Index
L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §52;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde der Adelheid Hager und der Stephanie Stephan in Zwettl, beide vertreten durch Dr. Gerhard Rößler, Rechtsanwalt in Zwettl, Hamerlingstraße 1, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 10. Mai 1994, Zl. R/1-V-93246/00, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde Zwettl, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat den Beschwerdeführerinnen Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Ansuchen vom 15. Juli 1992 begehrte die Mitbeteiligte als Bauwerberin die Erteilung der Baubewilligung für ein dreistöckiges Parkhaus für 249 Pkw auf den Grundstücken Nr. 832, 834 und 835/1, KG Zwettl-Stadt, an der in Nord-Südrichtung verlaufenden Gartenstraße. Der Erstbeschwerdeführerin gehört das seitliche Nachbargrundstück Nr. 839/1, der Zweitbeschwerdeführerin das an der Nord- und an der Westseite davon umschlossene Eckgrundstück Nr. .440 mit dem Haus Gartenstraße 11. Das der Ausfahrt des projektierten Parkhauses gegenüberliegende Grundstück Nr. .380 mit dem Haus Gartenstraße 12 gehört der Erstbeschwerdeführerin zur Hälfte.
Projektgemäß weist das annähernd rechteckige Gebäude an der Straßenfront eine Länge von 53 m auf und soll mit einer geschlossenen (öffnungslosen) Seitenwand an der Nachbargrundgrenze (wegen des dazwischenliegenden Grundstückes Nr. 834 erst ab einer Tiefe von rund 12 m) zu dem der Erstbeschwerdeführerin gehörenden Grundstück Nr. 839/1 ausgeführt werden. Diese Seitenwand deckt das Erdgeschoß und das erste Obergeschoß ab und bildet hinsichtlich des zweiten Obergeschoßes eine (überwiegend) 1,2 m hohe Brüstung. Das zweite Obergeschoß ist nur im Bereich der im Zentrum angeordneten Stellplätze offen überdacht; an der Seitenwand zum Grundstück der Beschwerdeführerinnen befindet sich kein Stellplatz, sondern die Auffahrt.
Bei der am 20. Juli 1992 durchgeführten Verhandlung wurde festgestellt, daß hinsichtlich der Bauparzellen noch keine geeignete rechtskräftige Flächenwidmung vorliege, daß aber das Vorhaben mit der künftigen Widmung (Bauland-Kerngebiet) vereinbar sei. Die Beschlußfassung hinsichtlich dieser Flächenwidmung durch den Gemeinderat war bereits am 6. Juli 1992 erfolgt. Diese Änderung wurde aber erst am 19. Dezember 1992 rechtswirksam. Ein Bebauungsplan besteht für die Bauparzellen nicht.
Die Beschwerdeführerinnen rügten insbesondere, daß das Garagengebäude an die Parzelle Nr. 839/1 angebaut werde; weiters machten sie unzumutbare Lärmbelästigung geltend.
Der bautechnische Sachverständige führte aus, daß aufgrund der bestehenden Bebauung im unmittelbaren und näheren Umgebungsbereich kein offenbarer Widerspruch im Sinne des § 120 NÖ BauO durch die Bauführung gegeben sei. Gefordert wurde u.a. die Auflage, daß Außenwände an den Grundstücksgrenzen brandbeständig und öffnungslos vorzusehen seien.
Der umwelttechnische Sachverständige führte in der Verhandlung aus, daß unter der Maximalannahme eines stark besuchten bzw. benützten Parkdecks bei einem stündlichen Parkplatzwechsel von 200 Pkw bzw. von 1600 Fahrzeugen pro Tag auszugehen sei. Unter Berücksichtigung der Immissionsfaktoren wie Einsteigen, Türen Zuschlagen, Starten, kurzes Laufenlassen und Abfahren, gelangte er zu einer Immissionsbelastung im Bereich der Nachbarschaft während der Tagzeit von 50 bis 52 dB und während der Nachtzeit unter 40 dB, wobei während der Nachtzeit mit einem stündlichen Wechsel von 10 Fahrzeugen gerechnet wurde (das Parkhaus soll projektgemäß während der Nachtzeit nur für Dauerparker zugänglich sein). Ein in der Folge von der Baubehörde angeforderter lärmtechnischer Meßbericht der Niederösterreichischen Umweltschutzanstalt gelangte zum Ergebnis, daß bei kontinuierlicher Messung über einen Zeitraum von 24 Stunden an drei Nachbarschaftsmeßpunkten zur Tagzeit der Mittelwert des energieäquivalenten Dauerschallpegels mit 50,3 bis 60,3 dB, zur Nachtzeit zwischen 39,6 und 46,2 dB, ermittelt wurde.
