Entscheidungsdatum
12.03.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W195 1428884-4/9E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Vizepräsidenten Dr. Michael SACHS als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , StA. Bangladesch, vertreten durch den XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 11.03.2020 zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
I.1. Vorverfahren (erster Antrag auf internationalen Schutz und Antrag auf Erteilung einer Karte für Geduldete):
I.1.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) ist Staatsangehöriger von Bangladesch und stellte einen Tag nach seiner illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 24.07.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Der BF begründete seinen Antrag in einer Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 25.07.2012 im Wesentlichen damit, dass er sehr arm gewesen sei und als Mitglied der Bangladesh Nationalist Party (im Folgenden: BNP) Probleme mit der Regierungspartei Awami League (im Folgenden: AL) gehabt habe. Wenn er nicht mit der AL zusammenarbeite, würden diese ihn umbringen.
In einer Einvernahme beim Bundesasylamt am 13.08.2012 brachte der BF zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen vor, dass er im Herkunftsland einen Gemüsestand betrieben habe und von anderen Gemüsehändlern bzw. Standbesitzern, die ihn vom Markt vertreiben hätten wollen, bedroht worden sei. Er sei von Gemüsehändlern, einer gemischten Gruppe aus verschiedenen Ortschaften mit dem Umbringen bedroht worden. Er sei in seiner Heimat weder politisch noch religiös tätig gewesen. Im Herkunftsland würden sich seine Mutter, ein Bruder sowie vier Schwestern aufhalten. Der BF gab an, lediglich ein Jahr die Schule besucht zu haben und keine Berufsausbildung zu besitzen.
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 13.08.2012, XXXX, wurden der Antrag auf internationalen Schutz des BF bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005, abgewiesen (Spruchpunkt I.) und der Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch gemäß § 8 Abs. 1 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 10 Abs. 1 AsylG wurde der BF aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Bangladesch ausgewiesen (Spruchpunkt III.). Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass sein Fluchtvorbringen aufgrund erheblicher Widersprüche nicht glaubwürdig gewesen sei.
Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.03.2015, XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 09.03.2015 hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt I.). Hinsichtlich Spruchpunkt III. wurde das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 zurückverwiesen (Spruchpunkt II.).
Letzteres wurde damit begründet, dass sich nicht ergeben habe, dass eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig sei. Zu den Fluchtgründen wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der BF eine konkret gegen seine Person bestehende Verfolgungsgefahr nicht glaubhaft machen habe können. Es habe nicht festgestellt werden können, dass dem BF im Falle der Rückkehr die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre. Auch habe nicht festgestellt werden können, dass sich aus der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat eine Gefährdung des BF iSd §§ 3 und 8 AsylG 2005 ergeben würde.
Zu Spruchpunkt III. wurde begründend im Wesentlichen ausgeführt, dass sich der BF nunmehr bereits seit beinahe drei Jahren in Österreich aufhalte. Dass das Verfahren so lange gedauert hat, gehe nicht auf sein Verschulden zurück. Er sei strafgerichtlich unbescholten und habe sich, soweit erkennbar, keine Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und gegen Erfordernisse der öffentlichen Ordnung zuschulden kommen lassen, sieht man von der illegalen Einreise ab. Die Umstände im Fall des BF lassen jedoch nicht auf ausreichend intensive persönliche Interessen hindeuten: er gehe keiner geregelten Arbeit nach, beziehe aber keine Leistungen aus der Grundversorgung. Der BF verfüge im Monat über maximal Euro 500.-, weshalb nicht von einer Selbsterhaltungsfähigkeit gesprochen werden könne. Der BF verfüge auch nicht über familiäre Anknüpfungspunkte in Österreich. Er habe auch keine entsprechend qualifizierten Kenntnisse der deutschen Sprache nachweisen können. Auch seine sozialen Kontakte beschränken sich weitgehend auf Landsleute, mit denen er zusammenwohnt. Unter diesen Umständen komme dem öffentlichen Interesse, dass der Beschwerdeführer das Land verlässt, größere Bedeutung zu als seinen persönlichen Interessen. Das Bundesverwaltungsgericht habe daher nicht auszusprechen, dass die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre. Daher sei das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das BFA zurückzuverweisen.
I.1.2. Mit Schreiben des BFA vom 20.04.2015 wurden dem BF anlässlich des Umstandes, dass sein Verfahren hinsichtlich Spruchpunkt III. vom Bundesverwaltungsgericht an das Bundesamt zurückverwiesen worden sei, mitgeteilt, dass gegen ihn die Erlassung einer Rückkehrentscheidung beabsichtigt sei, da nach einer Abwägung im Sinne der EMRK die festgestellten individuellen Interessen des BF nicht so ausgeprägt seien, so dass die öffentlichen Interessen an der Einhaltung der fremdenpolizeilichen und aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen höher zu werten seien. Weiters wurden dem BF Länderfeststellungen zu seinem Herkunftsland zu Kenntnis gebracht und dem BF eine Frist zur Stellungnahme innerhalb von 14 Tagen eingeräumt.
I.1.3. Am 19.05.2015 langte beim BFA eine Stellungnahme des BF ein. In dieser wurden im Wesentlichen die Fluchtgründe des BF, die dieser bereits im Verfahren beim Bundesasylamt bzw. beim Bundesverwaltungsgericht vorgebracht hatte, nämlich, dass konkurrierende Gemüsehändler, die als Anhänger der AL gute Kontakte zu den Behörden hätten, dem BF, der für die BNP aktiv bzw. BNP-Mitglied gewesen sei, bedroht hätten, um ihn als Konkurrenten auszuschalten, wiederholt. Wie der BF auch anlässlich der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht ausgeführt habe, seien mittlerweile seine drei Schwestern und sein Bruder verschwunden. Auch sie seien Anhänger der BNP gewesen. Unter Zitierung von Länderfeststellungen aus dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes, einer ACCORD Anfragebeantwortung zur Situation von Mitgliedern der BNP vom April 2014 sowie eines Artikels der NZZ zur allgemeinen Situation in Bangladesch vom April 2015 wurde ausgeführt, dass der BF im Falle einer Abschiebung jedenfalls als Anhänger, Unterstützer, Mitglied der Opposition, der BNP, identifiziert werden würde und vor dem Hintergrund der aktuellen Lage in Bangladesch jedenfalls eine massive Verletzung seiner durch Art. 3 EMRK und Art. 4 GRC geschützten Rechte zu gewärtigen hätte.
Weiters wurde ausgeführt, dass der BF im Falle einer Rückkehrentscheidung auch in seinem Recht auf Familien- und Privatleben verletzt werden würde. Der BF spreche gut Deutsch und sei für einen Deutschkurs angemeldet. Dem Schreiben beigefügt waren Arbeitsbescheinigungen einer Magistratsabteilung für den BF, wonach dieser vom November 2013 bis April 2014 fallweise als geringfügig als Stundenaushelfer in der Straßenreinigung beschäftigt gewesen sei und aufgrund dieser Tätigkeiten monatliche Bruttobezüge in der Höhe von Euro 145,- bis max. 241,- bezogen habe. In den Arbeitsbescheinigungen wurde weiters angeführt, dass eine Arbeitsgarantie nicht gegeben werden könne, da die Beschäftigung nur für einen Tag aufrecht sei und kein dauerhaftes Dienstverhältnis bestehe. Weiters wurde dem Schreiben eine Bestätigung eines Hauptmieters vom 04.05.2015 beigelegt, wonach dieser dem BF als zahlenden Gast für monatlich Euro 120,- ein gesichertes Wohnrecht in seiner Wohnung gewähre.
