbezogener Sachverhalte beizuschaffen (VwGH 12.07.1990, Zahl 89/16/0069).
Insgesamt gesehen wurde der für die rechtliche Beurteilung entscheidungsrelevante Sachverhalt von der belangten Behörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben, der immer noch die gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Die belangte Behörde hat auch die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in der angefochtenen Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt und teilt das hier entscheidende Gericht auch die tragenden Erwägungen der Beweiswürdigung der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid.
II.2.4.2. Die bP konnte auch im Beschwerdeverfahren, insbesondere in der mündlichen Verhandlung den Feststellungen der belangten Behörde nicht entsprechend entgegentreten. Vielmehr erhellte sich für das BVwG, dass die bP nunmehr mit der Beschwerdeschrift sowie ihren Behauptungen in der Verhandlung versuchte, sich in einem besseren Licht darzustellen, als es den wahren Begebenheiten entspricht.
Schon die Angaben der bP zum ersten körperlichen Übergriff gegen eine Frau waren nicht stringent. Im Rahmen der Beschuldigtenvernehmung zum Vorfall am XXXX 2016 (Ohrfeige für Freundin) gab die beschwerdeführende Partei an, dass sie und das damalige Opfer ein Liebespaar gewesen wären. Es sei zwischen ihnen öfters zum Streit gekommen. Im Kino hätten sie deshalb einen Streit angefangen, weil die Freundin schwanger gewesen wäre und das Baby gegen den Willen der beschwerdeführerenden Partei abtreiben hätte lassen. Der Streit sei verbal geblieben. Seine Freundin hätte dann einen jungen Mann begrüßt und hätte sich die beschwerdeführende Partei gedacht, dass sie wieder "verarscht" werden würde, die Freundin hätte sie nämlich schon öfter mit anderen Männern betrogen. Sie hätte der Freundin deshalb leicht mit der rechten Hand ins Gesicht geschlagen. Das Paar würde halt oft streiten. Danach hätte die Freundin die bP angezeigt. Letztlich zeigte sich die bP dennoch zumindest zu dieser Ohrfeige geständig.
Hierzu wird aus dem Verhandlungsprotokoll zitiert, um gleich vorweg darzustellen, dass die bP offensichtlich widersprüchliche Angaben in der Einvernahme sowie in der Verhandlung tätigte und damit schon aus diesem Grund an ihrer Glaubwürdigkeit zu zweifeln war.
RI: Laut KPA haben sie am XXXX 2016 in einem EKZ eine Körperverletzung begangen, indem sie einer Frau im Zuge eines Streites in das Gesicht geschlagen haben. Das Verfahren gem. § 83 StGB wurde von der StA wegen "Geringfügigkeit" eingestellt. Was sagen sie dazu?
P: Ich war nie bei der Staatsanwaltschaft diesbezüglich, in Wien habe ich mit meiner Freundin in einem Einkaufszentrum gestritten. Das war keine Körperverletzung. Wir haben uns versöhnt und sind dann zur Polizei gegangen.
RI: War das Kind, das diese Frau abtreiben ließ, von ihnen?
P: Welche Frau?
RI: Diejenige, mit der sie sich versöhnt haben.
P: War sie schwanger? Sie hat mir nichts dergleichen gesagt.
RI: Frau XXXX hat bei ihrer Zeugeneinvernahme angegeben, dass sie sehr eifersüchtig waren und sie ihr im Zuge von heftigen Streitereien des Öfteren Ohrfeigen gaben (AS 194). Was sagen sie dazu?
P: Es waren die Angaben von XXXX , aber ich wurde damals nicht vernommen und ich konnte mich nicht verteidigen, wir hatten uns schon versöhnt.
RI Vorhalt: Laut AS 3 wurden sie zu den Vorwürfen sehr wohl befragt!
P: Das war im Jahr 2006, jetzt sind wir im Jahr 2019.
RI: Das war im Jahr 2016!
P: Ja, also das mache ich nicht bewusst, ich kann mich nicht so genau an Daten erinnern.
