TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/5 W112 1265624-6

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.02.2020
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Entscheidungsdatum

05.02.2020

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §7 Abs1
AsylG 2005 §7 Abs4
AsylG 2005 §8 Abs1 Z2
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W112 1265624-6/38E

Schriftliche Ausfertigung des am 27.09.2019 mündlich verkündeten Erkenntnisses

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Elke DANNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA RUSSISCHE FÖDERATION, vertreten durch den XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.12.2017, ZI. 790455310-170747979, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 27.09.2019 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 7 Abs. l. Abs. 4, § 8 Abs. 1Z2, § 57, § 10 AsylG 2005, § 9 BFAVG, § 52 Abs. 9 und § 55 Abs. 1-3 FPG als unbegründet abgewiesen.

II. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt VII. wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass das Einreiseverbot auf 7 Jahre verkürzt wird.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der RUSSISCHEN FÖDERATION, reiste als Minderjähriger unter Umgehung der Grenzkontrollen gemeinsam mit seinen Eltern und seinen vier Geschwistern in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte hier am 23.09.2005 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Das Bundesasylamt vernahm die Mutter des Beschwerdeführers am 29.09.2005 ein. Diese gab an, dass sie wegen ihrer Kinder aus Tschetschenien ausgereist sei, weil auch Kinder von den Russen festgenommen worden seien. Die Russen nehmen Knaben fest, um sie gegen gesuchte Familienmitglieder einzutauschen. Der Vater des Beschwerdeführers sei einige Male von den Russen festgenommen worden und sie habe ihn freikaufen müssen. Der Beschwerdeführer könnte von den Russen festgenommen werden.

3. Am 16.10.2006 vernahm das Bundesasylamt die Mutter des Beschwerdeführers nunmehr im zugelassenen Verfahren ein. Diese gab betreffend die Fluchtgründe des Beschwerdeführers an, dass er mit ihr nach Österreich gekommen sei, weil sie sich zu diesem Schritt entschlossen habe.

4. Das Bundesasylamt wies den Asylantrag des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 26.01.2007 ab (Spruchpunkt I.), erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers für zulässig (Spruchpunkt II.) und wies den Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet in die RUSSISCHE FÖDERATION aus (Spruchpunkt III.).

Begründend führte das Bundesasylamt aus, dass keine Verfolgungsgefahr ersichtlich gewesen sei. Ebenso drohe dem Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat unter der Voraussetzung, dass er gemeinsam mit seinen engen Familienangehörigen (Eltern, Geschwister) zurückkehre, keine Gefahr, die eine Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertige. Die Ausweisung stelle keinen Eingriff in Art. 8 EMRK dar, zumal seine Ausweisung ausschließlich gemeinsam mit seinen engen Familienangehörigen (Eltern, Geschwister) erfolge und kein Abhängigkeitsverhältnis zu seinem in Österreich lebenden Onkel bestehe.

5. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch seine Mutter als gesetzliche Vertreterin, fristgerecht Berufung. Der Unabhängige Bundesasylsenat behob mit Bescheid vom 16.03.2007 den Bescheid und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurück.

6. Am 30.05.2007 vernahm das Bundesasylamt die Mutter des Beschwerdeführers niederschriftlich ein. Sie gab an, dass der Beschwerdeführer an keiner Krankheit leide und derzeit keine Medikamente einnehme.

7. Das Bundesasylamt wies den Asylantrag des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 22.06.2007 ab (Spruchpunkt I.), erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers für zulässig (Spruchpunkt II.) und wies den Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet in die RUSSISCHE FÖDERATION aus (Spruchpunkt III.).

Begründend führte das Bundesasylamt wiederum aus, dass keine Verfolgungsgefahr ersichtlich gewesen sei. Ebenso drohe dem Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat unter der Voraussetzung, dass er gemeinsam mit seinen engen Familienangehörigen (Eltern, Geschwister) zurückkehre, keine Gefahr, die eine Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertige. Die Ausweisung stelle keinen Eingriff in Art. 8 EMRK dar, zumal seine Ausweisung ausschließlich gemeinsam mit seinen engen Familienangehörigen (Eltern, Geschwister) erfolge und kein Abhängigkeitsverhältnis zu seinem in Österreich lebenden Onkel bestehe.

8. Mit Schriftsatz vom 02.07.2007 erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch seine Mutter als gesetzliche Vertreterin, gegen diesen Bescheid Berufung. Mit Bescheid vom 27.12.2007 behob der Unabhängige Bundesasylsenat den Bescheid und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurück.

9. Am 10.03.2008 vernahm das Bundesasylamt die Mutter des Beschwerdeführers neuerlich ein. Diese gab bezüglich des Beschwerdeführers an, dass er an keinen Krankheiten leide und er derzeit keine Medikamente einnehme. Darüber hinaus habe sie nichts anzugeben.

10. Mit Bescheid vom 27.03.2008 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers ab (Spruchpunkt I.), erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers für zulässig (Spruchpunkt II.) und wies den Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet in die RUSSISCHE FÖDERATION aus (Spruchpunkt III.).

Begründend führte das Bundesasylamt aus, dass der Beschwerdeführer in der RUSSISCHEN FÖDERATION keinen Verfolgungen aus einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention taxativ aufgezählten Gründen ausgesetzt sei. Ebenso drohe dem Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat unter der Voraussetzung, dass er gemeinsam mit seinen engen Familienangehörigen (Eltern, Geschwister) zurückkehre, keine Gefahr, die eine Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertige. Die Ausweisung stelle keinen Eingriff in Art. 8 EMRK dar, zumal seine Ausweisung ausschließlich gemeinsam mit seinen engen Familienangehörigen (Eltern, Geschwister) erfolge und kein Abhängigkeitsverhältnis zu seinem in Österreich lebenden Onkel bestehe.

11. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch seine Mutter als gesetzliche Vertreterin, fristgerecht Berufung. Am 11.02.2009 fand eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Asylgerichtshof statt. Die Mutter des Beschwerdeführers gab an, dass sie vier Söhne habe - darunter der Beschwerdeführer -, die in der RUSSISCHEN FÖDERATION gefährdet gewesen seien. Drei Onkel des Beschwerdeführers seien verschwunden und lediglich sein Vater lebe noch. Die Mutter des Beschwerdeführers habe ihre Kinder in ein sicheres Land bringen müssen.

12. Der Asylgerichtshof gab der Beschwerde mit Erkenntnis vom 02.04.2009 statt und stellte fest, dass dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft zukam.

Begründend führte der Asylgerichtshof aus, dass dem Vater des Beschwerdeführers Asyl wegen unterstellter staatsfeindlicher Gesinnung zuerkannt wurde. Dem Beschwerdeführer wurde der Status des Asylberechtigten im Familienverfahren zuerkannt.

13. Der Beschwerdeführer wurde als Minderjähriger mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX wegen der Verbrechen nach XXXX StGB und XXXX StGB, dem Vergehen nach XXXX StGB sowie dem Vergehen der XXXX nach XXXX StGB zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von XXXX , davon XXXX bedingt nachgesehen unter Bestimmung einer Probezeit von XXXX , verurteilt.

14. Am 27.06.2017 leitete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) ein Verfahren zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten ein.