I.1.4. Mit Bescheid des BFA vom 25.08.2015, XXXX, wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen, wobei gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wurde, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Bangladesch zulässig sei (Spruchpunkt III.). Weiters wurde ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des BF gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der BF illegal nach Österreich gereist sei und am 24.07.2012 einen Asylantrag im Bundesgebiet gestellt habe. Er verfüge über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz. Er sei ledig und habe keine Sorgepflichten. In Österreich habe er keine Angehörigen und auch keine nennenswerten sozialen Anknüpfungspunkte. Der Bf verfüge im Bundesgebiet über keine familiären oder sozialen Anknüpfungspunkte. Der BF habe in Bangladesch zumindest eine Schwester, mit welcher er Kontakt pflege. Der BF sei in keinen Vereinen oder Organisationen tätig. Er habe bisher auch keine Kurse besucht. Der BF gehe keiner aufrechten Beschäftigung nach. Er habe Gelegenheitsarbeiten verrichtet, bei denen er weniger als EUR 300 verdient habe. Es könne daher nicht von Selbsterhaltungsfähigkeit des BF gesprochen werden. Der BF habe den überwiegenden Teil seines Lebens in Bangladesch verbracht und verfüge über private Anknüpfungspunkte, die eine Wiedereingliederung in die dortige Gesellschaft erleichtern würden. Der BF sei zudem ein junger und gesunder Mann, der sich seinen Lebensunterhalt, notfalls auch mit Gelegenheitsarbeiten, in Bangladesch sichern und dort auf Unterstützung durch Familie, Freunde und Bekannte zurückgreifen könne. Es bestehen keine Hinweise, dass "außergewöhnliche Umstände" vorliegen, die eine Abschiebung unzulässig machen könnten.
I.1.5. Dagegen erhob der BF innerhalb offener Frist Beschwerde. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der BF sich nachweislich seit über drei Jahre durchgehend im Bundesgebiet aufhalte und der Aufenthalt immer rechtmäßig gewesen sei. Der BF habe soziale Kontakte in Österreich geknüpft und sei sichtlich bemüht, sich in Österreich zu integrieren. Die belangte Behörde gehe davon aus, dass der Aufenthalt des BF zu kurz sei, um von einem schützenswerten Privatleben auszugehen und erachte das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung des BF in rechtswidriger Weise als überwiegend gegenüber dem Interesse des BF an der Aufrechterhaltung seines Privatlebens gemäß Art. 8 EMRK in Österreich. Der BF sei insbesondere darum bemüht, sich wirtschaftlich selbst zu erhalten, um keine finanzielle Belastung für Gebietskörperschaften darzustellen. Der BF habe immer wieder bei der MA 48 gearbeitet sowie Zeitungen verkauft. Derzeit sei er als Zeitungsverkäufer tätig. Dazu wurde auf eine in Kopie beigelegte Bestätigung einer namentlich genannten Privatperson vom 04.09.2015 verwiesen, wonach diese als Zeitungsverkäufer seit August 2015 vom BF vertreten werde, wobei sein monatliches Gehalt Netto Euro 200,- betrage. Er habe in seiner Arbeit viel Kundenkontakt und könne sich auf Deutsch verständigen. Er werde in Kürze wieder einen Deutschkurs besuchen und die Bestätigung sobald wie möglich vorlegen.
Im Falle des BF würden aufgrund seines mehr als dreijährigen Aufenthaltes in Österreich besonders schutzwürdige Privatinteressen an einem Verbleib im Bundesgebiet vorliegen, die letztlich die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung überwiegen. Daher sei ihm eine Aufenthaltsberechtigung gemäß § 55 Abs. 1 AsylG zu erteilen. Da die Behörde die privaten Interessen nicht ausreichend berücksichtigt habe, komme sie fälschlicherweise zur Entscheidung, dass eine Rückkehrentscheidung zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten sei. In dieser Hinsicht habe die belangte Behörde die Verhältnismäßigkeit der Rückkehrentscheidung nur unzureichend geprüft und von ihrem Ermessen rechtswidrig Gebrauch gemacht.
I.1.6. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 28.09.2015, W182 1428884-2, wurde die Beschwerde des BF als unbegründet abgewiesen.
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 nicht vorliegen. Zum Privatleben wurde ausgeführt, dass der ledige und kinderlose BF sich seit Juli 2012 - also seit etwas mehr als drei Jahren - in Österreich aufhalte. Er sei zum Aufenthalt in Österreich nur auf Grund eines Antrages auf internationalen Schutz, der sich letztlich als nicht begründet erwiesen hat, berechtigt gewesen. Was die Dauer des Asylverfahrens von nicht ganz 33 Monaten betreffe, sei hervorzuheben, dass diesbezüglich keine der Behörde zurechenbare überlange Verzögerung feststellbar sei. Der BF habe in Österreich keine Familienangehörigen, hingegen würden sich in Bangladesch Familienangehörige des BF aufhalten, wobei zumindest zu einer seiner vier Schwestern Kontakt bestehe.
Der BF sei zwar in Österreich unregelmäßigen Erwerbstätigkeiten nachgegangen, es werde aber davon ausgegangen, dass dadurch keine hinreichende Selbsterhaltungsfähigkeit dargetan worden sei. Was die weitere Integration des BF betreffe, werde ausgegangen, dass der BF in Österreich über einen Freundes- und Bekanntenkreis verfügt und unbescholten sei. Noch in der Verhandlung beim Bundesverwaltungsgericht am 09.03.2015 habe der BF jedoch kaum Deutschkenntnisse nachweisen können. Bis dato seien keine Nachweise positiv abgeschlossener Deutschkurse nachgereicht worden. Unter Zugrundelegung dieser Umstände sowie der in der Beschwerdeschrift angeführten diesbezüglichen Fortschritte werde beim BF von zwischenzeitlich angeeigneten Deutschkenntnissen auszugehen sein.
Im Hinblick auf das Privatleben des BF fallen die dargetanen integrativen Merkmale insbesondere angesichts der noch immer relativ kurzen Aufenthaltsdauer nicht so stark ins Gewicht, um seinem subjektiven Interesse am Verbleib im Inland Vorzug gegenüber dem öffentlichen Interesse an einem geordneten Zuzug und Fremdenwesen zu geben.
Auch könne nicht angenommen werden, dass der BF seinen Bezug zum Herkunftsland, wo er die überwiegende Zeit seines Lebens verbracht hat, seine Schulbildung absolviert hat und sich Angehörige aufhalten, innerhalb von knapp mehr als drei Jahren verloren hätte.
Es wurde daher ausgesprochen, dass die Zulässigkeit der Abschiebung des BF in den Herkunftsstaat gegeben sei und die Frist für die freiwillige Ausreise zu Recht mit 14 Tagen festgelegt worden sei.
Dieses Erkenntnis erwuchs in Rechtskraft.
I.1.7. Am 21.12.2016 stellte der BF einen Antrag auf Ausstellung einer Duldungskarte gemäß § 46a Abs. 1 Z 3 FPG. Begründend führte er an, dass er trotz Bemühungen kein Dokument bekommen habe, um wieder nach Bangladesch zurückkehren zu können.
I.1.8. Am 31.08.2017 legte der vertretene BF eine Kurskarte für den Kurs Deutsch Integrationskurs A1, eine Kursbestätigung über den Deutsch Integrationskurs A1 Teil 1 und 2 sowie zwei Bestätigungen über Arztbesuche vor.
I.1.9. Mit Schreiben vom 04.09.2017 wurde der BF vom Ergebnis der Beweisaufnahme verständigt. Darin wurde ausgeführt, dass der BF für seine Behauptung im Antrag keinen schriftlichen Nachweis erbracht habe und seine Angaben für die Identifizierung offensichtlich nicht ausreichen, weshalb ein Verschulden des BF vorliege, dass ein Heimreisezertifikat bis dato nicht ausgestellt habe werden können. Es sei daraus zu schließen, dass der BF kein Interesse habe, seiner Ausreiseverpflichtung nachzukommen. Zudem habe der BF in seiner Einvernahme angegeben, dass er das Bundesgebiet nicht freiwillig verlassen werde.
