TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/5 W112 2184115-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.02.2020
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Entscheidungsdatum

05.02.2020

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §7 Abs1 Z2
AsylG 2005 §7 Abs4
AsylG 2005 §8 Abs1 Z2
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W112 2184115-1/21E

Schriftliche Ausfertigung des am 27.09.2019 mündlich verkündeten Erkenntnisses

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Elke DANNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA RUSSISCHE FÖDERATION, vertreten durch den XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.01.2018, ZI. 75155401-171240848 XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 27.09.2019 zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 7 Abs. 1 Z 2, Abs. 4, § 8 Abs. 1 Z 2, § 57, § 10 AsylG 2005, § 9 BFA-VG, § 52 Abs. 9 und § 55 Abs. 1-3 FPG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der RUSSISCHEN FÖDERATION, reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin und seinen fünf Kindern in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte hier am 23.09.2005 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Im Rahmen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag gab der Beschwerdeführer befragt zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen an, XXXX wegen der politischen und wirtschaftlichen Lage verlassen zu haben. Es herrsche Krieg in TSCHETSCHENIEN und seine drei Brüder seien spurlos verschwunden. Der Beschwerdeführer sei von russischen Soldaten gefoltert worden.

3. Das Bundesasylamt vernahm den Beschwerdeführer am 29.09.2005 und 03.10.2005 im Zulassungsverfahren niederschriftlich ein. Zu seinen Fluchtgründen gab der Beschwerdeführer an, dass seine Brüder spurlos verschwunden seien. Wäre der Beschwerdeführer in TSCHETSCHENIEN geblieben, wäre er auch verschwunden. Er habe keine Angst in TSCHETSCHENIEN zu leben und wisse nicht, warum er verfolgt werde. Die russischen Soldaten seien maskiert oder unmaskiert zu ihm nach Hause gekommen und haben ihn belästigt.

4. Bei der ärztlichen Untersuchung im Zulassungsverfahren am 11.10.2005 gab der Beschwerdeführer an, dass er im Jahr 2000 von Russen aufgehalten, kontrolliert und mitgenommen worden sei. Er sei in eine ca. 3-4 Meter tiefe Grube gebracht worden, wo man ihm die Nase gebrochen und die Zähne ausgeschlagen habe. Zudem sei er mit Strom gefoltert worden. Er habe Glück gehabt, wieder freigekommen zu sein. Drei seiner Brüder seien vermisst.

5. Das Bezirksgericht XXXX verurteilte den Beschwerdeführer mit Urteil vom 14.09.2006 wegen des Vergehens des XXXX nach XXXX StGB zu einer Geldstrafe. Diese wurde am 29.01.2007 vollzogen.

6. Am 16.10.2006 vernahm das Bundesasylamt den Beschwerdeführer nunmehr im zugelassenen Verfahren ein. Der Beschwerdeführer brachte betreffend seine Fluchtgründe vor, dass er und seine Brüder weder an Kundgebungen noch an Kampfhandlungen beteiligt gewesen seien. Der Beschwerdeführer und seine Brüder seien jedoch von Russen eines Tages verhaftet und in einer Grube vier Tage lang festgehalten worden. Dem Beschwerdeführer sei die Nase gebrochen worden. Dann haben Verwandte des Beschwerdeführers sowie der Bürgermeister von XXXX den Beschwerdeführer und seine Brüder freigekauft. Der Beschwerdeführer sei danach weiterhin verfolgt worden. Ein Monat später sei sein jüngster Bruder XXXX entführt worden und nach zwei Tagen gegen Ausfolgung einer Maschinenpistole wieder freigelassen worden. Danach seien die Verfolgungen sowohl tagsüber als auch nachts weitergegangen. Eines Morgens sei das Haus der Familie des Beschwerdeführers umstellt und zwei seiner Brüder, XXXX und XXXX , mitgenommen worden. Bereits im Jahr 2001 sei der Bruder des Beschwerdeführers, XXXX , verschleppt worden. Der Beschwerdeführer sei 2002 in INGUSCHETIEN bei einem Grenzposten festgenommen und fast zwei Tage lang festgehalten worden. Die Leute seien immer wieder gekommen, weshalb der Beschwerdeführer seine Familie 2005 weggeschickt habe und schließlich selbst XXXX verlassen habe. Seit 2002 sei der Beschwerdeführer nicht mehr entführt worden.

7. Am 18.11.2006 wurde gegen den Beschwerdeführer Anzeige wegen des Verdachts der XXXX erstattet. Das Verfahren wurde gemäß § 90 Abs. 1 StPO am 18.12.2006 eingestellt.

8. Das Bundesasylamt wies den Asylantrag des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 26.01.2007 ab (Spruchpunkt I.), erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers für zulässig (Spruchpunkt II.) und wies den Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet in die RUSSISCHE FÖDERATION aus (Spruchpunkt III.).

Begründend führte das Bundesasylamt aus, dass der Beschwerdeführer sein Fluchtvorbringen nicht habe glaubhaft machen können. Ebenso drohe dem Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat auch keine Gefahr, die eine Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertigen würde, da es sich beim Beschwerdeführer um einen arbeitsfähigen Mann handle, weshalb davon auszugehen sei, dass er im Falle einer Rückkehr in keine dauerhaft aussichtslose Lage gedrängt werde. Der Beschwerdeführer habe auch keine lebensbedrohliche Erkrankung. Die Ausweisung greife nicht in das Familienleben des Beschwerdeführers ein, da seine Familienangehörigen ebenso wie er Asylwerber seien und zu dem in Österreich asylberechtigten Bruder seiner Ehefrau kein Abhängigkeitsverhältnis bestehe.

9. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Berufung. Der Unabhängige Bundesasylsenat behob mit Bescheid vom 19.02.2007 den Bescheid und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurück.

10. Am 04.04.2007 vernahm das Bundesasylamt den Beschwerdeführer niederschriftlich ein. Der Beschwerdeführer gab an, dass alle Tschetschenen von den Russen vernichtet werden. Es werden Säuberungsaktionen unter dem Vorwand durchgeführt, dass man Widerstandskämpfer oder Rebellen suche. Es sei jedoch eine schrittweise Verfolgung des tschetschenischen Volkes, weil die Russen vermuten, dass die Tschetschenen Wahabiten sind, es werden unschuldige Menschen getötet.

11. Das Bundesasylamt wies den Asylantrag des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 17.04.2007 neuerlich ab (Spruchpunkt I.), erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers für zulässig (Spruchpunkt II.) und wies den Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet in die RUSSISCHE FÖDERATION aus (Spruchpunkt III.).

Begründend führte das Bundesasylamt wiederum aus, dass der Beschwerdeführer sein Fluchtvorbringen nicht habe glaubhaft machen können. Ebenso drohe dem Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat auch keine Gefahr, die eine Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertige, da es sich beim Beschwerdeführer um einen arbeitsfähigen Mann handle, weshalb davon auszugehen sei, dass er im Falle einer Rückkehr in keine dauerhaft aussichtslose Lage gedrängt werde. Der Beschwerdeführer habe auch keine lebensbedrohliche Erkrankung. Die Ausweisung greife nicht in das Familienleben des Beschwerdeführers ein, da seine Familienangehörigen ebenso wie er Asylwerber seien und zu dem in Österreich asylberechtigten Bruder seiner Ehefrau kein Abhängigkeitsverhältnis bestehe.

12. Mit Schriftsatz vom 05.06.2007 beantragte der Beschwerdeführer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist und erhob Berufung. Mit Bescheid vom 18.07.2007 wurde dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattgegeben. Mit Bescheid vom 12.12.2007 behob der Unabhängige Bundesasylsenat den Bescheid und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurück.

13. Am 31.08.2007 wurde gegen den Beschwerdeführer Anzeige wegen des Verdachts der XXXX gegen seine Lebensgefährtin erstattet sowie eine Wegweisung und ein Betretungsverbot ausgesprochen.

Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Bezirksgericht XXXX vom 29.10.2007 wegen des Vergehens der XXXX nach XXXX StGB zu einer Geldstrafe verurteilt. Diese wurde am 25.03.2008 vollzogen.

