TE Bvwg Erkenntnis 2019/10/29 W215 2117622-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.10.2019
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Entscheidungsdatum

29.10.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §18 Abs5
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §52
FPG §55 Abs1a

Spruch

W215 2117622-2/4E

W215 2117625-2/4E

W215 2192109-2/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. STARK über die Beschwerden von 1) XXXX , geb. XXXX , 2) XXXX , geb. XXXX und 3) XXXX , geb. XXXX , alle Staatsangehörigkeit Republik Usbekistan, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, vom 30.09.2019, Zahlen 1) 1009377304-14502138, 2) 1040384703-140087870 und 3) 1160802404-170896702, zu Recht:

A)

Die Beschwerden werden jeweils gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG), in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012, § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG, § 57 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 70/2015, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017, § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG), in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, § 52 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG), in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017, § 18 Abs. 5 BFA-VG, in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017, und

§ 55 Abs. 1a FPG, in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2013, als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist jeweils gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz,

BGBl Nr. 1/1930 (B-VG), in der Fassung BGBl. I Nr. 51/2012, nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die verheiratete Erstbeschwerdeführerin (P1) ist die Mutter der in Österreich geborenen minderjährigen Zweitbeschwerdeführerin (P2) und des ebenfalls in Österreich geborenen minderjährigen Drittbeschwerdeführers (P3). P1 bis P3 sind Staatsangehörige der Republik Usbekistan, ihre Identitäten stehen nicht fest.

Der Ehegatte von P1 und Vater von P2 und P3 reiste problemlos legal mit seinem usbekischen Auslandsreisepass aus der Republik Usbekistan aus, zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt illegal in das Bundesgebiet und stellte erst, nachdem er wegen seines illegalen Aufenthaltes bei "Schwarzarbeit" betreten wurde, am 20.04.2009 einen Antrag auf internationalen Schutz. In der Erstbefragung behauptete der Ehegatte von P1, in Gegenwart eines Dolmetschers, fälschlicherweise XXXX zu heißen und dass ihm sein usbekischer Auslandsreisepass, mit dem er nach Österreich kam, zwei Tage vor seiner Asylantragstellung in XXXX gestohlen worden sei. Der Ehegatte von P1 behauptete weites, wegen seiner Religionszugehörigkeit zu den Schiiten in der Republik Usbekistan am 24.10.2008 von acht sunnitischen Männern schwer misshandelt worden zu sein; er werde in der Republik Usbekistan wegen seiner schiitischen Religionszugehörigkeit verfolgt.

Nach der Erstbefragung entzog sich der Ehegatte von P1 bewusst den österreichischen Behörden, indem er "untertauchte", weshalb sein Asylverfahren eingestellt werden musste. Dieses konnte erst, nachdem der Ehegatte von P1 eine Meldeadresse bekannt gab, am 11.09.2009 fortgesetzt werden.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 11.12.2009, Zahl 09 04.609-BAW, wurden der erste Antrag auf internationalen Schutz des Ehegatten von P1 gemäß § 3 Abs. 1 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 AsylG, bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Usbekistan abgewiesen (Spruchpunkt II.). In Spruchpunkt III. des Bescheides wurden der Ehegatte von P1 gemäß § 10 Abs. 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Usbekistan ausgewiesen. Zusammengefasst wurde im Bescheid ausgeführt, dass das Vorbringen zu den behaupteten Ausreisegründen in Verbindung mit dem Schreiben des Dorfältesten nicht glaubhaft sei. Dafür spreche auch, dass P1 und die Tochter des Beschwerdeführers problemlos in XXXX leben können. Gegen diesen Bescheid wurden fristgerecht Beschwerde an den Asylgerichtshof erhoben.

Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 18.06.2012, Zahl D3 410863-1/2010/12E, wurde, nach einer Beschwerdeverhandlung, die fristgerecht gegen den Bescheid vom 11.12.2009, Zahl 09 04.609-BAW, eingebrachte Beschwerde, hinsichtlich der Spruchpunkte I. bis III. gemäß den §§ 3, 8 Abs. 1 und 10 AsylG, als unbegründet abgewiesen.

Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofs vom 26.09.2012, U 1499/12-5, wurde auf Grund einer beim Verfassungsgerichtshof gegen das Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 18.06.2012, Zahl D3 410863-1/2010/12E, fristgerecht eingebrachten Beschwerde der Antrag auf Bewilligung von Verfahrenshilfe abgewiesen, die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und der Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zurückgewiesen.

Nach rechtskräftigem Abschluss seines ersten Asylverfahrens kam der Ehegatte von P1 seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach, sondern blieb illegal in Österreich.

2. P1 reiste problemlos, legal mit dem Zug und ihrem usbekischen Auslandsreisepass aus der Republik Usbekistan aus und zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt illegal nach Österreich ein.

P1 stellte am 01.04.2014 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz und gab in der Erstbefragung, in Gegenwart eines Dolmetschers an, dass sie in den Jahren vor ihrer Ausreise in XXXX gelebt habe. Sie halte sich seit 26.03.2014 illegal in Österreich auf. Sie beantrage die Befragung durch eine weibliche Referentin in Anwesenheit einer weiblichen Dolmetscherin, da sie ihre Heimat wegen frauenspezifischer Probleme verlassen habe. Die Beschwerdeführer sei am 05.02.2014 vergewaltigt worden und deshalb, von XXXX aus, am 28.02.2014 legal mit einem Zug und ihrem usbekischen Auslandsreisepass ausgereist.

Der Ehegatte von P1 stellte während seines illegalen Aufenthaltes in Österreich, ebenfalls am 01.04.2014, seinen zweiten Antrag auf internationalen Schutz. Noch am selben Tag fand eine Erstbefragung, in Gegenwart eines Dolmetschers, statt und der Ehegatte von P1 gab zusammengefasst an, dass er seit rechtskräftigem Abschluss seines ersten Asylverfahrens illegal in Österreich gelebt habe. Der Ehegatte von P1 habe keine neuen Asylgründe und mittlerweile sei P1 aus der Republik Usbekistan geflohen, weil man den Ehegatten von P1 ständig zu Hause gesucht und P1 mit dem Umbringen bedroht habe. Der Ehegatte von P1 sei usbekischer Sunnit und habe Angst vor anderen usbekischen Sunniten.

Nach der Geburt von P2 in Österreich wurde für diese ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt, , aber keine eigenen Asylgründe angegeben.

Am 28.08.2015 brachten P1 und ihr Ehegatte für sich und P2 Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein.

Am 24.11.2015 langten die Aktenvorlagen vom 20.11.2015 im Bundesverwaltungsgericht ein. Gemäß § 19 Abs. 6 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 24/2016, wurde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl beauftragt Einvernahmen von P1 und ihrem Ehegatten durchzuführen.

Nach der Geburt von P3 in Österreich wurde für diesen ebenfalls ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt, aber keine eigenen Asylgründe angegeben.

Der Ehegatte von P1 wurde am 14.05.2018 im Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, in Gegenwart eines Dolmetschers, niederschriftlich zu den Gründen für seine zweite Asylantragstellung befragt. Dabei gab er an sich, nach rechtskräftigem Abschluss seines ersten Asylverfahrens, seiner Abschiebung durch "Untertauchen" entzogen, Österreich nie mehr verlassen und mittlerweile hier eine Firma gegründet zu haben. Seine Eltern, Geschwister sowie seine älteste, minderjährige Tochter würden nach wie vor in Republik Usbekistan leben und es gehe allen gut. Im Jahr 2014 habe der Ehegatte von P1 einen Schlepper organisiert, damit dieser P1 illegal nach Österreich bringe. Wegen der bereits im ersten Asylverfahren geschilderten Probleme sei P1 im der Republik Usbekistan auf Grund der bereits im ersten Asylverfahren erwähnten Videos von Sunniten oder Schiiten bedroht worden.