I.1.10. Im Schreiben des vertretenen BF vom 29.09.2017 wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Ausstellung eines Reisepasses bei der bengalischen Botschaft ohne Verschulden des BF offenbar unmöglich sei, zumal der BF erklärt habe, dass eine diesbezügliche Vorsprache ergebnislos gewesen sei. Der BF habe stets wahrheitsgemäße Angaben über seine Identität gemacht und allen Ladungen Folge geleistet, dennoch habe seit mehreren Jahren kein Heimreisezertifikat erwirkt werden können. Da die Abschiebung des BF faktisch unmöglich sei, würden die Voraussetzungen für die Ausstellung einer Karte für Geduldete vorliegen.
I.1.11. Mit Bescheid des BFA vom 27.10.2017 wurde der Antrag des BF auf Ausstellung einer Karte für Geduldete abgewiesen.
Begründend wurde ausgeführt, dass der BF für die Behauptung der Versagung eines Dokumentes keinen schriftlichen Nachweis erbracht habe. Seine bisherigen Angaben würden für die Identifizierung nicht ausreichen, weshalb ein Verschulden des BF vorliege, dass ein Heimreisezertifikat bis dato nicht ausgestellt habe werden können.
I.1.12. In der dagegen erhobenen Beschwerde wurde zusammengefasst ausgeführt, dass der BF gegenüber den Behörden kooperativ gewesen sei und stets gleichlautende Angaben zu seiner Identität gemacht habe. Die Identität des BF habe von der Behörde nicht konkret in Frage gestellt werden können.
Konkret habe das BFA keinen einzigen Faktor dargelegt, der gegen die Glaubwürdigkeit der Identitätsangaben des BF sprechen würden. Eine Verschleierung der Identität sei in keinster Weise bestätigt worden. Aus dem Verhalten des BF im Verfahren ergebe sich, dass der BF keinen Ausschluss-Tatbestand verwirklicht habe und auch sonst keine sachlichen Gründe anzunehmen seien, dass die Abschiebung aus von ihm zu vertretenen Gründen nicht möglich wäre. Die mangelnde Reaktion und Bearbeitung der Vertretungsbehörde des Heimatstaates seien nicht vom BF zu vertreten. Eine "geklärte" oder "nachgewiesene" Identität sei keine Voraussetzung für die Ausstellung einer Duldungskarte, daher hätte eine Duldungskarte ausgestellt werden müssen. Dass kein Heimreisezertifikat existiere, sei ein Faktum, weshalb der BF ex lege geduldet sei. Dem vermöge die belangte Behörde nichts entgegenzusetzen. Die Duldung sei durch die Ausstellung einer Duldungskarte zu dokumentieren.
I.1.13. Am 27.11.2017 legte das BFA die Beschwerde samt Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.
I.1.14. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 12.12.2019, XXXX, wurde die Beschwerde gegen den Bescheid 27.10.2017 als unbegründet abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, dass die faktische Unmöglichkeit der Abschiebung dem BF zuzurechnen sei.
I.2. Gegenständlicher Antrag auf internationalen Schutz:
I.2.1. Am 04.12.2017 stellte der BF den gegenständlichen zweiten Antrag auf internationalen Schutz (Folgeantrag), zu dem er am selben Tag durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt wurde.
Der BF gab darin an, Österreich seit der Stellung seines ersten Asylantrags nicht verlassen zu haben. Nachgefragt, weshalb er den zweiten Asylantrag stelle, führte er an, dass es einen neuen Sachverhalt zu seinen Asylgründen gebe. Der BF habe erfahren, dass er in Bangladesch aufgrund seiner politischen Gesinnung von seinen politischen Gegnern fälschlicherweise strafrechtlich angezeigt worden sei. Es sei eine Mordanzeige gegen eine namentlich genannte Person eingebracht worden. Auf Grund dieser Anzeige sei eine Anklage bei Gericht erlassen worden, weshalb der BF von den Sicherheitsbehörden und der Justizbehörde gesucht werde.
Außerdem habe das BFA der Botschaft von Bangladesch die Daten des BF weitergegeben und aufgrund dieser Daten sei eine Anfrage durch das Innenministerium von Bangladesch durchgeführt worden. Da diese Anfrage nicht anonym erfolgt sei, würden die Sicherheitsbehörden wissen, wo sich der BF aufhalte und Druck auf die Familie des BF ausüben, um den BF nach Hause zu holen. Die Beamten vom Innenministerium hätten dem Bruder des BF angedroht, dass sie eine weitere Klage gegen den BF einbringen würden. Dieser neue Sachverhalt sei dem BF seit 2017 bekannt.
Der BF legte im Rahmen der Erstbefragung eine Anklageschrift sowie einen Haftbefehl vor.
I.2.2. Am 23.05.2018 wurde der BF vor dem BFA niederschriftlich einvernommen und zu den Gründen für seine neuerliche Antragstellung befragt.
Der BF legte ein Konvolut an Unterlagen, darunter Unterlagen zu einem Leistenbruch am 27.04.2018 sowie einer geplanten Operation am 27.05.2018, ein Rezept für Novalgin, eine Wohnbestätigung, Deutschkursbestätigungen sowie Unterlagen hinsichtlich der fallweisen Beschäftigung des BF für die MA48 und Rechnungen vor und führte im Wesentlichen aus, dass er beschuldigt werde, jemanden ermordet zu haben. Die Anzeige darüber sei am 21.01.2015 erstattet worden. Der BF sei ordentlicher Sekretär der BNP. Eines Tages habe er an einer Demonstration teilgenommen und es seien Mitglieder der AL gekommen. Im September 2017 sei ein Vertrauensanwalt des BF in seine Heimat geschickt worden, um über den BF zu recherchieren. Seinem Bruder sei gesagt worden, dass der BF so schnell wie möglich nach Bangladesch kommen müsse und dort der Tod auf ihn warte. Wenn sein Bruder das nicht schnell machen würde, würde ihm etwas Schlimmes zustoßen. Dies habe ihm sein Bruder beim letzten Telefon erzählt.
Aufgrund von starken Schmerzen des BF wegen seines Hüftbruchs wurde die Einvernahme abgebrochen.
I.2.3. Am 21.11.2018 wurde der BF erneut niederschriftlich durch das BFA einvernommen. Der BF legte weitere medizinische Unterlagen sowie Deutschkursbestätigungen vor und gab an, dass er Schmerzen habe, in medizinischer Behandlung stehe und Medikamente nehme.
Nachgefragt, weshalb er 2015 nicht ausgereist sei, gab der BF an, dass er 2015 Kontakt zu seiner Schwester aufgenommen und ihr gesagt habe, dass er zurückkehren müsse. Seine Schwester habe ihm gesagt, dass die politischen Gegner und die Polizei zu Hause gewesen seien und den BF gesucht hätten. Ein Freund habe den BF seit 2015 bis zur Stellung seines gegenständlichen Asylantrags finanziell unterstützt. Seine Eltern seien in der Zwischenzeit verstorben. Seine Mutter sei 2013 verstorben und er wisse nicht genau, wann sein Vater gestorben sei. Der BF habe vier Schwestern, welche in Bangladesch leben würden, und zu einer Schwester habe er Kontakt. In Bangladesch hätten die Eltern des BF diesen finanziell unterstützt und er sei politisch als Organisationssekretär tätig gewesen.