14. Am 10.03.2008 vernahm das Bundesasylamt den Beschwerdeführer neuerlich ein. Der Beschwerdeführer gab an, dass er immer noch dieselben Fluchtgründe habe und sich daran nichts geändert habe. Ein Leben in Tschetschenien sei für ihn zu gefährlich.

15. Mit Bescheid vom 27.03.2008 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers wiederum ab (Spruchpunkt I.), erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers für zulässig (Spruchpunkt II.) und wies den Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet in die RUSSISCHE FÖDERATION aus (Spruchpunkt III.).

Begründend führte das Bundesasylamt aus, dass der Beschwerdeführer sein Fluchtvorbringen nicht glaubhaft habe machen können. Ebenso drohe dem Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat auch keine Gefahr, die eine Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertige, da es sich beim Beschwerdeführer um einen arbeitsfähigen Mann handle, weshalb davon auszugehen sei, dass er im Falle einer Rückkehr in keine dauerhaft aussichtslose Lage gedrängt werde. Der Beschwerdeführer habe auch keine lebensbedrohliche Erkrankung. Die Ausweisung greife nicht in das Familienleben des Beschwerdeführers ein, da seine Familienangehörigen ebenso wie er von aufenthaltsbeenden Maßnahmen betroffen seien und er zu dem in Österreich asylberechtigten Bruder seiner Ehefrau kein Abhängigkeitsverhältnis habe. Der Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers sei gerechtfertigt, zumal sich der Kontakt zu seinen Bekannten nur auf Besuche beschränke und sich daher kein schützenswertes Privatleben entstanden sei.

16. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Berufung. Am 11.02.2009 fand eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Asylgerichtshof statt. Der Beschwerdeführer gab betreffend seine Fluchtgründe an, dass im Jahr 2000 der Beschwerdeführer und seine drei Brüder von den Russen festgenommen und in eine Grube geworfen worden seien. Seine Mutter habe mit Hilfe des Bürgermeisters ihn und seine Brüder freigekauft. Ein Monat später seien zwei seiner Brüder wieder festgenommen worden und diese wieder freigekauft worden. Daraufhin seien Russen mit einer Liste gekommen und haben die zwei Brüder des Beschwerdeführers wieder mitgenommen. Auf der Liste seien der Beschwerdeführer und seine drei Brüder gestanden, weil sie damals in der Grube festgehalten worden seien. Der Beschwerdeführer sei eines Tages an einem Blockposten festgenommen worden und zwei Nächte im Gefängnis angehalten worden. Während des ersten Krieges habe der Beschwerdeführer und seine Brüder Widerstandskämpfer unterstützt.

17. Der Asylgerichtshof gab der Beschwerde mit Erkenntnis vom 02.04.2009 statt und stellte fest, dass dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft zukam.

Der Asylgerichtshof stellte fest, dass weder der Beschwerdeführer noch einer seiner Brüder an Kampfhandlungen während des ersten oder zweiten Tschetschenienkrieges beteiligt waren. 2000 wurde der Beschwerdeführer und einer seiner Brüder festgenommen, gefoltert und anschließend von ihren Verwandten freigekauft. Der Beschwerdeführer wurde 2002 ein zweites Mal festgenommen und zwei Tage lang festgehalten. Danach hielt sich der Beschwerdeführer bis MAI 2005 in TSCHETSCHENIEN und INGUSCHETIEN auf und wurde immer wieder zu seinen Brüdern befragt, die verschwunden waren. Begründend führte der Asylgerichtshof aus, dass in der RUSSISCHEN FÖDERATION nicht von einer ganz pauschalen, generellen Verfolgung nur allein wegen der Zugehörigkeit zur tschetschenischen Ethnie (Gruppenverfolgung) gesprochen werden könne. Dem Beschwerdeführer drohe jedoch Verfolgung wegen einer politischen Gesinnung und Zugehörigkeit zu einem Familienverband als soziale Gruppe, zumal er durch Truppeneinheiten russischer Soldaten aufgrund seiner und der seiner Brüder zumindest unterstellten Beteiligung am Widerstandskampf im Tschetschenienkrieg Verfolgung ausgesetzt gewesen sei. Dem Beschwerdeführer und seiner Familie sei es als ethnische Tschetschenen nicht zumutbar in anderen Landesteilen der RUSSISCHEN FÖDERATION Aufenthalt zu nehmen, zumal infolge oftmaliger Verweigerung der Registrierung vielfach keine Möglichkeit bestehe, in anderen Landesteilen der RUSSISCHEN FÖDERATION legal bzw. komplikationslos Aufenthalt zu nehmen und den Lebensunterhalt zu erwirtschaften.

18. Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom XXXX , rechtskräftig seit XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der XXXX nach XXXX StGB; des Vergehens der XXXX nach XXXX StGB; des Vergehen der XXXX nach XXXX StGB und des Vergehens des versuchten XXXX gemäß XXXX StGB sowie des Vergehens der XXXX nach XXXX StGB zu einer Freiheitsstrafe von XXXX Monaten, davon XXXX Monate unbedingt und XXXX Monate bedingt auf eine Probezeit von XXXX Jahren verurteilt.

Dem Beschwerdeführer wurde am 05.07.2010 mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, ein Asylaberkennungsverfahren einzuleiten. Mit Aktenvermerk des Bundesasylamtes vom 27.10.2010 wurde davon jedoch abgesehen.

19. Am 03.11.2017 leitete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) ein Verfahren zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten ein.

Am XXXX fand diesbezüglich eine Einvernahme des Beschwerdeführers durch das Bundesamt statt. Der Beschwerdeführer gab an, dass noch ca. 15 bis 20 Cousins, seine Schwiegermutter, sein Schwager, seine zwei Schwestern mit sechs Kindern, seine sechs Nichten und drei Neffen von seinen drei verstorbenen Brüdern sowie seine Mutter in der RUSSISCHEN FÖDERATION leben. Diese werden dort nicht verfolgt, weil die Probleme nur den Beschwerdeführer und seine Brüder betroffen haben, nicht jedoch die restliche Familie. Die Ausreisegründe und Rückkehrbefürchtungen bestehen nach wie vor. Nach so langer Zeit bestehe immer noch ein Interesse am Beschwerdeführer, weil dies in XXXX nicht vergehe und der Beschwerdeführer wisse, wer seine Brüder umgebracht habe. Der Beschwerdeführer habe Rache an den Mördern seiner Brüder geschworen, diese seien XXXX unterstellt. Die Lage in der RUSSISCHEN FÖDERATION habe sich nicht geändert, es haben lediglich die Bombardierungen aufgehört, es verschwinden jedoch weiterhin Personen. Der Beschwerdeführer fürchte sich nach wie vor vor den Personen, die seine Brüder umgebracht haben. Während seines Aufenthaltes in Österreich sei der Beschwerdeführer zweimal in die XXXX gefahren und sei fast drei Monate dortgeblieben, weil er eine Bekannte habe heiraten wollen. In XXXX sei er nicht gewesen.

20. Das Landesgericht für Strafsachen XXXX verständigte das Bundesamt mit Schreiben vom 11.12.2017 davon, dass der Beschwerdeführer am 09.12.2017 in Untersuchungshaft genommen wurde.

21. Mit Bescheid vom 12.01.2018 erkannte das Bundesamt dem Beschwerdeführer den mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 02.04.2009 zuerkannten Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 ab und stellte fest, dass dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukommt (Spruchpunkt I.). Der Status des subsidiär Schutzberechtigten wurde dem Beschwerdeführer nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.) und kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt (Spruchpunkt III.). Gegen den Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass seine Abschiebung in die RUSSISCHE FÖDERATION zulässig ist (Spruchpunkt V.). Das Bundesamt räumte ihm eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise ein (Spruchpunkt VI.).

