Entscheidungsdatum
18.03.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W240 2167613-3/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Feichter über die Beschwerde von XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.02.2020, Zl. 1093602404-191013935, zu Recht erkannt:
A) I. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I und II des angefochtenen Bescheids wird gemäß § 68 AVG als unbegründet abgewiesen.
II. Im Übrigen wird die Beschwerde gemäß § 57, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG und § 52 Abs. 2 Z 2 FPG 2005 sowie § 52 Abs. 9 iVm § 46 und § 55 Abs. 1a FPG 2005, § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG 2005 als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Vorverfahren
1. Der Beschwerdeführer (in der Folge auch BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 05.10.2019 gegenständlichen zweiten Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des
§ 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG) in Österreich.
Er hat sein Heimatland verlassen, ist illegal in die Republik Österreich eingereist und hat am 04.11.2015 den ersten Antrag auf internationalen Schutz gestellt.
2. Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 05.11.2015 gab der Beschwerdeführer zu seinem Fluchtgrund an, dass sein Vater Grundstücke gekauft und weiterverkauft habe. Kommandant XXXX habe dem Vater die Grundstücke wegnehmen wollen. Der Vater sei geschlagen worden und seien ihm alle Grundstücke weggenommen worden. Anschließend hätte der Kommandant den Vater des Beschwerdeführers umbringen wollen, deshalb sei die Familie aus Afghanistan geflüchtet.
3. Der Beschwerdeführer wurde am 03.05.2017 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er an, dass er in Kabul geboren und aufgewachsen sei. Sein Vater sei Immobilienmakler gewesen. Die Familie habe ein normales Leben gehabt und es sei ihnen gut gegangen. Er sei gemeinsam mit seinen Eltern und seinen Geschwistern geflüchtet und habe seine Familie auf der Flucht verloren. Er habe keinen Kontakt mehr zu seiner Familie. Zum Fluchtgrund befragt, führte der Beschwerdeführer aus, dass sein Vater Grundstücke gekauft und wieder verkauft habe. Ein Kommandant namens XXXX habe mit Gewalt Grundstücke vom Vater des Beschwerdeführers weggenommen. Er habe den Vater auch verprügelt. Der Vater sei dann zur Regierung gegangen und habe Anzeige gegen XXXX erstattet. Der Kommandant habe dann den Vater des Beschwerdeführers mit dem Tod bedroht. Eines nachts habe er zum Beschwerdeführer gesagt, dass sie ausreisen müssten. Näher zu dem Kommandanten XXXX befragt, führte der Beschwerdeführer aus, dass dieser ein mächtiger Mann gewesen sei. Die Probleme mit ihm hätten ca. vier bis fünf Monate vor der Ausreise begonnen. Befragt, wie der Vater des Beschwerdeführers konkret bedroht worden sei, gab er an, dass XXXX zu ihm nachhause gekommen sei und gesagt habe, dass er den Vater des Beschwerdeführers und die ganze Familie töten werde. Befragt, ob der Beschwerdeführer selbst gesehen habe, als sein Vater verprügelt worden sei, gab er an, dass er das nicht gesehen habe; er habe nur gesehen, dass sein Vater eines Tages mit Verletzungen nachhause gekommen sei. Er habe dann gesagt, dass er von XXXX geschlagen worden sei. Zwischen der Bedrohung durch XXXX und der Ausreise seien ca. zwei Wochen vergangen, in denen sich die Familie nur zuhause aufgehalten habe. Eines nachts habe der Vater des Beschwerdeführers dann alle aufgeweckt und sie seien geflüchtet.
4. Mit Bescheid des BFA vom 25.07.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß
§ 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Weiters wurde ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).
In der Bescheidbegründung traf die belangte Behörde Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, zu seinem Fluchtgrund, zur Situation im Falle seiner Rückkehr und zur Lage in seinem Herkunftsstaat. Es habe keine glaubhafte Gefährdungslage festgestellt werden können. Das gesamte Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers beziehe sich auf die Erlebnisse seines Vaters. Der Beschwerdeführer habe keine Verfolgung glaubhaft machen können. Dem Beschwerdeführer wäre eine Rückkehr nach Kabul zumutbar. Es liege beim Beschwerdeführer zwar ein Familienbezug in Österreich vor, er lebe jedoch weder mit seinem Onkel noch seiner Tante oder seinen Cousins und Cousinen in einer gemeinsamen Wohnung und könne daher kein schützenwertes Familienleben im rechtlichen Sinne erblickt werden.
5. Gegen den Bescheid vom 25.07.2017 wurde mit Schreiben der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers vom 10.08.2017 Beschwerde erhoben. Darin wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer Afghanistan verlassen habe, da seine gesamte Familie gegenüber seinem Vater von Kommandant XXXX bedroht worden sei. Seinem Vater seien Grundstücke gewaltsam weggenommen worden, wobei ihm gegenüber körperliche Gewalt angewendet worden sei. Sein Vater habe gegen diese Bedrohung Anzeige erstattet, wobei von staatlicher Seite nichts unternommen worden sei um den Kommandanten zu belangen. Die Bedrohung habe zwar nur gegenüber dem Vater des Beschwerdeführers bestanden, dennoch habe sie sich dem Inhalt nach auf die ganze Familie bezogen. Eine Erstreckung der Verfolgungshandlung gegenüber dem Vater auf seinen Sohn könne in vertretbarer Weise vorgenommen werden.
6. Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 16.08.2017 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
7. Am 25.08.2017 langte beim Bundesverwaltungsgericht eine Eingabe der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers ein, mit welcher diverse Teilnahme- und Kursbestätigungen übermittelt wurden.
8. Am 29.09.2017 langte beim Bundesverwaltungsgericht eine mit 29.09.2017 datierte Beschwerdeergänzung ein. Darin wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer Afghanistan aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung aufgrund von Blutrache verlassen habe, da sein Vater in Grundstücksstreitigkeiten mit einem hochrangigen General verwickelt gewesen sei, der ihn und seine Familie töten habe wollen. Im Falle einer Abschiebung drohe dem Beschwerdeführer aufgrund seiner Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der von Blutrache bedrohten Familienmitglieder sowie der Tatsache, dass er längere Zeit in Europa gelebt habe, Verfolgung. Die belangte Behörde stütze ihre Länderfeststellungen größtenteils auf unvollständige Länderberichte. Dies betreffe insbesondere die Berichte zur Situation in Kabul sowie zur Situation von Rückkehrern aus Europa. In weiterer Folge wurden Berichte zur Situation von in Blutrache verwickelten Personen, zur Situation von Tadschiken in Afghanistan sowie zur allgemeinen Sicherheitslage in Afghanistan, zur Situation in Kabul, sowie zur Situation von Rückkehrern angeführt und wurden Ausführungen dazu getätigt. Weiters wurde ausgeführt, dass die Beweiswürdigung der belangten Behörde auf bloßen Mutmaßungen beruhe. Das Vorbringen des Beschwerdeführers sei schlüssig und glaubhaft. Die belangte Behörde missachte bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit das jugendliche Alter des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt der fluchtauslösenden Vorfälle. Zur Situation des Beschwerdeführers im Falle einer Rückkehr sei auszuführen, dass er seine gesamte Kernfamilie auf der Flucht verloren habe. Er könnte somit nicht mit der Unterstützung von Angehörigen in Afghanistan rechnen. Er wäre im Falle einer Abschiebung gänzlich mittelos und wäre nicht in der Lage seine fundamentalen Lebensbedürfnisse zu befriedigen.