RI Vorhalt: Sie haben bei dieser Befragung durch das SPK XXXX , selbst angegeben, dass es bei dem Streit darum ging, dass Frau XXXX schwanger war und das Baby gegen Ihren Willen abtreiben ließ.
P: Ich habe vorhin verstanden, dass durch die Schläge von mir sie das Kind verloren hat.
Zu den Ausführungen in der Beschwerde ist festzuhalten, dass selbst wenn dieses Verfahren gegen die bP eingestellt wurde, bereits damals die Haltung gegenüber Frauen an die Oberfläche kam und sich in einem an sich strafbaren Verhalten manifestierte. Hinzu kommt, dass die bP sich diesbezüglich auch teilweise uneinsichtig zeigte und immer wieder vor der Polizei versuchte, die Ohrfeige auf eine Provokation der Freundin zurückzuführen und damit seine Handlung zu entschuldigen.
Schon in diesem Zusammenhang ist darauf zu verweisen, dass die fremdenpolizeilichen Beurteilungen unabhängig und eigenständig, von denen des Strafgerichts für die Strafbemessung, die bedingte Strafnachsicht und den Aufschub des Strafvollzugs betreffenden Erwägungen zu treffen sind (vgl. Erkenntnis des VwGH v. 6.Juli 2010, Zl. 2010/22/0096). Es obliegt daher dem erkennenden Gericht festzustellen, ob eine Gefährdung im Sinne des FPG vorliegt oder nicht. Es geht bei der Erlassung eines Einreiseverbotes in keiner Weise um eine Beurteilung der Schuld des Fremden an seinen Straftaten und auch nicht um eine Bestrafung (vgl. Erkenntnis des VwGH vom 8. Juli 2004, 2001/21/0119).
Es kam jedoch nicht nur zu diesem einen Vorfall 2016, sondern wurde die bP im Jahr 2018 wegen einer Tat aus 2017 schuldig gesprochen. So hat die bP das damalige Opfer K mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs genötigt, indem sie das Opfer gegen die Sitzbank eines Kleinbusses drückte, ihre Beine gewaltsam auseinander zwängte und ihre Hose und Unterhose bis zu den Knien hinunterzog, sich auf sie legte, das Glied in ihre Scheide einführte und sie ungeachtet ihrer Gegenwehr vaginal penetrierte. Strafmindernd wurde die bisherige Unbescholtenheit, kein Umstand wurde als erschwerend festgestellt.
Aus der Zeugenvernehmung der K am 21.12.2010 geht hervor, dass sich die bP mit K, einer Facebook Bekanntschaft am XXXX 2017 getroffen hat. Ausführlich schildert das Opfer, wie es zur Vergewaltigung gekommen ist, und wie sie sich während und nach der Vergewaltigung gefühlt hat. Vorerst hat sie demnach gedacht, selbst an der Vergewaltigung schuldig zu sein. Im Zuge der Vergewaltigung im Firmenbus der beschwerdeführenden Partei belästigte die bP das Opfer mehrfach und ignorierte die Aufforderung des Opfers, mit dem körperlichen Übergriffen aufzuhören. Schließlich hat die bP mit den Händen die Füße des Opfers auseinandergedrückt und die Schreie des Opfers, dass es weh tut, ignoriert. Während die beschwerdeführende Partei den Penis in die Vagina des Opfers steckte, hat sich das Opfer ihren Angaben gemäß die Hände vor die Augen gehalten, geschrien und geweint. Die bP gab zu diesem Vorfall an, dass der Vorfall im Bus einvernehmlich gewesen sei und auch das Opfer Geschlechtsverkehr gewollt hätte.
Festgehalten wurde im Urteil des Strafgerichts, dass die Voraussetzungen für die Diversion nicht vorliegen, da ein hoher Gesinnungsunwert (Verwerflichkeit der inneren Einstellung des Angeklagten) und ein hoher Handlungsunwert (mit erheblicher Intensität ausgeführte Tatbegehungsweise) vorliegen und der Angeklagte nicht einmal eine bedingte Unrechtseinsicht und eine partielle Verantwortungsübernahme gezeigt hat.
