TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/31 W248 2184667-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 31.01.2020
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Entscheidungsdatum

31.01.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W248 2184667-1/22E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. NEUBAUER über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX StA. Afghanistan, vertreten durch die XXXX gem. GmbH und die XXXX GmbH als Mitglieder der XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.01.2018, Zl. XXXX , nach der Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 06.05.2019 zu Recht:
A)

Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte 2., 3., 4. und 5. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abgewiesen.
B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1        Verfahrensgang:

1.        XXXX XXXX (im Folgenden Beschwerdeführer) ist afghanischer Staatsangehöriger und stellte am 15.11.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Dabei gab er an, den Namen XXXX XXXX zu führen, am XXXX geboren zu sein und Staatsangehöriger von Afghanistan zu sein.

2.       Im Zuge seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 15.11.2015 gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen an, er habe im Iran nicht die Möglichkeit gehabt, weiter eine Schule zu besuchen, bzw. eine Ausbildung zu machen. Er habe immer minderwertige Arbeiten verrichten müssen. Seine Mutter sei sehr krank und sein Vater habe ihm gesagt, wenn er die Möglichkeit habe, solle er den Iran verlassen. Der Vater habe darauf verwiesen, dass es für den Beschwerdeführer in Europa bessere Möglichkeiten gäbe, eine Schul- bzw. Berufsausbildung zu machen.

Am 20.11.2015 gab der Beschwerdeführer bei der EAST Ost von sich aus an, am XXXX (= XXXX ) geboren zu sein. Das Geburtsdatum des Beschwerdeführers wurde daraufhin von XXXX auf XXXX geändert.

3.       In seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden BFA) am 04.01.2018 führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen ergänzend aus, er sei in XXXX (Iran) geboren und auch aufgewachsen und habe dort immer bis zur Ausreise gelebt. Insgesamt habe er 5 Jahre die Schule besucht. Bis zu seiner Ausreise habe er eine Aufenthaltskarte gehabt, sie sei zu dem Zeitpunkt noch gültig gewesen. Er habe sie immer wieder verlängern müssen. Zwei Jahre lang habe er in einer Ölfabrik in XXXX , Iran gearbeitet. Er sei Hazara und schiitischer Muslim, nicht verheiratet und habe keine Kinder. In Afghanistan habe er niemanden, alle seine Verwandten würden im Iran leben. Seine Eltern und seine drei Geschwister würden nach wie vor in XXXX leben. Der Vater würde als Hilfsarbeiter am Bau arbeiten und so die Familie ernähren. Außerdem habe er einen Onkel väterlicherseits und einen Onkel mütterlicherseits im Iran, die beide als Hilfsarbeiter arbeiten würden. Die Eltern des Beschwerdeführers würden ursprünglich aus der Provinz Bamyan stammen, und er wisse nicht, wann genau sie Afghanistan verlassen hätten. Er vermute allerdings aufgrund des Alters seiner bereits im Iran geborenen Geschwister, dass dies etwa 30 Jahre her sei. Die Familie habe Afghanistan wegen des Krieges verlassen und habe in Afghanistan keinerlei Besitztümer mehr. Nachdem die Grenzen offen waren, habe der Beschwerdeführer Mitte 2015 beschlossen, den Iran zu verlassen, wobei ihn sein Vater unterstützt habe, da dieser sich für den Beschwerdeführer eine bessere Zukunft gewünscht habe (damit er nicht auch als Hilfsarbeiter arbeiten müsse). Ungefähr einen Monat später sei er tatsächlich ausgereist. Sein Vater habe die Reise finanziert.

Im Fall einer Rückkehr wisse er nicht, was ihn erwarten würde. Er habe allerdings in Afghanistan niemanden, das seien seine Befürchtungen.

4.       Der Beschwerdeführer gab an, in regelmäßigem Kontakt mit seiner Familie zu stehen und ca. ein Mal pro Woche über das Internet mit ihnen zu kommunizieren. Seine Mutter und sein Bruder seien krank.

5.       Mit dem im Spruch bezeichneten Bescheid wies das BFA den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung von Asyl ab (Spruchpunkt 1.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 wurde der Antrag auf internationalen Schutz auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt 2.). Dem Beschwerdeführer wurde kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG erlassen (Spruchpunkt 3.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt 4.). Weiters wurde ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt 5.).

Der Begründung des im Spruch bezeichneten Bescheides des BFA ist im Wesentlichen zu entnehmen, das Vorbringen des Beschwerdeführers biete keinen Hinweis darauf, dass eine wohlbegründete Furcht aus einem in der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) genannten Gründe bestehen würde.

Die Gründe für die Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz würden sich auf Vorfälle im Iran stützen. Eine Bedrohung oder Verfolgung aufgrund der Volksgruppen- oder Religionszugehörigkeit des Beschwerdeführers könne nicht festgestellt werden. Auch aus dem Amtswissen könne nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer aufgrund seines Aufenthaltes im Iran und Europa einer Verfolgung oder Bedrohung ausgesetzt wäre. Ebenso wenig könne festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan einer Verfolgung durch staatliche Organe oder Privatpersonen unterliege. Auch aus den sonstigen Umständen könne keine Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, festgestellt werden.

Es könne nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr eine konkrete Verfolgung oder Bedrohung in Afghanistan zu befürchten hätte oder dass er im Fall der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Afghanistan im Recht auf Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen oder von der Todesstrafe bedroht wäre.

Der Beschwerdeführer sei ein junger, gesunder und arbeitsfähiger Mann. Er verfüge über berufstätige Angehörige im Iran, sodass er für die erste Zeit nach seiner Rückkehr nach Afghanistan zumindest finanzielle Unterstützung von seiner Familie erhalten könne. Weiters könne festgestellt werden, dass er noch in Kontakt mit seiner Familie stehe.

Da der Beschwerdeführer über eine 5-jährige Schulausbildung und über Berufserfahrungen als Arbeiter in einer Ölfabrik verfüge, könne er selbst für seinen Unterhalt sorgen und laufe im Falle der Rückkehr nach Afghanistan nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Notsituation zu geraten. Die Sicherheitslage in der Herkunftsprovinz der Eltern des Beschwerdeführers (Bamyan) sei ausreichend sicher, die Provinz verfüge über ein starkes Sicherheitswesen und sei als eine der sichersten und liberalsten Regionen von Afghanistan bekannt. Bamyan sei von Kabul aus gut erreichbar. Der Beschwerdeführer könne sich aber auch bereits in Kabul niederlassen. Kabul verfüge über einen Flughafen, welchen der Beschwerdeführer sicher erreichen könne. Außerdem behalte die afghanische Regierung weiterhin die Kontrolle gegenüber regierungsfeindlichen Gruppierungen. Auch Kabul gelte als relativ sicherer Teil von Afghanistan.

Außergewöhnliche Gründe, die eine Rückkehr insbesondere in die Stadt Kabul ausschließen würden, könnten nicht festgestellt werden. Somit stehe fest, dass ein Erreichen des Herkunftslandes für den Beschwerdeführer zumutbar und möglich sei.

6.       Am 08.01.2018 wurde dem Beschwerdeführer mit Verfahrensanordnung gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG für ein allfälliges Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht die XXXX als Rechtsberatung amtswegig zur Seite gestellt.