9. Am 13.12.2017 langte beim Bundesverwaltungsgericht eine Information zur Wohnsitzbeschränkung des Beschwerdeführers ein.
10. Am 20.03.2018 langten beim Bundesverwaltungsgericht mehrere Bestätigungen sowie ein Empfehlungsschreiben einer österreichischen Volkshochschule betreffend den Beschwerdeführer ein.
11. Vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde in der gegenständlichen Rechtssache am 27.03.2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Beisein des Beschwerdeführers und seiner Rechtsvertretung sowie eines Dolmetschers für die Sprache Dari durchgeführt. Die belangte Behörde entschuldigte ihr Fernbleiben.
12. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 09.04.2018, Zl. 198 2167613 - 1/22E, wurde die Beschwerde gemäß den §§ 3, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 55, 57 AsylG 2005 idgF., § 9 BFA-VG idgF., und §§ 52, 55 FPG idgF. als unbegründet abgewiesen.
13. Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Beschluss 10.09.2018, Ra 2018/19/0259-7, die Revision der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 09.04.2018 zurückgewiesen.
14. Mit Eingabe des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers vom 14.12.2018 wurde ein auf § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG gestützter Antrag auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 09.04.2018 abgeschlossenen Verfahrens gestellt. Es wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer seit seiner Ankunft in Österreich laufend seine Familie über soziale Medien gesucht habe. Bis zum XXXX habe er keinerlei Informationen über das Schicksal seiner Familie erhalten. Am XXXX habe er über Facebook ein Foto seines Cousins gefunden. Er habe ihn angeschrieben und noch am selben Tag mit seinem Onkel telefoniert, welcher ihm wiederum die Nummer der im Iran lebenden Mutter des Beschwerdeführers gegeben habe. Seine Mutter habe ihm mitgeteilt, dass im Dezember 2016 der Vater und der Bruder des Beschwerdeführers versucht hätten, das Grundstück aufzusuchen, das vom Kommandanten XXXX besetzt worden sei. Sie seien von diesem Treffen nicht zurückgekehrt und seien am XXXX 2016 deren Leichen gefunden worden. Es seien sohin am XXXX 2018 Tatsachen und Beweismittel hervorgekommen, die im Verfahren ohne Verschulden des Beschwerdeführers nicht geltend gemacht werden konnte. Dem Beschwerdeführer sei eine Rückkehr nach Afghanistan aufgrund der Verfolgungsgefahr durch den Kommandanten XXXX nicht möglich. Des Weiteren seien bei der Prüfung des Antrags auf Wiederaufnahme auch die aktuellen Länderberichte heranzuziehen. Unter Berücksichtigung der aktuellen UNHCR-Richtlinie vom 30.08.2018 könne nicht mehr von einer innerstaatlichen Fluchtalternative betreffend Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif ausgegangen werden.
15. Mit Beschluss des BVwG vom 16.05.2019, W198 2167613-2/7E, wurde der Antrag auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 09.04.2018, Zl. W198 2167613-1/22E, rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens gemäß § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG abgewiesen.
"(...) Im gegenständlichen Fall wird der Wiederaufnahmeantrag damit begründet, dass der Antragsteller am XXXX erfahren habe, dass sein Bruder und sein Vater Ende des Jahres 2016 von dem Kommandanten XXXX (Hinweis: im Erkenntnis W 198 2167613-1/22E als XXXX bezeichnet) getötet worden seien.
Neu hervorgekommene Tatsachen oder Beweise stellen nur dann einen Grund für die Wiederaufnahme des Verfahrens dar, wenn sie allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruches anderslautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten. Das vom Antragsteller nunmehr als neues Beweismittel vorgelegte Schreiben seines Onkels, in welchem jener ausführt, dass der Vater und der Bruder des Antragstellers Ende des Jahres 2016 von dem Kommandanten XXXX umgebracht worden seien, hätte in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens kein im Hauptinhalt des Spruchs anderslautendes Erkenntnis herbeiführen können. Dies aus folgenden Erwägungen:
Der Antrag auf Wiederaufnahme erschöpft sich in dem bloßen Vorbringen des Antragstellers, wonach sein Vater und sein Bruder von dem Kommandanten XXXX getötet worden seien. Ein echtes Beweismittel (beispielsweise eine Todesurkunde seines Vaters und Bruders bzw. ein Gesprächsnachweis für die Telefonate mit seinem Onkel und seiner Mutter) wurde nicht vorgelegt, sodass wiederum nur eine Glaubwürdigkeitsprüfung des Vorbringens erfolgen könnte. In diesem Zusammenhang ist auf das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 09.04.2018 zu verweisen, wonach der Antragsteller eine Bedrohung durch den Kommandanten XXXX nicht glaubwürdig vorbringen konnte.
Es ist auszuführen, dass das nunmehr mit dem Antrag auf Wiederaufnahme vorgelegte Schreiben des Onkels des Antragstellers überhaupt nicht überprüfbar ist und kommt dem Schreiben daher keine Beweiskraft zu. Die sprachkundige Übersetzung dieses Schreibens wird lediglich behauptet, jeglicher Hinweis auf den Übersetzer, um eine Überprüfung dessen Sprachkundigkeit vornehmen zu können, fehlt. Der Antragseller lässt dadurch eine mangelnde Mitwirkung am Verfahren erkennen. Es ist weiters amtsbekannt, dass in Ländern wie Afghanistan jegliche Urkunden und alle Arten von gefälschten Dokumenten verfügbar sind und ist das vorgelegte Schreiben nicht geeignet, einen Beleg dafür zu geben, dass der Vater und der Bruder des Antragstellers tatsächlich ermordet worden seien. Zu den vorgelegten Fotos ist auszuführen, dass in keiner Weise ersichtlich ist, was diese Fotos beweisen sollen; es findet sich nicht einmal ein Hinweis, welche Personen auf diesen Fotos überhaupt abgebildet sind. Ebenso wenig ist ersichtlich, was die beiden vorgelegten Screenshots eines Handys ("Kabul Clip" vom 22.07., weitere Nachricht vom 17.11., jeweils ohne Jahresangabe) beweisen sollen.
Abgesehen davon ist festzuhalten, dass das Bundesverwaltungsgericht im Erkenntnis vom 09.04.2018 dem Antragsteller die persönliche Glaubwürdigkeit bereits abgesprochen hat. Diesbezüglich wird auf die Beweiswürdigung im Erkenntnis vom 09.04.2018 verwiesen.
Dem weiteren Wiederaufnahmevorbringen des Antragstellers, dass sich aus den aktuellen UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 ergebe, die Stadt Kabul komme als innerstaatliche Fluchtalternative nicht in Betracht, was eine anderslautende, den Anträgen des Wiederaufnahmewerbers stattgebende Entscheidung herbeigeführt hätte, kann im Ergebnis aus folgenden Erwägungen nicht gefolgt werden:
(...)
Die von Seiten des UNHCR geäußerte Auffassung, wonach angesichts der gegenwärtigen Sicherheitslage sowie der menschenrechtlichen und humanitären Situation in Kabul eine interne Flucht- und Neuansiedlungsalternative in dieser Stadt allgemein nicht zur Verfügung stehe, stellt daher streng genommen eine - dem BFA und letztlich dem Bundesverwaltungsgericht - obliegende rechtliche Beurteilung dar, der im Einzelfall mit näherer Begründung auf Basis konkreter Feststellungen gefolgt oder auch nicht gefolgt werden könnte.