Am 21.11.2017 fand diesbezüglich eine Einvernahme des Beschwerdeführers durch das Bundesamt statt. Der Beschwerdeführer gab an, dass seine Großmutter noch in der RUSSISCHEN FÖDERATION lebe und diese schwer krank sei. Darüber hinaus wisse er nicht, ob er noch Angehörige in der RUSSISCHEN FÖDERATION habe. Er nehme eine Therapie betreffend Deradikalisierung in Anspruch. Er habe sich geändert und sei nun gegen XXXX und habe auch keinen Kontakt mehr zu seinen Komplizen. Im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat würden die russischen Behörden von seiner Verurteilung wegen XXXX erfahren und ihn festnehmen. Ihm drohe dort deshalb die Todesstrafe. Er habe eine Lehre als XXXX begonnen, sei dann ins Gefängnis gekommen, wo er als XXXX gearbeitet habe und danach als XXXX tätig gewesen sei. Er habe dann eine XXXX erlitten, weshalb er operiert werden habe müssen. Er habe einen Kurs gemacht und lebe nunmehr vom Taschengeld seiner Mutter. Er habe eine Lebensgefährtin, mit der er sich ca. zwei Wochen vor der Einvernahme verlobt habe.

15. Mit Bescheid vom 19.07.2017 entzog das Bundesamt dem Beschwerdeführer den Konventionsreisepass. Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde, die vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 15.10.2017 abgewiesen wurde. Das Bundesverwaltungsgericht stellte fest, dass aus der zwölfmonatigen Wohlverhaltensperiode nach der Entlassung aus der Strafhaft nicht gefolgert werden könne, dass er keine Gefahr mehr für die Allgemeinheit und Sicherheit der Republik Österreich sei.

16. Mit Stellungnahme vom 25.11.2017 brachte der Beschwerdeführer vor, dass er durch die Kriegserlebnisse als kleines Kind traumatisiert worden sei. Er habe keine Anknüpfungspunkte mehr in die RUSSISCHE FÖDERATION. Die der Verurteilung zugrundeliegende Tat habe der Beschwerdeführer als Minderjähriger begangen. Er sei diesbezüglich reumütig gewesen und nehme seit seiner Haftentlassung an den sozialen Schulungen und Trainingsprogrammen teil. Er habe sich von extremistischen Ansichten distanziert. Beantragt wurde diesbezüglich eine Anfrage bei den jeweiligen Instituten zum Beweis dafür, dass der Beschwerdeführer nicht extremistisch und nicht gefährlich sei sowie eine positive Zukunftsprognose zulässig sei. Unter einem legte der Beschwerdeführer den Sozialbericht der Bewährungshilfe vom 21.11.2017; die Bestätigung über die Teilnahme am Anti-Gewalttraining vom 23.11.2017; den Bericht von XXXX vom 23.11.2017 sowie ein Konvolut an medizinischen Unterlagen vor.

Mit Stellungnahme vom 27.11.2017 führte der Beschwerdeführer aus, dass er in der RUSSISCHEN FÖDERATION gefährdet sei, weil die russischen Behörden davon ausgehen, dass er wegen eines schwerwiegenden Delikts abgeschoben werde. Die tschetschenische Volksgruppe sei im gesamten Staatsgebiet der RUSSISCHEN FÖDERATION verhasst, weshalb der Beschwerdeführer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit inhaftiert und verhört werde. Zudem werde der Beschwerdeführer im Militärdienst schikaniert und unmenschlich behandelt werden. Russland führe Krieg gegen die Ukraine, weshalb er zur Teilnahme an Menschenrechtsverletzungen gezwungen werde.

17. Mit Bescheid vom 01.12.2017 erkannte das Bundesamt dem Beschwerdeführer den mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 02.04.2009 zuerkannten Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ab und stellte fest, dass dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukam (Spruchpunkt I.). Der Status des subsidiär Schutzberechtigten wurde dem Beschwerdeführer nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.) und kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt (Spruchpunkt III.). Gegen den Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass seine Abschiebung in die RUSSISCHE FÖDERATION zulässig war (Spruchpunkt V.). Das Bundesamt räumte ihm eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise ein (Spruchpunkt VI.) und erließ ein unbefristetes Einreiseverbot gegen ihn (Spruchpunkt VII.).

Begründend führte das Bundesamt aus, dass der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens XXXX nach XXXX StGB rechtskräftig verurteilt worden sei. Der Beschwerdeführer habe konkret ein besonders schweres Verbrechen verwirklicht, zumal er nicht nur im XXXX wollte, sondern bereit gewesen sei, im Bedarfsfall selbst XXXX anzuwenden. Zudem sei er persönlich an der Organisation XXXX beteiligt gewesen und aufgrund des auf seinem Mobiltelefon sichergestellten Bildmaterials eine tiefe ideologische Nahebeziehung zum XXXX und dessen Gedankengut zuzurechnen. Es sei eine positive Zukunftsprognose des Beschwerdeführers ausgeschlossen gewesen, weshalb ihm der Status des Asylberechtigten abzuerkennen gewesen sei. Es seien zudem keine Gründe hervorgekommen, die eine Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten erforderlich machen. So sei es dem Beschwerdeführer zumutbar durch eigene, notfalls auch wenig attraktive Arbeit das zu seinem Lebensunterhalt unbedingt Notwendige zu erlangen, zumal es sich beim Beschwerdeführer um einen volljährigen, körperlich gesunden Mann handle, der über eine qualifizierte Schulbildung und Ausbildung sowie berufliche Erfahrungen verfüge. Er könne schwierige wirtschaftliche Situationen mit Hilfe seines familiären Zusammenhaltes bewältigen. Er habe auch keine lebensbedrohliche Erkrankung oder außergewöhnliche Umstände behauptet. Der Beschwerdeführer habe keine besondere Beziehungsintensität zu Personen in Österreich, sodass kein Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK bestehe. Der Beschwerdeführer habe im Herkunftsstaat Verwandte und soziale Kontakte, weshalb seine Reintegration zumutbar sei. Der Beschwerdeführer habe zwar die Schule besucht, jedoch die Pflichtschule nicht positiv abgeschlossen. Zudem arbeite er nicht, lebe in der Wohnung seiner Mutter und seine Wertevorstellungen widersprechen massiv den Grundsätzen der österreichischen Verfassung und dem europäischen Recht wie den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen. Der Beschwerdeführer sei auch rechtskräftig verurteilt worden und ein weiteres Strafverfahren sei gegen ihn anhängig. Das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung überwiege daher das private Interesse des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet. Das Einreiseverbot sei gerechtfertigt und notwendig, um die vom Beschwerdeführer ausgehende schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu verhindern.

18. Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid fristgerecht Beschwerde und focht den Bescheid zur Gänze wegen inhaltlich falscher Entscheidung und mangelhafter Verfahrensführung an. Das Bundesamt habe Ermittlungen zum maßgeblichen Sachverhalt unterlassen. Zudem schrecke es vor Ungenauigkeit und Polemik sowie Untergriffigkeiten nicht zurück. Das Bundesamt habe auch die Aussagen des Beschwerdeführers verdreht. Das Bundesamt hätte die Beratungsinstitutionen des Beschwerdeführers einvernehmen und zumindest mittels schriftlicher Anfrage befragen müssen, zumal es deren Berichte angezweifelt habe. Von einer Abschiebung des Beschwerdeführers wäre seine gesamte Familie betroffen, weil der Beschwerdeführer gemeinsam mit dieser wohne und ein sehr enges Familienband bestehe.

Der Beschwerdeführer beantragte nach der Durchführung einer mündlichen Verhandlung und der beantragten Beweise, festzustellen, dass die Aberkennung des Status des Asylberechtigten, die Nichtzuerkennung des subsidiären Schutzes, die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005, die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung in die RUSSISCHE FÖDERATION und die Erlassung eines unbefristeten Einreiseverbots für den gesamten Schengenraum nicht zulässig sind; den Bescheid zu beheben und festzustellen, dass das Aberkennungsverfahren einzustellen ist; in eventu subsidiärer Schutz zu gewähren ist; jedenfalls festzustellen, dass die Ausweisung auf Dauer unzulässig ist sowie die Erlassung eines unbefristeten Einreiseverbots nicht zulässig ist; in eventu festzustellen, dass der Beschwerdeführer im Bundesgebiet geduldet ist.