7.       Mit Schreiben vom 19.01.2018 erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch die XXXX gem. GmbH und die XXXX GmbH als Mitglieder der XXXX fristgerecht Beschwerde gegen sämtliche Spruchpunkte des Bescheides des BFA und legte eine Vollmacht für die genannten Organisationen vor.

In der Beschwerde bringt der Beschwerdeführer abermals vor, er sei im Iran geboren und aufgewachsen und habe sein gesamtes Leben bis zur Ausreise dort verbracht. Er habe in Österreich bereits den Deutschkurs A2 erfolgreich absolviert und sich bemüht, einen Ausbildungsplatz zu bekommen. Er habe in Neunkirchen und Burgkirchen Fußball gespielt, dabei viele österreichische Freunde gefunden und sich hervorragend integriert.

Gerade die Tatsache, dass der Beschwerdeführer im Iran geboren worden sei und sein gesamtes Leben im Iran verbracht habe und dies auch für Afghanen anhand seines Akzentes leicht erkennbar wäre, werde im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan zu einer Verfolgung bzw. schweren Diskriminierung führen, welche ihm jedenfalls eine Rückkehr nach Afghanistan unzumutbar mache.

Wenn das BFA im angefochtenen Bescheid die Ansicht vertrete, dass Kabul für Normalbürger, die nicht mit Ausländern zusammen arbeiten, eine sichere Stadt sei, sei darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer gewiss nicht als afghanischer Normalbürger angesehen werden könne, weil er sein gesamtes Leben im Ausland verbracht habe. Da er im Iran geboren und aufgewachsen sei und nach Europa geflohen sei, sei er in Afghanistan eher als Ausländer denn als Normalbürger zu betrachten.

Auch die Volksgruppenzugehörigkeit des Beschwerdeführers (Hazara) würde diesen weitreichender Diskriminierung und Verfolgung in Afghanistan aussetzen. Entgegen der im angefochtenen Bescheid zum Ausdruck kommenden Ansicht des BFA habe sich die Lage von schiitischen Hazara nicht verbessert, sondern würden diese gezielt verfolgt und diskriminiert.

Der Beschwerdeführer erfülle mehrere Risikoprofile des UNHCR (Männer im wehrfähigen Alter; Zivilisten, die der Unterstützung regierungsfeindlicher Kräfte verdächtigt werden; Angehörige religiöser Minderheiten; Personen, bei denen vermutet wird, dass sie gegen islamische Grundsätze, Normen und Werte gemäß der Auslegung regierungsfeindlicher Kräfte verstoßen haben; Frauen und Männer, die angeblich gegen gesellschaftliche Normen verstoßen haben; Angehöriger gewisser ethnischer Gruppen, insbesondere ethnischer Minderheiten). Es liege daher eine asylrelevante Verfolgung des Beschwerdeführers vor, insbesondere aufgrund seiner Zugehörigkeit zur religiösen und ethnischen Gruppe der schiitischen Hazara sowie aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, nämlich zur Gruppe der Afghanen, die den Großteil ihres Lebens im Iran verbracht haben und welchen dadurch eine oppositionelle politische Gesinnung unterstellt werde.

Eine innerstaatliche Fluchtalternative liege nicht vor, da der Beschwerdeführer überall in Afghanistan Verfolgung zu befürchten habe. Der afghanische Staat sei nicht willens bzw. nicht in der Lage, dem Beschwerdeführer ausreichend Schutz vor Verfolgungshandlungen zu garantieren. Bei richtiger Beurteilung hätte daher die Erstbehörde nach der in der Beschwerde zum Ausdruck kommenden Ansicht dem Asylantrag stattgeben und feststellen können, dass der Beschwerdeführer Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A GFK ist. Endigungs- oder Ausschlussgründe gemäß Art. 1 Abschnitt C oder F der GFK würden nicht vorliegen.

Die Beschwerde führt weiter aus, dass dem Beschwerdeführer zumindest – schon alleine angesichts der prekären Sicherheitslage in Afghanistan – der Status des subsidiär Schutzberechtigten zu zuerkennen gewesen wäre. Der Beschwerdeführer wäre nämlich als schiitischer Hazara Verfolgung und Diskriminierungen ausgesetzt. Zudem habe der Beschwerdeführer noch nie in Afghanistan gelebt und sei mit den dortigen Gebräuchen nicht vertraut. Er verfüge auch über kein soziales Netzwerk in Afghanistan und über keinerlei finanzielle Mittel, sodass er sich keine Existenz in Afghanistan aufbauen könne und binnen kurzer Zeit in eine hoffnungslose Notlage geraten würde. Eine Unterstützung durch die Familie oder durch Verwandte des Beschwerdeführers sei nicht möglich, und es gebe in Afghanistan auch keine verwandtschaftlichen Anknüpfungspunkte, die den Beschwerdeführer schützen bzw. unterstützen könnten.

8.       Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 31.01.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein, wo die Rechtssache der Gerichtabteilung W259 zugewiesen wurde.

Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 19.12.2018 wurde die Rechtssache der Gerichtsabteilung W259 abgenommen und in weiterer Folge der Gerichtsabteilung W248 neu zugewiesen.

9.       Am 06.05.2019 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung im Beisein des Beschwerdeführers, seiner Vertretung und eines Dolmetschers für die Sprachen Dari/Farsi statt, in welcher der Beschwerdeführer ausführlich zu seinen Fluchtgründen befragt wurde und die Möglichkeit hatte, diese umfassend darzulegen. Ein Vertreter der belangten Behörde nahm an der Verhandlung nicht teil. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung legte der Beschwerdeführer weitere (Integrations-)Unterlagen vor. Zudem zeigte er in der mündlichen Verhandlung eine auf seiner Hand angebrachte Tätowierung vor, welche ein Kreuz zeigt und die sich offensichtlich schon längere Zeit dort befindet. Diesbezüglich erklärte der Beschwerdeführer, dass er wegen seiner Tätowierung schon Probleme bekommen habe und vermute, dass er wegen dieser Tätowierung auch in Afghanistan Probleme bekommen würde, da die Menschen dort annehmen würden, dass er konvertiert sei und kein Moslem mehr sei.

10.      Nach Schluss der mündlichen Verhandlung wurde die Beschwerde mit mündlich verkündetem Erkenntnis hinsichtlich Spruchpunkt 1. des angefochtenen Bescheides (Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten) abgewiesen. Dem Beschwerdeführer wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 06.05.2020 erteilt. Das Verhandlungsprotokoll wurde dem BFA am 07.05.2019 samt Hinweis auf die mündliche Verkündung übermittelt.

11.      Am 13.05.2019 beantragte das BFA fristgerecht die Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 4 VwGVG. Die schriftliche Ausfertigung erfolgte am 21.05.2019.

12.      Das BFA erhob eine Amtsrevision, aufgrund welcher das Erkenntnis vom Verwaltungsgerichtshof hinsichtlich der Spruchpunkt A) II. (Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten) und A) III. (Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter) aufgehoben wurde (VwGH 12.12.2019, Ra 2019/01/0243-6).

13.      Dem Beschwerdeführer wurde mit Schreiben vom 14.01.2020 das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation (Gesamtaktualisierung vom 13.11.2019) im Zuge des Parteiengehörs mit der Aufforderung übermittelt, dazu Stellung zu nehmen.