Ausgehend davon führte der beigezogene medizinische Sachverständige dazu aus, daß hinsichtlich des Grundstückes Nr. .380 insofern keine Änderung bei der Lärmbelästigung eintrete, als der vorwiegend durch den Straßenverkehr in der Gartenstraße verursachte Verkehrslärm bereits jetzt so hoch sei, daß durch die vom Parkdeck zu erwartende zusätzliche Lärmbelästigung keine Lärmerhöhung bewirke. Bei den übrigen Anrainern trete unter Tag eine Erhöhung der Lärmbelästigung um bis zu 3 dB (A) ein, die Gesamtbelastung überschreite aber nie den energieäquivalenten Dauerschallpegel von 55 dB (A). Dieser Wert werde in Gebieten mit ständiger Wohnnutzung als Grenzwert des vorbeugenden Gesundheitsschutzes angesehen. Hinsichtlich der nächtlichen Lärmimmission betrage der Schwellenwert 45 dB (A) im Freien, welcher Wert im gegenständlichen Fall weit unterschritten werde, sodaß Schlafstörungen nicht zu befürchten seien.
Die Erstbeschwerdeführerin brachte in ihrer Stellungnahme dazu vor, es dürfe der Lärm des derzeitigen, konsenslosen Parkplatzes nicht als Beurteilungsgrundlage herangezogen werden. Wenn schon jetzt der energieäquivalente Dauerschallpegel bei Tag 60 dB betrage, so ergebe sich durch die Erhöhung des Verkehrsaufkommens, wie es durch das Projekt zu erwarten sei, jedenfalls eine wesentliche Erhöhung.
Weiters wurde in dieser Stellungnahme eingewendet, daß die vorgesehene gekuppelte Bebauung im Widerspruch zur bisherigen Bebauung stünde.
Mit Bescheid vom 24. Mai 1993 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde die begehrte Baubewilligung, wobei die in der Verhandlung genannten Auflagen in den Bescheid aufgenommen wurden. Im Punkt 4 dieser Auflagen wurde festgelegt, daß Brüstungen mindestens 1,2 m hoch sein müssen und im Falle der Ausbildung mit Geländern nicht brennbares Material verwendet werden müsse. Außerdem seien Brüstungen und Geländer unter der Voraussetzung zulässig, daß beim Fußboden eine zumindest 5 cm hohe nicht brennbare Schwelle angeordnet wird. Punkt 5 dieser Auflagen sieht vor, daß Außenwände an Grundstücksgrenzen brandbeständig und öffnungslos herzustellen sind. Schließlich enthalten mehrere Auflagen Brandschutzanordnungen.
Die Einwendungen der Beschwerdeführerinnen hinsichtlich der Lärmbelästigung und des Abstandes wurden als unbegründet abgewiesen. Hinsichtlich der Lärmsituationen seien die Sachverständigen von der Maximalfrequenz von 1600 Pkw ausgegangen und so zu einer Lärmimmission vom Parkdeck mit 50 bis 52 dB gelangt; auch zur Nachtzeit werde der Basisgeräuschpegel vom Beurteilungspegel um nicht mehr als 10 dB überschritten.
Was die Abstandsverletzung betreffe, liege kein Bebauungsplan vor, der einen Abstand verlange; auch sei kein offenbarer Widerspruch gemäß § 120 Nö BauO gegeben. Feuerpolizeilichen Rücksichten werde insofern entsprochen, als für die Außenwände an den Grundstücksgrenzen eine brandbeständige und öffnungslose Herstellung vorgeschrieben wurde.
In ihrer dagegen erstatteten Berufung rügten die Beschwerdeführerinnen, daß die Voraussetzungen, ob ein auffallender Widerspruch zur bestehenden Bebauung vorliege, nicht hinreichend geprüft worden seien. Weiters wird die Nichteinhaltung der Abstandsbestimmung des § 2 Abs. 6 NÖ Garagenverordnung gerügt. Die Seitenwand an der Grundstücksgrenze sei keine Brandwand im Sinne des § 35 Nö BauO, weil sie im zweiten Obergeschoß nur eine Brüstung bilde. Hinsichtlich der Lärmbelastung wurde vorgebracht, daß die Annahme von 1600 Fahrzeugen pro Tag bei 200 Fahrzeugen pro Stunde nicht gerechtfertigt sei, weil die Garage nicht acht, sondern 16 Stunden (6.00 bis 22.00 Uhr) täglich geöffnet sei, was somit 3200 Fahrzeuge ergebe. Die Lärmbelästigung durch das Einfahren und Rangieren auf dem obersten Parkdeck sei nicht erhoben worden.
Die Berufungsbehörde holte ein Gutachten des Gebietsbauamtes zur Frage des auffallenden Widerspruches zur bestehenden Bebauung und zu den Erfordernissen nach § 2 Abs. 6 Garagenverordnung bzw. § 35 Nö BauO ein. Der Sachverständige umschrieb das Beurteilungsgebiet wie folgt:
"Das für die Beurteilung relevante Untersuchungsgebiet wird im Süden durch die Landstraße, im Westen durch die Stadtmauer von der Landesstraße bis auf Höhe zum Beginn der Schulgasse und in weiterer Folge die Schulgasse bis nördl. Bereich - Widmung "BS-Schule", sowie im Osten durch das linke Ufer des Kampflusses bzw. des ausgewiesenen Grüngürtels in diesem Bereich, begrenzt und bestimmt."