19. Mit Schreiben vom 03.01.2018, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 08.01.2018, legte das Bundesamt die Beschwerde samt dem Verwaltungsakt vor und erstattete eine Stellungnahme zur Beschwerde. Der Beschwerdeführer habe ein Naheverhältnis zu XXXX Kreisen und sei dahingehend auch rechtskräftig verurteilt worden. Es seien sämtliche Argumente betreffend sein Fluchtvorbringen bereits im Bescheid widerlegt worden und sämtliche Behauptungen und Beweismittel klar entkräftet. Vom Beschwerdeführer gehe weiterhin ein verfassungsschutzrelevantes, massives Risiko aus. Der Beschwerdeführer habe entgegen seinen Angaben laut der Aussage seines Vaters auch noch viele Anknüpfungspunkte in der RUSSISCHEN FÖDERATION.

20. Mit Schreiben vom 18.01.2018, welches als "Ergänzung zur Beschwerde" tituliert wurde, wies der Beschwerdeführer darauf hin, dass er als Minderjähriger gerichtlich verurteilt worden sei, weshalb gemäß § 5 Z 10 JGG die in den gesetzlichen Bestimmungen vorgesehen Rechtsfolgen nicht eintreten. Die gerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers als Minderjähriger könne somit keine Aberkennung des Asylstatus bewirken.

21. Der Beschwerdeführer beantragte die Genehmigung der Übernahme der Heimreisekosten für die freiwillige Rückkehr, welche am 25.01.2018 durch das Bundesamt bewilligt wurde.

22. Das Bundesamt übermittelte am 28.06.2018 die Mitteilung der Staatsanwaltschaft XXXX vom 18.06.2018, derzufolge gegen den Beschwerdeführer Anklage wegen XXXX StGB erhoben wurde. Das Bundesamt führte in der Stellungnahme vom 28.06.2018 aus, dass vom Beschwerdeführer eine massive Gefahr für die Ordnung und Sicherheit ausgehe und ein besonderes öffentliches Interesse an der Durchführung der Abschiebung bestehe.

Die Staatsanwaltschaft XXXX teilte mit Schreiben vom 21.08.2018 mit, dass gegen den Beschwerdeführer Anklage wegen XXXX StGB und XXXX StGB erhoben wurde.

Das Landesgericht XXXX sprach den Beschwerdeführer mit Urteil vom XXXX von der gegen ihn erhobenen Anklage nach XXXX StGB frei. Das Bundesamt führte mit Stellungnahme vom 28.06.2018 aus, dass der Beschwerdeführer zwar freigesprochen wurde, sich aus dem verbliebenen Sachverhalt jedoch nach wie vor eine massive Gefahr für die Ordnung und Sicherheit der Republik Österreich ergebe, weshalb ein besonderes öffentliches Interesse für die Durchführung der Abschiebung bestehe.

23. Das Landesgericht XXXX verurteilte den Beschwerdeführer nach XXXX und XXXX StGB als jungen Erwachsenen zu einer Freiheitsstrafe von XXXX . Das Bundesamt brachte mit Stellungnahme vom 22.11.2018 vor, dass jedenfalls eine massive Gefahr für die Ordnung und Sicherheit vom Beschwerdeführer ausgehe und ein besonderes öffentliches Interesse für die Durchführung der Abschiebung bestehe sowie eine dringende Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes erforderlich wäre, weshalb sich das Bundesamt die Stellung eines Fristsetzungsantrages vorbehielt.

24. Das Bundesamt stellte mit Schreiben vom 16.07.2019 einen Fristsetzungsantrag gemäß Art. 133 Abs. 1 Z 2 iVm Abs. 7 B-VG. Der Verwaltungsgerichtshof trug dem Bundesverwaltungsgericht mit verfahrensleitender Anordnung vom 30.07.2019 auf, binnen drei Monaten die Entscheidung zu erlassen und eine Ausfertigung, Abschrift oder Kopie derselben sowie eine Kopie des Nachweises über die Zustellung der Entscheidung an die antragstellende Partei dem Verwaltungsgerichtshof vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliege.

25. Das Bundesverwaltungsgericht forderte den Beschwerdeführer mit Parteiengehör vom 09.08.2019 auf, gravierende Veränderungen an seinem Gesundheitszustand bekanntzugeben sowie alle damit in Zusammenhang stehenden Beweismittel vollständig vorzulegen und Bescheinigungs- bzw. Beweismittel zu seinen Fluchtgründen und seiner Identität sowie Unterlagen und Dokumente betreffen seine aktuellen Lebensverhältnisse und familiären Beziehungen in Österreich zu übermitteln. Diesem Auftrag kam der Beschwerdeführer nicht nach.

26. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 27.09.2019 eine mündliche Verhandlung unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Russisch sowie im Beisein der Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers und eines Vertreters des Bundesamtes durch. Der Vater des Beschwerdeführers nahm als Beschwerdeführer in der verbundenen Verhandlung sowie seine Mutter nahm als Zeugin an der Verhandlung teil.

Die Befragung des Beschwerdeführers gestaltete sich wie folgt:

"R: Sie reisten vor der Asylantragstellung am 23.09.2005 nach Österreich ein und halten sich folglich bereits seit 14 Jahren in Österreich auf. Haben Sie jemals um die österreichische Staatsbürgerschaft angesucht?

BF2: Nein.

R: Warum nicht?

BF2: Weil ich hier nicht geboren wurde.

R: Was heißt das?

BF2: Ich wurde in Tschetschenien bzw. Russland geboren, hier aufgewachsen, aber nicht in Österreich geboren, ich hätte die Staatsbürgerschaft nicht bekommen. Ich bin so zu sagen kein Österreicher, auch wenn ich mich so fühle.

R: Sie stellten am 23.09.2005 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich, davor waren Sie ACHT Monate lang in XXXX . Sie reisten folglich als XXXX aus der Russischen Föderation aus. Haben Sie dort den Kindergarten oder die Schule besucht?

BF2: Nein, ich weiß nicht. Können Sie die Frage nochmals stellen?

R wiederholt nochmals die Frage.

BF2: Ich weiß nicht, ich kann mich nicht erinnern.

R: Welche Sprachen sprechen Sie auf welchem Niveau?

BF2: Ich spreche Deutsch perfekt, spreche kein Russisch und Tschetschenisch nicht perfekt, Deutsch spreche ich perfekt.

R: In welcher Sprache unterhalten Sie sich mit Ihren Eltern und Ihren in der Russischen Föderation lebenden Verwandten?

BF2: Mein Vater lernt Deutsch, er will Deutsch lernen. Ich spreche meisten mit meiner Mutter und meinen Geschwistern Deutsch, mit meinem Vater Tschetschenisch, aber manchmal auch Deutsch, damit er es lernt.

R: Ihr Asylverfahren wurde vom Unabhängigen Bundesasylsenat am 17.11.2005 in Österreich zugelassen. Mit Bescheid vom 27.03.2008 wies das Bundesasylamt im dritten Rechtsgang Ihren Asylantrag ab, sprach aus, dass das Refoulement zulässig ist und wies Sie in die Russische Föderation aus. Der Asylgerichtshof erkannte Ihnen nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 11.02.2009 mit Erkenntnis vom 02.04.2009 den Status des Asylberechtigten im Wege des Familienverfahrens zu. Waren Sie in der Russischen Föderation selbst jemals einer Verfolgung iSd GFK ausgesetzt?