14.      Mit Schreiben vom 21.01.2020 erstattete der Beschwerdeführer eine Stellungnahme zu den ihm übermittelten aktualisierten Länderinformationen. Neue Fluchtgründe oder Änderungen der persönlichen Umstände des Beschwerdeführers wurden weder bei dieser Gelegenheit noch sonst seit Erlassung des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts vom 06.05.2019, W248 2184667-1/11E, geltend gemacht.
2         Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage des erhobenen Antrages auf internationalen Schutz, der Erstbefragung und Einvernahme des Beschwerdeführers durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie des BFA, der Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid des BFA, der im Verfahren vorgelegten Dokumente und abgegebenen Stellungnahmen, der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, der Einsichtnahme in den Bezug habenden Verwaltungsakt, das Zentrale Melderegister, das Fremdeninformationssystem, das Strafregister und das Grundversorgungs-Informationssystem werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:
2.1         Feststellungen:

2.1.1   Zum Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer stellte am 15.11.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Mit dem im Spruch bezeichneten Bescheid vom 06.01.2018, Zl. XXXX , wies das BFA den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung von Asyl ab. Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 wurde der Antrag auf internationalen Schutz auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen. Dem Beschwerdeführer wurde kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei. Weiters wurde ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

Mit Schreiben vom 21.09.2018 erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde gegen sämtliche Spruchpunkte des gegenständlichen Bescheides, woraufhin am 06.05.2019 vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung im Beisein des Beschwerdeführers, seiner Vertreterin und eines Dolmetschers für die Sprache Farsi stattfand, in welcher der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt und ihm Gelegenheit gegeben wurde, diese umfassend darzulegen. Nach Schluss der Verhandlung wurde dem Beschwerdeführer mit mündlich verkündetem Erkenntnis der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter erteilt. Das Verhandlungsprotokoll wurde dem Beschwerdeführer in Kopie ausgefolgt und dem BFA am 07.05.2019 samt Hinweis auf die mündliche Verkündung übermittelt. Am 13.05.2019 beantragte das BFA fristgerecht die Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 4 VwGVG. Die schriftliche Ausfertigung erfolgte am 21.05.2019. Das BFA erhob eine Amtsrevision, aufgrund derer das Erkenntnis vom Verwaltungsgerichtshof hinsichtlich der Spruchpunkt A) II. (Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten) und A) III. (Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter) aufgehoben wurde (VwGH 12.12.2019, Ra 2019/01/0243-6).

Dem Beschwerdeführer wurde mit Schreiben vom 14.01.2020 das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation (Gesamtaktualisierung vom 13.11.2019) übermittelt und die Möglichkeit gegeben, dazu eine Stellungnahme abzugeben.

Mit Schreiben vom 21.01.2020 erstattete der Beschwerdeführer eine Stellungnahme zu den ihm übermittelten aktualisierten Länderinformationen.
2.1.2         Zum Beschwerdeführer:

Der volljährige Beschwerdeführer führt den Namen XXXX XXXX , ist afghanischer Staatsangehöriger und wurde am XXXX im Iran geboren, wirkt aber aufgrund seiner Körpergröße und seines gesamten Erscheinungsbildes erheblich jünger. Er gehört der Volksgruppe der Hazara an, ist schiitischer Muslim und seine Muttersprache ist Farsi. Seine Aussprache ist typisch für jemanden, der sein Leben im Iran verbracht hat.

Der Beschwerdeführer ist ledig und kinderlos. Aufgrund seines äußeren Erscheinungsbildes ist erkennbar, dass er einer ethnischen und damit verbunden einer religiösen Minderheit in Afghanistan angehört. Der Beschwerdeführer kleidet sich „westlich“. Der Beschwerdeführer befindet sich seit November 2015 in Österreich.

Der Beschwerdeführer stammt aus der Stadt XXXX (Iran). Dort wurde er durch das Zusammenleben mit seiner afghanischen Familie auch mit afghanischen Gebräuchen, Werten und Gepflogenheiten grundsätzlich vertraut gemacht. Im Iran besuchte der Beschwerdeführer fünf Jahre lang die Schule. Anschließend arbeitete er als Hilfsarbeiter in einer Ölfabrik. Der Beschwerdeführer ist im erwerbsfähigen Alter und gesund. Die Eltern des Beschwerdeführers stammen ursprünglich aus der Provinz Bamyan in Afghanistan.

Die Kernfamilie des Beschwerdeführers besteht aus seinen Eltern und drei Geschwistern, welche nach wie vor im Iran leben. Die Eltern des Beschwerdeführers haben ihre Heimatprovinz Bamyan vor etwa dreißig Jahren wegen des Krieges und wegen der schlechten Sicherheitslage verlassen. Im Iran bestreitet die Familie ihren Lebensunterhalt durch die Tätigkeit des Vaters als Hilfsarbeiter am Bau. Die Mutter und ein Bruder des Beschwerdeführers sind schwer krank, wodurch die wirtschaftliche Situation der Familie zusätzlich belastet ist. Die Familie des Beschwerdeführers verfügt über keinen Grundbesitz. Mit seiner Familie steht der Beschwerdeführer nach wie vor in Kontakt.

Ebenfalls im Iran aufhältig sind je ein Onkel väterlicher- sowie mütterlicherseits. In Afghanistan verfügt der Beschwerdeführer über keine feststellbaren familiären und/oder sozialen Anknüpfungspunkte.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten, hat eine Deutschprüfung auf dem Niveau A2 abgelegt, besuchte weitere Deutschkurse, machte den Pflichtschulabschluss und war auch gemeinnützig tätig. Er hat in Österreich keine engen sozialen Bindungen, aber soziale Kontakte. Zu zwei Cousins, die in Linz und Graz leben, hat der Beschwerdeführer bloß losen Kontakt.

Der Beschwerdeführer ist zurzeit erwerbstätig, bezieht aber auch Leistungen aus der Grundversorgung.
2.1.3         Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Über die Fluchtgründe des Beschwerdeführers wurde bereits mit mündlich verkündetem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.05.2019, W248 2184667-1/11E (schriftliche Ausfertigung vom 21.05.2019), rechtskräftig abgesprochen. Der diesbezügliche Spruchpunkt I. wurde vom Verwaltungsgerichtshof nicht aufgehoben.
2.1.4         Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

Der Beschwerdeführer liefe bei einer Rückkehr in die Heimatprovinz seiner Eltern (Bamyan), nach Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat aufgrund seiner individuellen Umstände (es handelt sich beim Beschwerdeführer um einen volljährigen, gesunden, arbeitsfähigen Mann mit Schulbildung und Berufserfahrung, der eine Landessprache spricht und mit der Kultur und den sozialen Gegebenheiten im Herkunftsstaat hinreichend vertraut ist) nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.
2.1.5         Zur Situation im Herkunftsstaat:

Das Bundesverwaltungsgericht trifft aufgrund der im Beschwerdeverfahren eingebrachten aktuellen Erkenntnisquellen folgende entscheidungsrelevante Feststellungen:
2.1.5.1         Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Gesamtaktualisierung vom 13.11.2019:

“[…]

Politische Lage

Afghanistan ist ein Zentralstaat mit 34 Provinzen, die in Distrikte gegliedert sind (AA 15.4.2019). Auf einer Fläche von ca. 632.000 Quadratkilometern (CIA 24.5.2019) leben ca. 32 Millionen Menschen (CSO 2019).