Begründend führte das Bundesamt aus, dass sich der Beschwerdeführer freiwillig erneut dem Schutz seines Herkunftslandes unterstellt habe. Zudem habe sich die Lage in der RUSSISCHEN FÖDERATION nachhaltig geändert, weshalb ihm der Status des Asylberechtigten abzuerkennen gewesen sei. Es seien zudem keine Gründe hervorgekommen, die eine Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten erforderlich machen würden. So sei es dem Beschwerdeführer zumutbar, durch eigene, notfalls auch wenig attraktive Arbeit das zu seinem Lebensunterhalt Notwendige zu erlangen, zumal es sich beim Beschwerdeführer um einen volljährigen Mann handle, der über eine Schulbildung und berufliche Erfahrungen verfüge. Er könne auch im Haus seiner Familie oder bei Freunden Unterkunft nehmen und allenfalls mit deren Unterstützung rechnen. Er habe auch keine lebensbedrohliche Erkrankung oder außergewöhnliche Umstände behauptet. Der Beschwerdeführer habe zwar ein paar Deutschkurse besucht, er sei jedoch obdachlos, weil er von seiner Lebensgefährtin getrennt lebe, habe keine Arbeit, sei mehrfach wegen Straftaten angezeigt und auch rechtskräftig verurteilt worden. Zudem bestehe weder eine Abhängigkeit noch eine sonstige innige Beziehung zu seinen in Österreich lebenden Familienangehörigen, zumal diese Wegweisungen und Betretungsverbote gegen den Beschwerdeführer bewirkt haben. Das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung überwiege daher das private Interesse des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet.

22. Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid fristgerecht Beschwerde und focht den Beschied zur Gänze wegen unrichtiger Feststellungen, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung an. Der Beschwerdeführer unterliege nach wie vor in der RUSSISCHEN FÖDERATION Verfolgung aus politischen Gründen. Zudem gehe aus den zitierten Länderberichten nicht hervor, dass sich die allgemeine Situation in Tschetschenien verbessert habe. Der Beschwerdeführer sei auch wegen seines langen Auslandsaufenthaltes in Gefahr, zusätzlichen Verdächtigungen ausgesetzt zu sein. Für die Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft bestehe daher kein Anlass. Für den Fall einer Abschiebung bestehe die reale Gefahr menschenrechtswidriger Behandlung aufgrund der schlechten Sicherheits- und Menschenrechtslage in der RUSSISCHEN FÖDERATION. Er verfüge in XXXX wegen seiner Entwurzelung aus seiner Heimat auch über kein familiäres Auffangnetz mehr, das ihm bei einer Reintegration behilflich sein könnte. Das Bundesamt habe die Gesetzesbestimmungen willkürlich angewendet, zumal nicht alle Fragen geklärt waren und die Glaubwürdigkeit sowie die Integration des Beschwerdeführers keiner Beurteilung unterzogen worden sei. Es sei nur eine unzureichende Behandlung mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers erfolgt. Darüber hinaus halte sich der Beschwerdeführer seit dreizehn Jahren in Österreich auf und habe sich um die Integration bemüht und sei eine Trennung insbesondere für seine Kinder sehr schmerzhaft. Die Ausweisung stelle einen Widerspruch zu Art. 8 und 2 bzw. 3 EMRK dar.

Der Beschwerdeführer stellte daher den Antrag, den angefochtenen Bescheid aufzuheben; festzustellen, dass dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft weiterhin zukommt; allenfalls subsidiären Schutz zu gewähren; allenfalls eine mündliche Beschwerdeverhandlung anzuberaumen; allenfalls eine Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig zu erklären; allenfalls einen Aufenthaltstitel aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen zu erteilen; allenfalls eine Abschiebung für unzulässig zu erklären.

23. Das Bundesverwaltungsgericht forderte den Beschwerdeführer mit Parteiengehör vom 09.08.2019 auf, gravierende Veränderungen an seinem Gesundheitszustand bekanntzugeben sowie alle damit in Zusammenhang stehenden Beweismittel vollständig vorzulegen und Bescheinigungs- bzw. Beweismittel zu seinen Fluchtgründen und seiner Identität sowie Unterlagen und Dokumente betreffen seine aktuellen Lebensverhältnisse und familiären Beziehungen in Österreich zu übermitteln. Diesem Auftrag kam der Beschwerdeführer nicht nach.

24. Der Beschwerdeführer stellte einen Antrag auf Genehmigung der Übernahme der Heimreisekosten für freiwillige Rückkehr, welcher mit Schreiben des Bundesamtes vom 23.09.2019 genehmigt wurde.

25. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 27.09.2019 eine mündliche Verhandlung unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Russisch sowie im Beisein der Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers und eines Vertreters des Bundesamtes durch. Der Sohn des Beschwerdeführers XXXX nahm als Beschwerdeführer in der verbundenen Verhandlung und die ehemalige Lebensgefährtin des Beschwerdeführers, XXXX , nahm als Zeugin an der Verhandlung teil.

Die Befragung des Beschwerdeführers gestaltete sich wie folgt:

"R: Sie reisten vor der Asylantragstellung am 23.09.2005 nach Österreich ein und halten sich folglich bereits seit 14 Jahren in Österreich auf. Haben Sie jemals um die österreichische Staatsbürgerschaft angesucht?

BF1: Nein.

R: Warum nicht?

BF1: Ich weiß es nicht, auch wenn ich um die Staatsbürgerschaft angesucht, hätte man keine Staatsbürgerschaft gewährt, weil ich nicht Deutsch kann.

R: Sie stellten am 23.09.2005 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Dabei legten Sie Ihren Inlandsreisepass vor. Sie gaben an, dass sich Ihr Auslandsreisepass in XXXX befindet; das sagten Sie auch in der Einvernahme am 16.10.2006. In der Einvernahme am XXXX hingegen gaben Sie an, dass Sie einen russischen Reisepass hatten, als sie nach Österreich kamen, dass Sie den aber schon längst weggeschmissen haben. Was sagen Sie dazu?

BF1: Unsere Familienpässe sind in XXXX geblieben, als wir durch XXXX gefahren sind. Meine Mutter zu Hause, hat mir zu Hause zwei Pässe ausstellen lassen, einen Inlandspass und einen Auslandspass.

R: Wann war denn das? Wann hat Ihre Mutter die Pässe ausstellen lassen?

BF1: Ich glaube, dass das 2014 war.

R: Wie haben Sie diese Pässe bekommen?

BF1: Per Post.

R: Warum sagten Sie bei der Einvernahme am XXXX , dass Sie einen russischen Reisepass hatten, aber ihn längst weggeschmissen hatten?

BF1: Nein. Die früheren Pässe sind in XXXX geblieben und sind nach wie vor dort.

R: Verstehe ich Ihre Aussage in der Einvernahme vom 23.09.2005 richtig, dass Sie im MAI 2005 getrennt von Ihrer Familie, die bereits im JÄNNER 2005 nach XXXX kam, ausgereist sind und in XXXX im Flüchtlingslage ihre Lebensgefährtin XXXX und Ihre Kinder XXXX (geb. XXXX ), XXXX (geb. XXXX ), XXXX (geb. XXXX ), XXXX (geb. XXXX ) und XXXX (geb. XXXX ) wiedergetroffen haben und dann mit ihnen gemeinsam nach Österreich gereist sind?

BF1: Ich bin vier Monate nach ihnen nach XXXX gekommen.

R: Warum heißt Ihr Sohn XXXX im Gegensatz zu den vor und nach ihm geborenen Kindern mit Nachnamen XXXX und nicht XXXX ?

BF1: Bei uns hat es Krieg gegeben, deswegen wurden die Kinder unterschiedlich registriert, je nachdem wie es möglich war.

R: Ihr Asylverfahren wurde vom Unabhängigen Bundesasylsenat am 17.11.2005 in Österreich zugelassen. Am 23.06.2006 wurde Anzeige wegen eines gestohlenen XXXX gegen Sie erstattet. Was wurde aus dem Verfahren?

BF1: Ich schwöre vor Allah, dass ich niemanden belogen habe. Ich hätte den Pass zurückge[geben] und wäre gegangen, wenn das so wäre, aber ich betrüge niemanden. Wenn ich den XXXX gestohlen, wo habe ich den, ich kann den nicht in die Tasche stecken.