Hinsichtlich des Kriteriums: "Anordnung auf dem Bauplatz" traf der Sachverständige folgende Feststellungen:
"Bei dem Untersuchungsgebiet handelt es sich um ein vorwiegend mit Wohnhäusern bebautes Gebiet, wobei lediglich in der Gartenstraße auch ein Anteil von Scheunenobjekten gegeben ist. Im Innenbereich des Untersuchungsgebietes liegend ist das Amtsgebäude der Stadt Zwettl mit zugeordneten Nebengebäuden und auch das Wohnobjekt der Beschwerdeführer.
Die Beurteilung der überwiegenden und maßgebenden Bebauung für das gegenständliche Gebiet ist wie folgt zu charakterisieren:
-
mehrheitliche Bebauung an der Straßenfluchtlinie und geschlossene Bauweise
-
geringer Umfang "offene Bauweise" -
-
freistehend sowie "gekoppelte Bauweise" -
-
angebaut an eine Nachbargrundgrenze ...."
In seinem Gutachten folgerte der Sachverständige daraus, daß das Projekt hinsichtlich seiner Lage alle Merkmale der vorherrschenden Bebauung des maßgeblichen Beurteilungsgebietes aufweise.
Zur Abstandsbestimmung des § 2 Abs. 6 Nö Garagenverordnung führte der Sachverständige aus, daß durch die Punkte 5 und 11 der Auflagen den feuerpolizeilichen Rücksichten im Sinne des zweiten Absatzes des § 2 Abs. 6 dieser Verordnung entsprochen werde. Die freie Abstellanlage auf der Decke des
zweiten Geschoßes sei kein Bauwerk im Sinne des § 2 Abs. 5 Nö BauO, weshalb insofern (hinsichtlich des zweiten Obergeschoßes) kein Brandwandabschluß erforderlich sei. Es handle sich nur um eine Abstellanlage im Sinne des § 2 Abs. 1 Nö BauO.
Die Beschwerdeführerinnen rügten in ihren Stellungnahme dazu, daß das Gutachten nicht in der Verhandlung erstattet wurde; alle großvolumigen Gebäude im Beurteilungsgebiet (Stadtmauer, Glashäuser und Turnhalle) wiesen wesentliche Abstände zu den Grundgrenzen auf. Die im Auflagepunkt 5 geforderte Brandwand müsse sich auf alle Geschoße erstrecken. Insbesondere werde der Anforderung an Brandwände gemäß § 35 Abs. 3 NÖ BauO nicht entsprochen. Das gesamte Parkdeck sei ein Bauwerk im Sinne des § 2 Abs. 5 Nö BauO.
Der in der Bauverhandlung beigezogene umwelttechnische Sachverständige ergänzte aufgrund der Berufung sein Gutachten zur Frage der Lärmimmission. Auszugsweise wiedergegeben lautet sein Ergänzungsgutachten vom 9. August 1993, in welchem mehrfach auf das in der Verhandlung erstattete Gutachten Bezug genommen wurde, wie folgt:
"So ist z.B. angeführt, daß die Fahrbewegungen innerhalb des Parkdecks sowohl bei Tag- als auch zur Nachtzeit unterhalb von 40 dB liegen und daher für die Lärmimmissionsbelastung keinen relevanten Teil darstellen. Weiters ist zu bemerken, daß die Schallpegelbelastungen in Dezibel ausgedrückt einen physikalischen äquivalenten Faktor zu einer Konzentration darstellt. Das bedeutet, daß 1600 Fahrzeuge in 8 Stunden dieselbe Lärmbelästigung darstellen als 3200 Fahrzeuge in 16 Stunden oder 2400 Fahrzeuge in 12 Stunden darstellen ...
Im ursprünglichen Gutachten des Amtssachverständigen für technischen Umweltschutz wurde entsprechend des Widmungsmaßes ein Grenzwert für die Tagzeit von 55 dB und für die Nachtzeit von 45 dB festgelegt. Vergleicht man die von der Niederösterreichischen Umweltschutzanstalt gemessenen Grundgeräuschpegel von 42 bis 45 dB zur Tagzeit und 32 bis 38 dB zur Nachtzeit, so läßt sich feststellen, daß aufgrund der ÖAL Nr. 3, Blatt 1 (Grenzwertbildung Grundgeräuschpegel plus 10 dB), die Grenzwerte tatsächlich mit den vom Amtssachverständigen festgelegten Grenzwerten übereinstimmen. Dazu ist noch anzumerken, daß der statistische Schallpegel des Grundgeräuschpegels die Parkplatzgeräusche des vorhandenen nicht genehmigten Parkplatzgeländes daher nicht berücksichtigt. Darüber hinaus ist noch zu bemerken, daß auch der medizinische Sachverständige sich an die Grenzwerte von 55 dB und 45 dB gehalten hat, da der derzeit vorhandene tatsächliche Schallpegel in diesem "Kerngebiet" bereits höher ist. ...