In der mündlichen Verhandlung gab die bP vorerst zur Frage, was ihre Freundin zu der Vergewaltigung sage an: "Das war ganz anders, diese Sache, ich wollte nicht vergewaltigen." Erst später versuchte die bP dann das Vorbringen aus der Beschwerde, wonach die Verurteilung von der bP grundsätzlich akzeptiert werde und sie ihr Leben so gestalte, dass sich keinerlei strafrechtsrelevante Berührungspunkte ergeben können, wiederzugeben. Wie bereits in der Beschwerde wurde jedoch von der bP auch in der Verhandlung versucht, eine Rechtfertigung für das Verhalten zu finden und gab die bP zuletzt wiederum an, dass das Vergewaltigungsopfer ihr nicht gesagt habe, dass sie ihn nicht will. Vor diesem Hintergrund sind die philosophisch ausschweifenden Ausführungen der bP davor zur Stellung der Frau und seinem Respekt dem anderen Geschlecht gegenüber als bloßer Versuch zu sehen, einen offensichtlich eingelernten Text hinsichtlich dieser Umstände zu Protokoll zu geben und sich in einem besseren Licht darzustellen.
Vor allem vermeinte die bP auch in der Verhandlung, es gäbe nur diesen Vergewaltigungsvorfall, die Ohrfeige in der Öffentlichkeit negierte sie. Über Vorhalt des Akteninhaltes zu diesem Vorfall konnte die bP nicht einmal die Eckdaten, welche sie damals bei der Polizei angegeben hat benennen und versuchte auch dieses - sein tatsächliches Verhalten gegenüber Frauen - herunterzuspielen (vgl. Zitat aus dem Protokoll oben).
Der Versuch der bP, sich in der Verhandlung selbst letztlich als Opfer darzustellen (bspw. Frauen wären oft eifersüchtig und würden schlecht reden, wenn er sie abweise), scheiterte aus den vorangestellten Gründen. Das Gericht gewann in der Verhandlung vielmehr den Eindruck, dass sie aus der Verurteilung nichts gelernt hat und nach wie vor wenig Respekt vor Frauen hat. Die mehrfachen Ohrfeigen seiner ehemaligen Freundin gegenüber und die ein Jahr und 9 Monate später folgende Vergewaltigung zeigen auch, dass die bP nicht davor zurückschreckt, in die körperliche Integrität von anderen einzugreifen.
Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung hat auch das nunmehr entscheidende Gericht - wie bereits das die bP zu einer teils unbedingten Freiheitsstrafe verurteilende Landesgericht für Strafsachen - den Eindruck in der Verhandlung gewonnen, dass die bP nach wie vor den Unrechtsgehalt seiner Taten nicht eingesehen hat bzw. einen äußerst ungünstigen und uneinsichtigen Eindruck hinterlassen hat. Keinesfalls kann von einem reumütigen Verhalten gesprochen werden und hatte die bP auch keinerlei einleuchtende Begründung dafür, warum sie bislang nicht versucht hat, sich beim Opfer zu entschuldigen.
Das BVwG zieht auch das bis zum Schluss leugnende Verhalten der bP in die Beweiswürdigung mit ein und sieht darin einen Umstand, welcher im Rahmen der Bemessung der Höhe des Aufenthaltsverbotes zu berücksichtigen ist.
Auch konnte die bP in der Verhandlung nicht glaubwürdig erläutern, warum ihr ein solcher Fehler nicht nochmals passieren sollte. Gerade das Risiko psychischer Beeinträchtigungen von Opfern in diesem Zusammenhang wiegt gemäß der in der rechtlichen Beurteilung angeführten Judikatur besonders schwer und gab das Vergewaltigungsopfer bei der Polizei bekannt, dass sie unter Panikattacken leidet. Im Zeitpunkt der Verhandlung befand sich die bP von in Haft, weshalb schon insgesamt gesehen nicht von einem Zeitraum des Wohlverhaltens nach der letzten Tat gesprochen werden kann.