R: In der mündlichen Verhandlung vor dem Asylgerichtshof gaben Sie an, dass Sie beschuldigt wurden, ein XXXX gestohlen zu haben und dafür XXXX ? Strafe zahlen mussten. Meinten Sie damit den XXXX ?

BF1: Zwölf Kilometer waren Geschäfte dorthin sind Touristen aus der ganzen Welt gekommen. Es war ein schönes XXXX , mein Freund hat das angeschaut, wir wollten nichts stehlen.

R: Verstehe ich Sie richtig, die Geschichte mit dem XXXX wurde eingestellt und die Geschichte mit dem XXXX wurde eingestellt und die Geschichte mit dem XXXX betraf Ihren Freund?

BF1: Ja.

R: Warum mussten Sie dann eine Strafe zahlen?

BF1: Weil es eine fünfminütige Verhandlung gab und wir beide müssten jeweils XXXX Euro zahlen. Ich schaue mir gerne schöne XXXX an, auch hier. Mein Freund wurde von der Polizei geschlagen und das wurde nicht protokolliert.

R: Am 30.10.2006 wurden Sie mit eine Freund festgenommen, weil Sie ein Taxi genommen haben, die Fahrt aber nicht bezahlt haben und dabei aggressiv geworden sein sollen. Was wurde aus dem Verfahren?

BF1: Das ist nicht wahr. Es gibt einen "Chef" der Pension, der heißt XXXX . Ich wurde in XXXX operiert. XXXX hat gesagt, dass ich die Fahrkarten sammeln und ich das Geld zurückbekommen werde. Wir sind also mit einem Taxi nach XXXX gefahren, ich kannte mich überhaupt nicht aus. Ich habe dort die Fahrkarten vorgelegt, ich habe gesagt, dass ich dorthin mit einem Taxi gekommen bin und wollte, dass man mir einen Teil zurückzahlt.

R: Sie kamen mit l Promille Alkohol Atemluft aus dem Krankenhaus?

BF1: Ich habe zwar Alkohol getrunken, aber das tut nichts zur Sache, man hätte mir das Geld zurückerstatten müssen.

R: Wurde das Geld dem Taxifahrer bezahlt und das Verfahren eingestellt?

BF1: Er hat die Polizei verständigt. Die Landsleute haben dann für das Taxi bezahlt. Am nächsten Tag hat der "Chef" das Geld bezahlt, 70 oder 80 Euro, das war das Geld für die Fahrkarten, aber nicht alles.

R: Am 01.09.2007 wurden Sie angezeigt, weil Sie Ihre Lebensgefährtin - zum Schluss auch in Anwesenheit der Polizei, bevor Sie mit Körpergewalt von ihr getrennt werden konnten - mit Fäusten blutig geschlagen haben sollen. Unter einem wurde eine Wegweisung gegen Sie erlassen und ein Betretungsverbot, bereits zuvor ein Waffenverbot. Sie wurden als aggressiv, renitent und alkoholabhängig beschrieben, weiters wurde festgehalten, dass Sie die Tat stark verharmlosen, die Gewaltausübung verleugnen und Gewalt als legitimes Mittel ansehen. Was sagen Sie dazu?

BF1: Bitte hören Sie mir ein bisschen zu, ich möchte Ihnen erklären, warum es zu diesem Skandal gekommen. Bitte hören Sie mir zu, dann erklären ich es Ihnen. Ich bin nicht Schuld, dass mir Allah sieben Kinder geschenkt hat, ich möchte erklären, wie es zu dieser Situation gekommen ist. Dass uns Österreich aufgenommen, daran trage ich auch keine Schuld, ich trage auch keine Schuld dafür, dass wir viel Geld für die Kinder bekommen. Der Bruder lebt seit 17 oder 18 Jahre da. Der Neffe fährt jedes Jahr gemeinsam mit der Familie nach Tschetschenien und wieder zurück. Er bringt die Leute wieder her. Er bringt die Leute zu uns. Wir haben sieben Kinder, wir sind neun Personen in der Wohnung. Das Geld, dass er dabei erwirtschaftet, verliert, verspielt er im Casino. Jeden Monat 3.000 - 5.000 Euro. Er verspielt das Geld im Casino und er nimmt auch das Familiengeld von mir und schickt nach Hause. Er baut italienische Häuser, heute sollte er aus Tschetschenien zurückkehren. Er soll gemeinsam mit der Familie morgen nach XXXX kommen. Ich habe auch sieben Kinder, in Tschetschenien haben wir keine Unterkunft. Meine vier Brüder wurden umgebracht, es wurde nicht einmal das Grab gefunden. Wir haben sieben Kinder, wohin sollen wir mit den Kindern fahren.

R: Von welchem Bruder und welchen Neffen sprechen Sie?

BF1: Welchen Bruder meinen Sie? Den Bruder der Frau oder meinen?

R: Von wem haben Sie jetzt erzählt?

BF1: Ich habe jetzt vom Bruder meiner Frau erzählt, meine vier Brüder wurden von Russen mitgenommen und getötet.

R: Wie heißen die von denen Sie gerade erzählt haben?

BF1: XXXX , ich habe seit 13 Jahre Probleme mit ihm, er hat mich von meiner Familie getrennt und ich nicht, wie kann es zu so etwas kommen?

R: Wie heißt der Neffe, von dem Sie gesprochen haben?

BF1: Ich habe nicht von meinen Neffen gesprochen, das ist der Neffe von XXXX , der ein kleines Kind erstochen hat. Die Tochter wurde vergewaltigt.

R: Wie heißt der, von den Sie sprechen?

BF1: XXXX , er ist jetzt in Tschetschenien.

R: Was sagen Sie zum Polizeibericht aus dem Jahr 2007, wo Sie Ihre Frau in Anwesenheit der Polizei blutig geschlagen haben?

BF1: Ich saß zu Hause und habe Tee getrunken zu dem Zeitpunkt kam sie mit zwei Polizisten nach Hause und da habe ich begonnen auf sie einzuschlagen, ich habe ihr einen Schlag versetzt.

BF1 spricht undeutliches Deutsch.

R: Warum?

BF1: Die Frau darf laut unseren Gesetzen in Tschetschenien keine Probleme machen und nicht die Polizei holen.

R: In Österreich darf sie das.

BF1: Hier gibt ca. 50.000 Tschetschenen, ich weiß nicht wie viel es gibt, aber ich weiß, dass der Bruder meiner Frau sie dazu angestiftet hat. Er hat ihr gesagt: "Ruf an, damit er verhaftet wird." Ich habe seit 13 Jahren Probleme mit dem Bruder meiner Frau.

R: In der Einvernahme am 01.09.2007 gaben Sie dazu an: "Ich will nichts sagen und unterschreibe auch nichts. Ich habe nichts gemacht. Ich habe meine Frau nicht geschlagen und verletzt. Wir haben auch nicht gestritten. Es war nichts. Ich bin Moslem und da gibt es ein anderes Gesetz als bei den Christen." Was sagt dieses andere Gesetz?

BF1: Ich wurde verhaftet, dann habe ich sie nicht mehr berührt. Ich wurde deswegen festgenommen und war einen Monat und drei Tage in der Haft, dann wurde ich freigelassen.

R: Fragewiederholung.

BF1: Bei uns gibt es tschetschenische Gesetze. Eine Frau sollte auf den Mann hören und dann wird sie nicht geschlagen. Erst dann habe ich sie geschlagen so stark war es auch nicht.

R: Ihre Frau hatte eine blutige Wunde am Kopf und musste im Spital versorgt, was heißt Sie haben sie nicht stark geschlagen?

BF1: Jetzt sind wir zusammen. Wenn ich sie wirklich geschlagen, warum hat sie jetzt wieder Kontakt zu mir? Warum geht sie zu mir zum Restaurant und zu XXXX , wenn ich so gefährlich bin, warum macht sie das? Es gab vor einen Monat eine Verhandlung, eine Scheidung.

R: Was für eine Verhandlung gab es?