Das Bundesverwaltungsgericht ist somit aus den dargelegten Erwägungen der Ansicht, dass die vom Wiederaufnahmewerber ins Treffen geführte - in den Richtlinien vom 30.08.2018 enthaltene - Einschätzung des UNHCR zur Relevanz und Zumutbarkeit einer internen Flucht- und Neuansiedlungsalternative in der Stadt Kabul keinen Wiederaufnahmegrund iSd
§ 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG darstellt.
Überdies hätte die Einschätzung des UNHCR zur Relevanz und Zumutbarkeit einer internen Flucht- und Neuansiedlungsalternative in Kabul - unbeschadet der Frage des Bestehens eines Wiederaufnahmegrundes - weder allein noch in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anderslautendes Erkenntnis herbeigeführt:
Was die Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten anlangt, ist auszuführen, dass sich das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 09.04.2018 tragend auf eine fehlende Glaubhaftmachung der behaupteten Verfolgung stützte, weshalb eine allenfalls bestehende innerstaatliche Fluchtalternative nicht maßgeblich für die Entscheidung war (vgl. etwa VwGH 24.01.2017, Ra 2016/01/0338).
Betreffend die Nichtzuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten wurde im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 09.04.2018 zusammengefasst ausgeführt, dass dem Antragsteller Rückkehr in seine Heimatstadt Kabul möglich und zumutbar ist.
(...)
Im Erkenntnis W198 2167613-1/22E wurde in den Länderfeststellungen die Rückkehrsituation, insbesondere die Sicherheits- und Versorgungslage, außer in der Hauptstadt Kabul, auch in den Städten Mazar-e Sharif und Herat erörtert. Dass im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts von mehreren gleichermaßen in Frage kommenden innerstaatlichen Fluchtalternativen in der rechtlichen Beurteilung beispielhaft auf die Hauptstadt Kabul verwiesen wurde, ändert nichts daran, dass für den Antragsteller auch unter Heranziehung der UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018 in Zusammenschau mit anderen aktuellen Quellen, die - soweit schon vorhanden - bereits im verwaltungsgerichtlichen Verfahren herangezogen wurden, innerstaatliche Fluchtalternativen bestehen und ihm diese aufgrund seiner persönlichen Umstände, die im Verfahren einer Einzelfallbeurteilung unterzogen wurden, auch zumutbar sind. Die sichere Erreichbarkeit etwa der Städte Herat und Mazar-e Sharif, ergibt sich aus den Länderfeststellungen des Erkenntnisses vom 09.04.2018. Die neuen, vom Antragsteller genannten UNHCR-Richtlinien wären daher, selbst wenn sie bereits im Entscheidungszeitpunkt des Erkenntnisses (W198 2167613-1/22E) existiert hätten und bekannt gewesen wären, im gegenständlichen Fall nicht geeignet gewesen, "ein im Hauptinhalt des Spruchs anders lautendes Erkenntnis" (vgl. § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG) herbeizuführen. Sie stellen nach einer ersten Prüfung im Wiederaufnahmeverfahren keine taugliche Grundlage dafür dar, die rechtliche Würdigung, dem Antragsteller stehe in Afghanistan eine zumutbare Fluchtalternative zur Verfügung, in Zweifel zu ziehen, da sie sich in den für die Zuerkennung subsidiären Schutzes wesentlichen, oben zitierten Teilen kaum von den im verwaltungsgerichtlichen Verfahren neben anderen aktuellen Quellen herangezogenen UNHCR-Richtlinien vom 19.04.2016 unterscheiden. Wäre das Beweismittel, auf das sich nun der Wiederaufnahmeantrag stützt, bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht vorgelegen, hätte es keine andere, im Ergebnis zur Zuerkennung von Asyl oder subsidiärem Schutz führende rechtliche Würdigung erfahren.
Aus den dargelegten Erwägungen sind die Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG nicht erfüllt, weshalb der gegenständliche Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens spruchgemäß abzuweisen war. Aus denselben Gründen bleibt auch für eine amtswegige Wiederaufnahme des Verfahrens kein Raum.
(...)"
16. Der BF stellte am 05.10.2019 den gegenständlichen zweiten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich, als er von den Polizisten aufgrund des Festnahmeauftrages des BFA am selben Tag festgenommen während der Vernehmung im Zuge seiner bevorstehenden Abschiebung.
17. Mit Verfahrensanordnung gem. § 15b AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer am 06.10.2019 mitgeteilt, dass er in namentlich benannten Quartier Unterkunft zu nehmen hat.
18. In der Erstbefragung zum Folgeantrag vom 05.10.2019 gab der BF an, dass er nunmehr einen Folgeantrag gestellt habe und sich in persönlicher Hinsicht geändert habe, dass er seit rund einem Jahr unter psychischen Problemen leide, außerdem unter Schlaflosigkeit und Stress. Er habe das B1-Deutsch-Zertifikat erhalten und arbeite in einem Altersheim, er sei dort in Ausbildung als Alten- und Krankenpfleger. Zweieinhalb Jahre sei er in die Volkshochschule gegangen und habe dort Kurse besucht. Des Weiteren sei er im Integrationskurs gewesen, beim Roten Kreuz besuche er ebenfalls Kurse. Er habe einen Arbeitsvorvertrag, es ergebe sich aus diesem, dass er als Alten- und Krankenpfleger dort arbeiten könne, er sei auch nicht kriminell. Sein Vater und Bruder sei im Jahr 2016 umgebracht worden. Sie hätten dort Feinde wegen der Landwirtschaft gehabt, diese Landwirtschaft sei beschlagnahmt bzw. weggenommen worden und der Vater sowie der Bruder des BF seien umgebracht worden. Seine Mutter und seine Schwester würden derzeit im Iran leben. Im Falle einer Rückkehr sei sein Leben in Gefahr. Er habe Angst, dass er genauso umgebracht würde wie sein Vater und sein Bruder. Die Feinde würden auch den BF umbringen.
19. Am 31.10.2019 wurde das Asylverfahren des BF gemäß § 24 Abs. 2 AsylG eingestellt, da sein Aufenthalt unbekannt war. Weiters wurde ein Festnahmeauftrag gem. § 34 Abs. 4 BFA-VG am 31.10.2019 erlassen. Der BF verfügte in Österreich ab 11.10.2019 bis zum 19.01.2020 über keine aufrechte Meldeadresse. Der BF bezog bis Anfang Oktober 2019 und wieder ab Jänner 2020 Leistungen aus der Grundversorgung.
20. Am 18.12.2019 wurden der BF im Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl - Regionaldirektion Tirol - Außenstelle Innsbruck im Beisein eines von der erkennenden Behörde bestellten und beeideten Dolmetschers in der Sprache Dari und zwei Vertrauenspersonen von dem zur Entscheidung berufenen Organwalter des Bundesamtes einvernommen. Es folgen die entscheidungsrelevanten Auszüge aus dieser Einvernahme:
"(...)
F: Wie geht es Ihnen. Sind Sie psychisch und physisch in der Lage, Angaben zu Ihrem Asylverfahren zu machen?
A: Ja, ich bin dazu in der Lage.
F: Haben Sie irgendwelche Krankheiten und wenn ja, welche?
A: Ich habe derzeit keine Krankheiten.
F: Sind Sie aktuell in ärztlicher Behandlung?
A: Nein.
F: Sie haben bei Ihrer Erstbefragung am 05.10.2019 angegeben, dass Sie an psychischen Problemen leiden und unter Schlaflosigkeit und Stress. Was sagen Sie dazu?
A: Ich leide immer noch unter Schlaflosigkeit und stehe unter Stress.
F: Sind Sie deswegen in ärztlicher Behandlung?