Daß bei den Ab- und Auffahrten eine erhöhte Motordrehzahl vorhanden ist, wurde jedoch im Gutachten schriftlich erwähnt. Den angeführten Mängeln bezüglich fehlender Emissionsdaten ist festzuhalten, daß entsprechend der ÖAL Richtlinie Nr. 2 (Messung des Geräusches von Kraftfahrzeugen) die Schalleistungspegel je nach Fahrbewegung 80 bis 85 dB betragen. Das Türenzuschlagen wird mit bis zu 100 dB angeführt. Dazu ist noch zu bemerken, daß selbst die Fahrbewegungen (Fahrgeschwindigkeit und Fahrstrecke mit 300 m) angeführt wurde.
Daß dazu natürlich auch das Ein- und Ausparken samt Rangiertätigkeiten dazugehören, wurde vom Amtssachverständigen als selbstverständlich erachtet und in der Rechnung berücksichtigt. ..."
Mit Bescheid vom 4. November 1993 gab der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde der Berufung keine Folge. Bei der Mehrheit der Gebäude in der Gartengasse herrsche geschlossene Bebauung vor; auch könne nicht von allen großvolumigen Bauten gesagt werden, daß sie die Merkmale offener Bebauung aufwiesen, weil das Gebäude des Stadtamtes überwiegend an Grundgrenzen errichtet sei. Es sei ja unerheblich, ob die angrenzenden Grundstücke Verkehrsflächen seien oder auch der Gemeinde gehörten. Selbst das Haus der Beschwerdeführerin weise eine "geschlossene" Bebauung auf, weil es an der Ost- und an der Südseite je an Nachbargrenzen angebaut sei.
Ein Widerspruch zu § 2 Abs. 6 Nö Garagenverordnung liege nicht vor, weil durch Punkt 5 und durch Punkt 11 der Auflagen Vorsorge getroffen werde. § 35 Nö BauO verlange zwar eine Brandwand, nicht aber, daß ein Gebäude nach oben hin einen brandbeständigen Abschluß aufweisen müsse.
Zu den geltend gemachten Lärmemissionen führte der Gemeinderat aus, der bisherige Parkplatz sei mit einer Verordnung vom 5. Juli 1993 gemäß § 35 Abs. 5 Nö Straßengesetz als Gemeindestraße dem öffentlichen Verkehr gewidmet worden. Die Frage, ob eine das örtliche Ausmaß übersteigende Belästigung erwartet werden könne (§ 62 Abs. 2 BO), sei vom Sachverständigen ausführlich beantwortet worden.
In ihrer Vorstellung nahmen die Beschwerdeführerinnen zunächst auf die Widmung gemäß § 32 Abs. 2
Nö Landesstraßengesetz Bezug; wenn die Fläche eine Verkehrsfläche sei, könne sie nicht mehr Bauland-Kerngebiet sein. Für die Baubewilligung wäre gemäß § 6 Abs. 6
Nö Landesstraßengesetz der Gemeinderat zuständig gewesen, weshalb der Bürgermeister unzuständig gewesen sei. Das Vorhaben hätte gemäß § 98 Abs. 2 Nö BauO abgewiesen werden müssen, weil im Zeitpunkt der Antragstellung der Bauplatz noch die Widmung "Grünland" aufgewiesen habe. Schon im Verfahren erster Instanz hätte hinsichtlich der Frage des auffallenden Widerspruches zur bestehenden Bebauung vor allem das Gelände zwischen der Gartengasse und der Stadtmauer herangezogen werden müssen, wo offene Bebauung vorherrsche. Schließlich wiederholten die Beschwerdeführerinnen ihre Auffassung, daß eine Brüstung keine Brandwand gemäß § 35 Nö Bauordnung sei und daß § 2 Abs. 6 Nö Garagenverordnung nicht eingehalten werde. Weiters sei zur Frage der Lärmbelästigung offen geblieben, welcher Schallpegel über welchen Zeitraum von jedem das Parkdeck benützenden Fahrzeug bei einer durchschnittlichen Betrachtung zu erwarten sei und aufgrund welcher weiteren Überlegungen und Berechnungen unter Zugrundelegung eines Fahrzeugwechsels von 200 Fahrzeugen pro Stunde Immissionen auf ihrem Grundstück während der Tageszeit von 50 db bis 52 dB und während der Nachtzeit von 40 dB zu erwarten seien.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Vorstellung als unbegründet ab. Die straßenrechtliche Widmung habe keinen Einfluß auf die im Flächenwidmungsplan verordnete Widmung nach dem Raumordnungsgesetz. Die die Behördenzuständigkeit regelnde Bestimmung des § 6 Abs. 6 Nö Landesstraßengesetz betreffe nur die Neuanlage, Umgestaltung und Umwidmung von Gemeindestraßen und Wegen. Ein Widerspruch zur Flächenwidmung liege hinsichtlich des Vorhabens nicht vor, weil der Gemeinderat am 6. Juli 1992 die Widmung Bauland-Kerngebiet beschlossen habe und das Bauansuchen vom 15. Juli 1992 stamme. Es sei daher die Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung durch die Baubehörde erster Instanz maßgeblich.