BF1: Scheidung, es war ein Scheidungsverfahren

R: Wann haben Sie Ihre Frau [ge]heiratet? Sie waren traditionell mit ihr verheiratet?

BF1: Auch bei uns gibt es eine Scheidung. Wir haben uns nicht nach dem muslimischen Ritus geschieden, sondern nach den russischen Traditionen. Wenn ich mich nicht von ihr nach dem islamischen Ritus scheide, dann ist sie immer noch meine Frau.

R: Sind Sie aktuell mit Ihrer Frau noch verheiratet, wenn ja, nach welchen Bestimmungen?

BF1: Wenn ich ein bestimmtes Wort vor dem Richter nach dem muslimischen Ritus nicht sage, dann gilt sie als meine Frau.

R: Sind Sie mit Ihrer Frau verheiratet?

BF1: Ja, 100-%-ig.

R: Nach welchen Bestimmungen?

BF1: Nach den muslimischen Gesetzen und auf Grund der Traditionen, ich meine den Koran.

R: Mit Bescheid vom 27.03.2008 wies das Bundesasylamt im dritten Rechtsgang Ihren Asylantrag ab, sprach aus, dass das Refoulement zulässig ist und wies Sie in die Russische Föderation aus. Der Asylgerichtshof erkannte Ihnen nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 11.02.2009 mit Erkenntnis vom 02.04.2009 den Status des Asylberechtigten zu. Darin stellte es fest, dass weder Sie noch einer Ihrer Brüder an Kampfhandlungen während des ersten und zweiten Tschetschenienkrieges beteiligt waren. 2000 wurden Sie und einer ihrer Brüder festgenommen, gefoltert und anschließend von Ihren Verwandten freigekauft. Ein zweites Mal wurden Sie 2002 festgenommen und zwei Tage lang festgehalten. Danach hielten Sie sich bis MAI 2005 in TSCHETSCHENIEN und INGUSCHETIEN auf und wurden immer wieder zu ihren Brüdern befragt, die verschwunden sind. Wurden Ihre Brüder mittlerweile gefunden?

BF1: Nein, man hat nicht einmal das Grab gefunden.

R: In der Einvernahme am XXXX gaben Sie an, dass Ihre VIER Brüder XXXX , XXXX , XXXX und XXXX getötet wurden, im Asylverfahren (zB AS 63) aber, dass Sie nur DREI Brüder hatten, einen Bruder namens XXXX gaben Sie im Asylverfahren nicht an. Können Sie mir das erklären?

BF1: Ich habe immer alles gesagt.

R: Wie viele Brüder haben Sie jetzt drei oder vier?

BF1: Wir sind insgesamt fünf Brüder.

R: Wann wurde XXXX geboren und wann ist XXXX gestorben?

BF1: Er war älter als ich und lebte das ganze Leben bei der Mutter.

R: Wann ist XXXX gestorben oder verschwunden?

BF1: 2002 oder 2003. Er wurde erstochen, seine Leich[e] wies acht Messerverletzungen auf.

R: Warum haben Sie das bei Ihrem Asylverfahren nicht angegeben?

BF1: Welchen Unterschied hätte es gegeben, wenn ich das gesagt hätte. Wir haben alle Dokumente vorgebracht.

R: Der Asylgerichtshof stellte fest, dass Ihnen eine staatsfeindliche Gesinnung unterstellt wurde und dass sie Angst hatten, wie Ihre Brüder verschleppt zu werden und getötet zu werden. Waren Sie in Österreich jemals einer Bedrohung ausgesetzt?

BF1: Ja. Es hat eine Gefahr gegeben und die Gefahr gibt es nach wie vor.

R: Welche konkreten Gefahr waren Sie in Österreich ausgesetzt?

BF1: Nicht in Österreich, aber in TSCHETSCHENIEN.

R: Haben Sie sich in Österreich je exilpolitisch betätigt?

BF1: Nein, ich und meine Brüder haben uns niemals mit der Politik beschäftigt.

R: Sind Sie in den Medien gegen XXXX tätig?

BF1: Ich habe seit meinem zwölften Jahr in TSCHETSCHENIEN gearbeitet und bin nach XXXX gefahren, ich habe nur Betonhäuser gebaut, da kenne ich mich aus. Ich kann jedes Haus bauen.

R: Wo haben Sie in XXXX Häuser gebaut?

BF1: ich bin seit meinem zwölften Jahr dorthin gefahren, um Gelegenheitsjob zu verrichten.

R: Wo war das?

BF1: XXXX , Gebiet XXXX , XXXX , XXXX .

R: In der Einvernahme am XXXX gaben Sie an, dass Sie gesagt haben, dass Sie Ihre Brüder rächen werden, als Sie nach Österreich kamen. Wem haben Sie das wie gesagt?

BF1: In XXXX . Ich wurde nach XXXX geladen. Man hat mich dort gefragt, welches Problem ich haben werde, wenn man mich nach TSCHETSCHENIEN schicken wird. Ich habe gesagt, dass die Leute, die meine Brüder getötet haben, darunter ein Dorfbewohner, dass sich die Leute dort befinden.

R: Sie haben gesagt, dass Sie ihre Brüder rächen werden. Wem haben Sie gesagt, dass Sie sich rächen wollen?

BF1: Wenn ich nach TSCHETSCHENIEN komme, kann ich diese Menschen nicht anschauen, es kann sein, dass ich sie töte und dann töten sie mich.

R: Verstehe ich das richtig, dass Sie das dem BFA und nicht jemand anderen erzählt haben?

BF1: Nein. Wissen Sie, wenn ich jemanden umbringen wollen, wäre ich nach Hause gefahren und hätte ich die Leute umgebracht.

R: Fragewiederholung.

BF1: Ich habe das bei der Asylbehörde erzählt, weil man mich gefragt hat, was passiert, wenn man mich abschieben sollte und dann habe ich gesagt, dass es sein kann, dass ich den Leuten nicht ins Gesicht schauen kann.

R: In der Einvernahme am 07.12.2017 sagten Sie, dass Sie "derzeit" niemanden töten werden. Wann wollen Sie jemanden töten?

BF1: Nein. Ich habe nicht vor irgendwann, irgend[wen] zu töten. Allah lasst das nicht zu, dass Menschen andere Menschen umbringen.

R: Sie gaben im Asylverfahren an, dass Sie an einer Posttraumatischen Belastungsstörung leiden. Wie haben Sie diese in Österreich behandeln lassen?

BF1: Ich habe Probleme mit der XXXX . Ich war sieben- oder achtmal im Krankenhaus, weil die XXXX ist.

R wiederholt die Frage.

BF1: Diesbezüglich möchte ich so wie immer sagen, dass meine XXXX krank ist.

R: Das heißt. Sie haben Ihre Posttraumatischen Belastungsstörung in Österreich nie behandeln lassen?

BF1: Ich sage es ständig, ich habe auch Unterlagen. An vier Stellen ist meine XXXX kaputt.

R: Welche Behandlung brauchen Sie aktuell? Brauchen Sie Tabletten, welche Medikamente brauchen Sie?

BF1: Vor kurzem wurde ich im XXXX untersucht, dort ist das beste Gerät, aber man hat mir keine Tabletten gegeben, man hat mir gesagt, dass ich zum Hausarzt zum XXXX gehen soll. Aber die Unterlagen wurden auch nicht dorthin geschickt. Der Hausarzt hat gesagt, dass ich eine Operation brauche.

R: Haben Sie Unterlagen dazu?

BF1: Jetzt nicht, aber beim Hausarzt im XXXX schon.

R: Warum haben Sie weder im Parteiengehör noch jetzt Befunde vorgelegt?

BF1: Ich war sieben- oder achtmal im Krankenhaus. Ich weiß nicht, was ich mithabe.

BF1 sieht in seinem Rucksack nach und holt Unterlagen heraus.

BF1 übergibt der R die Unterlagen durch Durschicht.

