Entscheidungsdatum
06.12.2019Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W136 2172349-2/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Brigitte HABERMAYER-BINDER über den Antrag von XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Syrien, vertreten durch ARGE Rechtsberatung, auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29.08.2018, W136 2172349-1/7E rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens auf internationalen Schutz zu Recht erkannt:
A) Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens wird abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
1. Die beschwerdeführende (bzw. im Wiederaufnahmeverfahren) antragstellende Partei, stellte nach schlepperunterstützter und unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 02.12.2015 für sich und als gesetzliche Vertreter seinen minderjährigen Sohn einen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs 1 Z 13 des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005).
2. Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.08.2017, wurden die Anträge des Beschwerdeführers sowie seiner Ehefrau und seines Sohnes auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), jedoch den Beschwerdeführern gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status von subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihnen gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 31.08.2018 erteilt (Spruchpunkt III.).
Gegen den vorerwähnten Bescheid wurde vom rechtsfreundlichen Vertreter der beschwerdeführenden Parteien Beschwerde eingebracht, welche vom BVwG nach Durchführung einer Verhandlung am 20.06.2018 mit dem antragsgegenständlichen Erkenntnis vom 29.08.2018 als unbegründet abgewiesen wurde. Das BVwG erachtete mit näherer Begründung unter anderem das Fluchtvorbringen als nicht glaubhaft. Bereits am 27.06.2017 hatte der zu diesem Zeitpunkt bereits über 50 Jahre alte Antragsteller vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein einer Dolmetscherin für die arabische Sprache niederschriftlich angegeben, nie beim Militär gewesen zu sein, da man früher den Militärdienst leicht hätte aufschieben können und nunmehr er zu alt zu sein, um eingezogen zu werden. Hinsichtlich seiner Rückkehrbefürchtungen gab der Antragsteller vor dem BVwG in der mündlichen Verhandlung an, dass im bei Rückkehr der Tod durch das syrische Regime wegen seiner regimekritischen Haltung drohe, weswegen er sich auch seit dem Jahr 2011 entweder im Untergrund oder im Ausland aufgehalten habe.
3. Mit Schreiben vom 15.02.2019 brachte der Antragsteller einen Antrag auf Wiederaufnahme ein, den er mit dem Hervorkommen eines neuen Beweises, nämlich einem syrischen Einberufungsbefehl, begründete. Das dem BVwG übermittelte Schriftstück in arabischer Sprache sei am 26.12.2018 in Damaskus ausgestellt worden und bestätige, dass der Antragsteller am 20.02.2017 oder am 20.04.2017 hätte einrücken müssen. Der Antragsteller habe dieses Schreiben am 02.02.2019 über Umwege von einem in Wuppertal lebenden Freund erhalten.
4. Vom BVwG wurde eine Übersetzung des vom Antragsteller übermittelte Schreibens von einem Dolmetscher für Arabisch veranlasst. Als ausstellende Behörde ist die Abteilung für Wehrdienstleistungen und Berufungsabteilung des Generalstabes der syrischen Armee ausgewiesen und ist das Schreiben mit 26.12.2018 datiert. Der Inhalt dieses Schreibens lautet:
"Nach Überprüfung des Militärdienstbuches des Rekruten XXXX , Sohn des XXXX , geboren in Damaskus im Jahre XXXX in XXXX und registriert unter Nummer 27, hat noch zum Militär zu gehen und er wird am 20.04 oder 20.02.2017 zum Militär einberufen.
Diese Bestätigung wurde auf seinen Wunsch ausgestellt. Er darf nicht ausreisen und diese Bestätigung kann nicht zum Heiraten oder zum Ausreisen verwendet werden."
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen
Zu Spruchteil A)
2.1. Nach § 32 Abs. 1 VwGVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn
1. das Erkenntnis durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonst wie erschlichen worden ist oder
2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anders lautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten, oder [....]
2.2. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 32 Abs 1 Z 2 VwGVG rechtfertigen neu hervorgekommene Tatsachen und Beweismittel (also solche, die bereits zur Zeit des früheren Verfahrens bestanden haben, aber erst später bekannt wurden) - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - eine Wiederaufnahme des Verfahrens, wenn sie die Richtigkeit des angenommenen Sachverhalts in einem wesentlichen Punkt als zweifelhaft erscheinen lassen (vgl ua VwGH 08.09.2015, Ra 2014/18/0089, mwN).