Zu den Verwaltungsstrafen gab die bP über Vorhalt der Richterin an, dass sie ca. 20 Radarstrafen und die Strafe wegen Verletzung der Mautpflicht bezahlt hätte. Trotz Zahlung dieser Übertretungen fügt sich diese hohe Anzahl an Verwaltungsübertretungen in das Bild, und zwar dass die bP grundsätzlich nicht gewillt ist, sich an die österreichische Rechtsordnung und die hier geltende Werteordnung zu halten.
Schließlich gab die bP in der Verhandlung zur Frage, ob sie sich schon einmal professionelle Hilfe wegen ihrem aggressiven Verhalten gegenüber Frauen gesucht habe an, nicht aggressiv gegenüber Frauen gewesen zu sein. Sie konnte aber ihr aktenkundiges Verhalten gegenüber Frauen nicht erklären und hat auch gerade wegen der mangelnden Reue und Einsicht noch keinerlei Hilfe in Anspruch genommen. Es drängte sich vielmehr der Eindruck auf, dass die bP selbst keinerlei Verantwortung für das Sittlichkeitsdelikt oder ihre Handlungen gegenüber der Ex-Freundin übernehmen wollte, jedoch im Hinblick - etwa auch über entsprechende Erklärungen durch die Vertretung - respektvoll und kooperativ erscheinen wollte. Vor dem Hintergrund der oben widergegebenen Auszüge aus dem Gerichturteil und den Einvernahmen bestanden jedoch keinerlei Zweifel, dass die bP sowohl die Vergewaltigung als auch die körperlichen Misshandlungen der Ex-Freundin genau wie im Sachverhalt beschrieben begangen und letztlich nicht aufgearbeitet hat. Die bP stellt damit eine erhebliche Gefahr für die Öffentliche Sicherheit und Ordnung dar.
II.2.4.2. Zu den Anknüpfungspunkten in Österreich ist festzustellen, dass sich die bP offensichtlich vorwiegend in der türkischen Community aufhält und in der Verhandlung zur Frage nach österreichischen Freunden nur angegeben hat, über die "Firma" Österreicher zu kennen. Von besonderen sozialen Kontakten, welche über die Verbindungen die durch den Aufenthalt automatisch geknüpft werden hinausgehen, kann damit nicht ausgegangen werden.
Im Zuge Ihrer Stellungnahme gab die bP an, dass sie mit Frau XXXX eine Beziehung führen würde und auch gerne heiraten würde. In der Verhandlung gab die bP auf die Frage, ob sie eine Lebensgefährtin habe an, dass sie Personen habe, mit denen sie spreche, mit jemanden zusammen gelebt habe sie nie. Sie sei auf Montage gewesen und habe im Hotel gelebt. Erst über Vorhalt erwähnte die bP diese Freundin. Die bP lebt mit ihr jedoch in keiner Lebensgemeinschaft, sie verfügen über keinen gemeinsamen Wohnsitz und hat die bP in der Verhandlung auch angegeben, dass sie sich erst seit ca. 4-5 Monaten kennen. Bei dieser Freundin handle es sich um eine österreichische Staatsangehörige welche die bP heiraten wolle. Die bP lebt und lebte mit dieser nicht in einem gemeinsamen Haushalt, kannte sie erst wenige Monate und verbrachte die letzten Monate im Gefängnis. Darüber hinaus wusste die bP auch nicht einmal den Geburtstag der Freundin, weshalb von besonderen Bindungen nicht ausgegangen werden kann. Vor diesem Hintergrund war auch dem Antrag in der Verhandlung, die Freundin der bP möge einvernommen werden, nicht zu folgen, da die Eckdaten der Angaben der bP zur Verbindung als wahr angenommen wurden, jedoch nicht davon ausgegangen werden kann, dass eine relevante Verbindung aufgrund deren Kürze und mangelnder gemeinsamer Wohnsitznahme vorliegt.