A: Ich war in der Klinik und bei XXXX , aber derzeit bin ich nicht in Behandlung. Ich habe keine Versicherung derzeit.
F: Haben Sie Medikamente wegen diesen Problemen eingenommen?
A: Ja. Parizel (phon.) gegen die Schlaflosigkeit und die psychischen Probleme. Ich habe noch ein Medikament eingenommen, aber das habe ich jetzt vergessen.
Derzeit nehme ich keine Medikamente.
F: Seit wann leiden Sie an diesen Problemen?
A: Seit 2018. Es hat damit angefangen, dass ich gehört habe, dass mein Vater und mein Bruder in Afghanistan umgebracht wurden. Seitdem denke ich sehr viel darüber nach und ich habe keine Hoffnung mehr. Ich habe keine Hoffnung mehr für mein Leben.
Anmerkung: Der Antragsteller beantwortet die Fragen auf Deutsch. Er kann sich sehr gut in Deutsch verständigen. Es wird jedoch mit dem Antragsteller vereinbart, dass die Einvernahme auf Dari durchgeführt wird, damit keine Missverständnisse entstehen.
F: Können Sie betreffend die psychischen Probleme ärztliche Unterlagen vorlegen?
A: Ich habe ärztliche Unterlagen. Diese wurden vorbereitet. Ich kann sie nächste Woche in der Klinik und bei XXXX abholen.
Anmerkung: Dem Antragsteller wird eine Frist von 2 Wochen eingeräumt um die ärztlichen Unterlagen in Vorlage zu bringen.
F: Sind Sie damit einverstanden, dass die ho. Behörde sowie in einem allfälligen Beschwerdeverfahren dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) Einsicht in bereits vorliegende und künftig erhobene ärztliche Befunde nehmen kann, sowie dass die Sie behandelnden Ärzte, als auch behördlich bestellte ärztliche Gutachter wechselseitig Informationen zu den Ihre Person betreffenden erhobenen ärztlichen Befunde austauschen können? Sind Sie weiters mit der Weitergabe Ihrer medizinischen Daten an die Sicherheitsbehörde und die für die Grundversorgung zuständigen Stellen einverstanden? Sie können Ihre Zustimmung danach jederzeit formlos und ohne Angabe von Gründen widerrufen.
A: Ja, ich bin damit einverstanden.
Anmerkung: Vollmacht zur Einsicht die Krankenakte wird dem AW vorgelegt, übersetzt, unterfertigt sowie dem Akt beigelegt.
F: Befürchten Sie wegen Ihrer Krankheit Probleme im Falle einer Rückkehr in Ihr Heimatland und wenn ja, welche?
A: Ja. Mein Leben ist dort in Gefahr.
F: Wegen den gesundheitlichen Problemen?
A: Die medizinische Lage ist dort nicht so gut, dass ich dort eine Behandlung fortsetzen kann.
F: Aber in Österreich sind Sie derzeit auch nicht in Behandlung.
A: Ja, weil ich seit drei Monaten keine Versicherung habe und kein Geld bekomme.
F: Ihr Verfahren wurde am 31.10.2019 von der Erstaufnahmestelle West eingestellt, weil Sie die Erstaufnahmestelle verlassen haben und Ihr Aufenthalt unbekannt war. Wieso haben Sie das gemacht?
A: Weil ich die Ausbildung in Innsbruck als Altenpflege gemacht habe und ich wollte das fortsetzen. Ich habe am 14.10.2019 ein Praktikum gehabt und das war sehr wichtig für mich. Als ich im Gefängnis war, habe ich auch meine Situation dargestellt. Ich sollte am 07.10.2019 wieder nach XXXX gehen. Daraufhin habe ich gesagt, dass ich Praktikum habe und das sehr wichtig ist und ich nicht nach XXXX gehen kann. Ich bin dann dorthin gefahren auf Empfehlung der Polizei, habe eine Karte bekommen und bin dann wieder zurück nach Innsbruck.
F: Aufgrund dessen sind Sie jetzt jedoch nicht versichert und haben keine Grundversorgung.
A: Ja.
Anmerkung: Der Antragsteller legt folgende Unterlagen vor:
- Schulbesuchsbestätigung vom 05.09.2019
- Schülerausweis
- Prüfungszeugnis B1 bestanden von 2019
- ÖSD Zertifikat A1 und A2
- Zeugnis zur Integrationsprüfung
- Arbeitsvorvertrag der XXXX vom 11.09.2019 (ich habe dort gemeinnützig als Altenpfleger gearbeitet)
- Bestätigung über gemeinnützige Tätigkeit
- Teilnahme Kurs Grund- und Basisbildung
- Empfehlungsschreiben einer österreichischen Volkshochschule
- Kurszeugnis Sommerschule August 2017
- Div. Empfehlungsschreiben
Die Unterlagen werden in Kopie zum Akt genommen.
F: Welche Voraussetzungen mussten Sie für die Aufnahme in die Schule erfüllen?
A: Ich hatte eine Aufnahmeprüfung und ich habe die B1 Prüfung gemacht. Die Ausbildung dauert 2 Jahre. Ich habe im September 2019 mit der Schule angefangen.
F: Haben Sie sich mittlerweile irgendwelche Dokumente aus Afghanistan besorgt?
A: Nein.
F: Haben Sie irgendwelche Personaldokumente oder andere Dokumente in Österreich, die Sie noch nicht vorgelegt haben?
A: Nein.
F: Besitzen Sie einen Führerschein, und wenn ja, wann, wo und von wem wurde dieser ausgestellt?
A: Nein.
F: Besitzen Sie einen Reisepass, und wenn ja, wann, wo und von wem wurde dieser ausgestellt?
A: Ich hatte einen afghanischen Reisepass. Diesen habe ich aber auf der Flucht in der Türkei verloren.
Erklärung: Sie haben am 05.10.2019 beim BFA das zweite Mal um Asyl ersucht. Sie wurden am 05.10.2019 vor der Polizei bereits zu Ihrem Asylverfahren, d.h. zu Ihrem Reiseweg und den Gründen Ihrer Ausreise, befragt. Können Sie sich an Ihre damaligen Angaben erinnern? Waren Ihre damals gemachten Angaben vollständig und entsprechen diese der Wahrheit? Wollen Sie selbst zu diesen Angaben noch etwas hinzufügen oder etwas sagen, was Sie noch nicht angeführt haben?
A: Ja, ich kann mich noch daran erinnern. Meine Angaben sind vollständig. Ich habe die Wahrheit gesagt.
F: Gab es irgendwelche Probleme bei der Erstbefragung?
A: Nein. Es ist mir aber bei der Erstbefragung psychisch nicht gut gegangen. Ich habe auch eine Tablette genommen.
Datenaufnahme:
XXXX
Geschlecht Männlich
XXXX
XXXX
Geburtsort/Geburtsstaat Stadt Kabul, Afghanistan
Staatsangehörigkeit Afghanistan
Volksgruppe Tadschike
Religion Moslem, Sunnit
Familienstand ledig, keine Kinder
Dokumente:
Keine
Verwandte außerhalb der Heimat:
XXXX
Geburtsdatum: ca. 44 J.
Adresse:
Anmerkung: er wurde am XXXX 2016) umgebracht.
XXXX
Geburtsdatum: ca. 39 J.
Adresse: Iran, XXXX
Bruder: XXXX
Anmerkung: er wurde am XXXX umgebracht.