BF2: Das wollte ich erwähnen. Ich bin nicht nur aus den Gründen meines Vaters geflohen, ich hatte auch eigene Gründe, warum ich geflohen bin. An zweiten Tag nach meiner Geburt hat der Krieg angefangen. Wir wurden jeden Tag überfallen, unsere Bekannten wurden getötet, mein Vater hatte auch Probleme. Wegen dem Krieg sind wir gekommen, dass wir hier eine Zukunft haben.

R: Welcher Gefahr, welcher Bedrohung waren Sie als Kind ausgesetzt?

BF2: Mein Vater hat gehandelt, wie jeder anderer. Er hat uns nicht dort gelassen, sondern uns mitgenommen.

R: Ihr Vater hat Sie nicht mitgenommen. Sie sind fünf Monate vor ihm ausgereist!

BF2: Ich bin mit meiner Familie, mit meiner Mutter geflüchtet.

R: Haben Sie selbst eine Gefahr, Gefährdung, Bedrohung in der Russischen Föderation wahrgenommen?

BF2: Natürlich, wir wurden jeden Tag überfallen, jeden Tag wurden Menschen getötet. Wir hatten psychische[...] Probleme, wir waren in Gefahr getötet zu werden. Die Brüder meines Vaters wurden getötet. Die Brüder meiner Mutter [wurden] getötet, unsere Nachbarn auch. Dort ist es egal, ob man ein Kind ist oder ein alter Mann.

R: Jetzt haben Sie gerade gesagt, dass Sie nicht mehr wissen, ob Sie Kindergarten oder Volksschule besucht haben und darin erinnern Sie sich?

BF2: Ich erinnere mich, dass ich in Österreich keinen Kindergarten besucht habe, ich erinnere mich, dass ich hier zweimal die Vorschulklasse besucht habe und die Volksschule besucht habe. Ich habe hier normal die Schule besucht, die Zeugnisse geholt und bin arbeiten gegangen.

R: Sie waren während des Asylverfahrens 2005-2009 im Gegensatz zu Ihrem Vater nicht durchgehend in XXXX gemeldet sondern eine Woche 2007 in XXXX . Warum?

BF2: Das kann ich nicht sagen.

R: In der mündlichen Verhandlung am 11.02.2009 gaben Ihre Eltern zu Ihnen nur an, dass Sie sich "ganz wohl hier fühlen". Beschreiben Sie Ihre Zeit in XXXX , da waren Sie XXXX Jahre alt! Was für eine Schulbildung haben Sie gemacht?

BF2: Ich kann mich erinnern, dass wir XXXX , XXXX , gelebt haben, danach sind wir nach XXXX gezogen, da habe ich die Volksschule besucht. Dann sind wir nach XXXX gezogen und habe dort die Volksschule besucht und dann in XXXX die Volksschule fertiggemacht, die Hauptschule und die NMS am XXXX .

R: Wie viele Jahre haben Sie die Volksschule besucht?

BF2: Ich habe zweimal die Vorschulklasse besucht und dann die Volksschule ganz normal.

R: Wie war für Sie die Übersiedlung nach XXXX 2009?

BF2: Das war ganz normal.

R: Was heißt das?

BF2: Es hat sich nicht schlecht angefühlt.

R: Wie war für Sie die Übersiedlung nach XXXX 2010?

BF2: Gut.

R: Was heißt gut?

BF2: Wir haben uns gefreut, wir haben unsere Papiere bekommen.

R: Die haben Sie schon zwei Jahre zuvor bekommen. Was hat Sie daran gefreut nach XXXX zu kommen?

BF2: Wir hatten hier Cousins, wir hatten endlich Leute in unserer Umgebung, die wir kennen.

R: Wen meinen Sie damit?

BF2: Meinen Onkel, ich will den Namen nicht sagen. Vielleicht will er privat bleiben.

R: Wen sonst noch?

BF2: Seine Kinder. Auf die neuen Leute, auf die neue Umgebung. Endlich ein normales Leben führen können.

R: Was war in XXXX nicht normal?

BF2: Das war eh auch normal. Wir haben uns auf die Leute hier gefreut, jetzt denken wir in XXXX war es besser, jetzt bereuen wir es. In XXXX hatten wir keine Probleme.

R: Ich habe den Eindruck, dass Sie sich gefreut haben in XXXX ein großes tschetschenisches Umfeld zu haben, was sagen Sie dazu?

BF2: Ich kann es nicht bestätigen, ich kann nur sagen, dass es nicht stimmt.

R: Haben Sie durchgehend auf freien Fuß mit Ihren Eltern zusammengelebt?

BF2: Ich habe immer mit meiner Familie zusammengelebt.

R: Mit wem konkret?

BF2: Familie. Mit meinen Eltern und Geschwistern.

R: Mutter [und] Vater oder einer von beiden?

BF2: Ich habe mit meinem Vater und meiner Mutter zusammengelebt.

R: Waren Ihre Eltern jemals getrennt?

BF2: Ja.

R: Von wann bis wann?

BF2: Die Zeit weiß ich nicht mehr.

R: Als Kind ist es einschneidend, wenn eine Hauptbezugsperson weg ist. Von wann bis wann haben Ihre Eltern getrennt gelebt?

BF2: Was ich mich erinnern kann, seit Ende 2017 haben meine Eltern nicht mehr zusammengelebt.

R: Hat Ihr Vater zuvor länger nicht mit Ihnen zusammengelebt?

BF2: Ich weiß es nicht.

R: In der Verhandlung Ihres Vaters haben wir festgestellt, dass der einmal elf Monate in XXXX war, mal drei, vier Monate in der XXXX , ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie das nicht merken!

BF2: Ich habe nur gesagt, dass mein Vater drei, vier Monate nicht da war und von Ende 2017 bis jetzt, wo ich draußen war, haben wir nicht zusammen gelebt, jetzt bin ich im Gefängnis und weiß es nicht.

R: Wie ist die Beziehung zu Ihrem Vater?

BF2: Sehr gut.

R: Beschreiben Sie "sehr gut"?

BF2: Wie jeder Vater und Sohn, wir lieben uns, wir sind für einander da. Wir helfen uns, wenn es eine[m] schlecht geht.

R: Besteht irgendein Abhängigkeitsverhältnis zwischen Ihnen und Ihrem Vater?

BF2: Wir wollen als Familie ganz normal zusammenbleiben.

R: Er gab in seinem Verfahren an, dass er seine Kinder fast täglich sieht, sie gaben fast zeitglich vor der Behörde an, dass er sich nie meldet, sie haben nur ein oder zwei Mal seither gesehen. Was stimmt?

BF2: Wann habe ich das bitte gesagt?

R: November oder Dezember 2017. Erklären Sie das bitte.

BF2: Warten Sie, ich habe Ihnen gerade gesagt. Mein Vater und meine Mutter waren ab Ende 2017 getrennt, manchmal haben wir uns nicht gesehen, aber sonst haben wir uns immer gesehen. Damals war ich XXXX und ich war unter Druck. Jetzt bin ich erwachsener Mann und sitze da und kann normal sprechen.

R: Hat Ihr Vater Alimente an Sie gezahlt?

BF2: Darauf habe ich nicht geachtet, ich habe ihn nicht gefragt, ob er etwas bezahlt hat.

R: Wer hatte die Obsorge über Sie, bis Sie volljährig wurden?

BF2: Was heißt das genau, ich habe das nicht richtig verstanden.

R erklärt die Frage.

BF2: Eltern.

R: Mutter oder Vater?

BF2: Die Eltern, Mutter oder Vater, die Eltern, beide. Meistens meine Mutter, mein Vater ist auch gekommen, wenn meine Mutter keine Zeit hatte, damit meine ich zu Elternsprechtagen usw.

R: Welche Ausbildung haben Sie nach der NMS gemacht?