Im Jahr 2004 wurde die neue Verfassung angenommen (BFA 7.2016; vgl. Casolino 2011), die vorsieht, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürgerinnen und Bürger Afghanistans, Mann wie Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA 3.2014; vgl. Casolino 2011, MPI 27.1.2004).

Die Verfassung der islamischen Republik Afghanistan sieht vor, dass der Präsident der Republik direkt vom Volk gewählt wird und sein Mandat fünf Jahre beträgt (Casolino 2011). Implizit schreibt die Verfassung dem Präsidenten auch die Führung der Exekutive zu (AAN 13.2.2015) und die Provinzvorsteher, sowie andere wichtige Verwaltungsbeamte, werden direkt vom Präsidenten ernannt und sind diesem rechenschaftspflichtig. Viele werden aufgrund persönlicher Beziehungen ausgewählt (EC 18.5.2019).

In Folge der Präsidentschaftswahlen 2014 wurde am 29.09.2014 Mohammad Ashraf Ghani als Nachfolger von Hamid Karzai in das Präsidentenamt eingeführt. Gleichzeitig trat sein Gegenkandidat Abdullah Abdullah das Amt des Regierungsvorsitzenden (CEO) an - eine per Präsidialdekret eingeführte Position, die Ähnlichkeiten mit der Position eines Premierministers aufweist. Ghani und Abdullah stehen an der Spitze einer Regierung der nationalen Einheit (National Unity Government, NUG), auf deren Bildung sich beide Seiten in Folge der Präsidentschaftswahlen verständigten (AA 15.4.2019; vgl. AM 2015, DW 30.9.2014). Bei der Präsidentenwahl 2014 gab es Vorwürfe von Wahlbetrug in großem Stil (RFE/RL 29.5.2019). Die ursprünglich für den 20. April 2019 vorgesehene Präsidentschaftswahl wurde mehrfach verschoben, da die Wahlbehörden auf eine landesweite Wahl so kurz nach der Parlamentswahl im Oktober 2018 nicht vorbereitet waren. Der Oberste Gerichtshof Afghanistans konnte die Herausforderungen für die Wahlkommission nachvollziehen und verlängerte die Amtszeit von Präsident Ashraf Ghani bis zu der auf den 28.9.2019 verschobenen Präsidentschaftswahl (DZ 21.4.2019).
Parlament und Parlamentswahlen

Die afghanische Nationalversammlung ist die höchste legislative Institution des Landes und agiert im Namen des gesamten afghanischen Volkes (Casolino 2011). Sie besteht aus zwei Kammern: dem Unterhaus oder Volksvertretung (Wolesi Jirga) mit 250 Abgeordneten (für 5 Jahre gewählt), sowie dem Oberhaus oder Ältestenrat (Meschrano Jirga) mit 102 Abgeordneten (AA 15.4.2019).

Das Oberhaus setzt sich laut Verfassung zu je einem Drittel aus Vertretern der Provinz- und Distrikträte zusammen. Das letzte Drittel der Senatoren wird durch den Präsidenten bestimmt (AA 15.4.2019). Die Hälfte der vom Präsidenten entsandten Senatoren müssen Frauen sein. Weiters vergibt der Präsident zwei Sitze für die nomadischen Kutschi und zwei weitere an behinderte Personen. Auch ist de facto ein Sitz für einen Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft reserviert (USDOS 13.3.2019).

Die Sitze im Unterhaus verteilen sich proportional zur Bevölkerungszahl auf die 34 Provinzen. Verfassungsgemäß sind für Frauen 68 Sitze, für die Minderheit der Kutschi zehn Sitze und für Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft ein Sitz reserviert (AAN 22.1.2017; vgl. USDOS 13.3.2019, Casolino 2011).

Die Rolle des Parlaments bleibt begrenzt. Ob das neue Parlament, das sich nach den Wahlen vom Oktober 2018 erst mit erheblicher Verzögerung im April 2019 konstituierte, eine andere Rolle einnehmen kann, muss sich zunächst noch erweisen. Zwar beweisen die Abgeordneten mit kritischen Anhörungen und Abänderungen von Gesetzentwürfen in teils wichtigen Punkten, dass das Parlament grundsätzlich funktionsfähig ist, doch nutzt das Parlament auch seine verfassungsmäßigen Rechte, um die Arbeit der Regierung destruktiv zu behindern, Personalvorschläge der Regierung z.T. über längere Zeiträume zu blockieren und sich Zugeständnisse wohl auch durch finanzielle Zuwendungen an einzelne Abgeordnete abkaufen zu lassen. Insbesondere das Unterhaus hat sich dadurch sowohl die Regierung der Nationalen Einheit als auch die Zivilgesellschaft zum Gegner gemacht. Generell leidet die Legislative unter einem kaum entwickelten Parteiensystem und mangelnder Rechenschaft der Parlamentarier gegenüber ihren Wählern (AA 2.9.2019).

Die Präsidentschaftswahlen und Parlamentswahlen finden gemäß Verfassung alle fünf Jahre statt (USIP 11.2013). Mit dreijähriger Verzögerung fanden zuletzt am 20. und 21. Oktober 2018 – mit Ausnahme der Provinz Ghazni – Parlamentswahlen statt (AA 15.4.2019; vgl. USDOS 13.3.2019). Die letzten Präsidentschaftswahlen fanden am 28. September 2019 statt; ein vorläufiges Ergebnis wird laut der unabhängigen Wahlkommission (IEC) für den 14. November 2019 erwartet (RFE/RL 20.10.2019).

Bei den Wahlen zur Nationalversammlung am 20. und 21.10.2018 gaben etwa vier Millionen der registrierten 8,8 Millionen Wahlberechtigten ihre Stimme ab. In der Provinz Kandahar musste die Stimmabgabe wegen eines Attentats auf den Provinzpolizeichef um eine Woche verschoben werden und in der Provinz Ghazni wurde die Wahl wegen politischer Proteste, welche die Wählerregistrierung beeinträchtigten, nicht durchgeführt (s.o.). Die Wahl war durch Unregelmäßigkeiten geprägt, darunter Betrug bei der Wählerregistrierung und Stimmabgabe, Einschüchterung der Wähler, und einige Wahllokale mussten wegen Bedrohungen durch örtliche Machthaber schließen. Die Taliban und andere Gruppierungen behinderten die Stimmabgabe durch Drohungen und Belästigungen. Durch Wahl bezogene Gewalt kamen 56 Personen ums Leben und 379 wurden verletzt. Mindestens zehn Kandidaten kamen im Vorfeld der Wahl bei Angriffen ums Leben, wobei die jeweiligen Motive der Angreifer unklar waren (USDOS 13.3.2019).

