TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/23 W261 2193098-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.03.2020
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Entscheidungsdatum

23.03.2020

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55 Abs1 Z2
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §55
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W261 2193098-1/18E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.03.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchteile I., II. und III. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abgewiesen.

II. In Erledigung der Beschwerde gegen die Spruchteile IV. und V. wird festgestellt, dass gemäß § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan auf Dauer unzulässig ist, und dem Beschwerdeführer der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" erteilt wird.

III. Der Spruchteil VI. des angefochtenen Bescheides wird ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Angehöriger der Volksgruppe der Sadat, stellte am 08.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Die Erstbefragung fand am 09.10.2015 statt. Dabei gab der Beschwerdeführer an, dass er in Maidan Wardak geboren und als Kleinkind mit seiner Familie nach XXXX , Iran, auswanderte, wo er aufwuchs und bis zu seiner Ausreise lebte. Er habe den Iran verlassen, um gemeinsam mit seiner Ehefrau, einer Asylberechtigten, welche in Österreich lebt, zusammenleben zu können.

2. Die Ersteinvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) fand am 12.03.2018 statt. Dabei gab der Beschwerdeführer an, dass er mit seiner Ehefrau zusammenlebe, diese erwarte ein Kind von ihm.

3. Mit dem angefochtenen Bescheid wies das Bundesamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz zur Gänze ab (Spruchpunkte I. und II.). Es wurde dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkte III. bis V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen/2 Wochen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).

Begründend führte das Bundesamt aus, dass der Beschwerdeführer keine Gefährdungslage für seine Person in Afghanistan glaubhaft gemacht habe. Er könne aufgrund der dort herrschenden Sicherheitslage nicht in seine Herkunftsprovinz zurückkehren, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative, er könne seinen Lebensunterhalt in Kabul bestreiten. Er sei zwar traditionell mit einer in Österreich lebenden Asylberechtigten afghanischen Staatsbürgerin verheiratet, habe jedoch keine Verwandten in Österreich. Der Beschwerdeführer verfüge in Österreich zudem über kein schützenswertes Privat- und Familienleben, welches einer Rückkehrentscheidung entgegenstehen würde.

4. Der Beschwerdeführer, bevollmächtigt vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, erhob gegen den Bescheid fristgerecht Beschwerde in vollem Umfang. Er brachte im Wesentlichen vor, dass der Beschwerdeführer als Mitglied der Volksgruppe der Sadat, als schiitischer Moslem, als westlich orientierte Person, welche ihr ganzes Leben in Iran gelebt habe, ohne besondere Qualifizierung oder Fachausbildung, als Person, welche noch nie in Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat gelebt habe aufgrund der derzeitigen prekären humanitären Situation, die durch mangelnden Zugang zu sicherer und ausreichender Unterkunft, existenzsichernder Arbeit und (medizinischer) Grundversorgung gekennzeichnet sei, nicht in der Lage sei, seine existenziellen Grundbedürfnisse zu sichern. Eine Rückkehr sei dem Beschwerdeführer jedenfalls unzumutbar. Das Ermittlungsverfahren sei mangelhaft geblieben ebenso die Länderfeststellungen. Der Beschwerdeführer würde mehren Risikoprofilen der UNHCR Richtlinie entsprechen, insbesondere als "verwestlicht wahrgenommene Person", als "Person, welche gegen die islamischen Grundsätze, Normen und Werte gemäß der Auslegung regierungsfeindlicher Kräfte verstoßen haben" und als Mann, "der angeblich gegen die gesellschaftlichen Normen verstoßen hat". Dem Beschwerdeführer wäre bei richtiger Beweiswürdigung und richtiger rechtlicher Beurteilung internationaler Schutz zu gewähren gewesen, jedenfalls jedoch subsidiärer Schutz. Eine Rückkehrentscheidung sei jedenfalls auf Dauer unzulässig, weil der Beschwerdeführer ein geschütztes Privat- und Familienleben in Österreich habe, es würde dem Kindeswohl des von der Ehefrau des Beschwerdeführers erwarteten Kindes widersprechen, wenn der Beschwerdeführer abgeschoben werden würde. Der Beschwerdeführer schloss der Beschwerde Integrationsunterlagen und einen Artikel von Fredericke STAHLMANN, "Überleben in Afghanistan", aus dem Asylmagazin 03/2017 an.

5. Die belangte Behörde legte das Beschwerdeverfahren mit Schreiben vom 18.04.2018 dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor, wo dieses am 20.04.2018 in der Gerichtsabteilung W263 einlangte.