Brüder: XXXX
Geburtsdatum: ca. XXXX
Adresse: Iran, XXXX
Schwestern: XXXX
Geburtsdatum: ca. XXXX
Adresse: Iran, XXXX
Tante: XXXX
Geburtsdatum: XXXX
Adresse: XXXX
Anmerkung: anerkannter Flüchtling seit XXXX 2017
Onkel: XXXX
Geburtsdatum: XXXX
Adresse: XXXX
Anmerkung: anerkannter Flüchtling seit XXXX 2017
Cousins: XXXX (Daueraufenthalt EU)
Geburtsdatum: XXXX
Adresse: alle wohnhaft in XXXX
F: Haben Sie noch Familienangehörige in Afghanistan (Onkel, Tanten,)?
A: Ich habe einen Onkel väterlicherseits, aber er ist seit drei Monaten nicht erreichbar. Mütterlicherseits gibt es nur die Tante die in Österreich lebt.
Schulausbildung:
Schultyp
Grundschule
Von 2008
Bis 2015
Ort Stadt Kabul
Sonstige Ausbildungen:
Keine
Militärdienst:
keinen
Sprachen:
Dari - Muttersprache
Deutsch - B1
Englisch - ein wenig
Wort und Schrift:
Dari
Deutsch
Englisch
Beruflicher Werdegang:
In Afghanistan habe ich nie gearbeitet.
F: Halten Sie Ihre Angaben zu Ihren Lebensumständen in Afghanistan in der Einvernahme am 03.05.2017 aufrecht? Wollen Sie diesen Angaben noch etwas hinzufügen?
A: Ja, ich halte meine Angaben aufrecht.
F: Gibt es eine Telefonnummer unter der Ihre Familie erreichbar ist?
A: Ja. XXXX .
F: Haben Sie Kontakt zu Ihrer Familie? Wie gestaltet sich der Kontakt zu Ihrer Familie? Kommunizieren Sie auch über soziale Netzwerke und andere Medien?
A: Ja. Wir telefonieren ein bis zwei Mal die Woche.
F: Seit wann haben Sie Kontakt zu Ihrer Familie?
A: Seit XXXX .
F: Wie haben Sie Kontakt hergestellt?
A: Ich habe zuerst meine Familie verloren. Durch meine Betreuerin habe ich auf Facebook und Instagram gesucht. Ich habe dann meinen Cousin auf Facebook kontaktiert. Durch meinen Cousin habe ich erfahren, dass mein Vater und mein Bruder umgebracht wurden und der Rest meiner Familie im Iran lebt.
F: Unter welchen Umständen lebt Ihre Familie, wovon bestreiten Ihre Angehörigen den Lebensunterhalt, wer versorgt sie etc.?
A: Meine Mutter und meine Schwester arbeiten und finanzieren so das Leben im Iran.
Angaben zum Fluchtgrund:
F: Sind Sie in Ihrer Heimat oder in einem anderen Land vorbestraft bzw. haben Sie im Herkunftsland, oder hier Strafrechtsdelikte begangen?
A: Nein.
F: Werden Sie in der Heimat von der Polizei, einer Staatsanwaltschaft, einem Gericht oder einer sonstigen Behörde gesucht?
A: Nein.
F: Wurden Sie in Ihrer Heimat jemals von den Behörden angehalten, festgenommen oder verhaftet?
A: Nein.
F: Hatten Sie in Ihrer Heimat Probleme mit den Behörden?
A: Nein.
F: Waren Sie in Ihrer Heimat jemals Mitglied einer politischen Gruppierung oder Partei?
A: Nein.
F: Wurden Sie in Ihrer Heimat von staatlicher Seite jemals wegen Ihrer politischen Gesinnung verfolgt?
A: Nein.
F: Wurden Sie in Ihrer Heimat von staatlicher Seite jemals wegen Ihrer Rasse verfolgt?
A: Nein.
F: Wurden Sie in Ihrer Heimat von staatlicher Seite jemals wegen Ihrer Religion verfolgt?
A: Nein.
F: Wurden Sie in Ihrer Heimat von staatlicher Seite jemals wegen Ihrer Nationalität, Volksgruppe oder der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe verfolgt?
A: Nein.
F: Halten Sie Ihre Angaben zu Ihren Fluchtgründen, die Sie im ersten Asylverfahren gemacht haben, aufrecht?
A: Ja.
F: Sie haben bereits am 04.11.2015 einen Asylantrag in Österreich gestellt. Dieser Antrag wurde in zweiter Instanz am 14.04.2018 rechtskräftig negativ entschieden und Sie wurden nach Afghanistan ausgewiesen. Eine außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof wurde ebenfalls zurückgewiesen. Am 05.10.2019 stellten Sie einen zweiten Asylantrag. Was hat sich seit Ihrem letzten Asylantrag an Ihren Fluchtgründen geändert?
A: Ich habe meine Familie wiedergefunden. Und mein Vater und mein Bruder wurden in Afghanistan umgebracht. Ich habe auch Belege dafür, dass mein Vater und mein Bruder ermordet wurden. Ich habe auch ein Foto vom Grab. Diese Unterlagen befinden sich bei meinem Rechtsanwalt Dr. Kapferer.
F: Was ist das für ein Beleg, den Sie über den Tod von Ihren Familienangehörigen haben?
A: Es ist eine Bestätigung der Polizei von der XXXX .
F: Woher haben Sie diese Bestätigung?
A: Mein Onkel hat mir diese Bestätigung geschickt.
F: Handelt es sich bei der Bestätigung um ein Original?
A: Nein. Ich habe ihn gebeten mir das Original zu schicken, aber ich habe das nicht erhalten. Ich habe ein Foto von dieser Bestätigung. Ich habe diese Bestätigung auch übersetzen lassen und diese liegt bei meinem Anwalt.
F: Was wissen Sie konkret über die Umstände des Todes Ihrer Familienangehörigen. Machen Sie dazu konkrete Angaben.
A: Wir hatten in Afghanistan Feinde. Der Feind heißt Kommandant XXXX . Mein Vater und mein Bruder wurden in der Provinz XXXX festgenommen und dort erschossen.
F: Von wem wurden Sie erschossen?
A: Von unbekannten Personen.
F: Wie weit ist XXXX von Ihrem Wohnort in Kabul entfernt?
A: Ich kann es nicht genau sagen, aber ungefähr von hier bis Salzburg.
F: Was machten Ihr Vater und Ihr Bruder in XXXX ?
A: Als wir zusammen geflüchtet sind, habe ich meine Familie zwischen Griechenland und Türkei an der Grenze verloren. Als meine Familie dann in der Türkei war, wollte meine Familie in den Iran gehen, weil sie in der Türkei Probleme hatten wegen der Sprache und der Sicherheit. Sie wurden dann getrennt. Die Frauen und Kinder in einem und die Männer in einem anderen Auto. Meine Mutter und meine Geschwister sind durchgekommen, aber mein Vater und mein Bruder wurden von der Polizei an der iranischen Grenze erwischt. Dann haben sie meinen Vater und meinen Bruder nach Afghanistan zurückgeschickt. Sie gingen dann zu meinem Onkel und blieben dort drei Tage. Mein Vater hatte Grundstücke in XXXX und wollte nachschauen gehen. Mein Onkel konnte sie dann nicht mehr erreichen. Ein paar Tage später haben sie dann die Leichen von meinem Vater und meinem Bruder gefunden.
F: Hat die Polizei Ermittlungen gemacht?
A: Ja, aber sie haben niemanden gefunden.
F: Wo lebt Ihr Onkel in Afghanistan?
A: Er lebt auch in der Stadt Kabul.
F: Wie weit entfernt von Ihrem Wohnort?
A: Das weiß ich nicht, aber in einem anderen Stadtteil.