Ohne Verfahrensmangel habe die Berufungsbehörde aus dem Sachverständigengutachten die erforderlichen Feststellungen für die Beurteilung nach § 120 Abs. 3 Nö BauO treffen können, weil dem Nachbarn kein Anspruch auf Wiederholung der Verhandlung zustehe. Der Berufungsbehörde könne nicht entgegengetreten werden, wenn sie sich hinsichtlich der Frage des Vorliegens eines auffallenden Widerspruches im Sinne des § 120 der Nö Bauordnung auf das diesbezügliche Gutachten des bautechnischen Amtssachverständigen gestützt und einen derartigen Widerspruch verneint habe.
Die Vorstellungsbehörde billigte auch die Auffassung der Berufungsbehörde, daß den Anforderungen des § 2 Abs. 6 Nö Garagenverordnung und des § 35 Nö Bauordnung entsprochen wurde; die letztere Bestimmung schreibe nicht vor, daß eine als Abstellplatz im Freien konzipierte Parkfläche nach oben hin einen Abschluß haben müsse. Schließlich sah die Vorstellungsbehörde die Frage der Belästigung durch Lärm als hinreichend geklärt an.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der sich die Beschwerdeführerinnen in ihrem Recht auf Einhaltung der Zuständigkeitsvorschriften, auf ein gesetzmäßiges Verfahren und in den subjektiv-öffentlichen Nachbarrechten nach § 118 Abs. 8 und 9 Nö BauO verletzt erachten. Sie begehren die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und infolge Verletzung von wesentlichen Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete, ebenso wie die mitbeteiligte Gemeinde, eine Gegenschrift. Über Aufforderung legte die Mitbeteiligte dem Verwaltungsgerichtshof Auszüge aus dem Grundstücksverzeichnis, betreffend die Grundstücke der Beschwerdeführerinnen, vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Verwaltungsbehörden haben zu Recht die Nö Bauordnung in der Fassung der Novelle LGBl. 8200-9 (im folgenden: BO) angewendet, weil diese Novelle für die Beurteilung der hier gegenständlichen Rechtsfragen keine Übergangsbestimmung enthält.
Die Beschwerdeführerinnen bringen zunächt vor, daß die seit 29. Dezember 1992 rechtswirksame, mit Gemeinderatsbeschluß vom 6. Juli 1992 erfolgte Flächenwidmung "Bauland-Kerngebiet" durch eine am 5. Juli 1993 erlassene Verordnung gemäß § 32 Abs. 5 Nö Landesstraßengesetz aufgehoben worden sei. Diese Bestimmung lautet auszugsweise:
"Der Gemeinde obliegt die Erhaltung und Verwaltung der Verkehrsflächen der Gemeinde. Dem Gemeinderat obliegt die Beschlußfassung über die Übernahme einer Straße in die Gattung der Gemeindestraßen. Er entscheidet auch über die Auflassung einer Gemeindestraße ..."
Weder dieser noch einer anderen Bestimmung des Landesstraßengesetzes kann entnommen werden, daß die im Beschwerdefall gemäß § 32 Abs. 5 des Landesstraßengesetzes erlassene Verordnung zu einer Veränderung der aufgrund des ROG erlassenen Flächenwidmung geführt hat. § 18 des Niederösterreichischen Raumordnungsgesetzes in der Fassung LGBl. 8000-5 (im folgenden: ROG) definiert Verkehrsflächen wie folgt:
"Als Verkehrsflächen sind solche Flächen vorzusehen, die der Abwicklung des Verkehrs, der Aufschließung des Baulandes, des Grünlandes, sowie für den ruhenden Verkehr dienen und für das derzeitige sowie künftig abschätzbare Verkehrsaufkommen erforderlich sind. Dazu gehören neben Straßen, Schienentrassen, Parkplätzen, Tankstellen, Bahnhöfen, Haltestellen und dergleichen auch die für die Erhaltung und den Schutz der Verkehrsanlagen und Versorgungsleitungen erforderlichen Flächen."
Wohl sind nach dieser Bestimmung "Straßen" als Verkehrsflächen zu widmen; allerdings sieht weder diese noch eine andere Bestimmung des Raumordnungsgesetzes vor, daß eine nach dem Landesstraßengesetz vorgenommene Übernahme einer Straße in die Gattung "Gemeindestraße" ohne weiteres Verfahren die Flächenwidmung "Verkehrsfläche" im Sinne des § 18 ROG herbeiführt. Vielmehr hätte es allein eines Verfahrens nach § 22 ROG bedurft, um die Flächenwidmung "Bauland-Kerngebiet" auf "Verkehrsfläche" abzuändern. Derartiges ist aber nicht geschehen, sodaß von der Widmung "Bauland-Kerngebiet" auszugehen ist.
Darüberhinaus anerkennen weder § 98 Abs. 2 BO noch § 100 Abs. 2 BO einen allfälligen Widerspruch zu einer "Widmung" nach dem Landesstraßengesetz als Versagungsgrund für die Erteilung einer Baubewilligung.
Gegenstand dieses Verfahrens ist die Errichtung eines Gebäudes, aber nicht die Neuanlage, Umgestaltung oder Umlegung einer Gemeindestraße (§ 6 Abs. 6 Landesstraßengesetz). Für die Erteilung der begehrten Baubewilligung ist allein der Bürgermeister bzw. der Magistrat zuständig (§ 116 Abs. 1 BO).