Konkret befragt, ob der BF neue Fluchtgründe habe, gab er an, dass er 2015 wegen Mordes von einem Anhänger der gegnerischen Partei angezeigt worden sei, obwohl er in Österreich lebe. Er habe im Jahr 2015 telefonisch von seiner Schwester davon erfahren. Aufgefordert, nähere Angaben über die Person, die die Anzeige erstattet habe, zu machen, gab der BF an, dass er damals für die BNP tätig gewesen sei und die AL die BNP in ganz Bangladesch vernichten wolle und der BF daher glaube, dass die AL diese Anzeige gemacht habe. Die Polizei und die AL würden zusammenarbeiten. Am 20.01.2015 seien bei einer Protestkundgebung Anhänger der BNP von Anhängern der AL angegriffen worden. Eine Person namentlich genannte Person sei im Zuge dessen auf einem Fußballfeld ermordet worden. Mehrere Mitglieder der BNP seien am 21.01.2015 angezeigt worden. Es gebe auch einen Haftbefehl vom 25.11.2015. Seine Schwester habe den Haftbefehl übernommen.
Aufgefordert, konkrete Angaben zur Position des BF in der BNP zu machen, führte dieser aus, dass er Parteimitglieder über Protestaktionen der Partei oder Parteibesprechungen informiert habe. Es seien 101 aktive Mitglieder im Komitee gewesen und es gebe sehr viele einfache Mitglieder. Der BF habe auch neue Mitglieder angeworben. Es gebe vier Ziele der Partei, darunter die Gerechtigkeit für Menschen und der Aufbau der Industrie. Die letzte Wahl sei vor über vier Jahren gewesen und die BNP sei nicht dabei gewesen. Die Parteifarben der Partei seien Rot, Grün und Gold. Im Fall einer Rückkehr würde der BF sofort am Flughafen verhaftet werden und er würde in ein Gefängnis kommen. Wenn er aus dem Gefängnis kommen würde, würde ihn die gegnerische Partei umbringen.
I.2.4. In der Stellungnahme des vertretenen BF vom 29.11.2018 wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass aus den Länderfeststellungen hervorgehe, dass es im Heimatland des BF nach wie vor zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen den politischen Parteien komme und sich die politische Situation nach der Wahl im Jänner 2014 wieder zuspitze. Im Fall der Rückkehr des BF sei dieser einem realen Risiko einer polizeilichen Festnahme und einer Inhaftierung ausgesetzt. Der BF habe Angst, dass der verhaftet und von den Sicherheitsbehörden misshandelt werde. Eine innerstaatliche Schutzalternative stehe ihm nicht offen, weil es nicht möglich wäre, unerkannt das Staatsgebiet von Bangladesch zu erreichen. Zudem seien die rechtsstaatlichen Garantien eines fairen Prozesses nicht gegeben.
Zudem wurde der Entlassungsbrief vom 10.09.2018 und ein Rezept über XXXX vorgelegt.
I.2.5. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 06.12.2018 wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde dem BF nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Darüber hinaus wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung nach Bangladesch gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) und ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass das das BFA die Angaben des BF grundsätzlich als unwahr befunden habe und sich auch aus dem sonstigen Ergebnis des Ermittlungsverfahrens bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Hinweise auf das Vorliegen eines Sachverhaltes, welcher zur Gewährung von Asyl führen würde, ergeben.
Der BF verfüge nach wie vor über familiäre Beziehungen in Bangladesch. Es sei ihm zuzumuten, sich mit Hilfe der eigenen Arbeitsleistung in Bangladesch den Lebensunterhalt zu sichern. Zudem verfüge der BF über schulische Ausbildung und spreche sehr gut Englisch. Hinderungsgründe - etwa in Folge von Krankheit - seien im gegenständlichen Verfahren nicht hervorgekommen.
Die Voraussetzungen für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" würden nicht vorliegen und würden zudem die öffentlichen Interessen an einem geordneten Vollzug des Fremdenwesens gegenüber den privaten Interessen des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet überwiegen, weswegen eine Rückkehrentscheidung zu erlassen sei. Die Abschiebung des BF sei als zulässig zu bewerten.
I.2.6. Mit Schriftsatz vom 03.01.2019 wurde der Bescheid des BFA seitens des - rechtsfreundlich vertretenen - BF zur Gänze angefochten.
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass eine nachvollziehbare Begründung, welche weiteren Angaben das BFA vom BF gefordert hätte, um ihm Glaubwürdigkeit zuzugestehen, aus dem Bescheid nicht hervorgehe. Der BF habe konkrete und umfangreiche Angaben zu den fluchtauslösenden Vorfällen gemacht. Dass er keine Details zu seinen Fluchtgründen angegeben habe, sei nicht richtig, habe er doch genaue Zeit- und Ortsangaben gemacht und die Ereignisse chronologisch konsistent geschildert. Angeführt wurde eine Stellungnahme von Amnesty International aus dem Jahr 2010 und wiederholt ausgeführt, dass sich das BFA nicht mit dem zentralen Vorbringen des BF auseinandergesetzt habe. Zudem habe der BF keine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung, da es dem BF keineswegs zuzumuten sei, sich unter Verleumdung seiner Identität und politischen Überzeugung in einer ihm unbekannten Stadt ohne Kontakt zu seiner Familie zu verstecken. Beim BF habe aufgrund der langen Abwesenheit von seinem Heimatstaat außerdem eine Entwurzelung aus seiner Heimat ergeben, weshalb ihm allenfalls subsidiärer Schutz zu gewähren wäre. Weiters habe der BF bereits große Anstrengungen hinsichtlich seiner Integration unternommen. Er könne sich im Alltag problemlos auf Deutsch verständigen, sei arbeitsfähig und arbeitswillig und schon sehr lange in Österreich aufhältig sowie unbescholten und selbsterhaltungsfähig.
I.2.7. Am 04.01.2019 legte das BFA die Beschwerde und den Akt des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.
I.2.8. Am 11.03.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Bengali eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, an der der BF teilnahm. Im Zuge der Verhandlung wurde der BF erneut ausführlich u.a. zu seinen Fluchtgründen, seinen Rückkehrbefürchtungen, seinen Familienverhältnissen und seinen Lebensverhältnissen in Bangladesch sowie in Österreich befragt.
Einleitend führte der BF aus, dass er in Folge der durchgeführten Operation noch Schmerz-Medikamente nehme. Er könne keine Arbeit verrichten, wo man Stärke aufbringen müsse, und er habe an der Operationsstelle noch Schmerzen. Er habe auch eine Seh- und Konzentrationsschwäche.
Er versuche Deutsch zu lernen, aber er vergesse wieder alles. Was er in der Früh lerne vergesse er am Nachmittag. Er wollte auch zur Caritas gehen, um freiwillige Arbeit zu leisten, aber er habe dies nicht geschafft.
Er würde von der Unterstützung der Caritas leben, manchmal würden ihn auch Freunde und sein Onkel unterstützen.
Mit seiner Familie, die aus Geschwistern bestehe und in Bangladesch lebe, habe er Kontakt. Er habe auch Kontakt zu einem Onkel, welcher in Wien lebe, und welcher ihn unterstütze. Sonst habe er keine Familie in Österreich, weder Kinder noch eine Beziehung.
Hinsichtlich einer Konversation in deutscher Sprache musste im Rahmen der Verhandlung vor dem BVwG festgestellt werden, dass eine solche mit dem BF sehr schwer möglich ist, weil auch der Sprachwortschatz sehr begrenzt ist. Die Beantwortungen der Fragen erfolgten, so Ferne überhaupt eine Antwort gegeben wurde, nicht mit vollen Sätzen. Die deutschen Sprachkenntnisse sind somit ungenügend.
Hinsichtlich seiner Integration gab der BF an, dass er "viele Freunde" habe, überwiegend bengalische. Damit widersprach sich der BF, der in weiterer Folge darlegte, dass er hauptsächlich "immer zu Hause" sei, und "zwei, drei" Gäste ihn "samstags, sonntags" besuchen würden.
Befragt, welche Perspektiven er für sein Leben in Österreich sehe, konnte der BF kein klares Bild zeichnen. Er wisse nicht, was in Zukunft passieren würde, und er habe auch keinen Plan, was er machen wolle. Er könne nicht genau sagen, was er in Österreich machen wolle. Gefragt, ob er so, wie er jetzt in Österreich lebt, die nächsten 50 oder 60 Jahre lang leben wolle, meinte der BF: "So ist es gut.".