R: Den Befunden zu Folge haben Sie den Anweisungen des Arztes nicht Folge geleistet. Sie haben eine Verletzung am XXXX und wurden deshalb am 22.08.2019 operiert und hatten eine XXXX , Hinweise auf XXXX finde ich in diesen Befunden nicht.

BF1: Die XXXX habe ich zu Hause.

R: Welche konkrete Behandlung brauchen Sie für Ihre XXXX ?

BF1: Ich brauch 100-%-ig eine Operation. Man hat mir im XXXX eine XXXX -Computertomografie durchgeführt, man hat absolut nichts getan.

R: Nehmen Sie aktuell Medikamente?

BF1: Nein, man gibt mir ja keine. Jetzt bekomme ich keine.

R: Während des Asylverfahrens befanden Sie sich in Grundversorgung, zunächst zwei Monate lang in der Betreuungsstelle XXXX , danach fast VIER Jahre lang bis 18.06.2009 in XXXX , XXXX in XXXX . Warum zogen Sie nach der Asylgewährung von XXXX nach XXXX ?

BF1: Der Bruder meiner Frau hat gesagt, dass wir dorthin ziehen sollen, dort gab es eine Pension.

R: Wovon bestreiten Sie seit der Asylgewährung Ihren Lebensunterhalt?

BF1: Man hat mir Geld gegeben, ich habe ja gemeinsam mit meiner Familie gelebt.

R: Haben Sie seit Ihrer Asylgewährung einmal gearbeitet?

BF1: Nein, ich habe keine Arbeit, man gibt mir keine. Schauen Sie sich das [an]. Ich suche jeden Monat eine Arbeit und man gibt mir keine.

BF1 legt vor: Eine Niederschrift des AMS betreffend Bewerbungsgespräche, 10.09.2019 - 25.09.2019.

R: Wovon haben Sie in der Russischen Föderation Ihren Lebensunterhalt bestritten?

BF1: In der Russischen Föderation? Da habe ich ständig gearbeitet. Ich hatte 10 und 15 Kühe, ich hatte Schafe und Kälber. Ich hatte auch Pferde. Ich bin ein Liebhaber von Pferden.

R: Sie gaben in der Einvernahme am 29.09.2005 an, dass Sie Russisch und Tschetschenisch sprechen, ebenso in der Einvernahme am XXXX Ihr Betreuer von der XXXX teilte dem Bundesamt am 20.11.2017 mit, dass er Sie vertritt, weil er RUSSISCH spricht. In der Berufung vom 07.04.2008 gaben Sie hingegen an, dass Sie einen Tschetschenisch-Dolmetscher brauchen, weil Sie nur sehr schlecht Russisch können, auch für die Verhandlung forderten Sie einen Tschetschenisch-Dolmetscher. Warum?

BF1: Ich habe nicht alle Zähne, deswegen gibt es ein Ausspracheproblem, ich kann nicht jedes Wort richtig aussprechen.

R an D: Gibt es Verständigungsschwierigkeiten?

BF1: Nein.

R: Welche Sprachen sprechen Sie auf welchem Niveau?

BF1: Russisch und meine Muttersprache, nur die zwei.

R: Welche Aus- und Fortbildung haben Sie in Österreich absolviert, Sie sind seit 14 Jahren da?

BF1: Ob ich eine Schule besucht habe? Ich kann nur das auf Deutsch sagen, was ich brauche. Wenn jemand schnell Deutsch spricht, dann verstehe ich es nicht.

R: Ich sehe im Akt Deutsch und Alphabetisierungskurse erst ab SEPTEMBER 2013. Was haben Sie 2005-2013 gemacht?

BF1: Wenn man Kurse gewährt, dann besuche ich sie auch. Wenn man keine Kurse gibt, was soll ich machen, ich habe Arbeit gesucht.

R: Ihrer Aussage am XXXX zufolge wurden Sie aus dem A1+ Kurs verjagt, weil Sie noch nicht so weit waren. Heißt das, dass Sie nach über 12 Jahren in Österreich Deutsch nur auf dem niedrigsten Anfängerniveau beherrschen?

BF1: Nein. Bei uns hat es Arbeitsdeutschkurs und A1-plus. Dort war so ein Richter oder Staatsanwalt und dort musste man vorsprechen. Man hat so schnell gesprochen und dann gelacht. Die Leute dort haben mich verhöhnt, sie haben mich ausgelacht.

R: Können Sie wenigstens das Sprachzertifikat auf dem Niveau A1 und den Werte- und Orientierungskurs nachweisen?

BF1: Ich habe schon Bestätigungen zu Hause, dort wo XXXX und die Kinder sind, dort sind alle Bestätigungen.

R: Wohnen Sie an derselben Adresse wie XXXX und Kinder, ja oder nein?

BF1: Nein, ich habe eine Postadresse XXXX .

R: Wo leben Sie?

BF1: Manchmal bei Freunden. Vorwiegend im Park.

R: Vor der Asylgewährung gaben Sie an, dass Sie Teil-Analphabet sind, in der Einvernahme am 05.07.2010 hingegen, dass Sie in XXXX XXXX Jahre lang die Schule besucht haben, dies auch in der Einvernahme am XXXX . Was stimmt?

BF1: Ich habe schon Schule besucht, ich kann Russisch lesen, aber schreiben kann ich nicht wirklich.

R: Sie waren acht Jahre in XXXX in der Schule und sagen, dass Sie Russisch nicht schreiben können?

BF1: Ich bin acht Jahre lang "weitergereicht" worden.

R: Sehe ich es richtig, dass in Österreich zwei weitere Kinder von Ihnen geboren wurden. XXXX und XXXX ?

BFl: Ja.

R: Es gibt keine Person namens XXXX in Österreich!

BFA gibt an: Fehler vom Protokoll vom XXXX , das Kind heißt XXXX .

R: Von wann bis wann waren Sie getrennt von XXXX ?

BF1: Wir lebten zusammen drei oder vier Jahre. Ich zahlte 400 oder 500 Euro pro Monat, an vier verschiedenen Stellen.

R wiederholt die Frage.

BF1: Das war schon lange her, aber ich ging manchmal zu ihr.

R: Von wann bis wann waren Sie von ihr getrennt?

BF1: 2010. Da habe ich das Gefängnis verlassen und ging zu ihr. Dann war es 2012 oder 2013.

R: Wann sind Sie wieder zusammengekommen?

BF1: Es gab viele solche Zeitabschnitte, ich kann mich nicht erinnern. Dann hat sie die Polizei gerufen und hat mich dort verjagt.

R: Dazu gaben Sie am XXXX an: "Es gab im JULI einen Streit mit meiner Frau. Ich hatte ein kleines Zimmer in der Wohnung. Meine Frau und meine Tochter lagen am Boden. Ich wollte sie nehmen. Aber meine Tochter lag daneben. Ich berührte Sie an der Schulter. Danach begann der Streit." Was heißt "sie nehmen"?

BF1: Ich weiß nichts davon, welche kleine Kinder sprechen Sie jetzt an? Ich hätte niemals erlaubt, dass meine Tochter am Boden liegt, ich weiß nichts davon.

R: Aus welchen Anlass hat Ihre Frau die Polizei geholt?

BF1: Ihr Bruder XXXX ... in jeder Familie gibt es Unstimmigkeiten, sie haben mich von dort verjagt.

R: Haben Sie weitere Gattinnen (EV XXXX , S 3)? Sind Sie mit weiteren Frauen verheiratet?

BF1: Nein, ich hatte nie andere Frauen.

R: Haben Sie noch weitere Kinder in Österreich?

BF1: Nein.

R: XXXX , XXXX und XXXX sind erwachsen. Wie ist Ihre Beziehung zu Ihnen?

BF1: Es gibt keine Beziehung zu den Kindern, weil XXXX sie gegen mich einstimmt. Es wäre anders gewesen, wenn sie sie es zugelassen hätte, dass ich die Kinder erziehe. Dann wären meine zwei Söhne nicht im Gefängnis, wenn ich die Erziehung übernommen hätte. Wegen des Geldes wurde ich verjagt und man hat meine Familie kaputt gemacht.