P1 wurde ebenfalls am 14.05.2018 im Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, in Gegenwart einer Dolmetscherin, niederschriftlich zu ihren Asylgründen befragt und gab zusammengefasst an, dass sie keine Identitätsdokumente vorlegen könne. Sie sei sunnitische Moslemin und habe ihre Eltern und ihre ältere, minderjährige Tochter in der Republik Usbekistan zurückgelassen; es gehe ihnen gut. P1 habe in Österreich einen Gewerbeschein und arbeite als selbständige Babysitterin. Sie sei illegal nach Österreich eingereist, weil sie nicht die Zeit gehabt habe, auf die Ausstellung eines Visums zu warten. Zu den Fluchtgründen ihres Ehegatten gefragt gab P1 an, dass man ihr die Asylgründe ihres Ehegatten nie verraten habe, sie diese nicht kenne und auch nicht gewusst habe, dass sein erstes Asylverfahren bereits seit Jahren rechtskräftig negativ abgeschlossen sei. Weiters führte P1 wörtlich aus:

"...A: Ich war gezwungen zu flüchten.

Anm. Die AW fängt an zu weinen.

Ich war gezwungen zu flüchten, da ich vergewaltigt wurde. Ich habe Angst bekommen, ich habe nur an 2 Dinge gedacht, entweder ich flüchte oder ich begehe Selbstmord.

[...] und habe auf den Bus gewartet. Dann kam ein dunkelblaues Auto Marke Nexia. Da stiegen 2 Männer aus, haben mich gepackt und ins Auto gezerrt. Natürlich war ich erschrocken, ich schrie und fragte was sie mit mir machen würden. Es war ganz schnell und ich wurde abgeführt. Im Auto habe ich auch geschrien und wurde an den Händen festgehalten. Ich ersuchte sie, mich freizulassen. Ich fragte was sie mit mir vorhätten. Sie hielten mir den Mund zu und gaben mir ein Tuch mit Chloroform und ich wurde ohnmächtig. Als ich zu mir kam, fand ich mich in einem Haus das war wie ein Sommerhaus. Ich habe viel geweint.

Anmerkung: Der AW wird ein Glas Wasser gegeben und möchte die EV fortsetzen.

Ich flehte sie an, mich freizulassen. Sie waren zu dritt. Sie haben über mich gelacht. Dann sagten sie, dass an allem mein Mann Schuld sei, was passiert sei. Sie haben gesagt, dass er an die Familie hätte denken müssen, er hätte uns nicht zurückgelassen und fliehen dürfen sollen. Sie haben gesagt, dass ich dafür gerade stehen müsste. Auf diesem Wege würden sie sich an meinem Mann rächen wollen.

F: Waren Sie nach der behaupteten Vergewaltigung bei der Polizei und haben Sie Anzeige erstattet?

A: Nein, ich war nicht bei der Polizei, weil sie mich bedroht hatten.

F: Nach der Vergewaltigung, was ist dann passiert?

A: denkt nach.

Sie haben mich in einem Park zurückgelassen. Ich bin dort 1, 1 1/2 dort alleine gelegen und dann war die Zeit die Tochter vom Kindergarten abzuholen. Ich bin mit der Tochter nach Hause vom Kindergarten gegangen.

F: Was für Männer waren das?

A: Ich habe sie vorher noch nie gesehen.

[...]

F: Wie ist für Sie der Umgang mit fremden Männern?

A: Ich habe Angst.

F: Sind das jetzt all Ihre Fluchtgründe oder gibt es weitere?

A: Ja das sind alle meine Fluchtgründe.

F: Was befürchten Sie wenn Ihr Verfahren wieder negativ beschieden wird, im Fall einer Rückkehr nach Usbekistan?

A: fängt an zu weinen.

Ich habe davor Angst, dass mir das noch einmal passiert, was passierte. Diese Menschen sind dort am Leben, sie leben dort.

F: Möchten Sie noch etwas anmerken?

A: Mein Mann weiß davon nichts und ich möchte auch nicht, dass er etwas darüber erfährt..."

Zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes wurde in den Säumnisbeschwerdeverfahren für den 27.02.2019 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht anberaumt. Es erschienen P1 und ihr Ehegatte mit ihrem Rechtsanwalt. Der Ehegatte von P1 gab zusammengefasst an, dass er nicht mit seinem seit vielen Jahren in Österreich aufhältigen Bruder im gemeinsamen Haushalt lebt. Zehn Jahre nach der Ausreise des Ehegatten Richtung Österreich sei P1 ebenfalls nach Österreich gereist, nachdem diese, Ende Dezember 2013, wegen seiner Probleme vergewaltigt worden sei. Aus dieser Vergewaltigung stamme die in Österreich geborene P2 bzw. sei der Ehegatte nicht deren Vater. Nachdem die Richterin ankündigte, den Ehegatten von P1 zu einem Vaterschafstest zu schicken, gab dieser zu, dass P1 nicht vergewaltigt wurde, sondern bereits länger illegal mit ihm in Österreich lebte und er der Vater von P2 ist. Die Ehegattin des Beschwerdeführers gab in der Beschwerdeverhandlung zusammengefasst an, dass sie gesund sei und keine Medikamente einnehme. Sie habe bereits am 15.11.2013 mit ihrem usbekischen Auslandsreisepass und dem Zug legal die Republik Usbekistan verlassen und arbeite seit ihrer Ankunft am 05.12.2013 in Österreich als Babysitterin, allerdings verdiene sie ihr Geld ausschließlich mit "Schwarzarbeit". Die Vergewaltigung als Ausreisegrund habe P1 erfunden und habe den Asylantrag gestellt, weil sie von ihrem Ehegatten während ihres illegalen Aufenthaltes mit P2 schwanger wurde. In der Verhandlung wurden die Quellen von Länderinformationen zur Kenntnis gebracht. Alle anwesenden verzichteten auf Einsichtnahme und Ausfolgung. Das Bundesverwaltungsgericht räumte den Verfahrensparteien vor Schluss der Verhandlung eine zweiwöchige Frist zur Abgabe von Stellungnahmen ein.

Statt in den Säumnisbeschwerdeverfahren Stellungnahmen abzugeben, zog der Rechtsanwalt mit Schreiben von 12.03.3019 die Beschwerden zurück, weshalb die Säumnisbeschwerdeverfahren von P1 bis P3 mit Beschlüssen eingestellt werden musste.

3. Die Verfahren wurden anschließend beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl fortgesetzt. In einer niederschriftlichen Befragung am 12.08.2019 wiederholte der Ehegatte von P1 sein Vorbringen aus seinem ersten Asylverfahren und führte neu aus, dass er in der Beschwerdeverhandlung im ersten Asylverfahren am 18.04.2012 nicht angegeben habe, dass nach der Misshandlung ein weiters Mal unbekannte Männern, in seiner Abwesenheit, in sein Haus gekommen seien und seine PC und CDs mitgenommen hätten. Der Ehegatte von P1 vermute, dass die Regierung glaube, dass er ein Spion sei der für schiitische Iraner arbeite. Der Ehegatte von P1 werde seit dem Jahr 2012 von der usbekischen Polizei und dem Geheimdienst gesucht. Die ältere minderjährige Tochter lebe immer noch in XXXX in der Republik Usbekistan. Sämtlichen Familienmitglieder in der Republik Usbekistan hätten keine Probleme und es gehe ihnen gut.

Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.09.2019, Zahlen 1) 1009377304-14502138, 2) 1040384703-140087870 und 3) 1160802404-170896702, wurden die Anträge auf internationalen Schutz jeweils in Spruchpunkt I. hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG und in Spruchpunkt II. gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigen in Bezug auf den Herkunftsstaat Usbekistan abgewiesen. In Spruchpunkt III. wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). In Spruchpunkt V. wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung nach Usbekistan gemäß § 46 FPG zulässig ist. In Spruchpunkt VI. wurde gemäß § 55 Abs. 1 a FPG eine Frist für eine freiwillige Ausreise nicht gewährt. In Spruchpunkt VII. wurde einer Beschwerde gegen diese Entscheidung bei P1 gemäß § 18 Abs. 1 Z 5 BFA-VG und bei P2 und P3 § 18 Abs. 1 Z 4 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Gegen diese Bescheide, zugestellt am 04.10.2019, wurden fristgerecht am 17.10.2019 gegenständliche Beschwerden erhoben. In den Beschwerden wurde zusammengefasst ausgeführt, dass die Dolmetscherin in der niederschriftlichen Befragung beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 12.08.2019 nicht geeignet gewesen sei, da sie Tadschikisch gesprochen habe und Auszüge aus dem Vorbringen des Ehegatten im ersten Asylverfahren bzw. von P1 und ihrem Ehegatten in den niederschriftlichen Befragungen beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 14.05.2018 wiederholt. Es wurde die Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung beantragt oder die Bescheide zur Verbesserung im Sinne des § 24 Abs. 4 AsylG zu beheben oder unter Feststellung der auf Dauer unzulässigen Rückkehrentscheidungen Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG zu erteilen. Jedenfalls möge den Beschwerden die aufschiebende Wirkung zuerkannt werden.

4. Die Beschwerdevorlagen vom 21.10.2019 langten am 22.10.2019 im Bundesverwaltungsgericht ein, was dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl noch am selben Tag schriftlich mitgeteilt wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässigen Beschwerden erwogen:

1. Feststellungen:

1. Die Identitäten von P1 bis P3 stehen nicht fest. Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige der Republik Usbekistan, gehören der Volksgruppe der Tschetschenen an und sind moslemischen (sunnitischen) Glaubens. Die Muttersprache der Beschwerdeführer ist Tadschikisch, P1 spricht zusätzlich sehr gut Usbekisch, Russisch und etwas Deutsch.

P1 heiratete in der Republik Usbekistan Herrn XXXX , geb. XXXX und gründete mit ihm eine Familie. Die gemeinsame XXXX Tochter lebt nach wie vor in der Republik Usbekistan.

Der Ehegatte von P1 kam nach rechtskräftigem Abschluss seines ersten Asylverfahrens im Juni 2012 seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach, blieb illegal im Bundesgebiet und stellte am 01.04.2014 einen zweiten (Folge-)Antrag auf internationalen Schutz. P1 stellt am selben Tag gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Nach der Geburt von P2 wurde für diese ebenfalls ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt und am 28.08.2015 wurden in allen drei Verfahren Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß

Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eingebracht. Zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes wurde für den 27.02.2019 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht anberaumt, in der P1 und ihr Ehegatte ausführlich Zeit hatten sämtliche Asylgründe und Integrationsbemühungen umfassend darzulegen. Nachdem der Ehegatte von P1 in der Beschwerdeverhandlung am 27.02.2019 angab, dass er seit rechtskräftigem Abschluss seines ersten Asylverfahrens im Juni 2012 nicht in die Republik Usbekistan zurückgekehrt ist und keine anderen bzw. neuen Asylgründe nennen konnte und beide übereinstimmend angaben, dass die Vergewaltigung von P1 im Herkunftsstaat frei erfunden war, zog der Rechtsanwalt mit Schreiben vom 12.03.3019 die Säumnisbeschwerden zurück, weshalb die Säumnisbeschwerdeverfahren mit Beschlüssen eingestellt bzw. die Asylverfahren beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl fortgesetzt werden mussten.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.09.2019, Zahl 790460909-14502111, wurde in Spruchpunkt I. der zweite Antrag des Ehegatten von P1 auf internationalen Schutz in Österreich vom 01.04.2014 in Spruchpunkt I. hinsichtlich des Status des Asylberechtigten und in Spruchpunkt II. hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigen gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. In Spruchpunkt III. wurde dem Ehegatten von P1 eine Aufenthaltsberechtigung aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, in Spruchpunkt IV. gegen den Ehegatten von P1 gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen, in Spruchpunkt V. gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Ehegatten von P1 gemäß § 46 FPG nach Usbekistan zulässig ist und in Spruchpunkt VI. wurde ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1a keine Frist für eine freiwillige Ausreise besteht. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom heutigen Tag, Zahl W215 1410863-3/4E, wird eine dagegen fristgerecht erhobene Beschwerde bezüglich Spruchpunkte I. und II. wegen entschiedener Sache als unbegründet abgewiesen. Die Beschwerde gegen Spruchpunkte III. bis VI. wird gemäß § 57 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 70/2015, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017, § 9 BFA-VG, in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, § 52 FPG, in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017 und § 55 Abs. 1a FPG, in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2013, als unbegründet abgewiesen.

Mit gegenständlichen Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.09.2019, Zahlen 1) 1009377304-14502138, 2) 1040384703-140087870 und 3) 1160802404-170896702, wurden die Anträge auf internationalen Schutz von P1 bis P3 jeweils in Spruchpunkt I. hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG und in Spruchpunkt II. gemäß § 8 Abs. 1 iVm

§ 2 Abs. 1 Z 13 AsylG hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigen in Bezug auf den Herkunftsstaat Usbekistan abgewiesen. In Spruchpunkt III. wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß

§ 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). In Spruchpunkt V. wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung nach Usbekistan gemäß § 46 FPG zulässig ist. In Spruchpunkt VI. wurde gemäß § 55 Abs. 1 a FPG eine Frist für eine freiwillige Ausreise nicht gewährt. In Spruchpunkt VII. wurde einer Beschwerde gegen diese Entscheidung bei P1 gemäß § 18 Abs. 1 Z 5 BFA-VG und bei P2 und P3 § 18 Abs. 1 Z 4 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt.

2. Es kann nicht festgestellt werden, dass P1 ausgereist ist, weil sie wegen ihres Ehegatten in der Bundesrepublik Usbekistan vergewaltigt wurde. P2 und P3 sind in Österreich geboren und für sie wurden nie eigenen Fluchtgründe geltend gemacht.

3. Die gesunde P1 ist im arbeitsfähigen Alter hat im Herkunftsstaat die die Grund- und mittlere Schule besucht, schließlich ein XXXX und konnte nach der Ausreise ihres Ehegatten durch ihre eigene Arbeitsleistung den Lebensunterhalt für sich und ihre Tochter bestreiten. Ihre erst XXXX Tochter, ihre Eltern und drei Geschwister leben nach wie vor in der Republik Usbekistan. Allen geht es gut und P1 und ihr Ehegatte haben drei bis vier Mal pro Woche telefonischen Kontakt zu ihrer Tochter in der Republik Usbekistan.