Vorhalt: Es ist nicht nachvollziehbar, dass Ihr Vater und Ihr Bruder, wenn sie tatsächlich nach Afghanistan abgeschoben worden wären, sich wieder nach Kabul begeben hätten. Zudem ist nicht nachvollziehbar, dass Ihr Vater dann nach den Grundstücken gesehen hätte, wenn er zuvor ausgereist wäre, weil die Lage so gefährlich gewesen wäre. Was sagen Sie dazu?
A: Das weiß ich leider auch nicht, warum er diese Entscheidung getroffen. Den Grund dafür weiß ich nicht.
F: Stand Ihre Mutter in Kontakt mit Ihrem Vater, als dieser in Afghanistan war?
A: Ja, einmal haben sie schon geredet.
F: Woher hat Ihre Mutter erfahren, was mit Ihrem Vater und Ihrem Bruder passiert ist?
A: Durch meinen Onkel.
Vorhalt: Ihr Vater hatte Probleme mit einem Kommandanten namens XXXX wegen Grundstücken haben Sie erklärt. Nachdem Ihr Vater nun umgebracht wurde, ist nicht davon auszugehen, dass Sie im Falle der Rückkehr dann noch Probleme haben würden. Was sagen Sie dazu?
A: Ich bin der älteste Sohn in der Familie. Ich bin auch erbberechtigt. Sobald sie das mitbekommen, dass ich zurückgekommen bin, gehen sie davon aus, dass ich Rache nehme und dann finden sie mich auch. Deshalb ist auch mein Leben in Gefahr. Wenn man in Afghanistan Feinde hat, dann werden sie alles dafür tun, damit kein Mitglied dieser Familie am Leben bleibt. Mein Bruder war 11 Jahre alt und dieser wurde ebenfalls umgebracht.
Vorhalt: Ihre Fluchtgründe wurden bereits im ersten Asylverfahren sowohl vom BFA als auch vom Bundesverwaltungsgericht als unglaubwürdig gewertet. Somit ist auch davon auszugehen, dass Ihr heutiges Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Was sagen Sie dazu?
A: Ich habe nur die Wahrheit gesagt, so wie es war.
Aufforderung: Sie werden aufgefordert innerhalb der 2 Wochen auch die Unterlagen betreffend die Ermordung Ihrer Familienangehörigen in Vorlage zu bringen. Haben Sie das verstanden?
A: Ja, das habe ich verstanden.
F: Sie haben gesagt, dass Sie Kontakt hatten mit Ihrem Cousin in Afghanistan. Ist dieser Kontakt ebenfalls abgebrochen?
A: Ich habe seit drei Monaten weder Kontakt zu meinem Onkel noch zu meinem Cousin. Weder mein Onkel noch mein Cousin sind erreichbar.
F: Sie werden nochmals auf das Neuerungsverbot im Beschwerdeverfahren aufmerksam gemacht. Ich frage Sie daher jetzt nochmals, ob Sie noch etwas Asylrelevantes angeben möchten oder etwas vorbringen möchten, was Ihnen wichtig erscheint, ich jedoch nicht gefragt habe?
A: Ich möchte wegen der momentanen Sicherheit in Afghanistan etwas sagen. Die Sicherheit in Afghanistan ist zur Zeit sehr schlecht. Mein Zustand ist auch aufgrund meiner psychischen Situation nicht gut. Ich weine oft, wenn ich alleine bin. Ich habe auch angefangen Alkohol zu trinken.
F: Wenn Sie Alkohol trinken wird sich das dann auch auf die schulischen Leistungen auswirken und Ihre Probleme auch nicht lösen. Es ist besser, wenn Sie mit Ihrer Betreuerin schauen, dass Sie in die Grundversorgung aufgenommen werden um wieder die ärztliche Behandlung in Anspruch nehmen zu können.
A: Ja, das weiß ich. Ich habe immer brav gearbeitet, habe die Ausbildungen gemacht und war nie kriminell. Mein Wunsch ist, dass ich hierbleiben darf.
F: Was hätten Sie im Falle einer eventuellen Rückkehr in Ihre Heimat konkret zu befürchten?
A: Ich war ein Kind als ich Afghanistan verlassen habe. Ich kenne mich dort nicht aus.
Vorhalt: Sie waren damals 17 Jahre alt als Sie Afghanistan verlassen haben.
A: Ich war 15 Jahre alt.
F: Ihr Geburtsdatum haben Sie mit XXXX angegeben.
A: Ich habe mein Geburtsdatum geändert, damit ich bei meiner Tante übernachten konnte. Ich lebte damals in XXXX und sie in der XXXX .
F: Dann haben Sie gelogen und sich älter gemacht.
A: Ich habe nicht gelogen.
F: Wann wurden Sie geboren?
A: Ich weiß es nicht genau. Als ich nach Österreich gekommen bin war ich 15 Jahre alt.
F: Hätten Sie Probleme mit der Polizei oder anderen Behörden im Falle Ihrer Rückkehr?
A: Nein.
F: Wissen Sie über die aktuelle politische Lage und über die Sicherheitslage in Ihrer Heimat Bescheid?
A: Ja, darüber weiß ich Bescheid.
(...)
Anmerkung: Dem AW werden die Feststellungen persönlich ausgehändigt.
Angaben zum Privat- und Familienleben:
F: Wann sind Sie nach Österreich eingereist?
A: Im November 2015.
F: Seit wann sind Sie in Österreich aufhältig?
A: Seit November 2015.
F: Hatten Sie in Österreich oder in der EU jemals einen gültigen Aufenthaltstitel oder Visum zur Begründung eines legalen Aufenthaltes?
A: Nein.
F: Wie sieht Ihr Alltag in Österreich aus?
A: Ich bin überwiegend bei meiner Tante. Ich kann derzeit die Schule nicht mehr besuchen, weil die Leiterin der Schule gemeint hat, dass ich abgeschoben werde. Ich bin den ganzen Tag zu Hause.
F: Sind Sie seit Ihrer Einreise nach Österreich einer legalen Beschäftigung nachgegangen?
A: Ich habe gemeinnützig im Altersheim gearbeitet.
F: Wie würden Sie Ihren Lebensunterhalt in Österreich bestreiten, falls Sie hierbleiben könnten?
A: Ich möchte meine Ausbildung zu Ende machen und wie alle anderen dann arbeiten. Ich möchte sehr fleißig sein.
F: Wann dürfen Sie die Schule fortsetzen?
A: Ich habe zu viel gefehlt in der Schule, weil ich 1,5 Woche in XXXX war. Ich kann die Schule wieder anfangen, wenn mein Aufenthaltsstatus geklärt ist, weil so ist das nicht möglich hat meine Chefin gemeint.
F: Von welchen finanziellen Mitteln leben Sie hier in Österreich? Welche Unterstützungen beziehen Sie?
A: Meine Tante unterstützt mich und meine Vertrauenspersonen unterstützen mich. Ich bekomme Gutscheine zum Einkaufen und meine ehemalige Arbeitskollegin hat mir Kleidung gekauft.
F: Wer ist XXXX ?
A: Eine ehemalige Arbeitskollegin aus dem Altenwohnheim XXXX . Wir haben fast 1,5 Jahre gemeinsam gearbeitet.
F: Wo haben Sie bis zum Abschluss des ersten Asylverfahrens gelebt?
A: Im Flüchtlingsheim XXXX . Sie können mich nur wiederaufnehmen, wenn sie von Wien eine Bestätigung bekommen.
F: Sie sind derzeit obdachlos gemeldet. Können Sie sich bei Ihrer Tante anmelden?