R: Wer hat die Obsorge über XXXX , XXXX , XXXX und XXXX ?

BF1: Ich. Ich bin der Vater. Ja, ich habe auch die entsprechenden Dokumente.

R: Können Sie diese vorlegen?

BF1: Nein, ich habe sie zu Hause, aber es gibt offizielle Dokumente.

R: Zahlen Sie Alimente für die Kinder? Wie viel?

BF1: Jeweils zwölf Rubel (gemeint Euro) insgesamt 48 Euro.

R: Bei wem leben XXXX , XXXX , [ XXXX ] und XXXX ?

BF1: Zu Hause in der XXXX .

R: D. h. bei Ihrer Frau?

BF1: Ja, sie leben zusammen.

R: Wie ist Ihre Beziehung zu XXXX , XXXX , [ XXXX ] und XXXX ?

BF1: Wir haben keine Probleme. Wir haben hier keine Probleme, ich liebe sie und sie lieben mich.

R: Beschrieben Sie mir ihre Beziehung.

BF1: Wir gehen fast jeden Tag zu XXXX im XXXX und gehen spazieren im XXXX , wir sind jeden Tag zusammen.

R: Sind Betretungsverbot und Wegweisung noch aufrecht?

BF1: Man hat mir gesagt, dass ich zur Tür kommen kann, die Kinder holen kann und wieder weggehen kann. Da gibt es ein offizielles Dokument. Allerdings ist es für mich verboten hineinzugehen.

R: Mehr als vier Monate, bevor Sie von XXXX nach XXXX zogen, wurden Sie bereits am 28.09.2010 in XXXX in einem XXXX wegen XXXX festgenommen. Was haben Sie in XXXX gemacht, Sie haben in XXXX gelebt?

BF1: Ich bin vom Deutschkurs nach Hause gefahren, dort gab es angetrunkene Serben, das war ein kleines XXXX . Dort habe ich zwei russischsprachige Personen getroffen. Ich kann mich jetzt nicht erinnern, wie das begonnen hat, man hat hier (BF1 zeigt auf den Kopf) einen Schlag versetzt und die Polizei hat mich festgenommen, ich habe bis jetzt eine Narbe.

R: Wie endete das Verfahren?

BF1: Ich wurde festgenommen, das war alles. Man hat mich XXXX Monate und XXXX Tage festgenommen, so endete das Verfahren. Ich wurde geschlagen und dann wurde ich festgenommen.

R: In der Einvernahme am XXXX gaben Sie an, dass Sie in Österreich zwar XXXX Monate lang in Haft gewesen seien, aber überhaupt nie eine Straftat begangen haben. Was meinen Sie damit?

BF1: Ich habe keine kriminellen Sachen gemacht, seitdem ich mich in Österreich befinde, ich habe absolut nichts getan, ich fühle mich auch nicht schuldig.

R: Warum zogen Sie nach der Haftentlassung am XXXX nach XXXX ?

BF1: Um zusammen zu wohnen. Ich wurde zuerst festgenommen und als ich frei geworden bin, sind die anderen schon übersiedelt.

R: Sie waren bis 06.09.2012 bei Ihrer ehemaligen Lebensgefährtin gemeldet, danach waren Sie bis 07.01.2013 XXXX obdachlos gemeldet. Wo haben Sie in der Zeit gelebt?

BF1: Ich lebe vorwiegend auf der Straße, manchmal übernachte ich bei den Freunden. Ein kleines Zimmer gekostet viel Geld, 2.000 - 3.000 Euro und das ist nur ein kleines Zimmer. Ich habe vor Kurzem ein Zimmer gefunden, 2x2 Meter, ich hätte sechs Monate im Voraus zahlen müssen.

R: Von 07.01.2013 bis 31.01.2013 waren Sie nirgends gemeldet. Warum?

BF1: Ich war bei meiner Frau angemeldet, aber sie hat mich abgemeldet. Ich wusste dann nicht, wo ich angemeldet bin, ich konnte ja nicht Deutsch. Ein Bekannter sagte mir dann, dass ich mich bei XXXX anmelden soll.

R: Von 31.01.2013 bis 13.05.2014 waren Sie wieder XXXX obdachlos gemeldet, warum?

BF1: Dann habe ich mich angemeldet und seitdem habe ich immer eine Anmeldung.

R: Wo haben Sie in dieser Zeit gelebt?

BF1: Im Sommer an der Donau und sonst bei Freunden.

R: Von 13.05.2014 bis zu Ihrer Festnahme am XXXX waren Sie in Österreich gar nicht gemeldet. Wo haben Sie in der Zeit gelebt?

BF1: Bei Freunden oder im Park. Ich trinke Wodka, gehe in den Park und schlafe dort.

R: Warum waren Sie XXXX Jahre lang nirgends gemeldet?

BF1: Ich war immer wo angemeldet, entweder bei XXXX oder im XXXX Einmal wurde ich von der Polizei angehalten. Man hat mich gefragt, warum ich keine Anmeldung habe und hat man mir gesagt, dass man mich festnehmen wird, wenn ich keine habe, darum habe ich mich angemeldet.

R: Am 16.06.2014 wurde Ihnen ein Konventionsreisepass ausgestellt (abgelaufen im JUNI 2019), da mussten Sie in Österreich sein. Haben Sie Österreich seit der Asylantragstellung 2005 einmal verlassen? Wenn ja: Wo waren Sie?

BF1: Nein, nirgends.

R: Sie haben Österreich nie verlassen?

BF1: Ich bin in die XXXX gefahren, um dort zu heiraten.

R: Von wann bis wann waren Sie in der XXXX ?

BF1: 2014. Ich wollte überhaupt ausreisen. Mein älterer Sohn war mit mir. Wir sind gemeinsam hingefahren und waren drei Monate lang dort.

R: Mit welchem Aufenthaltstitel waren Sie in der XXXX ?

BF1: Ich weiß nicht welchen Aufenthaltsstatus wir dort hatten, wir können dort hinfahren.

R: Hatten Sie dabei schon Ihren russischen Pass?

BF1: Ich hatte einen Inlands- und Auslandsreisepass, aber mein Schwager hat [sie] weggeschmissen. Meine Frau hat sie weggeschmissen, gemeinsam haben sie sie weggeschmissen.

R: Laut den Stempeln in Ihrem Konventionsreisepass haben Sie am 04.08.2014 am Grenzübergang XXXX die Europäische Union verlassen und sind am selben Grenzübergang am 10.02.2015 in die EU zurückgekehrt. Wo haben Sie sich in der Zwischenzeit aufgehalten?

BF1: Das habe ich schon gesagt, ich war in der XXXX , ich war zweimal in XXXX . Ich habe dort über die Plattform XXXX eine junge Frau kennengelernt und wollte dort heiraten.

R: Haben Sie dort geheiratet?

BF1: Man hat mir beim Bundesamt gedroht, wenn man mich festnehmen wird, wenn ich noch eine Frau heirate werde, weil ich schon verheiratet bin. Hier ist es gefährlich nochmal zu heiraten.

R: In der Einvernahme am XXXX gaben Sie auf den Vorhalt, dass gegen den von Ihnen behaupteten XXXX -Aufenthalt spricht, dass sich in Ihrem Konventionsreisepass kein XXXX Visum befindet, an, dass das ein neuer Pass sei, der alte sei beim XXXX am XXXX gestohlen worden. 2014 war aber genau der Pass gültig, in dem sich die Auslandsstempel befinden, aber kein Visum. Die Frau hat irgendetwas weggeschmissen, haben Sie nicht gesagt. Was sagen Sie dazu?

BF1: Das habe ich schon bei der Polizei am XXXX gesagt.

R: Sie gaben in der Einvernahme am XXXX an, dass Sie DREI-VIER Jahre vorher auch in der XXXX waren. Wann, wo und warum?

BF1: Ich habe es Ihnen erzählt, das war 2014, da bin ich dorthin gefahren, um zu heiraten, ich war zweimal in XXXX .

R: Wann sind Sie das zweite Mal dorthin gefahren?