4. Nicht festgestellt werden kann eine ausgeprägte und verfestigte entscheidungserhebliche individuelle Integration von P1 bis P3 in Österreich. Die unbescholtene P1 reiste zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und entzog sich monatelang bewusst den österreichischen Behörden. P1 stellte erst nachdem bzw. weil sie während ihres illegalen Aufenthaltes in Österreich von ihrem Ehegatten mit P2 schwanger wurde, am 01.04.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz. P1 bis P3 verfügten nie über ein Aufenthaltsrecht außerhalb der Asylverfahren und P1 musste sich somit ihres unsicheren Aufenthaltes bewusst sein.

Der Ehegatte von P1 und Vater von P2 und P3 ist auf Grund des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts vom heutigen Tag, Zahl W215 1410863-3/4E, von einer Rückkehrentscheidung betroffen.

Abgesehen vom ebenfalls von einer Rückkehrentscheidung betroffenen Ehegatten bzw. Vater verfügen P1 bis P3 nur über einen Schwager bzw. Onkel im Bundesgebiet, von dem sie aber nicht abhängig sind und mit dem sie nicht im gemeinsamen Haushalt leben. Allfällige Freundschaften von P1 sind erst zu einem Zeitpunkt geschlossen worden, als sie sich ihres unsicheren Aufenthaltes bewusst gewesen sein musste. P1 hat am XXXX die Deutschprüfung Start Deutsch 2 positiv, A2, absolviert und konnte sich im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 27.02.2019 in Deutsch verständlich machen, verstand aber nicht alles. P2 und P3 wurden im Bundesgebiet geboren und besuchen hier den Kindergarten, sprechen altersgemäß Deutsch und beide befinden sich in einem anpassungsfähigen Alter.

5. Zur aktuellen Lage im Herkunftsstaat der Beschwerdeführer wird in Übereinstimmung mit den Feststellungen in denen erstinstanzlichen Bescheid festgestellt:

Politische Lage

Usbekistan ist ein Binnenstaat, der zwischen Kasachstan im Norden und Nordwesten, Kirgisistan und Tadschikistan im Nordosten und Osten, Afghanistan und Turkmenistan im Süden und Südwesten liegt. Die Fläche des Landes beträgt 448 900 km², die Einwohnerzahl wird mit Stand 2016 auf 31,5 Millionen geschätzt. Hauptstadt ist Taschkent (GIZ 09.2018a). Das Staatsgebiet ist in die zwölf Provinzen (Viloyatlar), Andischan, Buchara, Choresm, Dschisak, Fergana, Kaschkadaria, Namangan, Navoi, Samarkand, Syrdarja, Surchandarja und Taschkent sowie die Stadtregion Taschkent und die autonome Republik Karakalpakstan gegliedert. Die Provinzen gliedern sich wiederum in Bezirke (Tuman/Rayon) (AA 03.2018; vgl. GIZ 09.2018a).

Die Republik Usbekistan erlangte 1991 ihre Unabhängigkeit und erhielt 1992 eine demokratische Verfassung (GIZ 09.2018b). Usbekistan ist eine autoritäre Präsidialrepublik mit einer dominanten Position des Präsidenten innerhalb des Machtapparates. Gewaltenteilung, Institutionen und Regeln existieren nur formal. Der Präsident gilt als Vater der Nation sowie als Garant für die Stabilität und Sicherheit des Landes und regiert dieses durch Dekrete. Er ist zugleich Vorsitzender des Ministerkabinetts, welches aus dem Ministerpräsidenten, den stellvertretenden Ministerpräsidenten, den Ministern, den Vorsitzenden der staatlichen Komitees und anderer staatlicher Organe, sowie dem Vorsitzenden des Ministerrates der Autonomen Republik Karakalpakstan, besteht. Der Präsident ernennt und entlässt den Ministerpräsidenten, die stellvertretenden Minister, die Richter des Verfassungs- und des Obersten Gerichts, den Vorsitzenden des Aufsichtsrates der Zentralbank sowie die Gouverneure der Gebietsverwaltungen. Er ist Oberster Befehlshaber der Streitkräfte (GIZ 09.2018b).

Am 14.12.2016 übernahm der langjährige Ministerpräsident Shavkat Mirziyoyev offiziell das Amt des Präsidenten der Republik Usbekistan. Mirziyoyev gewann die Präsidentschaftswahlen vom 04.12.2016 mit 88,61 Prozent der Stimmen. Die vorgezogenen Präsidentschaftswahlen wurden angesetzt, nachdem der ehemalige Präsident Islam Karimov am 02.09.2016 gestorben war. Mirziyoyev hatte seit Anfang September 2016 das Land bereits als Interimspräsident geführt (AA 04.2018a; vgl. GIZ 09.2018b).

Seit den Parlamentswahlen im Dezember 2004 hat das Land ein Zweikammer-Parlament, bestehend aus dem Unterhaus, Olij Maschlis (Oberste Versammlung) und dem Senat. Das Unterhaus umfasst 150 Abgeordnete, von denen laut Verfassung 135 Vertreter von der wahlberechtigten Bevölkerung gewählt und 15 von der Ökologischen Bewegung Usbekistans ernannt werden. Der Senat umfasst 100 Sitze, von denen 84 aus den Provinzen sowie der Republik Karakalpakstan und der Stadt Taschkent gewählt werden, während die restlichen 16 Senatoren vom Staatspräsidenten ernannt werden (AA 03.2018; vgl. AA 04.2018a).

Die letzten Parlamentswahlen fanden am 21.12.2014 (Stichwahl 05.01.2015) statt. Alle vier im Unterhaus vertretenen Parteien stehen der Regierung nahe, andere Parteien durften nicht antreten (AA 04.2018a; vgl. GIZ 09.2018b). Das Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE/ODIHR) stellte in seinem abschließenden Wahlbeobachtungsbericht fest, dass es bei den Wahlen an Wettbewerbsfähigkeit mangelte und den Wählern keine echte Auswahl an politischen Alternativen angeboten wurden. Wahlbeobachter führten schwerwiegende Unregelmäßigkeiten auf, welche mit den nationalen Rechtsvorschriften und den OSZE-Verpflichtungen unvereinbar sind, darunter stellvertretende Stimmabgaben und Wahlfälschung durch das Auffüllen der Wahlurnen mit Stimmzetteln (USDOS 20.04.2018).

Die aus der kommunistischen Partei hervorgegangene Xalq Demokratik Partiyasi (Demokratische Volkspartei) hat die Mehrheit der Parlamentssitze inne. Die anderen Parteien im Parlament sind Adolat (Gerechtigkeit), Milliy Tiklanish (Nationale Wiedergeburt), und Fidokorlar (Die sich Aufopfernden), welche alle regierungsnah sind. Im April 2000 fusionierte die Partei Vatan Taraqiyoti (Fortschritt des Vaterlandes) mit Fidokorlar. Die jüngste Neugründung ist die Liberaldemokratische Partei Usbekistans. Die Gründung regierungsnaher Parteien soll die Fassade eines Mehrparteiensystems aufrechterhalten (GIZ 09.2018b).

Mahallas (Nachbarschaftsgemeinden) haben Funktionen der lokalen Selbstverwaltung übernommen. In Usbekistan sind sie seit 1992 als gesetzliche Organe der lokalen Selbstverwaltung in den Staatsapparat eingegliedert. Die Mahalla-Kommissionen unterliegen staatlicher Kontrolle, ihre Sekretäre und Vorsitzenden werden vom Staat bezahlt und vom jeweiligen Provinzgouverneur (Hokim) ernannt (GIZ 09.2018b).