Der BF führte, auf Grund einer Nachfrage des Richters aus, dass er immer das Gesetz und Gerichtsurteile respektieren würde. Konfrontiert damit, dass er die Gesetze der Republik Österreich und Gerichtsurteile nicht respektiert habe, zeigte der BF weinerliche Emotionen und erklärte, künftige Entscheidungen "natürlich annehmen" zu wollen.
Hinsichtlich seines Fluchtgrundes befragt erklärte der BF, dass es in Bangladesch keine Sicherheit gäbe. Man würde ihn umbringen, wenn er nach Bangladesch zurückkehre, weil er "BNP mache". Er würde ihn Österreich zur BNP gehen, "wenn man mich zu Veranstaltungen ruft". In Bangladesch würde er verfolgt werden, weil er "BNP mache". Es seien bereits viele nahe Angehörige des BF getötet worden, so beispielsweise seinen Vater. Nachgefragt, wie alt der Vater gewesen sei oder wann er getötet worden sei, konnte der BF dies nicht beantworten.
Weitere Ausführungen zu seinem Fluchtvorbringen, seinen Nachfluchtgründen oder zur Situation in Bangladesch wurden vom BF nicht vorgebracht.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
II.1. Feststellungen:
II.1.1. Zur Person des BF:
Der volljährige BF ist Staatsangehöriger von Bangladesch und der sunnitischen Glaubensgemeinschaft zugehörig. Seine Muttersprache ist Bengali.
Der BF hat in Bangladesch eine Volksschule besucht. Seinen Lebensunterhalt in Bangladesch bestritt der BF mithilfe der finanziellen Unterstützung seiner Eltern.
Der BF ist ledig und hat keine Kinder. Die Eltern des BF sind verstorben. Vier Schwestern und ein Bruder des BF leben in Bangladesch. Der BF hat Kontakt zu einer Schwester. Ein Onkel lebt in Österreich und unterstützt den BF.
Der BF reiste 2012 nach Österreich und stellte am 24.07.2012 seinen ersten Asylantrag. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 13.08.2012, XXXX, bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und der des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen. Die Beschwerde dagegen wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.03.2015, XXXX, rechtskräftig abgewiesen und zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das BFA zurückgewiesen, welches in der Folge mit Bescheid vom 25.08.2015, XXXX, einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen versagte, eine Rückkehrentscheidung erließ und feststellte, dass eine Abschiebung nach Bangladesch zulässig ist. Die Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde mit rechtskräftigem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 28.09.2015, XXXX, abgewiesen.
Der BF verließ Österreich nach Erlass der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 25.08.2015 - trotz Ausreiseverpflichtung - nicht und hielt sich bis zur Stellung des gegenständlichen Folgeantrags am 04.12.2017 (rechtswidrig) in Österreich auf.
Am 21.01.2016 wurde der BF bezüglich seiner Ausreiseverpflichtung und Identitätsfeststellung vor dem BFA einvernommen.
Der BF stellte am 21.12.2016 einen Antrag auf Ausstellung einer Karte für Geduldete wegen § 46 Abs. 1 Z 3 FPG, welcher mit Bescheid des BFA vom 27.10.2017, XXXX abgewiesen wurde. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 12.12.2019, XXXX, wurde die Beschwerde dagegen abgewiesen.
In Österreich bezieht der BF Leistungen aus der Grundversorgung. Der BF war von November 2011 bis April 2014 fallweise als geringfügig beim Magistrat XXXX im Bereich der Straßenreinigung beschäftigt. Ansonsten arbeitete der BF in Österreich als Zeitungsverkäufer.
Der BF hat seit Beginn seines Aufenthalts in Österreich einen Deutsch A1 Kurs teilweise besucht, er spricht ungenügend Deutsch, eine Konversation ist nur sehr schwer möglich.
Der BF lebt in Österreich in einer Wohngemeinschaft mit vier weiteren Asylwerbern aus Bangladesch. Der BF ist in Österreich Mitglied in der "XXXX". Der BF hat überwiegend bengalische Freunde.
Ein Onkel des BF lebt gemeinsam mit seiner Familie in Österreich und besitzt die österreichische Staatsbürgerschaft. Der BF hat Kontakt zu seinem Onkel. Es besteht kein (finanzielles) Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem BF und seinem in Österreich lebenden Onkel.
Der BF hat für sein Leben in Österreich keinen Plan und keine Vorstellung über seine Zukunft. Er lebt von der Unterstützung durch die Caritas und findet, dass "es so gut sei".
Der BF ist strafrechtlich unbescholten.
Der BF ist arbeitsfähig, so ferne es (derzeit) keine schweren Arbeiten betrifft, und leidet derzeit an Schmerzen nach einer Operation, wogegen er Schmerzmittel einnimmt. Am 04.09.2018 erfolgte eine operative Sanierung einer rechtsseitigen Leistenhernie (TAPP) in einem österreichischen Krankenhaus. Der postoperative Verlauf gestaltete sich komplikationslos, sodass der BF am 06.09.2018 in gutem Allgemeinzustand wieder in häusliche Pflege entlassen wurde. Bei Schmerzen wurde die Einnahme von Novalgin empfohlen.
II.1.2. Zum Fluchtvorbringen des BF:
Das vom BF im Rahmen seines ersten Antrags auf internationalen Schutzes geltend gemachte Vorbringen (bezüglich seiner Mitgliedschaft in der BNP und seiner Verfolgung durch Anhänger der AL) wurde bereits rechtskräftig als unglaubwürdig bzw. nicht asylrelevant qualifiziert.
Hinsichtlich des neuen Fluchtvorbringens kann nicht festgestellt werden, dass gegen den BF eine Anzeige wegen Mordes erstattet und ein Haftbefehl ausgestellt wurde. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass Anhänger der AL oder die Polizei in Bangladesch nach dem BF suchen. Ebensowenig kann festgestellt werden, dass Beamte vom Innenministerium den BF bedrohen. Ein diesbezügliches Vorbringen wurde in der Verhandlung vor dem BVwG nicht erstattet oder behauptet.
Der BF besitzt keinerlei Glaubwürdigkeit. Der BF behauptete in der Verhandlung vor dem BVwG, dass sein Vater wegen seiner Tätigkeit zur BNP getötet worden sei (VS 10, 11). Das steht im Widerspruch zu den Aussagen des BF vor dem BFA, wo er am 13.08.2012 ausführte: "Mein Vater verstarb. Ich weiß nicht an was. Seine Leiche fand man zu Hause. Das hat mit meinen Asylgründen nichts zu tun. Man fand meinen Vater vor 9 Jahren." (AS 89). Damit widersprach sich der BF aber gegenüber der Einvernahme vom 25. Juli 2012, in der er angab, dass sein Vater ca 70 Jahre alt sei (AS 17).
Es kann somit auch nach dem neuerlichen vom BF erstatteten Fluchtvorbringen nicht festgestellt werden, dass der BF auf aus politischen Gründen in seinem Herkunftsland einer konkret gegen seine Person gerichteten Bedrohung oder Verfolgung ausgesetzt gewesen ist oder ihm im Falle seiner Rückkehr eine solche droht. Die Tätigkeit des BF in Österreich im Zusammenhang mit der BNP ist lediglich passiv, d.h. er kommt seinen Angaben zufolge lediglich zu Veranstaltungen, wenn er gerufen werde.
Neben der behaupteten Verfolgungsgefährdung aus politischen Gründen brachte der BF im Verfahren keine weiteren Gründe vor, auf Grund derer er in seinem Heimatland eine Verfolgung bzw. Gefährdung zu befürchten hätte.