Zu den Ausführungen in der Stellungnahme vom 29.08.2018, dass die bP mit einem an Parkinson leidenden Vater im Haushalt lebt und diesen pflegt und von diesem eine umfassende Vollmacht habe, um ihm bei den Behörden und Banken vertreten zu können, ist festzuhalten, dass sich in der Verhandlung herausstellte, dass die Pflege von der Mutter der bP übernommen wird. Sowohl die Mutter als auch die bP selbst gaben an, dass die bP meistens nur am Wochenende zu Hause ist. Während die bP in der Verhandlung noch den Schein aufrecht zu halten versuchte, dass sie an der Pflege des Vaters beteiligt ist, erhellte sich schnell während der Einvernahmen der Mutter und des Bruders, dass die bP eben schon aus zeitlichen Gründen nicht wesentlich an der Betreuung des Vaters beteiligt ist. Auch die Ausführungen der bP, dass sie für den im gemeinsamen Haushalt lebenden Bruder sorge, erwiesen sich als haltlos. Selbst wenn man annehmen möchte, dass der Bruder tatsächlich unter Schizophrenie leidet, so hat er weder einen Erwachsenenvertreter, noch erweckte er in der Verhandlung den Eindruck, dass er selbst Hilfe bräuchte. Vielmehr gab er an, dass er und die Mutter dem Vater die Medikamente verabreichen und die bP darin nicht involviert ist. Letztlich bleibt, dass die bP den Vater öfter mit dem Auto zu Arztterminen bringt und Besorgungen erledigt. Jedoch stellte sich bereits in der Verhandlung heraus, dass selbst diese Dienste nunmehr durch den weiteren Bruder der bP oder die Rettung übernommen werden. Die Rettung wurde auch bereits einmal gerufen, als die bP arbeiten war und keine Zeit hatte. Somit kann davon ausgegangen werden, dass die bP zur Pflege und Versorgung des Vaters in Österreich nicht benötigt wird. Entgegen den Angaben in der Beschwerde gab die bP selbst in der Verhandlung auch an, dass sie Bankgeschäfte nichts angingen und die Eltern für sich selbst den Alltag bewerkstelligen und regeln. Letztlich scheint die bP auch im Melderegister nicht an derselben Adresse wie die Eltern auf, weshalb von keinen besonderen Bindungen, welche im Rahmen des Art. 8 EMRK relevant werden würden, angenommen werden könne.
Auch zu seiner eigenen Erwerbstätigkeit verstrickte sich die bP in Ungereimtheiten. So behauptete sie vorerst im erstinstanzlichen Verfahren, fast durchgängig erwerbstätig gewesen zu sein. Folgt man jedoch dem Sozialversicherungsauszug, so ergibt sich daraus, dass die bP mehrheitlich nicht - zumindest nicht offiziell und sozialversicherungspflichtig - gearbeitet hat. Auch im Zusammenhang mit der nunmehr mit März 2018 begonnenen selbstständigen Tätigkeit ergaben sich Unstimmigkeiten in den Angaben. So gab die bP an, dass sie das Gewerbe mit Oktober 2018 ruhend gestellt habe. Andererseits habe sie aber um einen Strafaufschub bis in den Dezember wegen der Arbeit gebeten und dann letztlich die Strafe dennoch im Dezember nicht fristgerecht angetreten, da sie noch einen Auftrag zu beenden gehabt hätte. Gerade dies legt nahe, dass es die bP auch mit arbeits- und finanzrechtlichen Zusammenhängen nicht so genau nimmt.
Insgesamt zeigte sich auch durch dieses verspätete Erscheinen zum Haftantritt ohne jegliche Bedenken und das gesamte Verhalten der bP in Österreich sowie auch in der Verhandlung, dass sie nicht daran interessiert ist, was österreichische Behörden oder Gerichte anordnen. Gerade der Strafaufschub konnte schon aufgrund des verspäteten Antritts nicht zugunsten der bP gesehen werden.