BF2: Ich habe im XXXX ein Jahr lang eine Lehre als XXXX gemacht. Dann bin ich leider in Haft gekommen. Dann konnte ich nicht arbeiten, da ich gesundheitliche Probleme, weil ich bei der Festnahme verletzt wurde, bis ich fit war, habe ich Kurse gemacht, damit ich nicht nur zu Hause herumsitze. Dann 2017 habe ich als Restaurantfachmann gearbeitet.

R: Wie lange?

BF2: Nicht lange.

R: Eine Woche, ein Monat...

BF2: Ich habe als Restaurantfachmann ca. ein halbes Jahr gearbeitet. Dann musste ich operiert werden und habe wieder Kurse gemacht, dann habe ich mich bei einigen Firmen beworben.

R: Haben Sie dann noch Ausbildung oder Arbeit gemacht?

BF2: Ich hatte eine Lehre, ich wollte eine Lehre beginnen. Ich wollte im XXXX eine Lehre als Maurer beginnen, konnte ich leider nicht, weil ich wieder operiert werden musste. Dann bin ich wieder in Haft gekommen und arbeite zurzeit in der Justizanstalt XXXX in der Anstaltsleitung als Koch.

R: Wie haben Sie seit Ende der Schulpflicht Ihren Lebensunterhalt bestritten - machen Sie chronologische Angaben!

BF2: Ich habe gearbeitet, so lange es meine Gesundheit zugelassen hat. Ich habe normal Kurse besucht und geschaut was Neues. Meine Mutter hat Sozialgeld und Kindergeld bekommen. Ich habe, wenn ich gearbeitet habe oder Kurse gemacht habe, Geld bekommen. Ich habe nicht für das Daheimsitzen vom AMS Geld bekommen, ich habe was dafür getan.

R: An welchen behandlungsbedürftigen Krankheiten leiden Sie aktuell?

BF2: Welche gesundheitliche Probleme ich habe?

R: Ja.

BF2: XXXX -, XXXX probleme und XXXX .

R: Welche Behandlung brauchen Sie?

BF2: Ich sollte für XXXX und XXXX machen und am XXXX operiert werden.

R: Gibt es schon einen OP-Termin?

BF2: Nein, weil ich in Haft bin.

R: Brauchen Sie derzeit Medikamente?

BF2: Ab und zu Schmerztabletten und Tabletten gegen die XXXX .

R: Welche Tabletten nehmen Sie da?

BF2: Keine Ahnung, weiß ich nicht.

R: Was ist die Folge, dass Sie nicht am XXXX operiert werden?

BF2: Als ich damals beim Arzt war, sagte er, mein XXXX ist schief und meine XXXX sind schief und wenn ich mich falsch bewege, kann ich XXXX werden.

R: Welche Operation brauchen Sie?

BF2: Er hat gesagt, als ich 2018 bei ihm war, dass ich noch jung bin, aber, wenn ich noch will, kann ich die Operation machen lassen.

R: Laut Befund vom 29.04.2015, Sie hatten ein Schädel-MR brauchen Sie eine Brille, tragen Sie aber nicht und haben Kopfschmerzen. Warum tragen Sie die Brille nicht?

BF2: Ich habe in Haft öfters angesucht, dass ich meine Brille bekomme, habe sie aber nicht bekommen.

R: D.h. Sie haben eine Brille?

BF2: Ja, aber zu Hause.

R: In der schriftlichen Stellungnahme vom 25.11.2017 geben Sie an, dass Sie wegen des Krieges in Tschetschenien traumatisiert sind. Sie sind seit 14 Jahren in Österreich, haben Sie in den letzten 14 Jahren aus diesem Grund eine Therapie gemacht?

BF2: Ich habe mit meinem Bewährungshelfer gesprochen und mit der Männerberatung mache ich Psychotherapie. Ich besuche auch in der Justizanstalt die Sozialpsychologen.

R: Haben Sie vor Ihrer Festnahmen jemals Therapien gemacht?

BF2: Ja, habe ich. Bei der Männerberatung.

R: Haben Sie vor Ihrer erster Verhaftung eine Therapie gemacht?

BF2: Ja, im XXXX bei der Männerberatung.

R: Warum haben Sie dazu nichts vorgelegt?

BF2: Das habe ich meinem Vertreter nicht gesagt, mein Fehler. Ich habe das aber nicht lange gemacht.

R: Wie lange? Auf Nachfrage, das kann ich nicht angeben.

R: Waren Sie seit der Asylantragstellung jemals in der Russischen Föderation?

BF2: Nein.

R: Und Ihre Geschwister?

BF2: Nein.

R: Warum haben Sie jetzt nachdenken müssen?

BF2: Ich habe nicht nachdenken müssen.

R: Waren Sie in Österreich jemals einer Bedrohung ausgesetzt?

BF2: In Österreich fühle ich mich sicher, es ist wie mein Land, meine Heimat. Ich bin hier aufgewachsen, das ist mein zu Hause.

R: Haben Sie sich je exilpolitisch betätigt?

BF2: Was ist das?

R wiederholt die Frage?

BF2: Ich habe auf " XXXX " " XXXX " gepostet und dann habe ich innerhalb von fünf Minuten viele Drohnachrichten bekommen.

R: Wann war das?

BF2: Da war ich ca. XXXX .

R: Haben Sie bei der Polizei angezeigt, dass Sie Drohnachrichten bekommen haben?

BF2: Nein, aber meinem alten Chef habe ich das gezeigt, das kam auch bei der Polizei zur Sprache, das war beim Verfassungsschutz am XXXX , mein Chef war dabei.

R: Wie heißen Sie auf " XXXX "?

BF2: Ich habe kein " XXXX ".

R: Sie haben auf " XXXX " gepostet, dann muss man angemeldet sein.

BF2: Ich bin seit fünf Jahren nicht mehr auf " XXXX ".

R: Wie haben Sie auf " XXXX " geheißen?

BF2: Das weiß ich nicht mehr, ich habe es gelöscht.

BF2: Ich glaube das ich vielleicht " XXXX " angegeben habe [der BF bestreitet im weiteren Verlauf dies gesagt zu haben; R, D und BFV haben es aber klar verstanden].

Ich möchte das nicht eingefügt haben. Haben Sie das rausgenommen?

R: Warum möchten Sie das nicht drinnen haben?

BF2: Ganz normal.

R: Warum wollen Sie das nicht?

BF2: Ganz einfach, ganz normal. Ich will das einfach nicht.

R: Hat es seither aus diesem Grund noch Probleme gegeben?

BF2: Ja. Kann ich Ihnen was sagen? Ich wurde überfallen, von über 30 Leuten angegriffen. Ich war bei der Polizei, ich wollte Anzeige machen, sie sagten zu mir: "Warum kommst zur Polizei?", "Scheiß Tschetschene".

R: Waren Sie sonstigen Probleme ausgesetzt?

BF2: Nein.

R: Sind Sie in den Medien gegen Russland tätig (Blog, Onlinezeitung, Zeitungen, Onlineradio)?

BF2: Warum soll ich öffentlich etwas sagen, wenn ich weiß, dass mein Leben in Gefahr ist, nicht nur von mir, sondern auch von meiner Familie. Es wurden Leute getötet, die nur gesagt haben " XXXX ", vielleicht haben sie das von XXXX einmal gehört.

R: Dies ist mir bekannt.

R: Ihr Vater hat in der Einvernahme am XXXX angegeben, dass er gesagt hat, dass er seine Brüder rächen wird, als er nach Österreich kam. Haben Sie ähnliches versprochen?

BF2: Schauen Sie, die Leute, die meine Onkel getötet habe sind immer noch in Russland. Das waren fünf Onkel. Diese Leute leben immer noch dort, das ist ganz normal. Das wollte ich nicht sagen, ich wollte was anderes sagen. Diese Leute die leben noch dort. Z. B., wenn wir abgeschoben werden... Wenn die Brüder von einem getötet werden und man trifft diese Leute, dann macht man....