Laut ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 69 Abs. 1 Z 2 AVG nur auf solche Tatsachen, das heißt Geschehnisse im Seinsbereich (vgl. VwGH 15. 12. 1994, 93/09/0434; 4. 9. 2003, 2000/17/0024) oder Beweismittel, das heißt Mittel zur Herbeiführung eines Urteiles über Tatsachen (vgl. VwGH 16. 11. 2004, 2000/17/0022; 24. 4. 2007, 2005/11/0127), gestützt werden, die erst nach Abschluss eines Verfahrens hervorgekommen sind und deshalb von der Partei ohne ihr Verschulden nicht geltend gemacht werden konnten. Es muss sich also um Tatsachen und Beweismittel handeln, die beim Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens schon vorhanden waren, deren Verwertung der Partei aber ohne ihr Verschulden erst nachträglich möglich wurde ("nova reperta"), nicht aber um erst nach Abschluss des seinerzeitigen Verfahrens neu entstandene Tatsachen und Beweismittel ("nova producta" bzw. "nova causa superveniens") (vgl. VwGH 17.2.2006, 2006/18/0031; 7.4.2000, 96/19/2240, 20.6.2001, 95/08/0036; 18.12.1996, 95/20/0672; 25.11.1994, 94/19/0145; 25.10.1994, 93/08/0123; 19.2.1992, 90/12/0224 u.a.).
2.3. Gegenständlich wurde zur Begründung des Wiederaufnahmeantrages eine Bestätigung des syrischen Militärs vorgelegt, welche, wie der Antragsteller selbst anführt, am 26.12.2018 ausgestellt wurde. Nachdem jedoch das Verfahren, dessen Wiederaufnahme beantragt wird, bereits mit Erkenntnis vom 29.08.2018, dem zustellungsbevollmächtigten Rechtsvertreter des Antragstellers am 30.08.2018 zugestellt, abgeschlossen wurde, liegt gegenständlich ein neu entstandenes Beweismittel vor, weswegen allein schon aus diesem Grund eine Wiederaufnahme des Verfahrens aus dem Grund des § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG nicht in Frage kommt.
2.4. Ungeachtet des Umstandes, dass die vorgelegte Urkunde erst nach Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens angefertigt wurde, wäre sie auch ihrem Inhalt nach keineswegs geeignet, ein im Hauptinhalt des Spruchs anders lautendes Erkenntnis herbei zu führen:
Zum einen hat der Antragsteller in seinem Asylverfahren niemals vorgebracht, dass ihm eine Einberufung zur syrischen Armee drohen würde, sondern dies sogar in Hinblick auf seine Alter ausdrücklich ausgeschlossen, zum anderen ist schon aus der Urkunde selbst ersichtlich, dass dieser "rückwirkende" Einberufungsbefehl auf Wunsch des Antragstellers ausgestellt wurde. Eine derartige "Wunschbestätigung" ist daher grundsätzlich als Beweismittel, insbesondere, wenn damit eine Einberufung dargetan werden soll, ungeeignet.
2.5. Da der Sachverhalt aus der Aktenlage als geklärt anzusehen ist und es sich bei der Einordnung, ob die Eignung eines vorgebrachten Wiederaufnahmegrundes vorliegt, um eine Rechtsfrage handelt (vgl. VwGH 19.04.2007, 2004/09/0159; Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren (2013) § 32 VwGVG Anm. 9), konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben (vgl. VwGH 28.05.2014, Ra 2014/20/0017 und 0018; VfGH 14.03.2012, U 466/11 ua.).
Zu Spruchteil B):
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des VwGH ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des VwGH auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind somit weder im Wiederaufnahmeantrag vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen. Auf die zitierte Judikatur wird verwiesen.
Schlagworte
Voraussetzungen Wegfall der Gründe Wiederaufnahme WiederaufnahmeantragEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W136.2172349.2.00Im RIS seit
12.08.2020Zuletzt aktualisiert am
12.08.2020