Soweit die Beschwerdeführerinnen rügen, daß im Zeitpunkt des Bauansuchens die Widmung "Bauland-Kerngebiet" noch nicht rechtswirksam war, ist ihnen die Bestimmung des § 22 Abs. 2 ROG entgegenzuhalten: Danach werden Verfahren, die vor der Kundmachung des Entwurfes der Änderung des örtlichen Raumordnungsprogrammes (§ 21 Abs. 1) bereits anhängig waren, durch die Änderung nicht berührt. Da bei einer Beschlußfassung am 6. Juli 1992 von einem Entwurf gar keine Rede mehr sein konnte, galt für das gegenständliche Bauverfahren die neue Widmung.
Gemäß § 118 Abs. 8 BO genießen als Anrainer alle Grundstückseigentümer Parteistellung gemäß § 8 AVG, wenn sie in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten berührt werden. Im Abs. 9 dieser Bestimmung werden beispielsweise jene Bestimmungen aufgezählt, die subjektiv-öffentliche Rechte der Anrainer begründen; dazu gehören die Bestimmungen über den Brandschutz (Z. 1), den Schutz vor anderen Gefahren, die sich auf die Anrainergrundstücke ausdehnen können (Z. 2), sowie über die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe und die Abstände der Fluchtlinien zur Erzielung einer ausreichenden Belichtung (Z. 4).
Die Beschwerdeführerinnen rügen hinsichtlich der Parzelle Nr. 839/1 die Nichteinhaltung der Bestimmung des § 2 Abs. 6 der hier noch anwendbaren Nö Garagenverordnung LGBl. 8200/3-1. Da diese Bestimmung, wie aus ihrem zweiten Satz erhellt, dem Brandschutz dient, gewährt sie (ebenso wie § 35 BO) Nachbarschutz. § 2 Abs. 6 und Abs. 7 GaragenVO lauten:
"(6) Mittel- und Großgaragen, bei denen in jedem Geschoß an mehr als der Hälfte des Umfanges die Außenwände, abgesehen von Brüstungen, Pfeilern und Stützen, fehlen (offene Garagen), dürfen nur in einem Schutzabstand von 10 m von Gebäuden und Grundstücksgrenzen errichtet werden. Die Baubehörde kann unter Bedachtnahme auf feuerpolizeiliche Rücksichten nach der Lage der Garage und der Art der Umgebung anstelle dieses Schutzabstandes eine besondere bauliche Ausgestaltung vorschreiben.
(7) Absturzgefährliche Stellen von Abstellanlagen müssen durch mindestens 1,20 m hohe Brüstungen oder Geländer aus nicht brennbarem Material, welche einem Anfahrstoß standhalten, abgesichert werden. Geländer und durchbrochene Brüstungen sind nur zulässig, wenn der Fußboden eine mindestens 5 cm hohe nicht brennbare Schwelle enthält."
Beim gegenständlichen Vorhaben stellt sich, was sich aus den Plänen unzweifelhaft ergibt, das Erdgeschoß und das erste Obergeschoß als ein nach allen Seiten geschlossenes Gebäude dar, weshalb insoferne von einer "offenen Garage" im Sinne des ersten Satzes des § 2 Abs. 6 GaragenVO keine Rede sein kann und daher auch die Abstandsvorschrift nicht zum Tragen kommt. Für das zweite Obergeschoß gilt aber Abs. 7 dieser Bestimmung, weil es sich um eine Abstellanlage und nicht um eine Garage handelt. Für eine derartige Ausformung sieht das Gesetz keinen Schutzabstand vor; daß die Ausgestaltung der Brüstung an der Nachbargrundgrenze zu den Beschwerdeführerinnen nicht den Anforderungen des § 2 Abs. 7 GaragenVO entspräche, wurde nicht behauptet.
Gemäß § 35 Abs. 1 erster Satz BO sind Außenwände an einer Grundstücksgrenze, wenn das angrenzende Grundstück nicht eine öffentliche Verkehrsfläche oder Parkanlage ist, als äußere Brandwände auszugestalten. Nach Abs. 3 dieser Bestimmung müssen äußere und innere Brandwände standsicher, brandbeständig und öffnungslos sein. Bei Brandwänden ist jener Teil der Dacheindeckung, der auf der Brandwand aufliegt, in Mörtel zu betten. Läßt dies der Baustoff nicht zu oder sind besondere feuerpolizeiliche Gründe gegeben, ist die Brandwand mindestens 15 cm über Dach zu führen.
Aus diesen Absätzen des § 35 BO kann zunächst nicht gefolgert werden, daß in Niederösterreich begehbare oder befahrbare Flachdächer überhaupt unzulässig wären. Bejaht man aber, wie sich gerade aus § 2 Abs. 7 GaragenVO ergibt, die Möglichkeit eines Abstellplatzes auf einem Flachdach, so bietet § 35 BO keine Handhabe, die Höhe der Brüstung zu reglementieren. Für eine Festlegung der Höhe einer solchen Wand besteht auch kein Anlaß, weil der Gesetzgeber offenbar davon ausgeht, daß eine Brandwand im Sinne des § 35 BO durch eine Decke bzw. einen Dachaufbau begrenzt oder umschlossen wird. Daher findet § 35 auf die das Flachdach absichernde Brüstung keine Anwendung.