R: Was würden Sie machen?

BF2: Ich würde nichts machen, das muss ich nicht angeben.

R: Beschreiben Sie den Kontakt zu Ihren Geschwistern!

BF2: Meinen Sie in welchen Verhältnis wir stehen?

R: Ja.

BF2: Wir haben ein sehr gutes Verhältnis wir haben immer alles zusammen gemacht. Wenn wir gearbeitet haben, haben wir das Geld zusammengelegt und meiner Mutter gegeben, weil wir öfters etwas zusammen unternehmen und es für die Rechnungen nicht gereicht haben. Wir haben als Geschwister immer viel gemeinsam unternommen, z. B. Billard, Fußball, Freizeitpark. Wir haben uns als Geschwister gemeinsam bei den Hausaufgaben geholfen, wenn es einen schlecht ging, waren wir für uns da.

R: Gibt es Abhängigkeiten zwischen Ihnen und Ihren Geschwistern?

BF2: Wir lieben uns und wir können nicht ohne einander. Die ganze Familie.

R: Beschreiben Sie das Verhältnis zu Ihrer Mutter?

BF2: Wir haben ein gutes Verhältnis, sie war immer für mich da.

R: Gibt es da ein Abhängigkeitsverhältnis?

BF2: Ich kann nicht ohne sie.

R: Sind Betretungsverbot und Wegweisung Ihren Vater betreffend noch aufrecht?

BF2: Ich kann es weder bestätigen noch dementieren.

R: Sind Sie verheiratet?

BF2: Nein.

R: Haben Sie Kinder?

BF2: Nein.

R: Sie gaben an, mit XXXX verlobt zu sein. Diese verfügt seit 2003 über eine Klärungsadresse It ZMR. Eine Ladung für die heutige Verhandlung konnte Ihr nicht zugestellt werden. Wo lebt sie?

BF2: Welche Adresse haben Sie geschickt?

R: An der Adresse, wo sie gemeldet ist. Wo lebt sie?

BF2: XXXX .

R: Warum kann man sie dort nicht laden?

BF2: Vielleicht ist sie auf Urlaub, vielleicht ist sie beschäftigt, ich bin auch nur ein Mensch.

R: Sind sie noch zusammen?

BF2: Ich kann das weder bestätigen noch dementieren.

R: D. h. Sie wissen nicht, ob sie mit ihr zusammen sind?

BF2: D. h. nicht, dass ich es nicht weiß, ich will es halt nicht sagen. Das ist privat.

R: Das Gericht entscheidet nach den Informationen, die es hat.

BF2: OK.

R: Haben Sie weitere Verwandte in Österreich?

BF2: Warten Sie mal...

R: Es wird Ihnen doch einfallen, welche Verwandte Sie haben?

BF2: Warten Sie kurz. Ich habe einige Cousins hier, wenige, ich weiß nicht ich habe sie nicht gezählt.

R: Die Namen Ihrer Cousins werden Sie doch wissen oder wollen Sie dazu keine Aussage machen?

BF2: Ich will dazu keine Aussage machen.

R verliest das Urteil vom XXXX . Sie befanden sich von XXXX in Strafhaft. Möchten Sie dazu etwas angeben?

BF2: Erstens, ich bin kein Terrorist. Das wollte ich sagen. Ich habe als junger Mann einen Fehler gemacht. Meiner Meinung nach werde ich verurteilt wegen eines Fehlers, den ich als junger Mann gemacht. Ich habe auch damals gesagt, dass ich nicht nach XXXX fahren wollte. Ich will den Namen meiner Verteidigerin nicht sagen, wenn ich das zugebe, bekomme ich geringere Strafe. Terrorismus habe ich abgestritten. Mit Terrorismus habe ich nichts zu tun. Das mit der Geste habe ich nur deshalb zugegeben, um eine geringe Strafe zu bekommen, das habe ich gemacht. Die Köperverletzung habe ich gemacht und mich dafür entschuldigt. Ich habe die Opfer auch gefragt, ob sie Schmerzensgeld wollen, sie sagten "nein" und es ist alles erledigt.

R: Mit Bescheid vom 19.07.2017 entzog Ihnen das Bundesamt den Konventionsreisepass. Mit Erkenntnis vom 15.10.2017 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde gegen diesen Bescheid ab. Darin stellte das Bundesverwaltungsgericht fest, dass aus der 12monatigen Wohlverhaltensperiode seit der Entlassung aus der Strafhaft nicht gefolgert werden könne, dass er keine Gefahr mehr für die Allgemeinheit und Sicherheit der Republik Österreich sei. Das Erkenntnis erwuchs mangels Beschwerdeerhebung in Rechtskraft. Möchten Sie dazu etwas angeben?

BF2: Ich habe es nicht verstanden.

R erklärt nochmal die Frage.

BF2: Ich bin keine Gefahr für die Leute, ich bin ein ganzer normaler Junge, ich bin gegen Gewalt.

R verliest das Urteil vom XXXX . Möchten Sie dazu etwas angeben?

BF2: Das ist Verleumdung.

R ermahnt den BF mehrfach, sie [nicht] zu unterbrechen.

R: Ich habe erwähnt, dass Sie freigesprochen wurden. Möchten Sie zu diesem Urteil etwas angeben?

BF2: Das ist das nicht gemacht habe und der Richter hat auch dem Opfer gesagt, dass ich das nicht gemacht habe.

R verliest das Urteil vom XXXX . Möchten Sie dazu etwas angeben?

BF2: Ich habe den XXXX nicht begangen für den ich gerade in Haft sitze. Ich kenne den XXXX seit sieben Jahren, er hat mir auch gesagt, dass er nicht weiß, warum er mich angezeigt hat. Er hat gesagt, dass er bei der Kirche war und nicht weiß, warum er mich angezeigt hat. Er hat beim Prozess mehrfach gesagt, dass ich es nicht war. Aber ich wurde wegen meiner Herkunft verurteilt.

R: Sie geben in der Beschwerde an, dass die erste Strafhaft das gewünschte Ziel erreicht hat. Der BF2 wurde innerhalb von eineinhalb Jahren nach Entlassung rückfällig. Wie soll ich das verstehen?

RV: Die Beschwerde wurde zu einem Zeitpunkt verfasst, als offensichtlich das Haftende das gewünschte Ziel erreicht hatte. Tatsächlich wurde der BF2 auch nicht mehr beschuldigt, verdächtigt oder verurteilt, sich XXXX angeschlossen zu haben.

R: Sie sprechen in der Beschwerde von einer positiven Zukunftsprognose. Worauf gründet sich diese?

RV: Der BF2 hat trotz seines sehr schwierigen Startes im Leben, die Schullaufbahn in Österreich positiv abgeschlossen und hat auch gearbeitet. Es gibt ein sehr enges Verhältnis zu den Familienangehörigen, die Großteils ein unauffälliges und unbescholtenes Leben führen. Der BF2 hat sich etwa immer bemüht, die jüngeren Geschwister zu unterstützten, nämlich sozial, emotionell, praktisch und das Betreiben von Sport und Spielen sowie auch finanziell. Der BF2 ist auf Grund der psychischen Krankheit des leiblichen Vaters zu einem Ersatzvater für die jüngeren Geschwister geworden. Insgesamt liegt eine sozial sehr positive Verankerung vor. Die Familie ist weiterhin bereit zusammenzuhalten, um ihn zu unterstützen. Da er grundsätzlich arbeitsfähig ist, er auch in der Justizanstalt in XXXX arbeiten darf, ist davon auszugeben, dass er nach seiner Haftentlassung am österreichischen Arbeitsmarkt wieder Fuß fassen wird. Da [er] grundsätzlich gegen Gewalt ist und maßgeblich gegen Verurteilung sich auf einen Zeitpunkt stützten, in dem er unbestritten minderjährig war und auch zum Tatzeitpunkt, welche die Grundlage für die letzte gerichtliche Verurteilung bildet, auch ein junger Erwachsener war, kann davon ausgegangen werden, dass er zukünftig nicht mehr in ein Milieu abdriftet, das zu Verurteilungen führt.