BF1: Ich kann mich nicht mehr erinnern. Vielleicht 2015 oder so. Ich kann mich nicht mehr erinnern.

R: Von wann bis wann waren Sie in XXXX ?

BF1: Ich war elf Monat in XXXX , XXXX . Elf Monate. Zehn Monate oder elf Monate.

R: Was haben Sie in XXXX gemacht?

BF1: Dort hatte ich eine Freundin (BF1 lacht), nicht wirklich Freundin, sie war jünger.

R: Wie lange waren Sie das erste Mal in XXXX , Sie haben gesagt Sie waren zweimal in XXXX ?

BF1: Das war schon nach 2014. Nach der XXXX war ich noch in XXXX , ich kann mich nicht

erinnern, wann das war.

R: Wie lange ungefähr?

BF1: Zwei oder drei Monate, mein Kopf arbeitet nicht mehr.

R: Waren Sie seit der Asylantragstellung noch einmal in der Russischen Föderation?

BF1: Nein.

R: In der Einvernahme am XXXX gaben Sie an, dass Ihre Mutter, die Schwiegermutter, ein Schwager, zwei Schwestern mit ihren sechs Kindern, sechs Nichten und drei Neffen nach den DREI verstorbenen Brüdern sowie 15-20 Cousins und Cousinen in der Russischen Föderation leben, in XXXX und Umgebung bzw. XXXX , wohnen, also alle in Tschetschenien. Hat sich daran etwas geändert?

BF1: Nein. Es ist so wie es war.

R: Sie waren mit Ihren Verwandten 1-3 Mal pro Woche über Whats app in Kontakt, manchmal auch täglich. Hat sich daran etwas geändert?

BF1: Es ist alles so wie es war, es hat sich absolut nichts geändert.

R: Wie alt sind Ihre Neffen, die Söhne Ihrer verstorbenen Brüder?

BF1: 19, 21 und ca. 16. Ich kann mich nicht mehr genau erinnern. Ich weiß, dass eine Mutter und neun Neffen (gemeint Kinder) von diesen Brüdern geblieben sind, sechs Töchter und drei Söhne. Meine Mutter hat sie erzogen.

R: Wie geht es ihren Verwandten in der Russischen Föderation?

BF1: Die keine Probleme dort haben, können dort leben. Die keine Probleme haben, die leben dort.

R: Wie geht es Ihren Verwandten, Nichten und Neffen?

BF1: Die Neffen leben normal, sie haben nichts dort. Ich habe das Problem.

R: Warum haben Sie ein Problem und die Neffen nicht?

BF1: Das ist eine lange Geschichte. 2005 als ich gekommen bin, habe ich das auch nicht erzählt, weil das eine lange Geschichte ist.

R: Erzählen Sie Kurzfassung. Warum haben Ihre Neffen ein Problem nicht, was Sie haben?

BF1: Ich habe das Problem auch nach meiner Ankunft in Österreich nicht erzählt, weil es eine lange Geschichte ist.

R: Fragewiederholung.

BF1: XXXX wird heute als Zeugin einvernommen, stellen Sie ihr diese Frage.

R: Nein, beantworten Sie diese Frage.

BF1: XXXX steht mit denen in Verbindung, die mich bedrohten. Sie liebt Whats app steht mit denen in Verbindung. XXXX steht mit den Leuten in Kontakt, die mir und meinen Kindern drohen.

R: Warum sollte man Ihnen und Ihren Kindern drohen?

BF1: Ich möchte nicht darüber sprechen, ich habe das auch bisher nicht gesagt.

R: Da können Sie sich im Verfahren auch nicht darauf berufen.

BF1: Ob sie mich hier lassen oder abschieben, ob das gefährlich wird für mich oder nicht. Fragen Sie XXXX .

R: Was würde konkret passieren, wenn Sie in die Russische Föderation ausreisen würden?

BF1: Dann erzähle ich etwas: Ich erzähle Ihnen etwas, bitte hören Sie mir bitte zu. Ich erzähle Ihnen, wie das Problem begonnen hat. Ich erzähle das, ob sie mich abschieben oder nicht. Wir waren vier Brüder. Der Älteste lebte bei der Mutter. Wir vier Brüder haben gleichzeitig geheiratet. Die Frau des dritten Bruders und XXXX kommen aus dem gleichen Dorf. Man lässt mich nicht aussprechen. Sie können es auch aufschreiben. Die Frau des dritten Bruders heißt XXXX , ihre zwei Onkel waren Wahhabiten. XXXX hatte zwei Töchter und

zwei Söhne. Das Problem begann mit dieser Frau. Sie hat die vier Kinder ständig zurückgelassen, fuhr in die Stadt und war als Prostituierte tätig. Die zwei Brüder, die jünger als ich waren und ich auch, wir gingen zu ihren Verwandten ins Haus. Die zwei Onkel von ihr waren Wahhabiten sie haben gekämpft. Wir haben dort vorgebracht, dass XXXX normal ihre vier Kinder erziehen soll. Es gab ein Haus, es gab etwas zu essen, es hat alles gegeben. Sie hat einen Monat lang bei uns gelebt. Sie hat meine Mutter mit den schlimmsten russischen

Schimpfwörter bezeichnet. Die zwei jüngeren Brüder von mir, haben XXXX aus dem Haus vertrieben, sie ist weggegangen. Ein Jahr später ist sie wieder zurückgekommen. In XXXX gibt es den größten Stützpunkt der russischen Truppen. XXXX und die Mutter sind gemeinsam gekommen und sagten, dass sie nach XXXX gehen werden und die Verhaftung und Ermordung meiner Brüder erzielen werden, sie haben das aber nicht gleich gemacht. Nach ca. einem Monat, ich habe ein eigenes Haus gehabt und meine Tür war immer offen. Zeitlich in der Früh habe ich Schreie gehört, meine Mutter und meine Verwandten haben geschrien. Ich habe gesehen, dass XXXX und XXXX mitgenommen wurden. Ich und die weiteren Verwandten haben dann mit dem Auto nach ihnen gesucht, sie wurden nicht gleich gefunden. In XXXX gibt es die XXXX . Abteilung, dort gibt es einen Bekannten, das war der Leiter dort. Er hat binnen einer Woche in Erfahrung gebracht, wo sich die zwei befinden. Ein Verwandter hat das erfahren. Er sagte, dass wir am nächsten Tag kommen sollen und er uns sagen wird, wer schuldig ist und hat erzählt, wer schuldig ist. XXXX und ihre Mutter waren schuld und auch ihre zwei Brüder, die Wahhabiten waren. Wir haben Geld angeboten. Der Verwaltungsleiter war auch involviert. Wir sind dann zu ihren Verwandten ins Dorf gegangen. Ich erzähle jetzt, wie das Problem jetzt für mich entstanden ist: Wir sind hingegangen und haben dort die Blutrache erklärt. XXXX weiß das. XXXX ist eine Hündin. Ihre Brüder waren Wahhabiten, meine Kinder waren damals klein. XXXX weiß das, wie oft sie gekommen sind. Ich war einmal dort und sagte, dass ich mich meine Brüder rächen werde. Ich habe gesagt vor Allah, dass ich abrechnen werde.

R: Darf ich zusammenfassen: Sie fürchten in vorbeugender Blutrachen von den Verwandten Ihrer Schwägerin ermordet zu werden?

BF1: Denken Sie darüber nach.

R: Fragewiederholung.

BF1: Man wird mich umbringen. Meine Kinder können umgebracht werden, damit wir keine Blutrachen ausüben.

R: Warum werden diese Neffen das [Problem] nicht haben, diese wären Blutrache verpflichtet?

BF1: Die Familie trägt die Verantwortung. Hier sagt man, dass der Vater für den Sohn keine Verantwortung trägt, bei uns tragen die Verwandten die Verantwortung. Meine Brüder wurden umgebracht.

R: Was würde passieren, wenn Sie sich in einem anderen Teil der Russischen Föderation ansiedeln würden?

BF1: XXXX und TSCHETSCHENIEN sind gleich.

R: Was spricht dagegen, wenn Ihre in Österreich lebend

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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