A: Wir haben am Donnerstag einen Termin wegen der Aufnahme in die Grundversorgung. Ich habe jetzt wieder die weiße Karte mit der grünen Karte war das nicht möglich.
F: Wie lange haben Sie die Schule XXXX besucht?
A: Vom 09.09.2019 bis 05.10.2019.
F: Verfügen Sie über einen Schulabschluss, der der allgemeinen Universitätsreife entspricht oder haben Sie einen Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule?
A: Nein.
F: Sind Sie Mitglied in einem Verein oder in einer Organisation?
A: Nein. Ich war vorher 1,5 Jahre lang in einem Fitnessstudio.
F: Was machen Sie zurzeit wenn Sie keine Schule besuchen?
A: Ich mache derzeit nichts. Ich bin überwiegend bei meiner Tante zu Hause. Manchmal treffe ich mich mit meinen Cousins oder übernachte auch bei ihnen.
F: Haben Sie mit Ihrer Tante zuvor jemals in einem gemeinsamen Haushalt gelebt und wenn ja, wann, wo und wie lange?
A: Wir waren in der XXXX 2 Jahre lang im selben Heim. Ich hatte dort ein Zimmer mit meinem Cousin. In Afghanistan haben wir nicht gemeinsam gelebt.
F: Waren Sie jemals Zeuge oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel?
A: Nein.
F: Wurden Sie in Österreich jemals Opfer von Gewalt und haben Sie sich diesbezüglich an die örtlichen Sicherheitsbehörden bzw. an ein Gericht (§382e EO - Allgemeiner Schutz vor Gewalt) gewandt?
A: Nein.
Anmerkung: Die Vertrauensperson XXXX verlässt um 10:55 Uhr den Einvernahmeraum.
F: Die Befragung wird hiermit beendet. Wollen Sie zu Ihrem Asylverfahren sonst noch etwas vorbringen, was Ihnen von Bedeutung erscheint?
A: Ich lebe seit über vier Jahren hier. Ich habe immer versucht mich zu integrieren und fleißig zu sein. Ich habe nichts Schlechtes in Österreich gemacht. Ich habe immer eine Schule besucht. Ich habe eine Ausbildung als Koch gefunden, aber keine Arbeitsbewilligung vom AMS bekommen. Ich habe auch einen Arbeitsvorvertrag. Ich habe viele Freunde hier in Österreich. Meine Tante und deren Familie ist hier, sie sind wie ein Teil meiner Familie. Derya (Vertrauensperson) ist wie eine Mutter für mich. Wir kennen uns seit einem Jahr. Sie wollte mich auch adoptieren. Ich hätte vier Jahre bei ihr gemeldet sein müssen, damit eine Adoption möglich ist.
F: Welche Freunde haben Sie in Österreich?
A: Ich habe Arbeitskollegen, Freunde aus der Schule und aus dem Fitnessstudio.
F: Was unternehmen Sie mit Ihren Freunden?
A: Am Wochenende gehen wir raus und unternehmen etwas. Wir haben auch öfters Fußball und Volleyball gespielt.
F: Wie viele enge Freunde haben Sie hier?
A: 2 sehr enge Freunde. XXXX hat Asyl und XXXX hat subsidiären Schutz in Österreich. Ich habe sie im Flüchtlingsheim kennen gelernt und wir waren im gleichen Fitnessstudio.
Ich war jung als ich in Afghanistan war und ich kenne mich mit den Bräuchen nicht so gut aus. Ich kenne mich auch sonst in Afghanistan nicht so gut aus. Seitdem ich hier bin, habe ich viele Freunde gewonnen. Ich kann auf keinen Fall zurückgehen und ich möchte gerne hierbleiben. Lieber werde ich hier umgebracht, als wieder zurückgeschickt nach Afghanistan.
F: Hatten Sie die Gelegenheit alles zu sagen, was Sie wollten?
A: Ja, das hatte ich. Ich hatte die Gelegenheit alles vorzubringen, was mir wichtig war.
(...)"
21. Am 07.02.2020 wurde der BF im Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl - Regionaldirektion Tirol, Außenstelle Innsbruck im Beisein eines vom BFA bestellten und beeideten Dolmetschers in der Sprache Dari und einer Vertrauensperson von der zur Entscheidung berufenen Organwalterin des Bundesamtes einvernommen:
"(...)
F: Wie geht es Ihnen. Sind Sie psychisch und physisch in der Lage, Angaben zu Ihrem Verfahren zu machen?
A: Ja, ich bin dazu in der Lage. Ich habe keine physischen oder psychischen Probleme.
Erklärung: Sie haben bereits am 04.11.2015 einen Asylantrag in Österreich gestellt. Dieser Antrag wurde in zweiter Instanz am 14.04.2018 rechtskräftig negativ entschieden und Sie wurden nach Afghanistan ausgewiesen. Eine außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof wurde ebenfalls zurückgewiesen. Am 05.10.2019 stellten Sie einen zweiten Asylantrag. Sie wurden dazu am 18.12.2019 bereits einvernommen. Möchten Sie zu Ihren Asylgründen noch etwas vorbringen bzw. hat sich seit der letzten Einvernahme im Dezember 2019 etwas geändert?
A: Die Sicherheitslage hat sich in Afghanistan verschlechtert. Derzeit herrscht eine gefährliche politische Lage in Afghanistan. Im September 2019 gab es auch Wahlen.
F: Die allgemeine Lage in Afghanistan ist der Behörde bekannt. Wollen Sie hinsichtlich Ihrer Person noch etwas vorbringen, was Sie bei Ihrer Einvernahme im Dezember 2019 noch nicht vorgebracht haben?
A: Ich bleibe bei meinen Angaben vom Dezember 2019. Meine Lage hat sich seither nicht geändert.
Feststellung: Sie haben am 04.11.2015 in Österreich einen Asylantrag gestellt, welcher am 14.04.2018 in zweiter Instanz rechtskräftig negativ entschieden wurde. Ihnen wurde damals eine 14-tägige Ausreisefrist eingeräumt bis 30.04.2018. Sie haben sich somit ab diesem Zeitpunkt bis zur neuerlichen Asylantragstellung am 05.10.2019 illegal im Bundesgebiet aufgehalten und sind Ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen. Sie haben somit eine gerichtliche Entscheidung negiert. Zudem verfügen Sie über keine Mittel für Ihren Unterhalt, da Sie sich wieder in der Grundversorgung befinden.
Aufgrund dessen ist beabsichtigt, gegen Sie eine Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich zu erlassen.
Möchten Sie sich dazu äußern?
A: Ich habe damals nach der negativen Entscheidung eine Revision gemacht und noch einen Antrag.
Feststellung: Ihnen wurde vom VwGH keine aufschiebende Wirkung zuerkannt und auch Ihr Antrag auf Erteilung eines Titels gem. § 55 AsylG begründete kein Aufenthaltsrecht, weshalb Ihr Aufenthalt illegal war. Haben Sie das verstanden?
A: Das habe ich verstanden. Ich bin hier in die Schule gegangen und habe eine Ausbildung gemacht. Ich habe auch gearbeitet. Ich wollte das einfach nicht so lassen und wieder nach Afghanistan zurückgehen. Mein Leben ist in Afghanistan in Gefahr. Wenn sie mich erwischen, dann bringen sie mich um.
F: Erhalten Sie Unterstützungen (z.B. Sozialhilfe, Arbeitslosengeld etc.) und wenn ja, welche beziehen Sie?
A: Ich lebe jetzt wieder im Flüchtlingsheim in XXXX . Ich bekomme Grundversorgung.