Zusammenfassend liegt somit eine Verletzung von Nachbarrechten durch Nichteinhaltung der dem Brandschutz dienenden Bestimmungen des § 2 Abs. 6 GaragenVO und § 35 BO nicht vor.
Hinsichtlich der weiters gerügten Lärmbelästigung ist zunächst davon auszugehen, daß die Beschwerdeführerinnen eine Unvereinbarkeit des Projektes mit der Widmung "Bauland-Kerngebiet" nicht geltend machen. Aus § 62 Abs. 2 BO in Verbindung mit § 118 Abs. 8 und 9 BO erwächst den Nachbarn ein subjektiv-öffentliches Recht auf Schutz z.B. vor Lärmbelästigung. Nach dieser Bestimmung sind für Baulichkeiten, die nach Größe, Lage und Verwendungszweck erhöhten Anforderungen nach Festigkeit, Brandschutz, Sicherheit und Gesundheit entsprechen müssen oder die Belästigungen der Nachbarn erwarten lassen, welche das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigen, die zur Abwehr dieser Gefahren oder Belästigungen nötigen Vorkehrungen zu treffen. In solchen Fällen hat die Baubehörde durch Auflagen dafür Sorge zu tragen, daß durch eine entsprechende bautechnische Ausgestaltung ein erhöhter Schutz vor den zu erwartenden Belästigungen sichergestellt ist.
Die Beschwerdeführerinnen befürchten, daß im Gegensatz zu den Annahmen in der Bauverhandlung auch außerhalb des geplanten Parkhauses der gesamte Umgebungsbereich als Parkfläche verwendet werde, sodaß das beantragte Bauvorhaben den tatsächlichen Maßnahmen widerspreche. Dabei verkennen sie aber, daß das Baubewilligungsverfahren ein Projektgenehmigungsverfahren ist und auch der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nur das hier gegenständliche Projekt unterliegt.
Im übrigen läßt das Beschwerdevorbringen nicht erkennen, warum die eingeholten lärmtechnischen Sachverständigengutachten nicht schlüssig nachvollziehbar sein sollen. Der lärmtechnische Sachverständige hat schon in seinem Gutachten in der Bauverhandlung erläutert, daß er hinsichtlich der zu erwartenden Lärmimmissionen im Bereich der Nachbarschaft mittels eines Computerprogrammes eine Immissionsberechnung gemäß der ÖNORM S 5010 durchgeführt habe. Dabei habe sich die Belastung im Freien während der Tageszeit von 50 bis 52 dB und während der Nachtzeit von 40 dB ergeben. Dem sind die Beschwerdeführerinnen nie auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, weshalb für die belangte Aufsichtsbehörde kein Anlaß bestand, insoferne Mängel des gemeindebehördlichen Verfahrens anzunehmen.
Anders verhält es sich jedoch mit dem Einwand der Beschwerdeführerinnen, die Bebauung an der Grundstücksgrenze stehe mit der bisherigen Bebauung in einem auffallenden Widerspruch. § 120 Abs. 3 BO lautet:
"In einem Baulandbereich, für den noch kein Bebauungsplan erlassen wurde oder ein vereinfachter Bebauungsplan keine Regelung der Anordnung oder Höhe der Gebäude enthält, ist die Baubewilligung für einen Neu-, Zu- oder Umbau zu versagen, wenn dieses Gebäude hinsichtlich seiner Anordnung auf dem Bauplatz oder seiner Höhe in einem auffallenden Widerspruch zur bestehenden Bebauung stehen würde."
Dem Nachbarn steht ein Anspruch auf Versagung eines dem § 120 Abs. 3 BO widersprechenden Vorhabens zu. Bei Beurteilung der Frage, ob ein Vorhaben zur bestehenden Bebauung in einem auffallenden Widerspruch steht, sind alle jene Liegenschaften einzubeziehen, die miteinander nach der überwiegend herrschenden faktischen Bebauung ein im wesentlichen einheitliches, zusammenhängendes Ganzes bilden; nur auf diese Weise kann, dem Sinn der Übergangsbestimmung des § 120 Abs. 3 BO entsprechend, ein einem Bebauungsplan ähnlicher Beurteilungmaßstab geschaffen werden. Dabei sind zunächst konkrete Feststellungen über die Grenzen des Bezugsbereiches erforderlich (siehe beispielsweise das hg. Erkenntnis vom 17. September 1996, Zl. 94/05/0164, m.w.N.).
Während der Sachverständige den Bezugsbereich in west-östlicher Richtung von der Schulgasse über die Stadtmauer hinweg und über die Gartenstraße bis zum Kampfluß annahm, folgte der Gemeinderat der Auffassung der Beschwerdeführerinnen dahingehend, daß als Westgrenze die Stadtmauer angenommen wurde. Die Beschwerdeführerinnen lehnen auch den Bereich zwischen Gartenstraße und Kampfluß ab, wenn sie vermeinen, daß der Bereich zwischen Gartenstraße und Stadtmauer als eigener charakteristisch ausgebildeter Bereich anzusehen sei.