(AA - Auswärtiges Amt (03.2018): Usbekistan, Überblick, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/usbekistan-node/usbekistan/206788, Zugriff 15.10.2018

AA - Auswärtiges Amt (04.2018a): Usbekistan, Staatsaufbau und Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/usbekistan-node/-/206826, Zugriff 15.10.2018

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (09.2018a): Usbekistan, Überblick, https://www.liportal.de/usbekistan/ueberblick/, Zugriff 22.10.2018

USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Uzbekistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430385.html, Zugriff 15.10.2018)

Sicherheitslage

Es ist in Usbekistan von einer latenten Gefährdung durch radikale Gruppen auszugehen, die in Teilen Zentralasiens operieren (GIZ 08.2018b). Radikaler politischer Islamismus scheint sich vor allem im Ferganatal zu konzentrieren (GIZ 09.2018c). Landesweit herrscht die Gefahr von Terroranschlägen durch islamistische Gruppen (BMEIA 13.11.2018). Die seit den neunziger Jahren aktive "Islamische Bewegung Usbekistans" (IBU) ist eine der aktivsten Extremisten-Gruppen in Zentralasien. Die IBU unterstützte lange die Taliban im Nachbarland Afghanistan und war auch in Pakistan aktiv. 2015 legte sie den Treueeid auf den Islamischen Staat (IS) ab (SD 08.04.2017).

Usbekistan und Kirgisistan haben sich 2017 darauf geeinigt, einen jahrzehntelangen Grenzstreit über Enklaven im Ferganatal lösen zu wollen, welcher in vorangegangenen Jahren zu Schusswechseln und anderen Formen der Gewalt geführt hat. Insbesondere in der 350 km² großen Enklave Sokh, in der über 50.000 Usbeken leben, sind mehrfach Konflikte zwischen Grenzschutzbeamten und Einheimischen aufgeflammt. Dies führt oft zu Grenz- und Straßensperren durch kirgisische Beamte, was einen Gütermangel zur Folge hatte, der wiederum oft zu neuerlichen Aufständen und Gewalt führte. Neben dem usbekischen Sokh geht es auch um die kirgisische Enklave Barak und die usbekischen Enklaven Shohimardan, Jani-Ayil und Chon Qora/Qalacha (RFE/RL 14.12.2017). Im August 2018 haben sich beide Länder im Fall der Enklave Barak auf einen Gebietstausch gegen Ländereien im Gebiet um das usbekische Grenzdorf Birleshken geeinigt, welcher bis zu zwei Jahre dauern könnte (RFE/RL 15.08.2018).

(GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (09.2018c): Usbekistan, Gesellschaft, https://www.liportal.de/usbekistan/gesellschaft/, Zugriff 22.10.2018

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (08.2018b): Usbekistan, Alltag, https://www.liportal.de/usbekistan/alltag/, Zugriff 22.10.2018

BMEIA - Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten (13.11.2018): Reiseinformation Usbekistan - Sicherheit & Kriminalität, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/usbekistan/, Zugriff 13.11.2018

Novastan (09.04.2018): Usbekistans innere und äußere Bedohungen, https://www.novastan.org/de/usbekistan/innere-und-ausere-bedrohungen-usbekistans/, Zugriff 12.11.2018

RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (14.12.2017): Tug-Of-War: Uzbekistan, Kyrgyzstan Look To Finally Settle Decades-Old Border Dispute, https://www.rferl.org/a/uzbekistan-kyrgyzstan-resolving-decades-old-border-dispute/28918059.html, Zugriff 12.11.2018

RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (15.08.2018): Kyrgyzstan, Uzbekistan Agree To Work On Land Swap Near Border, https://www.rferl.org/a/kyrgyzstan-uzbekistan-agree-to-work-on-land-swap-near-border/29435146.html, Zugriff 12.11.2018

SD - Süddeutsche Zeitung (08.04.2017): Islamische Bewegung Usbekistans rekrutiert in Deutschland, https://www.sueddeutsche.de/politik/anschlag-in-stockholm-usbekistan-rueckt-ins-zentrum-des-terrors-1.3457183-2, Zugriff 12.11.2018)

Rechtsschutz/Justizwesen

Obwohl die Verfassung eine unabhängige Justiz vorsieht, gibt es einige Fälle in denen die Justiz nicht mit völliger Unabhängigkeit und Unparteilichkeit gearbeitet hat (USDOS 20.04.2018).

Alle Richter werden vom Präsidenten für eine verlängerbare Amtszeit von fünf Jahren ernannt. Die Absetzung von Richtern des Obersten Gerichtshofs muss vom Parlament bestätigt werden, welches im Allgemeinen den Wünschen des Präsidenten nachkommt (USDOS 20.04.2018). Die Rechtsanwaltskammer, eine Aufsichtsbehörde mit Pflichtmitgliedschaft, dient als Instrument der staatlichen Kontrolle über den Rechtsberuf (FH 01.2018).

Die Garantien für ein ordnungsgemäßes Verfahren sind nach wie vor äußerst schwach. Die Strafverfolgungsbehörden haben die Verhaftung von Personen, welche des religiösen Extremismus verdächtigt werden, routinemäßig gerechtfertigt, indem sie Konterbande platzierten, zweifelhafte Anklagen wegen finanzieller Verfehlungen erhoben oder Zeugenaussagen erfanden (FH 01.2018). Obwohl laut dem usbekischen Strafgesetzbuch die Unschuldsvermutung gilt, haben sich die Empfehlungen eines Staatsanwalts im Allgemeinen durchgesetzt. Beklagte haben das Recht, an Gerichtsverfahren teilzunehmen, Zeugen zu befragen und Beweise vorzulegen. Richter lehnten Anträge der Verteidigung jedoch ab, zusätzliche Zeugen vorzuladen oder Beweise, die den Beklagten unterstützen, in die Akte aufzunehmen. Angeklagte haben das Recht auf Vertretung durch einen Anwalt. Bei Bedarf wird ein Rechtsbeistand, und wenn nötig auch ein Dolmetscher, kostenlos zur Verfügung gestellt. Glaubwürdigen Berichten zufolge handelten staatlich bestellte Verteidiger jedoch routinemäßig im Interesse der Regierung und nicht ihrer Mandanten (USDOS 20.04.2018).

Die überwiegende Mehrheit der Strafverfahren endeten mit einem Schulspruch. Mitglieder der Justiz sollen Entscheidungen auf Wunsch der Exekutive, der Generalstaatsanwaltschaft oder anderer Strafverfolgungsbehörden, gefällt haben. Gerichte stützen ihre Urteile oft ausschließlich auf Geständnissen oder Zeugenaussagen, die durch Misshandlung, Bedrohung von Familienangehörigen oder anderer Formen von Gewaltanwendung gewonnen wurden. Verteidiger haben Richter gelegentlich aufgefordert Geständnisse abzulehnen und Folterbehauptungen zu untersuchen. Solche Forderungen wurden häufig aber als unbegründet abgelehnt. Foltervorwürfe wurden nicht richtig untersucht und in Gerichtsurteilen wird oft festgehalten, dass Foltervorwürfe dazu dienen würden, sich der strafrechtlichen Verantwortung zu entziehen. Es gibt ein Recht auf Berufung, wobei diese selten zu einer Aufhebung der Verurteilung führt, in einigen Fällen jedoch zu einer Verringerung oder Aussetzung von Strafen (USDOS 20.04.2018).

Bürger können bei Zivilgerichten wegen angeblicher Menschenrechtsverletzungen durch Beamte, mit Ausnahme von Ermittlern, Staatsanwälten und Richtern, Klage erheben. Es wird berichtet, dass Bestechungsgelder für Richter Entscheidungen von Zivilgerichten beeinflussen (USDOS 20.04.2018).