Wegen Vorwürfen des Betruges und des Missmanagements erklärte Anfang Dezember 2018 die afghanische Wahlbeschwerdekommission (ECC) alle in der Provinz Kabul abgegebenen Stimmen für ungültig (RFE/RL 6.12.2018). Die beiden Wahlkommissionen einigten sich in Folge auf eine neue Methode zur Zählung der abgegebenen Stimmen (TN 12.12.2018). Die Provinzergebnisse von Kabul wurden schließlich am 14.5.2019, fast sieben Monate nach dem Wahltag, veröffentlicht. In einer Ansprache bezeichnete Präsident Ghani die Wahl als „Katastrophe“ und die beiden Wahlkommissionen als „ineffizient“ (AAN 17.5.2019).
Politische Parteien

Die afghanische Verfassung erlaubt die Gründung politischer Parteien, solange deren Programm nicht im Widerspruch zu den Prinzipien des Islam steht (USDOS 29.5.2018). Um den Parteien einen allgemeinen und nationalen Charakter zu verleihen, verbietet die Verfassung jeglichen Zusammenschluss in politischen Organisationen, der aufgrund von ethnischer, sprachlicher (Casolino 2011; vgl. MPI 27.1.2004) oder konfessioneller Zugehörigkeit erfolgt (Casolino 2011; vgl. MPI 27.1.2004, USDOS 29.5.2018). Auch darf keine rechtmäßig zustande gekommene Partei oder Organisation ohne rechtliche Begründung und ohne richterlichen Beschluss aufgelöst werden (MPI 27.1.2004).

Das kaum entwickelte afghanische Parteiensystem weist mit über 70 registrierten Parteien eine starke Zersplitterung auf (AA 2.9.2019). Die politischen Parteien haben ihren Platz im politischen System Afghanistans noch nicht etablieren können (DOA 17.3.2019). Die meisten dieser Gruppierungen erscheinen mehr als Machtvehikel ihrer Führungsfiguren denn als politisch-programmatisch gefestigte Parteien (AA 2.9.2019; vgl. AAN 6.5.2018, DOA 17.3.2019). Ethnische Zugehörigkeit, persönliche Beziehungen und ad hoc geformte Koalitionen spielen traditionell eine größere Rolle als politische Organisationen (AA 2.9.2019).

Das derzeitige Wahlsystem ist personenbezogen, die Parteien können keine Kandidatenlisten erstellen, es sind keine Sitze für die Parteien reserviert und es ist den Parteien untersagt, Fraktionen im Parlament zu gründen. Der Parteivorsitz wird nicht durch parteiinterne Abläufe bestimmt, sondern wird eher wie ein partimoniales Erbgut gesehen, das von einer Generation an die nächste, vom Vater zum Sohn, übergeben wird. Die Menschen vertrauen den Parteien nicht und junge, gebildete Leute sind nicht gewillt, solchen Parteien beizutreten (DOA 17.3.2019).

Die Hezb-e Islami wird von Gulbuddin Hekmatyar, einem ehemaligen Warlord, der zahlreicher Kriegsverbrechen beschuldigt wird, geleitet. Im Jahr 2016 kam es zu einem Friedensschluss und Präsident Ghani sicherte den Mitgliedern der Hezb-e Islami Immunität zu. Hekmatyar kehrte 2016 aus dem Exil nach Afghanistan zurück und kündigte im Jänner 2019 seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen 2019 an (CNA 19.1.2019).

Im Februar 2018 hat Präsident Ghani in einem Plan für Friedensgespräche mit den Taliban diesen die Anerkennung als politische Partei in Aussicht gestellt (DP 16.6.2018). Bedingung dafür ist, dass die Taliban Afghanistans Verfassung und einen Waffenstillstand akzeptieren (NZZ 27.1.2019). Die Taliban reagierten nicht offiziell auf den Vorschlag (DP 16.6.2018; s. folgender Abschnitt, Anm.).
Friedens- und Versöhnungsprozess

Hochrangige Vertreter der Taliban sprachen zwischen Juli 2018 (DZ 12.8.2019) – bis zum plötzlichen Abbruch durch den US-amerikanischen Präsidenten im September 2019 (DZ 8.9.2019) – mit US-Unterhändlern über eine politische Lösung des nun schon fast 18 Jahre währenden Konflikts. Dabei ging es vor allem um Truppenabzüge und Garantien der Taliban, dass Afghanistan nicht zu einem sicheren Hafen für Terroristen wird. Die Gespräche sollen zudem in offizielle Friedensgespräche zwischen der Regierung in Kabul und den Taliban münden. Die Taliban hatten es bisher abgelehnt, mit der afghanischen Regierung zu sprechen, die sie als “Marionette“ des Westens betrachten – auch ein Waffenstillstand war Thema (DZ 12.8.2019; vgl. NZZ 12.8.2019; DZ 8.9.2019).

Präsident Ghani hatte die Taliban mehrmals aufgefordert, direkt mit seiner Regierung zu verhandeln und zeigte sich über den Ausschluss der afghanischen Regierung von den Friedensgesprächen besorgt (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019, MS 28.1.2019). Bereits im Februar 2018 hatte Präsident Ghani die Taliban als gleichberechtigten Partner zu Friedensgesprächen eingeladen und ihnen eine Amnestie angeboten (CR 2018). Ein für Mitte April 2019 in Katar geplantes Dialogtreffen, bei dem die afghanische Regierung erstmals an den Friedensgesprächen mit den Taliban beteiligt gewesen wäre, kam nicht zustande (HE 16.5.2019). Im Februar und Mai 2019 fanden in Moskau Gespräche zwischen Taliban und bekannten afghanischen Oppositionspolitikern, darunter der ehemalige Staatspräsident Hamid Karzai und mehreren Warlords, statt (Qantara 12.2.2019; vgl. TN 31.5.2019). Die afghanische Regierung war weder an den beiden Friedensgesprächen in Doha, noch an dem Treffen in Moskau beteiligt (Qantara 12.2.2019; vgl. NYT 7.3.2019), was Unbehagen unter einigen Regierungsvertretern auslöste und die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Regierungen beeinträchtigte (REU 18.3.2019; vgl. WP 18.3.2019).

Vom 29.4.2019 bis 3.5.2019 tagte in Kabul die „große Ratsversammlung“ (Loya Jirga). Dabei verabschiedeten deren Mitglieder eine Resolution mit dem Ziel, einen Friedensschluss mit den Taliban zu erreichen und den innerafghanischen Dialog zu fördern. Auch bot Präsident Ghani den Taliban einen Waffenstillstand während des Ramadan von 6.5.2019 bis 4.6.2019 an, betonte aber dennoch, dass dieser nicht einseitig sein würde. Des Weiteren sollten 175 gefangene Talibankämpfer freigelassen werden (BAMF 6.5.2019). Die Taliban nahmen an dieser von der Regierung einberufenen Friedensveranstaltung nicht teil (HE 16.5.2019).
Sicherheitslage

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor volatil (UNGASC 3.9.2019), nachdem im Frühjahr sowohl die Taliban als auch die afghanische Regierung neue Offensiven verlautbart hatten (USDOD 6.2019). Traditionell markiert die Ankündigung der jährlichen Frühjahrsoffensive der Taliban den Beginn der sogenannten Kampfsaison – was eher als symbolisch gewertet werden kann, da die Taliban und die Regierungskräfte in den vergangenen Jahren auch im Winter gegeneinander kämpften (AJ 12.4.2019). Die Frühjahrsoffensive des Jahres 2019 trägt den Namen al-Fath (UNGASC 14.6.2019; vgl. AJ 12.4.2019; NYT 12.4.2019) und wurde von den Taliban trotz der Friedensgespräche angekündigt (AJ 12.4.2019; vgl. NYT 12.4.2019). Landesweit am meisten von diesem aktiven Konflikt betroffen, waren die Provinzen Helmand, Farah und Ghazni (UNGASC 14.6.2019). Offensiven der afghanischen Spezialeinheiten der Sicherheitskräfte gegen die Taliban wurden seit Dezember 2018 verstärkt – dies hatte zum Ziel die Bewegungsfreiheit der Taliban zu stören, Schlüsselgebiete zu verteidigen und damit eine produktive Teilnahme der Taliban an den Friedensgesprächen zu erzwingen (SIGAR 30.7.2019). Seit Juli 2018 liefen auf hochrangiger politischer Ebene Bestrebungen, den Konflikt zwischen der afghanischen Regierungen und den Taliban politisch zu lösen (TS 22.1.2019). Berichten zufolge standen die Verhandlungen mit den Taliban kurz vor dem Abschluss. Als Anfang September der US-amerikanische Präsident ein geplantes Treffen mit den Islamisten – als Reaktion auf einen Anschlag – absagte (DZ 8.9.2019). Während sich die derzeitige militärische Situation in Afghanistan nach wie vor in einer Sackgasse befindet, stabilisierte die Einführung zusätzlicher Berater und Wegbereiter im Jahr 2018 die Situation und verlangsamte die Dynamik des Vormarsches der Taliban (USDOD 12.2018).

Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, die wichtigsten Bevölkerungszentren und Transitrouten sowie Provinzhauptstädte und die meisten Distriktzentren (USDOD 6.2019). Die afghanischen Kräfte sichern die Städte und andere Stützpunkte der Regierung; die Taliban verstärken groß angelegte Angriffe, wodurch eine Vielzahl afghanischer Kräfte in Verteidigungsmissionen eingebunden ist, Engpässe entstehen und dadurch manchmal auch Kräfte fehlen können, um Territorium zu halten (SIGAR 30.4.2019; vgl. NYT 19.7.2019). Kämpfe waren auch weiterhin auf konstant hohem Niveau. Die Ausnahme waren islamische Festtage, an denen, wie bereits in der Vergangenheit auch schon, das Kampfniveau deutlich zurückging, als sowohl regierungsfreundliche Kräfte, aber auch regierungsfeindliche Elemente ihre offensiven Operationen reduzierten. Im Gegensatz dazu hielt das Kampftempo während des gesamten Fastenmonats Ramadan an, da regierungsfeindliche Elemente mehrere Selbstmordattentate ausführten und sowohl regierungsfreundliche Truppen, als auch regierungsfeindliche Elemente, bekundeten, ihre operative Dynamik aufrechtzuerhalten (UNGASC 3.9.2019). Die Taliban verlautbarten, eine asymmetrische Strategie zu verfolgen: die Aufständischen führen weiterhin Überfälle auf Kontrollpunkte und Distriktzentren aus und bedrohen Bevölkerungszentren (UNGASC 7.12.2018). Angriffe haben sich zwischen November 2018 und Jänner 2019 um 19% im Vergleich zum Vorberichtszeitraum (16.8. - 31.10.2018) verstärkt. Insbesondere in den Wintermonaten wurde in Afghanistan eine erhöhte Unsicherheit wahrgenommen. (SIGAR 30.4.2019). Seit dem Jahr 2002 ist die Wintersaison besonders stark umkämpft. Trotzdem bemühten sich die ANDSF und Koalitionskräfte die Anzahl ziviler Opfer zu reduzieren und konzentrierten sich auf Verteidigungsoperationen gegen die Taliban und den ISKP. Diese Operationen verursachten bei den Aufständischen schwere Verluste und hinderten sie daran ihr Ziel zu erreichen (USDOD 6.2019). Der ISKP ist auch weiterhin widerstandsfähig: Afghanische und internationale Streitkräfte führten mit einem hohen Tempo Operationen gegen die Hochburgen des ISKP in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch, was zu einer gewissen Verschlechterung der Führungsstrukturen der ISKP führt. Dennoch konkurriert die Gruppierung auch weiterhin mit den Taliban in der östlichen Region und hat eine operative Kapazität in der Stadt Kabul behalten (UNGASC 3.9.2019).

So erzielen weder die afghanischen Sicherheitskräfte noch regierungsfeindliche Elemente signifikante territoriale Gewinne. Das aktivste Konfliktgebiet ist die Provinz Kandahar, gefolgt von den Provinzen Helmand und Nangarhar. Wenngleich keine signifikanten Bedrohungen der staatlichen Kontrolle über Provinzhauptstädte gibt, wurde in der Nähe der Provinzhauptstädte Farah, Kunduz und Ghazni über ein hohes Maß an Taliban-Aktivität berichtet (UNGASC 3.9.2019). In mehreren Regionen wurden von den Taliban vorübergehend strategische Posten entlang der Hauptstraßen eingenommen, sodass sie den Verkehr zwischen den Provinzen erfolgreich einschränken konnten (UNGASC 7.12.2018). So kam es beispielsweise in strategisch liegenden Provinzen entlang des Highway 1 (Ring Road) zu temporären Einschränkungen durch die Taliban (UNGASC 7.12.2018; vgl. ARN 23.6.2019). Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte stellen erhebliche Mittel für die Verbesserung der Sicherheit auf den Hauptstraßen bereit – insbesondere in den Provinzen Ghazni, Zabul, Balkh und Jawzjan. (UNGASC 3.9.2019).

Für das gesamte Jahr 2018, registrierten die Vereinten Nationen (UN) in Afghanistan insgesamt 22.478 sicherheitsrelevante Vorfälle. Gegenüber 2017 ist das ein Rückgang von 5%, wobei die Anzahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle im Jahr 2017 mit insgesamt 23.744 ihren bisherigen Höhepunkt erreicht hatte (UNGASC 28.2.2019).

Abb. 1: Anzahl sicherheitsrelevante Vorfälle 2015-2018 in ganz Afghanistan gemäß Berichten des UN-Generalsekretärs (Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf UN-Daten (UNGASC 7.3.2016; UNGASC 3.3.2017; UNGASC 28.2.2018; UNGASC 28.2.2019))
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Für den Berichtszeitraum 10.5.-8.8.2019 registriert die Vereinten Nationen (UN) insgesamt 5.856 sicherheitsrelevanter Vorfälle – eine Zunahme von 1% gegenüber dem Vorjahreszeitraum. 63% Prozent aller sicherheitsrelevanten Vorfälle, die höchste Anzahl, wurde im Berichtszeitraum in den südlichen, östlichen und südöstlichen Regionen registriert (UNGASC 3.9.2019). Für den Berichtszeitraum 8.2-9.5.2019 registrierte die UN insgesamt 5.249 sicherheitsrelevante Vorfälle – ein Rückgang von 7% gegenüber dem Vorjahreswert; wo auch die Anzahl ziviler Opfer signifikant zurückgegangen ist (UNGASC 14.6.2019).

Für den Berichtszeitraum 10.5.-8.8.2019 sind 56% (3.294) aller sicherheitsrelevanten Vorfälle bewaffnete Zusammenstöße gewesen; ein Rückgang um 7% im Vergleich zum Vorjahreswert. Sicherheitsrelevante Vorfälle bei denen improvisierte Sprengkörper verwendet wurden, verzeichneten eine Zunahme von 17%. Bei den Selbstmordattentaten konnte ein Rückgang von 44% verzeichnet werden. Die afghanischen Sicherheitskräfte führen gemeinsam mit internationalen Kräften, weiterhin eine hohe Anzahl von Luftangriffen durch: 506 Angriffe wurden im Berichtszeitraum verzeichnet – 57% mehr als im Vergleichszeitraum des Jahres 2018 (UNGASC 3.9.2019).