II.1.3. Zur maßgeblichen Lage in Bangladesch:
Politische Lage
Bangladesch - offizielle Bezeichnung Volksrepublik Bangladesch (People's Republic of Bangladesh / Ga?aprajatantri Ba?lades) ist seit 1991 eine parlamentarische Demokratie (GIZ 12.2018a). Das Land befindet sich größtenteils in der Deltaebene, die durch die Mündung der Flüsse Ganges und Brahmaputra in den Golf von Bengalen (Indischer Ozean) gebildet wird. Nachbarstaaten sind Indien (Westen, Norden und Osten) und Myanmar (Südosten). Die Hauptstadt ist Dhaka (ca. 20 Millionen Einwohner). Auf einer Fläche von ca. 148.000 km² (CIA 21.2.2019) leben etwa 159 bis 165 Millionen Einwohner (CIA 21.2.2019; vgl. GIZ 1.2019, AA 12.2018a). Bangladesch ist mit 1.127 Einwohnern pro Quadratkilometer der am dichtest besiedelte Flächenstaat der Welt (zum Vergleich: Österreich 104 Einwohner pro km²) (WPR o.D.; vgl. AA 12.2018a).
Das Staatsoberhaupt ist der Präsident, der vom Parlament alle fünf Jahre gewählt wird. Eine einmalige Wiederwahl ist möglich. Er übt größtenteils zeremonielle Funktionen aus, während die Macht in den Händen des Premierministers als Regierungschef liegt. Dieser wird von der stärksten im Parlament vertretenen Partei nominiert und vom Präsidenten formell ernannt. Der Premierminister ernennt die Regierungsmitglieder, die vom Präsidenten bestätigt werden. Nach Ende der fünfjährigen Legislaturperiode bildet der Präsident unter seiner Führung eine unabhängige Übergangsregierung, deren verfassungsmäßige Aufgabe es ist, innerhalb von 90 Tagen die Voraussetzungen für Neuwahlen zu schaffen (ÖB 12.2018; vgl. GIZ 12.2018a). Zusätzlich obliegt dem Premierminister die Kontrolle der Geheimdienste, der Streitkräfte und der paramilitärischen Einheiten (GIZ 12.2018a).
Das Parlament (National Parliament oder Jatiya Sangsad) besteht aus einer Kammer mit 300, in Einzelwahlkreisen auf fünf Jahre direkt gewählten, Abgeordneten (ÖB 12.2018) - mit zusätzlichen 50 Sitzen, die nur für Frauen reserviert sind (AA 27.10.2017; vgl. GIZ 12.2018). Diese werden nicht direkt durch eine Wahl vergeben, sondern durch die Parteien, die es ins Parlament schaffen, nominiert (GIZ 12.2018a). Das Mehrheitswahlrecht führt zu stabilen Mehrheiten im Parlament und hat die Herausbildung der Bangladesch Nationalist Party (BNP) und der Awami League (AL) als dominierende und konkurrierende Parteien begünstigt. Während die konservative BNP Verbündete bei den islamistischen Parteien wie der Jamaat-e-Islami (JI) hat, bekommt die AL traditionell Unterstützung von linken und säkularen Parteien, wie der Arbeiterpartei, der liberaldemokratischen Partei, der national-sozialen Partei Jatiyo Samajtantrik Dal und jüngst auch von der Jatiya Partei, unter dem ehemaligen Militärdiktator Hossain Mohammad Ershad (ÖB 12.2018).
Das politische Leben wird seit 1991 durch die beiden größten Parteien, die Awami League (AL) und Bangladesh Nationalist Party (BNP) bestimmt. Klientelismus und Korruption sind weit verbreitet. Gewerkschaften, Studentenorganisationen, Polizei und Verwaltung sind parteipolitisch durchdrungen (AA 12.2018). Beide Parteien haben keine demokratische interne Struktur und werden von Familien geführt, die Bangladesch seit der Unabhängigkeit geprägt haben (FH 1.2018).
Seit 2009 ist Sheikh Hasina von der Awami League (AL) Premierministerin (GIZ 12.2018a; vgl. ÖB 12.2018). Im Jänner 2019 wurde Sheikh Hasina für ihre vierte Amtszeit, die dritte Amtszeit in Folge, als Premierministerin angelobt (DW 14.2.2019).
Bei den elften bangladeschischen Parlamentswahlen vom 30.12.2018 erzielte die "Große Allianz" um die regierende AL einen Erdrutschsieg mit 96 % der Stimmen und 289 der 300 zur Wahl stehenden Parlamentssitze (Guardian 30.12.2018; vgl. BN24 31.12.2018, DT 27.1.2019, DS 10.1.2019).
Es gibt Berichte über Wahlmanipulation. Die Opposition verurteilte die Wahl als "Farce" und fordert die Annullierung des Ergebnisses und Neuwahlen. Die Regierungspartei weist die Manipulationsvorwürfe und Neuwahlforderungen zurück und nennt die Wahl "völlig frei und unabhängig" (BBC 31.12.2018). In einer vorläufigen Bewertung erklärten Wahlbeobachter der SAARC (South Asian Association for Regional Cooperation), dass die Wahl "viel freier und fairer" ablief als die vorherigen (Hindu 1.1.2019). Bereits im Vorfeld der Wahl kam es zu Gewalt zwischen rivalisierenden Anhängern und zu harten Vorgehen der Regierung (BBC 31.12.2018; vgl. Hindu 1.1.2019). Von Oktober bis Anfang Dezember 2018 fanden wiederholt Fälle willkürlicher Verhaftungen und Inhaftierungen von Demonstranten und politischen Oppositionellen sowie von Gewalttaten und Einschüchterungen durch Mitglieder der Studenten- und Jugendabteilung der Regierungspartei statt (HRW 13.12.2018). Am Wahltag wurden mindestens 17 Menschen bei Zusammenstößen zwischen Anhängern der regierenden Partei und der Opposition getötet (Reuters 1.1.2019).
Eine der wichtigsten BNP-Vertreter der Opposition war und ist die ehemalige Premierministerin und amtierende BNP-Parteivorsitzende Khaleda Zia. Sie wurde im Februar 2018 wegen Veruntreuung zu einer Haftstrafe von fünf Jahren verurteilt (GIZ 12.2018a) und durfte bei den Parlamentswahlen am 30.12.2018 nicht als Kandidatin antreten (DT 8.12.2018). Die oppositionelle BNP hat auf Grund ihrer starken gesellschaftlichen Verankerung das Potential, durch Generalstreiks großen außerparlamentarischen Druck zu erzeugen (GIZ 12.2018a).
Infolge der Dominanz der AL und der fehlenden innerparteiischen Demokratie hat de facto die exekutive Spitze das ausschließliche Sagen bei Gesetzesentwürfen. Wie schon die Vorgängerregierungen baut auch die gegenwärtige AL-Regierung ihre Netzwerke in Verwaltung, Rechtswesen und Militär aus. Verschärfend kommt hinzu, dass die BNP als vormals größte Oppositionspartei nach ihrem Wahlboykott am 5.1.2014 überhaupt nicht mehr im Parlament vertreten war (GIZ 12.2018a) und bei den Parlamentswahlen am 30.12.2018 nur sechs Mandate erzielen konnte (BI 31.12.2018; vgl. DS 10.1.2019).
Durch eine Verfassungsänderung von Juni 1988 wurde der Islam zur Staatsreligion erklärt, bei gleichzeitiger verfassungsrechtlicher Verankerung des Rechts auf friedliche Ausübung anderer Religionen. Auch Säkularismus ist Staatsprinzip und genießt Verfassungsrang (AA 27.10.2017). Die verfassungsändernde Mehrheit der AL im Parlament führt zu einer enormen Machtkonzentration. Die derzeitige Regierung hat es sich zum Ziel gemacht, Verbrechen des Unabhängigkeitskrieges von 1971 juristisch aufzuarbeiten. Angeklagt sind damalige Kollaborateure der pakistanischen Streitkräfte, von denen viele bis zur letzten innerparteilichen Wahl in führenden Positionen der islamistischen JI waren (AA 12.2018).