II.2.4.3. Zu den Kontakten in der Türkei ist auszuführen, dass die bP selbst angegeben hat, dass der Vater dort ein Haus besitzt, welches nur zeitweise vermietet ist und sie damit über eine Unterkunft verfügt. Darüber hinaus leben die Schwester und weitere Verwandte in der Türkei, welche die bP im Rahmen der Rückkehr unterstützen können. Die bP spricht auch Türkisch. Zur Ex-Gattin und dem Kind ist festzuhalten, dass auch in diesem Zusammenhang die bP widersprüchliche Angaben tätigte. So führte sie vorerst Ehestreitigkeiten als Scheidungsgrund an und wäre die Ehegattin zuletzt ohne seine Kenntnis in die Türkei gereist. Demnach kann die Scheidung nicht so einvernehmlich verlaufen sein, wie die bP dies darzustellen versuchte. Darüber hinaus gab sie letztlich an, dass sie nur zeitweise über ihre Mutter Geld für das Kind in die Türkei schicke und ihre Unterhaltspflichten nicht wie in der Beschwerde behauptet regelmäßig erfüllt. Dennoch verfügt die bP damit jedenfalls über entsprechende Anknüpfungspunkte in der Türkei.
II.2.4.4. Vor diesem Hintergrund ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer den Eingriff in sein Privat- und Familienleben hinzunehmen hat, zumal dies durch Art. 8 Abs. 2 EMRK gedeckt ist (vgl. rechtliche Beurteilung unten).
II.2.4.5. Hinsichtlich des Antrags auf Durchsetzungsaufschub gemäß § 70 FPG vom 29.08.2018 ist festzuhalten, dass diesem schon deshalb nicht stattzugeben ist, da sich dieser auf das Rechtsinstitut des Aufenthaltsverbotes bezieht und im vorliegenden Fall ein Einreiseverbot verhängt wurde.
3. Rechtliche Beurteilung
II.3.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter, Anzuwendendes Verfahrensrecht
II.3.1.1. Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF) entscheidet das Bundesverwaltungs-gericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
II.3.1.2. Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesver-waltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl I 10/2013 idgF entscheidet im gegenständlichen Fall der Einzelrichter.
II.3.1.3. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft und hat das ho. Gericht im gegenständlichen Fall gem. § 17 leg. cit das AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
§ 1 BFA-VG bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt. Gem. §§ 16 Abs. 6, 18 Abs. 7 BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.
II.3.1.4. Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, es den angefochtenen Bescheid, auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Zu A) (Spruchpunkt I)
II.3.2. Erlassung einer Rückkehrentscheidung
II.3.2.1. Gesetzliche Grundlagen (auszugsweise):
§ 9 BFA-VG, Schutz des Privat- und Familienlebens:
"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) - (6) ..."
§ 52 FPG, Rückkehrentscheidung:
"§ 52. ...
(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn
----------
1.-nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre,
1a.-nachträglich ein Versagungsgrund eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Einreisetitels entgegengestanden wäre oder eine Voraussetzung gemäß § 31 Abs. 1 wegfällt, die für die erlaubte visumfreie Einreise oder den rechtmäßigen Aufenthalt erforderlich ist,
2.-ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und im ersten Jahr seiner Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubten unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,
3.-ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen ist und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,
4.-der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht oder
5.-das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, aus Gründen, die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde.
§ 11. NAG (1) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nicht erteilt werden, wenn
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1.-gegen ihn ein aufrechtes Einreiseverbot gemäß § 53 FPG oder ein aufrechtes Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht;
2.-gegen ihn eine Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz besteht;
3.-gegen ihn eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung erlassen wurde und seit seiner Ausreise nicht bereits achtzehn Monate vergangen sind, sofern er nicht einen Antrag gemäß § 21 Abs. 1 eingebracht hat, nachdem er seiner Ausreiseverpflichtung freiwillig nachgekommen ist;
4.-eine Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 Abs. 1 oder 2) vorliegt;
5.-eine Überschreitung der Dauer des erlaubten visumfreien oder visumpflichtigen Aufenthalts im Zusammenhang mit § 21 Abs. 6 vorliegt oder
6.-er in den letzten zwölf Monaten wegen Umgehung der Grenzkontrolle oder nicht rechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet rechtskräftig bestraft wurde.
(2) A