Im Februar 2017 verabschiedete Usbekistan eine Handlungsstrategie für die Jahre 2017 bis 2021, die Reformen im Justizbereich vorsieht. Dazu gehören neben der Verbesserung der Verwaltungs-, Straf-, Zivil- und Handelsgerichtsbarkeit auch präventive Maßnahmen zur Bekämpfung von Kriminalität und eine verbesserte juristische Ausbildung (AA 04.2018a).

Usbekistan hat die Kompetenz zum Ausstellen von Haftbefehlen von der Staatsanwaltschaft auf die Gerichte übertragen ("Habeas-Corpus-Prinzip"). Die Umsetzung dieser Maßnahme ist aber nach wie vor nicht abgeschlossen (AA 04.2018a).

(AA - Auswärtiges Amt (04.2018a): Usbekistan, Staatsaufbau und Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/usbekistan-node/-/206826, Zugriff 15.10.2018

FH - Freedom House (01.2018): Freedom in the World 2018 - Uzbekistan, https://www.ecoi.net/en/document/1442529.html, Zugriff 22.10.2018

USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Uzbekistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430385.html, Zugriff 15.10.2018)

Sicherheitsbehörden

Die zivilen Behörden behielten im Allgemeinen eine wirksame Kontrolle über die Sicherheitskräfte bei, jedoch sind die zivilen Strukturen von den Sicherheitsdiensten durchdrungen (USDOS 20.04.2018).

Usbekistan verfügt über drei Institutionen zur Bekämpfung krimineller Aktivitäten. Für Strafverfolgung, die Aufrechterhaltung der Ordnung und die Untersuchung allgemeiner Verbrechen ist die dem Innenministerium unterstellte Polizei zuständig. Die Generalstaatsanwaltschaft untersucht Gewalttaten wie Mord, außerdem Korruption und Machtmissbrauch durch Beamte. Der Nationale Sicherheitsdienst (SNB), welches über seinen Vorsitzenden direkt dem Präsidenten unterstellt ist, befasst sich mit Fragen der nationalen Sicherheit und der Spionage, welche auch die Bereiche Terrorismus, Korruption, organisierte Kriminalität, Grenzkontrolle und Drogen umfassen (USDOS 20.04.2018).

Der Nationale Sicherheitsdienst (SNB) wird für die Verhaftung und Folterung von Hunderten von Bürgern sowie Aktivisten und religiösen Persönlichkeiten verantwortlich gemacht (IWPR 04.04.2018). Es gibt mehrere Berichte, dass die Regierung oder deren Agenten, willkürliche oder rechtswidrige Tötungen - auch durch Folter - begangen haben. Straffreiheit ist ein allgegenwärtiges Problem. Offiziell wird das Innenministerium mit der Untersuchung und Disziplinierung von Beamten beauftragt, die wegen Menschenrechtsverletzungen angeklagt sind. Es gibt keine Fälle in denen es zur Bestrafung kam. Auch das dem Parlament angegliederte Büro des Bürgerbeauftragten für Menschenrechte hat - obwohl seine Entscheidungen nicht verbindlich sind - eine Befugnis zur Untersuchung von Fällen (USDOS 20.04.2018).

Ende März verabschiedete das usbekische Oberhaus das Gesetz "Über den Staatlichen Sicherheitsdienst" und formuliert damit erstmals seit der Unabhängigkeit des Landes einen rechtlichen Rahmen für die Arbeit des Sicherheitsdienstes. Nach dem neuen Gesetz gehört zu den Aufgaben des Sicherheitsdienstes der Schutz der Verfassung, der Souveränität und der territorialen Integrität vor äußeren wie inneren Gefahren. Er ist direkt Präsident Mirziyoyev rechenschaftspflichtig (Novastan 09.04.2018). Am 01.04.2018 hat Präsident Mirziyoyev per Dekret eine umfassende Reorganisation des Nationale Sicherheitsdienstes (SNB) eingeleitet, mit der die bisherige, umfassende Autorität des SNB, beendet wird. Einige Aufgabenbereiche, wie die Sicherung staatlicher Institutionen werden dem Innenministerium unterstellt, andere, wie der Bau und die Instandhaltung von Sicherheitseinrichtungen wurden dem Verteidigungsministerium übertragen. Der SNB wurde im Zuge dessen in Staatssicherheitsdienst (GSB) umbenannt (IWPR 04.04.2018).

Der OSZE-Projektkoordinator in Usbekistan unterstützt die usbekische Polizeiakademie bei ihrem Aus- und Weiterbildungsprogramm durch internationale Austauschbesuche und das Einbringen von internationalem Fachwissen in den Ausbildungsplan. Für Mitarbeiter der Abteilung für Menschenrechte und Rechtsschutz des Innenministeriums werden auch Kurse zur Menschenrechtslehre, den Rechten von Jugendlichen und zu Korruption organisiert (OSZE 2018).

Im Oktober 2018 fand in Taschkent eine vom OSZE-Projektkoordinator organisierte Schulung für Polizeibeamte statt. Der Fokus der Schulung lag auf der Einhaltung der nationalen und internationalen Menschenrechtsstandards im Polizeidienst, wie die Wahrung der Unschuldsvermutung, das Verbot von Folter und repressiven Praktiken und den Schutz von Würde und Achtung von Zeugen und Verdächtigen in allen Phasen des Ermittlungsprozesses (OSZE 06.11.2018). Im Mai 2018 fand der erste Teil einer Reihe von Kursen zur Erkennung und Untersuchung von Fällen von Menschenhandel statt. Die Schulung ist Teil eines langjährigen Engagements des OSZE-Projektkoordinators in Usbekistan zur Unterstützung des Landes bei der Bekämpfung des Menschenhandels (OSZE 21.05.2018).

Geschätzt 12.000 Nachbarschaftskomitees (Mahalla) dienen als Informationsquelle über potenzielle "Extremisten". Diese Ausschüsse bieten verschiedene soziale Unterstützungsfunktionen an, fungieren aber auch als Informanten in der lokalen Gesellschaft für die Regierung und Strafverfolgung. Mahallas in ländlichen Gebieten waren in der Regel einflussreicher als in Städten (USDOS 20.04.2018).

(IWPR - Institute for War and Peace Reporting (04.04.2018): Uzbek President Reigns In Security Service, https://www.ecoi.net/en/document/1429539.html, Zugriff 29.10.2018

Novastan (09.04.2018): Usbekistans innere und äußere Bedohungen, https://www.novastan.org/de/usbekistan/innere-und-ausere-bedrohungen-usbekistans/, Zugriff 12.11.2018

OSZE - Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (2018): OSCE Project Co-ordinator in Uzbekistan - Policing, https://www.osce.org/uzbekistan/106127, Zugriff 13.11.2018

OSZE - Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (21.05.2018): Specialized anti-trafficking training course for regional branches of police in Uzbekistan held in Urgench with OSCE support, https://www.osce.org/project-coordinator-in-uzbekistan/382117, Zugriff 13.11.2018

OSZE - Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (06.11.2018): Project Co-ordinator in Uzbekistan conducts training course for police investigators on protecting rights of alleged victims and accused persons during preliminary investigations, https://polis.osce.org/project-coordinator-uzbekistan-conducts-training-course-police-investigators-protecting-rights, Zugriff 13.11.2018

USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Uzbekistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430385.html, Zugriff 15.10.2018)

NGOs und Menschenrechtaktivisten

Nicht registrierte Nichtregierungsorganisationen (NGOs) sind mit extremen Schwierigkeiten und Belästigungen konfrontiert (FH 01.2018). In Usbekistan sind mehrere Menschenrechtsgruppen aktiv. Die Regierung versucht, die Aktivitäten von NGOs zu kontrollieren. Die Rahmenbedingungen für eine unabhängige Zivilgesellschaft, insbesondere für Menschenrechtsverteidiger, sind weiterhin restriktiv. Die meisten lokalen NGOs sind gezwungen sich einer staatlich kontrollierten NGO-Vereinigung anzuschließen, die der Regierung eine weitreichende Aufsicht über deren Finanzierung und Aktivitäten erlaubt. Für Regelverstöße werden hohe Bußgelder verhängt. Auch für internationale NGOs, sind Sanktionen vorgesehen, wenn sie Aktivitäten setzen, welche die Regierung nicht im Vorfeld genehmigt hat (USDOS 20.04.2018).