Im Gegensatz dazu, registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) für das Jahr 2018 landesweit 29.493 sicherheitsrelevante Vorfälle, welche auf NGOs Einfluss hatten. In den ersten acht Monaten des Jahres 2019 waren es 18.438 Vorfälle. Zu den gemeldeten Ereignissen zählten, beispielsweise geringfügige kriminelle Überfälle und Drohungen ebenso wie bewaffnete Angriffe und Bombenanschläge (INSO o.D.).

Folgender Tabelle kann die Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen pro Jahr im Zeitraum 2016-2018, sowie bis einschließlich August des Jahres 2019 entnommen werden:
Tab. 1: Anzahl sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan lt. INSO 2016-8.2019, monatlicher Überblick (Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf INSO-Daten (INSO o.D.))
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\td\Jänner/td/

\td\2111/td/

\td\2203/td/

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\td\2118/td/

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\td\Februar/td/

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\td\2062/td/

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\td\1809/td/

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\row\

\td\März/td/

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\td\2533/td/

\td\2626/td/

\td\2168/td/

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\td\April/td/

\td\2310/td/

\td\2441/td/

\td\2894/td/

\td\2326/td/

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\td\Mai/td/

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\td\2508/td/

\td\2802/td/

\td\2394/td/

/row/

\row\

\td\Juni/td/

\td\2345/td/

\td\2245/td/

\td\2164/td/

\td\2386/td/

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\row\

\td\Juli/td/

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\td\2804/td/

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\td\August/td/

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\td\2443/td/

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\td\September/td/

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\row\

\td\Oktober/td/

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\td\November/td/

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\td\-/td/

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\td\Dezember/td/

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\td\-/td/

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\td\insgesamt/td/

\td\28.838/td/

\td\29.866/td/

\td\29.493/td/

\td\18.438/td/

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/table/
Abb. 2: Anzahl sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan lt. INSO 2016-8.2019, monatlicher Überblick (Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf INSO-Daten (INSO o.D.))

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Global Incident Map (GIM) verzeichnete in den ersten drei Quartalen des Jahres 2019 3.540 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahr 2018 waren es 4.433. Die folgende Grafik der Staatendokumentation schlüsselt die sicherheitsrelevanten Vorfälle anhand ihrer Vorfallarten und nach Quartalen auf (BFA Staatendokumentation 4.11.2019):
Abb. 3: Sicherheitsrelevante Vorfälle nach Quartalen und Vorfallsarten im Zeitraum 1.1.2018-30.9.2019 (Global Incident Map, Darstellung der Staatendokumentation; BFA Staatendokumentation 4.11.2019)

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Jänner bis Oktober 2018 nahm die Kontrolle oder der Einfluss der afghanischen Regierung von 56% auf 54% der Distrikte ab, die Kontrolle bzw. Einfluss der Aufständischen auf Distrikte sank in diesem Zeitraum von 15% auf 12%. Der Anteil der umstrittenen Distrikte stieg von 29% auf 34%. Der Prozentsatz der Bevölkerung, welche in Distrikten unter afghanischer Regierungskontrolle oder -einfluss lebte, ging mit Stand Oktober 2018 auf 63,5% zurück. 8,5 Millionen Menschen (25,6% der Bevölkerung) leben mit Stand Oktober 2018 in umkämpften Gebieten, ein Anstieg um fast zwei Prozentpunkte gegenüber dem gleichen Zeitpunkt im Jahr 2017. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an von den Aufständischen kontrollierten Distrikten waren Kunduz, Uruzgan und Helmand (SIGAR 30.1.2019).

Ein auf Afghanistan spezialisierter Militäranalyst berichtete im Januar 2019, dass rund 39% der afghanischen Distrikte unter der Kontrolle der afghanischen Regierung standen und 37% von den Taliban kontrolliert wurden. Diese Gebiete waren relativ ruhig, Zusammenstöße wurden gelegentlich gemeldet. Rund 20% der Distrikte waren stark umkämpft. Der Islamische Staat (IS) kontrollierte rund 4% der Distrikte (MA 14.1.2019).

Die Kontrolle über Distrikte, Bevölkerung und Territorium befindet sich derzeit in einer Pattsituation (SIGAR 30.4.2019). Die Anzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle Ende 2018 bis Ende Juni 2019, insbesondere in der Provinz Helmand, sind als verstärkte Bemühungen der Sicherheitskräfte zu sehen, wichtige Taliban-Hochburgen und deren Führung zu erreichen, um in weiterer Folge eine Teilnahme der Taliban an den Friedensgesprächen zu erzwingen (SIGAR 30.7.2019). Intensivierte Kampfhandlungen zwischen ANDSF und Taliban werden von beiden Konfliktparteien als Druckmittel am Verhandlungstisch in Doha erachtet (SIGAR 30.4.2019; vgl. NYT 19.7.2019).
Zivile Opfer

Die Vereinten Nationen dokumentierten für den Berichtszeitraum 1.1.-30.9.2019 8.239 zivile Opfer (2.563 Tote, 5.676 Verletzte) – dieser Wert ähnelt dem Vorjahreswert 2018. Regierungsfeindliche Elemente waren auch weiterhin Hauptursache für zivile Opfer; 41% der Opfer waren Frauen und Kinder. Wenngleich die Vereinten Nationen für das erste Halbjahr 2019 die niedrigste Anzahl ziviler Opfer registrierten, so waren Juli, August und September – im Gegensatz zu 2019 – von einem hohen Gewaltniveau betroffen. Zivilisten, die in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Helmand, Ghazni, und Faryab wohnten, waren am stärksten vom Konflikt betroffen (in dieser Reihenfolge) (UNAMA 17.10.2019).

Für das gesamte Jahr 2018 wurde von mindestens 9.214 zivilen Opfern (2.845 Tote, 6.369 Verletzte) (SIGAR 30.4.2019) berichtet bzw. dokumentierte die UNAMA insgesamt 10.993 zivile Opfer (3.804 Tote und 7.189 Verletzte). Den Aufzeichnungen der UNAMA zufolge, entspricht das einem Anstieg bei der Gesamtanzahl an zivilen Opfern um 5% bzw. 11% bei zivilen Todesfällen gegenüber dem Jahr 2017 und markierte einen Höchststand seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 2009. Die meisten zivilen Opfer wurden im Jahr 2018 in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Helmand, Ghazni und Faryab verzeichnet, wobei die beiden Provinzen mit der höchsten zivilen Opferanzahl – Kabul (1.866) und Nangarhar (1.815) – 2018 mehr als doppelt so viele Opfer zu verzeichnen hatten, wie die drittplatzierte Provinz Helmand (880 zivile Opfer) (UNAMA 24.2.2019; vgl. SIGAR 30.4.2019). Im Jahr 2018 stieg die Anzahl an dokumentierten zivilen Opfern aufgrund von Handlungen der regierungsfreundlichen Kräfte um 24% gegenüber 2017. Der Anstieg ziviler Opfer durch Handlungen regierungsfreundlicher Kräfte im Jahr 2018 wird auf verstärkte Luftangriffe, Suchoperationen der ANDSF und regierungsfreundlicher bewaffneter Gruppierungen zurückgeführt (UNAMA 24.2.2019).
Tab. 2: Zivile Opfer im Zeitverlauf 1.1.2009-30.9.2019 nach UNAMA (Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf UNAMA-Daten (UNAMA 24.2.2019; UNAMA 17.10.2019))
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\colgroup\120|120|120|120/colgroup/