R: Ihren Angaben zufolge war der BF2 vor seiner zweiten Verurteilung in ein Netz qualifizierter Hilfsorganisationen eingebettet - Bewährungshilfe, Männerberatung und XXXX - dennoch wurde der BF2 binnen 1,5 Jahren erneut schwer straffällig. Was sagen Sie dazu?

RV: Das war nicht einschlägig, das war eine Verkettung von ungünstigen Verhältnissen, verbunden mit der Vorbelastung des BFs.

R: Ihr Vertreter gibt an, dass Sie die Schule positiv abgeschlossen haben. Sie haben vor der belangten Behörde angegeben, dass sie die NMS negativ abgeschlossen haben, weil Sie am Schluss fehlten, was stimmt?

BF2: Das, was mein Anwalt sagt. Ich war am Schluss oft krank und konnte daher nicht beurteilt werden, aber ich habe sie positiv abgeschlossen. Ich hatte gute Noten.

R: Haben Sie Zeugnisse vorgelegt?

BF2: Nein.

R an RV: Können Sie heute Zeugnisse des BF2 vorlegen?

RV: Nein, ich war mir deren Relevanz nicht bewusst.

R: Seit XXXX verbüßen Sie Ihre zweite Haftstrafe. In der JA XXXX , das errechnete Strafende ist der XXXX , die bedingte Entlassung wurde abgelehnt, es wurden in Haft mehrere Ordnungsstrafverfahren wegen unerlaubten Handybesitzes gegen Sie verhängt. Was sagen Sie dazu?

BF2: Ich habe ja nichts Schlimmes gemacht, ich habe niemanden verletzt, ich habe nur was gemacht, was nicht erlaubt war.

R: Und das mehrfach, warum?

BF2: Ich wollte mit meiner Familie in Kontakt stehen und wissen, wie es meinen Geschwistern geht.

R: Sie bekommen ohnedies regelmäßigen Besuch von Ihren Mutter und Ihren Geschwistern, wozu brauchen Sie ein unrechtmäßiges Mobiltelefon?

BF2: Regelmäßigen Besuch bekomme ich derzeit nicht. Meine Eltern sind krank und können mich die ganze Zeit besuchen. Man muss Tickets bezahlen, sie haben nicht immer das Geld den Zug zu besuchen.

R: Ich sehe trotzdem einen Besuch pro Monat?

BF2: Und das ist [nicht] viel. Das ist eine halbe Stunde. Wenn ich sie jeden Tag sehen würde, wäre das auch nicht genug, sie ist meine Mutter.

R: Einen Verwandten sehen Sie regelmäßig: Ihr Bruder XXXX sitzt nach XXXX gerichtlichen Verurteilungen wie Sie in der Justizanstalt XXXX [ein], was sagen Sie vor diesem Hintergrund zum unterstützenden familiären Umfeld?

BF2: Mein Bruder. Als er straffällig war, war er jung. Er hat aus seinen Fehlern gelernt. Er geht in XXXX Monaten nach Hause. Er hat neu gestartet und hat alles hinter sich gelassen. Ich sehe ihn nicht regelmäßig. Wir sind nicht im gleichen Stock.

R: Ihrem Bruder wurde mit Bescheid vom 25.01.2018, der in Rechtskraft erwachsen ist, der Status des Asylberechtigten aberkannt, der Status des subsidiär Schutzberechtigen nicht zuerkannt, kein Aufenthaltstitel erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und ein zehnjähriges Einreiseverbot verhängt, warum sollte Ihrem Bruder etwas drohen, was ihnen nicht droht?

BF2: Erstens, meinen Bruder droht dasselbe wie mir.

R: Was würde Ihnen im Falle der Rückkehr in die Russische Föderation drohen?

BF2: Zunächst die Verurteilung aus 2016, wegen den Problemen meines Vaters und wir Tschetschenen werden allgemein in Russland diskriminiert und unterdrückt, keiner kann seine Meinung frei sagen, wenn man etwas sagt, was nicht passt, wird verschleppt, getötet oder kommt für mehrere Jahre unschuldig ins Gefängnis. Wenn wir abgeschoben werden, droht uns der Tod. Es ist nicht legal, aber es droht uns der Tod oder es drohen uns mehrere Jahre Haft als Unschuldige. Und wenn ich nach Russland abgeschoben werden, muss ich zum Militär und ich will nicht unschuldige Menschen töten.

R: Warum gehen Sie nicht zum Zivildienst?

BF2: Das kann man nicht, wenn man das ablehnt, kommt man ins Gefängnis oder wird als Verräter dargestellt und umgebracht.

R: Was würde Ihnen drohen, wenn Sie sich in einem Teil der Russischen Föderation außerhalb des Nordkaukasus niederlassen?

BF2: KADYROW hat überall seine Leute. Die Gesetze sind alle dieselben in ganz Russland, es ist egal wo ich bin.

R: Warum sollten Sie nicht in der Lage sein. Ihren Lebensunterhalt allein zu bestreiten?

BF2: Wie soll ich das, wenn ich dort bin und getötet werde? Wenn Sie mich oder meinen Bruder abschieben, können wir direkt getötet werden, besser hier als dort.

R: Das Gericht hat Ihnen eine Frist zur Stellungnahme eingeräumt, warum haben Sie das Parteiengehör nicht in Anspruch genommen?

BF2: Wie bitte?

R erklärt die Frage.

BF2: Ich weiß nicht, ich kann dazu nichts sagen.

RV: Weil der Migrantlnnenverein ihn nicht in der Haft besucht. Ich habe den BF2 als ich von der Verhandlung erfahren habe, in der Haft besucht. Da das LIB ohnehin nicht am letzten Stand ist, wird eine Stellungnahme noch notwendig sein.

R: Sie können eine Stellungnahme in der Verhandlung abgeben.

R: Eine Frage zu Ihrer Schwester XXXX ? Von wann bis wann haben Sie mit Ihrer Schwester XXXX zusammengelebt?

BF2: Normal. Wir haben immer zusammengelebt, außer ich war in Haft.

R: Warum war Ihre Schwester XXXX [lang] obdachlos gemeldet?

BF2: Dazu sage ich nichts.

R: Welchen Grund hat das Aussageverweigerungsrecht.

BF2: Dazu möchte ich nichts sagen.

R: Aus welchen Grund möchten Sie das nicht sagen?

BF2: Weil ich das nicht weiß. Ich habe es gerade gesagt.

R: Sie haben gesagt, dass Sie es nicht sagen, ich frage Sie warum?

BF2: Da bleibe ich stur. MUSS man nicht wirklich alles aufschreiben.

RV: Sie sind mit ca. XXXX aus Ihrer Heimatregion Tschetschenien ausgereist und Sie wissen nicht mehr genau, ob Sie im Kindergarten waren, welche Kindheitserinnerungen haben Sie?

BF2: Ich kann mich sehr gut an den Krieg erinnern. Weiter?

R: Was sind Ihre Erinnerungen wurden Sie gefragt.

BF2: Ich kann mich an den Krieg erinnern. Ich bin vergesslich, ich muss nachdenken.

RV: D. h. Sie können sich an den Krieg erinnern?

BF2: Ja.