Der Verwaltungsaufbau von Bangladesch ist zentralstaatlich: Das Land ist in acht Regionen (Divisions), 64 Bezirke (Districts), 501 Landkreise bzw. Großstädte (Upazilas / City Corporations), 4.876 Gemeindeverbände (Union Councils / Municipalities) und circa 87.000 Dorfgemeinden gegliedert (AA 12.2018; vgl. ÖB 12.2018). Im Gebiet der Chittagong Hill Tracts gilt eine besondere Verwaltung, die der lokalen (indigenen), nicht-bengalischen Bevölkerung verstärkte Mitwirkungsmöglichkeiten einräumen soll (ÖB 12.2018).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (12.2018): Bangladesch - Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/bangladesch-node/-/206322, Zugriff 7.3.2019
- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (27.10.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Oktober 2017)
- BBC (31.12.2018): Bangladesh election: PM Sheikh Hasina wins landslide in disputed vote, https://www.bbc.com/news/world-asia-46718393, Zugriff 7.3.2019
- bdnews24 (3.2.2019): 87 Upazila councils go to election on Mar 10 in first phase, https://bdnews24.com/bangladesh/2019/02/03/87-upazila-councils-go-to-election-on-mar-10-in-first-phase, Zugriff 7.3.2019
- BI - Bangla Insider (31.12.2018): final results of 11th parliamentary elction of Bangladesh 2018, https://en.banglainsider.com/bangladesh/4469/FINAL-RESULTS-OF-11th-PARLIAMENTARY-ELECTION-OF-BANGLADESH-2018, Zugriff 3.1.2019
- BN24 - Bangla News 24 (31.12.2018): Grand alliance wins 288 seats, https://www.banglanews24.com/english/national/article/73191/Grand-alliance-wins-288-seats, Zugriff 7.3.2019
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- DS - Daily Star, the (10.3.2019): First phase upazila polls end, counting starts, https://www.thedailystar.net/country/news/election-78-upazilas-begins-1712992, Zugriff 11.3.2019
- DT - Dhaka Tribune (27.1.2019): Ruling party's Dr Younus Ali Sarker wins Gaibandha 3 by-polls,https://www.dhakatribune.com/bangladesh/election/2019/01/27/voting-in-gaibandha-3-by-polls-underway, Zugriff 11.3.2019
- DT - Dhaka Tribune (8.12.2018): EC rejects Khaleda Zia's candidature by majority decision, https://www.dhakatribune.com/bangladesh/election/2018/12/08/khaleda-zia-s-appeal-remains-pending, Zugriff 7.3.2019
- DW - Deutsche Welle (14.2.2019): Bangladesh PM Sheikh Hasina hints at last term as prime minister, https://www.dw.com/en/bangladesh-pm-sheikh-hasina-hints-at-last-term-as-prime-minister/a-47513555, Zugriff 7.3.2019
- FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/1442339.html, Zugriff 28.2.2019
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- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (1.2019): Bangladesch - Überblick, https://www.liportal.de/bangladesch/ueberblick/, Zugriff 11.3.2019
- Guardian, The (30.12.2018): Bangladesh PM Hasina wins thumping victory in elections opposition reject as 'farcical', https://www.theguardian.com/world/2018/dec/30/bangladesh-election-polls-open-after-campaign-marred-by-violence, Zugriff 7.3.2019
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- ÖB DEL - Österreichische Botschaft Neu-Delhi (12.2018): Asylländerbericht Bangladesch [Arbeitsversion].
- Reuters (1.1.2019): Western powers call for probe into Bangladesh election irregularities, violence, https://www.reuters.com/article/us-bangladesh-election/western-powers-call-for-probe-into-bangladesh-election-irregularities-violence-idUSKCN1OV1PK, Zugriff 7.3.2019
- RW - Human Rights Watch (13.12.2018): Bangladesh: Crackdown as Elections Loom, https://www.ecoi.net/de/dokument/1454483.html, Zugriff 7.3.2019
- WPR - World Population Review (o.D.): World Countries by Population Density 2019, http://worldpopulationreview.com/countries/countries-by-density/. Zugriff 7.3.2019
Sicherheitslage
Der Hass zwischen den politischen Parteien, insbesondere zwischen der Awami League und der Bangladesch National Party, ist für den größten Teil an Gewalt im Land verantwortlich (ACLED 9.11.2018; vgl. FH 1.2018). Beide Parteien sind - gemeinsam mit unidentifizierten bewaffneten Gruppen - in Vandalismus und gewalttätige Auseinandersetzungen verwickelt und greifen auch friedliche Zivilisten an (ACLED 9.11.2018).
Von nichtstaatlichen Akteuren (insbesondere Opposition, Islamisten, Studenten) geht nach wie vor in vielen Fällen Gewalt aus. Die öffentliche Sicherheit ist fragil. Das staatliche Gewaltmonopol wird durchbrochen. Es kommt häufig zu Morden und gewalttätigen Auseinandersetzungen auf Grund politischer (auch innerparteilicher) oder krimineller Rivalitäten. Eine Aufklärung erfolgt selten. Politische Auseinandersetzungen werden von allen Lagern - mit einem teilweise massiven Aufgebot an Menschen und unter Rekrutierung von Studenten- und Jugendorganisationen - auf der Straße ausgetragen (AA 27.10.2017). Spontane Streiks und Kundgebungen können jederzeit stattfinden (BMEIA 14.12.2018; vgl. AA 25.2.2019), dabei können Kämpfe zwischen Sicherheitsbehörden und Demonstranten, Brandstiftung, Gewalt und Vandalismus unvorhergesehen auftreten (UKHO 28.2.2019).
Gewalt gegen Zivilisten oder staatliche Kräfte durch Rebellen macht einen relativ kleinen Anteil an allen Gewaltereignissen aus. Es gibt radikale islamistische Gruppen wie die Mujahideen Bangladesh (JMB) und Ansarullah Bangla Team (ABT). Sowohl der Islamische Staat (IS) und Al Qaeda in the Indian Subcontinent (AQIS) geben an, in Bangladesch aktiv zu sein, was von der Regierung jedoch dementiert wird (ACLED 9.11.2018). Im März 2017 kam es zu drei Selbstmordattentaten mit Todesfolge, zu denen sich der Islamische Staat bekannte (BMEIA 14.12.2018, vgl. USDOS 20.4.2018).
Extremistische Gruppen führen Angriffe auf Angehörige vulnerabler Gruppen durch (USDOS 20.4.2018; vgl. AI 22.2.2017; AA 27.10.2017). In vielen Fällen ist nicht eindeutig differenzierbar, ob religiöse Motive oder säkulare Interessen, wie z.B. Racheakte oder Landraub, Grund für die Vorfälle sind. In vielen Fällen wird den Sicherheitsbehörden vorgeworfen, nicht oder zu spät reagiert zu haben, vereinzelt sogar an Gewaltakten aktiv teilgenommen zu haben (AA 27.10.2017).
In der Division Chittagong, insbesondere im Gebiet der Chittagong Hill Tracts (Bezirke Rangamati, Khagrachari und Bandarban) kommt es zu bewaffneten Unruhen und kriminellen Übergriffen (BMEIA 14.12.2018; vgl. AA 25.2.2019; UKHO 28.2.2019). Im Juni 2017 griff eine aufgebrachte Menschenmenge indigene Bewohner der Stadt Langadu im Bezirk Rangamati Hill an und tötete dabei mindestens eine Person. Außerdem wurden hunderte Häuser niedergebrannt. Berichten zufolge unternahmen Polizisten und Soldaten nichts, um die indigenen Bewohner zu schützen (AI 23.5.2018). Im südöstlichen Verwaltungsbezirk Cox's Bazar der Division Chittagong hat es zuletzt in bzw. in der Nähe von Flüchtlingslagern vereinzelt gewalttätige Zwischenfälle gegeben. Am 21.2.2019 wurden dabei auch ausländische Journalisten angegriffen (AA 25.2.2019).