Die Regierung hat zwei einheimische Menschenrechts-NGOs, Ezgulik und die unabhängige Menschenrechtsorganisation Usbekistans, offiziell anerkannt. Vertreter von Ezgulik berichten, dass ihre Arbeit durch Schikanen, Einschüchterungen und Androhungen von Gerichtsverfahren gegen Mitarbeiter weiterhin behindert wird. Andere Menschenrechtsorganisationen, wie Human Rights Alliance, Najot, das Humanitarian Legal Center, die Human Rights Society of Usbekistan, die Expert Working Group und Mazlum (Unterdrückte), konnten sich nicht registrieren, sind aber nach wie vor aktiv. Aktivisten berichten von anhaltender staatlicher Kontrolle und Belästigung. Es gibt Berichte, dass die Polizei und andere Sicherheitskräfte ohne Haftbefehle in die Häuser von Menschenrechtsaktivisten und Mitgliedern religiöser Gruppen eingedrungen sind (USDOS 20.04.2018).

1999 wurde in Usbekistan ein Gesetz zur Arbeit von NGOs verabschiedet. Von den etwa 500 (Stand 2004) registrierten Organisationen im Land, sind etwa zehn Prozent tatsächlich aktiv. Sie sind in hohem Maße von ausländischer Finanzierung abhängig (GIZ 9.2018b). Nach der gewaltsamen Niederschlagung einer Erhebung der Bevölkerung von Andischan im Ferganatal am 12./13.05.2005, bei der je nach Angaben 169 oder 500 bis 1000 Menschen ums Leben kamen, setzte eine Welle von "freiwilligen" Schließungen von NGOs ein. Zahlreiche ausländische NGOs mussten das Land verlassen. Nun kehren erste ausländische Organisationen zurück (GIZ 09.2018b). Erstmals seit sieben Jahren durfte im September 2017 eine offizielle Delegation von Human Rights Watch ihre erste Feldarbeitsbewertung in Usbekistan durchführen. Eine Reihe von internationalen Menschenrechtsbeauftragten, darunter der VN-Hochkommissar für Menschenrechte, durften ebenfalls das Land und die im Lauf des Jahres freigelassenen politischen Gefangenen besuchen (FH 01.2018).

Der Grad, in dem NGOs in der Lage sind, zu arbeiten, ist je nach Region unterschiedlich und abhängig von der Toleranz lokaler Beamter gegenüber den Aktivitäten der NGOs (USDOS 20.04.2018).

(FH - Freedom House (01.2018): Freedom in the World 2018 - Uzbekistan, https://www.ecoi.net/en/document/1442529.html, Zugriff 22.10.2018

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (09.2018b): Usbekistan, Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/usbekistan/geschichte-staat/, Zugriff 22.10.2018

USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Uzbekistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430385.html, Zugriff 15.10.2018)

Allgemeine Menschenrechtslage

Usbekistan hat wichtige Menschenrechtskonventionen der Vereinten Nationen ratifiziert, darunter den Internationalen Pakt über Bürgerliche und Politische Rechte und das Übereinkommen gegen Folter. Dem stehen aber in der Praxis Menschenrechtsverletzungen gegenüber. Es wird weiterhin von Verhaftungen unter dem Vorwurf des Terrorismus oder der Mitgliedschaft in islamistischen Organisationen bzw. Unterstützung islamischer Fundamentalisten berichtet (AA 04.2018a).

Zu den gravierendsten Menschenrechtsfragen in Usbekistan gehörten Folter und Misshandlung von Gefangenen durch Sicherheitskräfte, willkürliche Verhaftung, Isolationshaft, ausgeweitete Haft und manchmal lebensbedrohliche Haftbedingungen, Einschränkungen der Meinungs-, Presse-, Versammlungs-, Vereinigungs- und Religionsfreiheit sowie der Zivilgesellschaft, die Unmöglichkeit, die Regierung in freien, fairen und regelmäßigen Wahlen zu wählen, endemische Korruption, Menschenhandel, einschließlich staatlich veranlasster Zwangsarbeit, und die Inhaftierung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transsexuellen/Transgender und Intersexuellen (LGBTI-Personen) auf der Grundlage von Gesetzen, welche gleichgeschlechtliches Sexualverhalten kriminalisieren. Es gab keine Berichte über politisch motiviertes langfristiges Verschwinden von Personen durch oder im Auftrag von Regierungsbehörden. In ihrem Jahresbericht von 2017 stellt die in Genf ansässige Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen zu erzwungenem oder unfreiwilligem Verschwinden fest, dass es sieben Fälle aus den Vorjahren gibt. Nach Angaben der Arbeitsgruppe hat die Regierung nicht auf Anfragen der Gruppe, das Land besuchen zu dürfen reagiert (USDOS 20.04.2018).

Präsident Mirziyoyev hat einige Schritte unternommen, um Usbekistans "katastrophale" Menschenrechtsbilanz zu verbessern, wie z.B. die Freilassung einiger politischer Gefangener, die Lockerung bestimmter Einschränkungen der Meinungsfreiheit, die Streichung von Bürgern von der berüchtigten "schwarzen Liste" der Sicherheitsdienste und eine stärkere Rechenschaftspflicht staatlicher Institutionen gegenüber der Bürger (HRW 18.01.2018; vgl. AI 22.02.2018).

Die Regierung arbeitet mit Vertretern der Vereinten Nationen (VN) sowie mit VN-Sonderorganisationen wie der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und weiteren internationalen Organisationen, welche die Menschenrechte überwachen, zusammen und erlaubt Besuche (USDOS 20.04.2018).

Das nationale Zentrum für Menschenrechte (National Human Rights Center - NHRC), eine Regierungsbehörde, ist für die Aufklärung von Öffentlichkeit und Beamtenschaft über die Grundsätze von Menschenrechten und Demokratie zuständig und soll sicherstellen, dass die Regierung ihren internationalen Verpflichtungen zur Bereitstellung von Menschenrechtsinformationen nachkommt. Das NHRC arbeitete mit der OSZE bei der Entwicklung eines nationalen Aktionsplans für Menschenrechte zusammen. (USDOS 20.04.2018).

Im Mai 2017 besuchte Zeid Ra'ad Al Hussein, Hoher Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte, die Republik Usbekistan. Dies war der erste Besuch eines Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte, seit dessen Etablierung im Jahr 1993. Erstmals nach sieben Jahren war es auch der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch Anfang September 2017 möglich die Republik Usbekistan zu besuchen. 2017 und auch bereits 2018 wurde eine Reihe langjähriger politischer Gefangener freigelassen. Eine zunehmende Anzahl von Strafurteilen wurde in den vergangenen Monaten überprüft und aufgehoben (AA 04.2018a).