RV: Wie wir heute sehen können, dass Sie perfekt in deutscher Sprach sprechen, können Sie auch Lesen und Schreiben auf Deutsch?

BF2: Ja.

RV: Wie sind die Kenntnisse der russischen Sprache, Lesen, Schreiben, Sprechen?

BF2: Russisch kann ich gar nicht, weder Lesen, noch Schreiben noch Sprechen.

RV: Haben Sie in irgendeinen Teil der gesamten Russischen Föderation irgendwelche soziale Anknüpfungspunkte? D. h., wenn sie in die Russische Föderation zurückreisen, haben Sie einen Onkel, eine Tante, einen Bruder, der Ihnen helfen könnte, eine Wohnung, eine Arbeit zu finden?

BF2: Ich war ein Kind, als ich aus Tschetschenien fortging. Ich habe zwei Omas, sie sind beide über 80 Jahre alt und blind. Ich kenne dort niemanden, das System nicht, die Gesetze nicht. Auch wenn ich dort Verwandten, z. B. Cousins habe, könnte ich denen nicht vertrauen, da ich nicht mit ihnen aufgewachsen bin und man dort mit Geld alles machen kann.

RV: Welchen Religionsbekenntnis sind Sie?

BF2: Ich bin ein liberaler Moslem, ich akzeptiere alle Arten von Religionen.

RV: Was meinen Sie damit, Sie sind ein liberaler Moslem, wie leben Sie Ihre Religion?

BF2: Ich bete nicht, ich bin tätowiert, ich rauche und lebe nicht nach den islamischen Gesetzen.

RV: Was meinen Sie damit: "Ich akzeptiere alles"?

BF2: Ich arbeite mit Christen, mit Juden, mit Atheisten, wir haben keine Probleme miteinander. Ich habe Freunde unter den Juden, unter den Christen. Ich akzeptiere die Religion und die Menschen. Wir haben alles dasselbe rote Blut.

RV: Sie haben heut ganz kurz angeführt: "Ich will nicht zurück zum Militär, unschuldige Menschen töten", was meinen Sie damit?

BF2: Z. B., wenn ich zurück nach Russland muss, muss ich zum Wehrdienst, zum Militär und muss gegen unschuldige Menschen kämpfen und gegen jedes Land, mit dem Russland ein Problem hat. Ich habe Angst, dass ich als Opfer für Terroranschläge verwendet werde, weil ich "Frischfleisch" bin.

RV: Ich habe Fragen betreffend die Familie: Haben Sie und Ihre Mutter und Ihre Geschwister ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis, haben sie sich gegenseitig mit Geld unterstützt?

BF2: Wenn wir gearbeitet haben, haben wir das Geld zusammengelegt und der Mutter gegeben, wenn es nicht gereicht hat für die Rechnungen und wenn wir als Familie etwas unternommen haben.

RV: Welche Auswirkungen hätte es auf Ihre Geschwister, wenn Sie nicht mehr in Österreich wären?

BF2: Sie würden alles verlieren, ihre Zukunft verlieren. Dort hätten sie niemanden, wo sie wohnen könnten und niemand kennt das System kennt und die Gesetze.

R: Warum gehen Sie davon aus, dass Ihre Mutter und Geschwister ausreisen?

BF2: Wenn mein Bruder oder ich ausgewiesen werden, muss die gesamte Familie ausreisen.

R: Warum?

BF2: Sie haben ihren Bruder und ihren Sohn verloren.

R: Warum können die nicht in Österreich bleiben?

BF2: Wir können nicht ohne einander. Sie würden mich oder meinem Bruder nie alleine dorthin gehen lassen.

RV: Keine weiteren Fragen an den BF2.

BFA: Seit wann haben Sie diese drei Punkte auf Ihrem Hals tätowiert?

BF2: Ich habe das machen lassen, als ich jung war, mittlerweile bereue ich es und würde es, wenn ich draußen bin, wegmachen lassen.

BFA: Sie widersprechen sich. Sie haben vorher gesagt, dass Sie sich jüngst tätowieren hätten lassen?

BF2: Das habe ich nicht gesagt.

BFA: Haben Sie aus dem Gefängnis mit dem illegalen Handy außer Ihrer Familie noch jemanden angerufen?

BF2: Nur die Familie und die Freundin.

BFA: Arbeitet Ihre Mutter?

BF2: Meine Mutter hat gesundheitliche Probleme und arbeitet nicht, sie besucht aber Deutschkurse und spricht schon besser Deutsch. Sie würde gerne arbeiten.

BFA: Arbeiten Ihre arbeitsfähigen Geschwister?

BF2: Meine kleinsten Geschwister gehen noch zur Schule, mein kleiner Bruder ist erst mit der Schule fertiggeworden. Er bewirbt sich und hat auch schon Praktika gemacht.

R: Gibt es noch weitere Geschwister?

BF2: Meine Schwester arbeitet als Einzelhandelskauffrau, mein anderer Bruder ist in Haft. Ich habe mit meinem Chef gesprochen, mein Bruder kommt vielleicht auch in die XXXX arbeiten. Mein anderer Bruder macht auch Bewerbungen und möchte als Koch arbeiten und wartet auf eine Antwort.

BFA: Was arbeitet Ihre Schwester genau?

BF2: Sie ist die Chefin und arbeitet als Abteilungsleiterin der XXXX bei " XXXX ".

BFA: Können Sie konkrete Gründe nennen, was im Falle der Rückkehr wegen Ihrer Verurteilung als XXXX passieren sollte?

BF2: Wenn die erfahren, weshalb ich verurteilt wurde und weshalb ich abgeschoben werde, werden sie auf mich warten. Glauben Sie mir, dass wissen sie schon lange. Die Informationen gehen bis nach Russland. Wenn ich dort bin, werde ich verschleppt oder getötet oder als Opfer für Terroranschläge verwendet werden, weil ich das System und die Sprache dort nicht kenne.

BFA: Darf ich ein Beweismittel in diesem Zusammenhang einbringen?

R: Ja.

BFA: Ich verweise auf die Entscheidung des EGMR im Verfahren X gegen Deutschland, vom 30.11.2017, APPL. 54646/17, woraus ergeht, dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass einer Person die wegen XXXX verurteilt worden ist, ein dahingehendes Gefährdungspotenzial aufweist. In Russland Bedrohungen iS des Artikel 2 oder 3 EMRK ausgesetzt zu sein.

Keine weiteren Fragen an den BF2."

Die Befragung der belangten Behörde gestaltete sich wie folgt:

"R: Sehen Sie im Fall des BF2 keine Lageänderung?

BFA: Es ergibt sich keine Lageänderung. Gerade in der heutigen Verhandlung hat sich erwiesen, dass zu seiner Person weder eine günstige Verhaltensprognose ausfallen kann, noch eine Güterabwägung für einen weiteren Verbleib in Österreich spricht.

R: Wie beurteilen Sie die zweite Verurteilung des BF2 im Hinblick auf die Gefährdungsprognose?

BFA: Das BFA geht davon aus, dass - wie bereits im Bescheid gewürdigt - die positiven Prognosen der Resozialisierungseinrichtungen einschließlich jener von XXXX auf völlig falschen Annahmen beruhten und sich letztendlich, durch die weitere Verurteilung als nicht zutreffend bewiesen haben.

R: Haben Sie Beweise dafür, dass der Beschwerdeführer noch in islamistischen Zirkeln verkehrt?

BFA: Laut Auskunft der Verfassungsschutzbehörden hatte der BF2 auch nach seiner ersten Verurteilung Kontakt mit Personen, die sich auch im Nahen Osten für den IS betätigen wollten oder derartige Vorbereitungen oder Versuche angestellt haben.

R: Gegen den Bruder XXXX gibt es eine rechtskräftige Rüc

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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