F: Verfügen Sie über Barmittel?
A: Nein.
F: Haben Sie Verwandte im europäischen Raum?
A: Meine Tante und deren Familie lebt hier in Österreich. Sonst habe ich keine Verwandte in der EU.
F: Wie sieht Ihr Alltag in Österreich derzeit aus?
A: Seit 17.01.2020 bin ich wieder in der Grundversorgung. Ich hatte in den letzten 2 Wochen mehrere Arzttermine, weil ich an Schlaflosigkeit leide und viel Stress habe.
F: Haben Sie aktuelle ärztliche Unterlagen dabei?
A: Ja.(...)"
Der Beschwerdeführer legt folgende Unterlagen vor:
- Arbeitsunfähigkeitsmeldung ab 31.01.2020 bis 05.02.2020, vom 31.01.2020 auf Nachfrage wegen eines Magen-Darmvirus und Schnupfen
- Verordnung einer österreichischen Klinik für Psychiatrie vom 04.02.2020 einer halben Tablette Mirtazapin 30 mg (Anmerkung BVwG: serotonerge Antidepressiva) vor dem Schlaf
Der Beschwerdeführer gab weiters in der Einvernahme am 07.02.2020 vor dem BFA wie folgt an:
"(...)
F: Befinden Sie sich aktuell in psychologischer Behandlung?
A: Ja, bei XXXX . Ich war gestern auch dort. Ich kann heute Nachmittag nochmal kommen und auch nächste Woche.
F: Nehmen Sie außer den Tabletten Mirtazapin noch Medikamente derzeit ein?
A: Nein, ich muss zuerst noch einen Termin bei den Psychologen ausmachen und dann bekomme ich vielleicht noch andere Medikamente.
Feststellung: Gem. § 35 AVG 1991 kann die Behörde gegen Personen, die offenbar mutwillig die Tätigkeit einer Behörde in Anspruch nehmen oder in der Absicht einer Verschleppung der Angelegenheit unrichtige Angaben machen, eine Mutwillensstrafe bis zu ? 726,-- verhängen.
Da Sie offensichtlich mehrfach unbegründete Asylanträge gestellt haben, wird in Ihrem Fall eine Mutwillensstrafe geprüft. Wollen Sie sich dazu äußern? (Dem Antragsteller wird dies konkret erklärt)
A: Ich habe das verstanden. Aber ich habe ja gesagt, dass nun auch mein Vater und mein Bruder noch umgebracht wurden. Ich habe massive Probleme in Afghanistan. Ich kann dorthin nicht zurück. Ich habe die Wahrheit gesagt. (AW weint)
Ich habe auch Unterlagen vorgelegt. Ich bin dort wirklich in Gefahr. Niemand ist bereit seine Familie zu verlassen und in ein fremdes Land zu gehen, wenn sein Leben dort nicht in Gefahr wäre. Derzeit lebt meine Mutter und meine Geschwister im Iran. Sie können auch nicht nach Afghanistan. Wenn ich nach Afghanistan zurückkehre, dann ist mein Leben dort in Gefahr.
F: Die Befragung wird hiermit beendet. Wollen Sie zu Ihrem Verfahren sonst noch etwas vorbringen, was Ihnen von Bedeutung erscheint?
A: Ich bin seit fast fünf Jahren hier in Österreich. Ich habe nichts gegen die Gesetze unternommen. Ich möchte gerne hier in Frieden und in Ruhe leben. Mein Wunsch ist, dass ich in Österreich in Sicherheit lebe und ohne Angst hier sein kann. Ende März habe ich wieder einen Termin für die Schule und ich möchte gerne die Ausbildung beenden. Ich möchte wie jeder andere Mensch ganz normal hier in Österreich leben.
(...)"
22. Mit nunmehr angefohtenem Bescheid des BFA vom 12.02.2020, Zl. 1093602404-191013935, wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 16.05.2018 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkt I. und II.). Das BFA erteilte dem BF keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG und stellte fest, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkte IV. und V.). Gemäß § 55 Abs. 1a 3 FPG wurde keine Frist für die freiwillige Ausreise erteilt (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG wurde ein auf Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).
Begründend wurde insbesondere ausgeführt, dass dem Fluchtvorbringen des BF bereits bei seinem Asylantrag die Asylrelevanz bzw. die Glaubwürdigkeit abgesprochen worden sei. Es wurde festgestellt, dass der BF zu seinem ersten Asylantrag ausführlich zum Fluchtweg und Fluchtgrund befragt worden sei und hierbei sowie auch im Zuge der weiteren Verfahren hinreichend Gelegenheit gehabt hätte, alle seine Fluchtgründe wahrheitsgemäß vorzubringen. Es stehe für das BFA fest, dass der BF keinen neuen maßgeblichen Sachverhalt im Zuge seiner Erstbefragung am 05.10.2019 und bei seiner Einvernahme vor dem Bundesamt vom 18.12.2019 in diesem Verfahren geltend gemacht habe. Unter Berücksichtigung aller bekannter Umstände habe nicht festgestellt werden können, dass bei einer Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung nach Afghanistan für den BF eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Der BF habe bei der Stellung seines zweiten Asylantrags keine neuen Asylgründe vorgebracht, sondern lediglich auf den schon im ersten Verfahren als unglaubwürdig und nicht asylrelevant befundenem Vorbringen beharrt. Der BF habe nunmehr vorgebracht, dass sein Vater und Bruder in Afghanistan wegen den bereits geschilderten Problemen umgebracht worden wären und der BF dafür nunmehr auch Beweise hätte. Eingehend dazu befragt habe der BF angegeben, dass sein Vater und Bruder auf der Flucht an der iranischen Grenze erwischt worden wären und dann wären sie wieder nach Afghanistan geschickt worden. Sie wären dann wieder zum Onkel nach Kabul gegangen. Ihr Vater hätte Grundstücke in XXXX gehabt und sie wären dorthin gefahren. Ein paar Tage später hätte man dann die Leichen vom Vater und Bruder gefunden. Es sei jedoch absolut nicht nachvollziehbar, dass der Vater zunächst mit der gesamten Familie geflüchtet wäre um dann wieder nach Kabul zu reisen und dann auch noch nach den Grundstücken zu sehen. Eine derartige Vorgangsweise entbehrt jeder Logik. Da bereits das gesamte Fluchtvorbringen im ersten Verfahren sowohl vom Bundesamt als auch vom Bundesverwaltungsgericht als unglaubwürdig qualifiziert worden sei, könne dem darauf gestützten nunmehrigen Vorbringen des BF ebenfalls nicht geglaubt werden. Daran würden auch die vom BF vorgelegten Beweismittel nichts ändern. Zum einen handle es sich bei der vorgelegten Bestätigung nicht um ein Original, zum anderen habe der BF bis dato nicht einmal seine Identität glaubhaft machen können, weshalb schon aufgrund dessen kein Zusammenhang zwischen dem BF und dem vorgelegten Schreiben hergestellt werden könne. In Bezug auf das vom BF vorgelegte Dokument - einer Bestätigung der Polizei von der XXXX - wurde auszuführen, dass dieses nach Ansicht des BFA keinen hinreichend sicheren Beleg für das Vorbringen des BF bilden könne, da derartige von afghanischen Asylwerbern häufig vorgelegten Dokumente als zweifelhaft und bedenklich einzustufen. Der BF habe somit nicht glaubhaft dazulegen vermocht, dass er im Falle der Rückkehr keine Lebensgrundlage mehr habe, weil ihm zugemutet werden könn