(AA - Auswärtiges Amt (04.2018a): Usbekistan, Staatsaufbau und Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/usbekistan-node/-/206826, Zugriff 15.10.2018

AI - Amnesty International (22.20.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Uzbekistan, https://www.amnesty.org/en/countries/europe-and-central-asia/uzbekistan/report-uzbekistan/, Zugriff 29.10.2018

HRW - Human Rights Watch (18.01.2018): World report 2018 - Uzbekistan, https://www.ecoi.net/en/document/1422503.html, Zugriff 25.10.2018

USDOS - US Department of State (20.04.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Uzbekistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430385.html, Zugriff 15.10.2018)

Meinungs- und Pressefreiheit

Die Verfassung garantiert Meinungs- und Pressefreiheit, aber die Regierung respektiert diese Rechte nicht und schränkt sie ein (USDOS 20.04.2018; vgl. FH 01.2018). Der Staat kontrolliert die wichtigsten Medien und die dazugehörigen Einrichtungen (FH 01.2018). Unabhängige Medien können aufgrund breiter staatlicher Kontrolle nicht frei arbeiten (USDOS 20.04.2018). Ein im Dezember 1997 verabschiedetes Mediengesetz regelt die Befugnisse und Pflichten von Journalisten. Obwohl die staatliche Zensur im Mai 2002 formal abgeschafft wurde, werden unabhängige Journalisten weiterhin schikaniert. Selbstzensur ist verbreitet (GIZ 09.2018b). In staatlichen Medien sind eigene Beamte für die Zensur zuständig (USDOS 20.04.2018). Print- und Rundfunkjournalisten sind bei ihrer Tätigkeit durch Polizei und Sicherheitsdienste Verhaftungen, Belästigungen wie auch Einschüchterungen und Einschränkungen ausgesetzt. Ausländische und inländische Medienunternehmen, sowie Websites müssen sich inklusive der Angaben von Namen ihrer Gründer, Chefredakteure und Mitarbeiter nach dem Mediengesetz behördlich registrieren (USDOS 20.04.2018). Mehrere ausländische Reporter erhielten 2017 Presseausweise und die British Broadcasting Corporation (BBC) kündigte Pläne an, einen Korrespondenten in Taschkent zu stationieren. Doch ist die Präsenz unabhängiger internationaler Niederlassungen sehr begrenzt. Einheimische Medien, einschließlich Nachrichten-Websites und neue Live-Fernsehprogramme, begannen 2017 vorsichtig über soziale Probleme zu diskutieren und lokale Beamte zu kritisieren, obwohl sie es weiterhin vermieden haben, die Regierung offen zu kritisieren (FH 01.2018).

Die Kritikmöglichkeit am Präsidenten und an der Regierung ist eingeschränkt. Die Straf- und Verwaltungsgesetze verhängen erhebliche Bußgelder wegen Verleumdung, Beleidigung und Diffamierung um Journalisten, Menschenrechtsaktivisten und andere Personen, welche die Kritik an der Regierung übten zu bestrafen. Die öffentliche Beleidigung des Präsidenten gilt als Verbrechen, welches mit einer Strafdrohung von bis zu fünf Jahren Haft geahndet werden kann (USDOS 20.04.2018).

Die Behandlung religiöser Themen steht unter strenger staatlicher Kontrolle. Der Import, die Produktion und der Besitz von religiöser Literatur - einschließlich des Korans und der Bibel - wird streng kontrolliert. Dazu gehört auch Daten auf Mobiltelefonen, Tabletts, PCs, Speichersticks und anderen elektronischen Geräten und Medien, wobei die Zensur durch den Ausschuss für religiöse Angelegenheiten des Staates obligatorisch ist. Verstöße gegen diese Einschränkungen können Haftstrafen nach sich ziehen. Zwischen August und September 2018 wurden mehrere Blogger, die über religiöse Rechte sprachen, festgenommen und mindestens acht von ihnen wurden zu Haftstrafen verurteilt (Forum 18 20.09.2018).

Durch verschiedene Reformen hat Präsident Mirziyoyev seit 2016 eine größere Toleranz gegenüber öffentlicher Kritik signalisiert und das Klima für die Äußerung persönlicher Ansichten zu sensiblen Themen bescheiden verbessert (FH 01.2018). Die Behörden haben einige Einschränkungen des Rechts auf freie Meinungsäußerung aufgehoben, erlauben eine mäßig kritische Berichterstattung der Medien und entließen mehrere Gefangene, die wegen politisch motivierter Anschuldigungen verurteilt wurden. Die Regierung hat jedoch die feste Kontrolle über den Zugang zu Informationen behalten. Unabhängige und internationale Medienplattformen, die als behördlich kritisch angesehen werden, bleiben unzugänglich (AI 22.02.2018).

Menschenrechtsaktivisten und politische Oppositionelle gehen davon aus, dass ihre Telefonate und Aktivitäten durch die Sicherheitsbehörden überwacht werden (USDOS 20.04.2018).

Eine Nutzung des Internets, einschließlich Social Media Seiten ist im allgemeinen erlaubt. Internetdienstanbieter blockieren jedoch routinemäßig, angeblich auf Ansuchen der Regierung, den Zugang zu Websites oder bestimmte Bereiche von Websites. Nach offiziellen Angaben nutzen rund 39 Prozent der Einwohner Usbekistans das Internet. Inoffizielle Schätzungen gehen von einem höheren Anteil aus (USDOS 20.04.2018). 1999 wurde ein Erlass verabschiedet, der alle Internet-Provider zwingt, ihre Verbindungen über einen staatlichen Server laufen zu lassen. Technischer Fortschritt ermöglicht es einigen Anbieter diese Auflage illegal zu umgehen (GIZ 09.2018b).

Nach staatlichen Angaben (Stand 01.01.2015) gibt es in Usbekistan 1.400 Massenmedien, darunter 970 Zeitungen und Zeitschriften, über 100 elektronische Medien (Nachrichtenagenturen, Fernseh- und Radiostudios, FM-Stationen etc.) und über 340 Internetmedien (GIZ 09.2018b).

(AI - Amnesty International (22.02.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Uzbekistan, https://www.amnesty.org/en/countries/europe-and-central-asia/uzbekistan/report-uzbekistan/, Zugriff 29.10.2018

FH - Freedom House (01.2018): Freedom in the World 2018 - Uzbekistan, https://www.ecoi.net/en/document/1442529.html, Zugriff 22.10.2018

Forum 18 (20.09.2018): Uzbekistan: Jailings "to intimidate all who speak about freedoms", https://www.ecoi.net/de/dokument/1444046.html, Zugriff 14.11.2018

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (09.2018b): Usbekistan, Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/usbekistan/geschichte-staat/, Zugriff 22.10.2018

USDOS - US Department of State (20.04.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Uzbekistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430385.html, Zugriff 15.10.2018)

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition

Die von der Verfassung garantierte Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit wird von der Regierung in der Praxis häufig eingeschränkt, die für Demonstrationen erforderlichen Genehmigungen werden oft nicht erteilt. Personen, die dagegen verstoßen werden mit hohen Bußgeldern, Drohungen, willkürlichen Haftstrafen und Missbrauch unter Druck gesetzt (USDOS 20.04.2018). Beschränkungen für die Durchführung friedlicher Demonstrationen wurden etwas gelockert (HRW 18.01.2018).

Der Gewerkschaftsbund wird vom Staat kontrolliert und es gibt keine wirklich unabhängigen Gewerkschaftsstrukturen. Organisierte Streiks sind extrem selten. Praktisch alle ni

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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