An der Grenze zu Indien kommt es gelegentlich zu Schusswechseln zwischen indischen und bangladeschischen Grenzwächtern. Regelmäßig werden Menschen getötet, die versuchen, illegal die Grenze zu überqueren (UKHO 28.2.2019).
In der Monsunzeit von Mitte Juni bis Mitte Oktober muss mit Überschwemmungen gerechnet werden, im südlichen Landesdrittel von Oktober bis November und Mitte April bis Mitte Mai grundsätzlich auch mit Wirbelstürmen (AA 25.2.2019). Regelmäßig wiederkehrende Überschwemmungen sowie die Erosion von Flussufern führen zu einer umfangreichen Binnenmigration (AA 27.10.2017). Die Kriminalität ist hoch, insbesondere die Zahl der Raubüberfälle (BMEIA 14.12.2018).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (25.2.2019): Bangladesch: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/bangladesch-node/bangladeschsicherheit/206292, Zugriff 27.2.2019
- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (27.10.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Oktober 2017).
- ACLED - Armed Conflict Location & Event Data Project (9.11.2018): The Anatomy of Violence in Bangladesh, https://www.acleddata.com/2018/11/09/the-anatomy-of-violence-in-bangladesh/, Zugriff 6.3.2019
- AI - Amnesty International (23.5.2018): Bangladesch 2017/18, https://www.amnesty.de/jahresbericht/2018/bangladesch, Zugriff 5.3.2019
- BMEIA - Bundesministerium Europa, Integration und Äußeres (14.12.2018): Bangladesch - Reiseinformation, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/bangladesch/, Zugriff 6.3.2019
- FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/1442339.html, Zugriff 28.2.2019
- ÖB - Österreichische Botschaft Neu-Delhi (12.2018): Asylländerbericht Bangladesch [Arbeitsversion].
- UKHO - UK Home-Office (28.2.2019): Foreign travel advice Bangladesh - Safety and security, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/bangladesh/safety-and-security, Zugriff 6.3.2019
- USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430114.html, Zugriff 27.2.2019
Rechtsschutz/Justizwesen
Das Gerichtssystem besteht aus zwei Instanzen, den untergeordneten Gerichten (Magistrates, Session- und District Judges) und dem Obersten Gerichtshof. Beide verhandeln Zivil- und Strafrechtssachen. Das Rechtssystem beruht weitgehend auf dem englischen "Common Law". Der Oberste Gerichtshof besteht aus zwei Abteilungen, dem "High Court", der Verfassungsfragen verhandelt und als Berufungsinstanz zu den erstinstanzlichen Gerichten fungiert, sowie dem "Appellate Court", dessen Entscheidungen für alle übrigen Gerichte bindend sind. Die Richter beider Abteilungen werden gemäß der Verfassung vom Präsidenten ernannt (ÖB 12.2018).
Die Unabhängigkeit der Richter wird von der Verfassung garantiert. In der Praxis unterstellt allerdings eine schon lange geltende temporäre Bestimmung der Verfassung die erstinstanzlichen Richter der Exekutive. Auch ihre Ernennung und Remuneration ist Sache der Exekutive. Demgegenüber haben die Richter des Obersten Gerichtshofs des Öfteren ihre Unabhängigkeit demonstriert und gegen die Regierung entschieden (ÖB 12.2018). Gemäß einer Verfassungsänderung hat das Parlament seit 2014 das Recht, oberste Richter abzusetzen (USDOS 20.4.2018).
Auf Grundlage mehrerer Gesetze ("Public Safety Act", "Law and Order Disruption Crimes Speedy Trial Act", "Women and Children Repression Prevention Act", "Special Powers Act") wurden Sondertribunale errichtet, die Fälle innerhalb eines festgesetzten Zeitrahmens erledigen müssen. Es fehlen allerdings Vorschriften für den Fall, dass sie dieser Verpflichtung nicht nachkommen. Diese "Speedy Trial" Tribunale haben Medienberichten zufolge in den vergangenen Jahren ca. 200 Personen zum Tode verurteilt (ÖB 12.2018).
Wie die meisten Beobachter von Bangladesch übereinstimmend angeben, stellen Korruption, Ineffizienz der Justiz, gezielte Gewalt gegen Richter und ein gewaltiger Rückstau an offenen Fällen große Probleme dar (ÖB 12.2018). Gerichtsverfahren sind durch eine überlange Verfahrensdauer geprägt, was viele Angeklagten bei der Inanspruchnahme ihres Rechts auf ein faires Verfahren hindert. Weiters kommt es zu Zeugenbeeinflussung und Einschüchterung von Opfern (USDOS 20.4.2018; vgl. FH 1.2018). Strafanzeigen gegen Mitglieder der regierenden Partei werden regelmäßig zurückgezogen (FH 1.2018). Die schiere Zahl der gegen die politische Opposition eingeleiteten Klagen im Vorfeld zur 11. Parlamentswahl vom 30.12.2018, deutet auf ein ungehindertes Spielfeld und die Kontrolle der Regierungspartei über die Justiz- und Sicherheitsinstitutionen hin (FIDH 9.1.2019).
Zwei Drittel aller Streitfälle erreichen nicht das formelle Justizsystem, sondern werden von informellen Dorfgerichten oder bedeutenden Persönlichkeiten der lokalen Gemeinschaften entschieden. Diese behandeln meist Fälle betreffend Familienrecht, Unterhalt, Zweitehen, Mitgiftstreitigkeiten und Landeigentum. Obwohl diese "Gerichte" eine durch Tradition legitimierte, schnellere und günstigere Alternative zu ordentlichen Gerichten darstellen, sind sie hinsichtlich der Einflussnahmemöglichkeiten durch lokal bedeutsame Persönlichkeiten sowie der gesellschaftlichen Stellung von Frauen nicht unproblematisch. Die islamische Scharia ist zwar nicht formell als Gesetz eingeführt, spielt aber insbesondere in den Bereichen des Zivilrechts (Erbschaft, Grunderwerb, Heirat und Scheidung etc.) eine große Rolle (ÖB 12.2018).
Quellen:
- FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/1442339.html, Zugriff 28.2.2019
- FIDH - International Federation for Human Rights (Hg.) (9.1.2019): Joint statement [by AHRC - Asian Human Rights Commission; ANFREL - Asian Network for Free Elections; GNDEM - Global Network of Domestic Election Monitors; FIDH - International Federation for Human Rights; CMEV - Centre for Monitoring Election Violence, Sri Lanka] on the undemocratic electoral environment in Bangladesh, https://www.fidh.org/en/region/asia/bangladesh/joint-statement-on-the-undemocratic-electoral-environment-in, Zugriff 6.3.2019
- ÖB - Österreichische Botschaft Neu-Delhi (12.2018): Asylländerbericht Bangladesch [Arbeitsversion].
- USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices
Allgemeine Menschenrechtslage
Bangladesch hat bisher mehrere UN Menschenrechtskonventionen ratifiziert, ist diesen beigetreten oder hat sie akzeptiert (ÖB 12.2018; vgl. UNHROHC o.D.). Die Verfassung von Bangladesch in der seit 17.5.2004 geltenden Fassung listet in Teil III, Artikel 26 bis 47A, einen umfassenden Katalog an Grundrechten auf. Artikel 102 aus Teil VI, Kapitel 1 der Verfassung regelt die Durchsetzung der Grundrechte durch die High Court Abteilung des Obersten Gerichtshofes. Jeder Person, die sich in ihren verfassungsmäßigen Grundrechten verletzt fühlt, steht der direkte Weg zum "High Court" offen. Die "National Human Rights Commission" wurde im Dezember 2007 unter dem "National Human Rights Commission Ordinance" von 2007 eingerichtet, hat aber noch k