Die Beurteilung, ob ein geplantes Bauvorhaben zur bestehenden Bebauung in einem auffallenden Widerspruch steht, erfordert konkrete Feststellungen zunächst über die Grenzen des Bezugsbereiches (Abgrenzung des Gebietes, das als Maßstab herangezogen werden soll) und sodann die Aufnahme der vorhandenen Baubestände innerhalb dieses Bereiches. Hiebei sind alle diejenigen Liegenschaften zu berücksichtigen, die nach der tatsächlich vorherrschenden Bebauung ein zusammenhängendes Ganzes bilden, das sich dem äußeren Eindruck nach von den angrenzenden Gebieten abhebt (siehe die bei Hauer-Zaussinger, NÖ Bauordnung4, E 2 zu § 120 BO wiedergegebene hg. Judikatur). Gegebenenfalls sind entsprechend den vorstehenden Ausführungen alle jene Liegenschaften einzubeziehen, die miteinander nach der überwiegend herrschenden faktischen Bebauung ein im wesentlichen einheitliches, zusammenhängendes Ganzes bilden (hg. Erkenntnis vom 23. Jänner 1996, Zl. 95/05/0012, m.w.N.). Die Frage, ob das Vorhaben zur bestehenden Bebauung in einem auffallenden Widerspruch steht, ist ebenso wie die Frage, welches Gebiet als Maßstab für die Beurteilung heranzuziehen ist, eine Rechtsfrage, die vom Sachverständigen allein nicht endgültig beantwortet werden kann (hg. Erkenntnis vom 13. Oktober 1992, Zl. 92/05/0064).
Das hier durchgeführte Beweisverfahren und die von der Berufungsbehörde getroffenen Feststellungen erlauben eine Beurteilung dieser Frage allerdings noch nicht. Die Berufungsbehörde hat nicht begründet, warum sie gerade diesen Bezugsbereich gewählt hat, warum also gerade im Bereich zwischen der Stadtmauer und dem Kampfluß die tatsächlich vorherrschende Bebauung ein einheitliches, zusammenhängendes Ganzes bildet und nicht etwa der Bezugsbereich von der Stadtmauer bis zur Gartenstraße zu wählen ist. Es fehlen konkrete Feststellungen darüber, welche Bebauung in diesem Gebiet vorherrscht, sodaß schon insofern eine Beurteilung nicht möglich ist. Ohne detaillierte Darstellung sämtlicher Parzellen und der darauf befindlichen Gebäude, möglichst untermauert mit Fotos, läßt sich nicht sagen, welches der drei denkbaren Bezugsgebiete den geforderten Kriterien am ehesten entspricht.
Eine vollständige Bestandsaufnahme ist auch für die weiters zu klärende Frage erforderlich, ob das Vorhaben mit der Bebauung im Bezugsgebiet in einem auffallenden Widerspruch steht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. April 1994, Zl. 92/05/0084). Hier geht es ausschließlich um die Anordnung auf dem Bauplatz, also den Regelungsbereich des § 21 BO, wobei im Lichte des § 118 Abs. 9 Z. 4 BO zu prüfen ist, ob die vorhandene Bebauung einen seitlichen Abstand einhält oder unmittelbar an andere Gebäude angebaut wird.
Schließlich kann dem Gemeinderat auch insoferne nicht gefolgt werden, daß auf das Haus der Zweitbeschwerdeführerin die Merkmale der geschlossenen Bebauung zutreffen würden. Wenn auch die der Zweitbeschwerdeführerin, der Mutter der Erstbeschwerdeführerin, gehörende bebaute Eckparzelle mit einem Größenausmaß vom 106 m2 an zwei Seiten von der offenbar unbebauten Parzelle der Erstbeschwerdeführerin umschlossen wird, so vermittelt dies keinesfalls den Eindruck einer geschlossenen oder gekuppelten Bebauung.
Da hier die Anordnung auf dem Bauplatz nur unter dem Aspekt des Schutzes eines seitlichen Nachbarn zu prüfen ist, kommt es auf Seitenabstände und nicht, wie die Berufungsbehörde unter Bezugnahme auf das Haus Gartengasse 11 meint, auf Abstände zu den Straßenfluchtlinien an.
Da die Berufungsbehörde weder zum Bezugsgebiet noch zur Frage des auffallenden Widerspruches nachvollziehbare Feststellungen getroffen und die belangte Behörde diese Mängel des Berufungsverfahrens nicht wahrgenommen hat, sondern ohne hinreichende Sachgrundlage den auffallenden Widerspruch zur bestehenden Bebauung verneint hat, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Der Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
Schlagworte
Planung Widmung BauRallg3Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Baubewilligung BauRallg6Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Brandschutz (Bestimmungen feuerpolizeilichen Charakters) BauRallg5/1/4Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Schutz vor Immissionen BauRallg5/1/6Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Abstandsvorschriften BauRallg5/1/1Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung Techniker Bautechniker Ortsbild LandschaftsbildGutachten rechtliche BeurteilungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1994050161.X00Im RIS seit
11.07.2001Zuletzt aktualisiert am
07.08.2009