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\td\Jahr/td/

\td\Tote/td/

\td\Verletzte/td/

\td\Insgesamt/td/

/row/

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\td\2009/td/

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\td\2010/td/

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\td\7.162/td/

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\td\2011/td/

\td\3.133/td/

\td\4.709/td/

\td\7.842/td/

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\td\2012/td/

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\td\7.590/td/

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\td\2013/td/

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\td\8.638/td/

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\td\2014/td/

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/row/

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\td\2015/td/

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\td\2016/td/

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\td\2017/td/

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\td\2018/td/

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\td\Insgesamt/td/

\td\32114/td/

\td\59561/td/

\td\91675/td/

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* 2019: Erste drei Quartale 2019 (1.1.-30.9.2019)
High-Profile Angriffe (HPAs)

Sowohl im gesamten Jahr 2018 (USDOD 12.2018), als auch in den ersten fünf Monaten 2019 führten Aufständische, Taliban und andere militante Gruppierungen, insbesondere in der Hauptstadtregion weiterhin Anschläge auf hochrangige Ziele aus, um die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zu ziehen, die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben und die Wahrnehmung einer weit verbreiteten Unsicherheit zu schaffen (USDOD 6.2019; vgl. USDOD 12.2018). Diese Angriffe sind stetig zurückgegangen (USDOD 6.2019). Zwischen 1.6.2018 und 30.11.2018 fanden 59 HPAs in Kabul statt (Vorjahreswert: 73) (USDOD 12.2018), zwischen 1.12.2018 und15.5.2019 waren es 6 HPAs (Vorjahreswert: 17) (USDOD 6.2019).
Anschläge gegen Gläubige und Kultstätten, religiöse Minderheiten

Die Zahl der Angriffe auf Gläubige, religiöse Exponenten und Kultstätten war 2018 auf einem ähnlich hohen Niveau wie 2017: bei 22 Angriffen durch regierungsfeindliche Kräfte, meist des ISKP, wurden 453 zivile Opfer registriert (156 Tote, 297 Verletzte), ein Großteil verursacht durch Selbstmordanschläge (136 Tote, 266 Verletzte) (UNAMA 24.2.2019).

Für das Jahr 2018 wurden insgesamt 19 Vorfälle konfessionell motivierter Gewalt gegen Schiiten dokumentiert, bei denen es insgesamt zu 747 zivilen Opfern kam (223 Tote, 524 Verletzte). Dies ist eine Zunahme von 34% verglichen mit dem Jahr 2017. Während die Mehrheit konfessionell motivierter Angriffe gegen Schiiten im Jahr 2017 auf Kultstätten verübt wurden, gab es im Jahr 2018 nur zwei derartige Angriffe. Die meisten Anschläge auf Schiiten fanden im Jahr 2018 in anderen zivilen Lebensräumen statt, einschließlich in mehrheitlich von Schiiten oder Hazara bewohnten Gegenden. Gezielte Attentate und Selbstmordangriffe auf religiöse Führer und Gläubige führten, zu 35 zivilen Opfern (15 Tote, 20 Verletzte) (UNAMA 24.2.2019).
Angriffe im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen im Oktober 2018

Die afghanische Regierung bemühte sich Wahllokale zu sichern, was mehr als 4 Millionen afghanischen Bürgern ermöglichte zu wählen (UNAMA 11.2018). Und auch die Vorkehrungen der ANDSF zur Sicherung der Wahllokale ermöglichten eine Wahl, die weniger gewalttätig war als jede andere Wahl der letzten zehn Jahre (USDOS 12.2018). Die Taliban hatten im Vorfeld öffentlich verkündet, die für Oktober 2018 geplanten Parlamentswahlen stören zu wollen. Ähnlich wie bei der Präsidentschaftswahl 2014 warnten sie Bürger davor, sich für die Wahl zu registrieren, verhängten „Geldbußen“ und/oder beschlagnahmten Tazkiras und bedrohten Personen, die an der Durchführung der Wahl beteiligt waren (UNAMA 11.2018; vgl. USDOS 13.3.2019). Von Beginn der Wählerregistrierung (14.4.2018) bis Ende des Jahres 2018, wurden 1.007 Opfer (226 Tote, 781 Verletzte) sowie 310 Entführungen aufgrund der Wahl verzeichnet (UNAMA 24.2.2019). Am Wahltag (20.10.2018) verifizierte UNAMA 388 zivile Opfer (52 Tote und 336 Verletzte) durch Wahl bedingte Gewalt. Die höchste Anzahl an zivilen Opfern an einem Wahltag seit Beginn der Aufzeichnungen durch UNAMA im Jahr 2009 (UNAMA 11.2018).
Regierungsfeindliche Gruppierungen

In Afghanistan sind unterschiedliche regierungsfeindliche Gruppierungen aktiv – insbesondere die Grenzregion zu Pakistan bleibt eine Zufluchtsstätte für unterschiedliche Gruppierungen, wie Taliban, Islamischer Staat, al-Qaida, Haqqani-Netzwerk, Lashkar-e Tayyiba, Tehrik-e Taliban Pakistan, sowie Islamic Movement of Uzbekistan (USDOD 6.2019; vgl. CRS 12.2.2019) und stellt nicht nur für die beiden Länder eine Sicherheitsherausforderung dar, sondern eine Bedrohung für die gesamte regionale Sicherheit und Stabilität (USDOD 6.2019):
Taliban

Die USA sprechen seit rund einem Jahr mit hochrangigen Vertretern der Taliban über eine politische Lösung des langjährigen Afghanistan-Konflikts. Dabei geht es vor allem um Truppenabzüge und Garantien der Taliban, dass Afghanistan kein sicherer Hafen für Terroristen wird. Beide Seiten hatten sich jüngst optimistisch gezeigt, bald zu einer Einigung zu kommen (FAZ 21.8.2019). Während dieser Verhandlungen haben die Taliban Forderungen eines Waffenstillstandes abgewiesen und täglich Operationen ausgeführt, die hauptsächlich die afghanischen Sicherheitskräfte zum Ziel haben. (TG 30.7.2019). Zwischen 1.12.2018 und 31.5.2019 haben die Talibanaufständischen mehr Angriffe ausgeführt, als in der Vergangenheit üblich, trotzdem war die Gesamtzahl effektiver feindlicher Angriffe stark rückläufig. Diese Angriffe hatten hauptsächlich militärische Außenposten und Kontrollpunkte sowie andere schlecht verteidigte ANDSF-Posten zu Ziel. Das wird als Versuch gewertet, in den Friedensverhandlungen ein Druckmittel zu haben (USDOD 6.2019).

Der derzeitige Taliban-Führer ist nach wie vor Haibatullah Akhundzada (REU 17.8.2019; vgl. FA 3.1.2018) – Stellvertreter sind Mullah Mohammad Yaqub – Sohn des ehemaligen Taliban-Führers Mullah Omar – und Serajuddin Haqqani (CTC 1.2018; vgl. TN 26.5.2016) Sohn des Führers des Haqqani-Netzwerkes (TN 13.1.2017). Die Taliban bezeichnen sich selbst als das Islamische Emirat Af

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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