6. Die belangte Behörde teilte dem Bundesverwaltungsgericht am 23.11.2018 mit, dass der Beschwerdeführer und seine Ehefrau, welche er bereits im Iran traditionell geheiratet hatte, am XXXX nach österreichischem Recht die Ehe geschlossen hätten. Der Beschwerdeführer übermittelte dem Bundesverwaltungsgericht durch seine bevollmächtigte Vertretung am 18.07.2019 eine Kopie der Heiratsurkunde.

7. Der Beschwerdeführer beschwerte sich im November 2019 bei der Volksanwaltschaft über die lange Verfahrensdauer des Beschwerdeverfahrens.

8. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 21.02.2020 wurde das gegenständliche Beschwerdeverfahren der Gerichtsabteilung W263 abgenommen und der Gerichtsabteilung W261 neu zugewiesen, wo dieses am 27.01.2020 einlangte.

9. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 25.02.2020 eine mündliche Verhandlung durch, im Zuge derer der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen und der Situation im Falle seiner Rückkehr befragt wurde. Der Beschwerdeführer legte aktuelle Integrationsunterlagen vor. Das Bundesverwaltungsgericht legte die aktuellen Länderinformationen vor, und räumte den Parteien des Verfahrens die Möglichkeit ein, hierzu eine Stellungnahme abzugeben.

10. Der Beschwerdeführer, bevollmächtigt vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, führte in seiner Stellungnahme vom 02.03.2020 im Wesentlichen aus, dass es ihm aufgrund des Umstandes, dass er in Iran aufgewachsen sei, er über kein familiäres oder soziales Netzwerk in Afghanistan verfüge und im Hinblick auf die prekäre Sicherheits-, Versorgungs-, Arbeitsmarkts- und humanitären Lage, nicht zumutbar sei, nach Afghanistan zurückzukehren. Eine innerstaatliche Flucht- und Schutzalternative stehe dem Beschwerdeführer daher nicht zur Verfügung, weswegen ihm subsidiärer Schutz zu erteilen sei. Der Beschwerdeführer weise in Österreich ein schützenswertes Familienleben nach Art. 8 EMRK auf, er habe die Pflichtschulabschlussprüfung in "Deutsch - Kommunikation und Gesellschaft" im Rahmen der Pflichtschulabschlussprüfung erfolgreich bestanden, weswegen ihm jedenfalls eine Aufenthaltsberechtigung plus gemäß § 55 Abs. 1 AsylG zu erteilen sei. Das Bundesverwaltungsgericht übermittelte diese Stellungnahme am 03.03.2020 zur Information an die belangte Behörde.

11. Die belangte Behörde gab mit Eingabe vom 05.03.2020 eine umfangreiche Stellungnahme ab, worin diese im Wesentlichen ausführte, dass davon auszugehen sei, dass aufgrund des Umstandes, dass der Beschwerdeführer in seiner letzten Stellungnahme in keiner Weise auf ein asylrelevantes Vorbringen eingegangen sei, dieser wohl auch selbst davon ausgehe, dass kein asylrelevanter Fluchtgrund vorliege. Der Beschwerdeführer habe im gesamten Verfahren keine Gründe vorgebracht, weswegen es ihm als jungen, gesunden, arbeitsfähigen Mann nicht zumutbar sei solle, in eine der Städte Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif zurückzukehren. Sämtliche vom Beschwerdeführer gesetzten Integrationsmaßnahmen seien im Wissen um den unsicheren Aufenthalt erfolgt, dies habe der VwGH auch mehrfach so erkannt, insbesondere im Hinblick darauf, wenn der Aufenthalt lediglich auf unberechtigten Asylanträgen zurückzuführen sei. Auch der EGMR habe mehrfach ausgesprochen, dass ein im unsicheren Status legitimiertes Familienverhältnis als minder zu werten, und eine Abschiebung in diesen Fällen zulässig sei. Daher würden auch die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung nicht vorliegen. Das Bundesverwaltungsgericht übermittelte die Stellungnahme am 06.03.2020 an den Beschwerdeführer.

12. Der Beschwerdeführer gab am 13.03.2020 durch seinen bevollmächtigten Vertreter eine ergänzende Stellungnahme ab, wonach keinesfalls kein asylrelevantes Vorbringen erstattet worden sei, diesbezüglich werde auf die Ausführungen in der Beschwerde verwiesen. Die belangte Behörde verkenne den Umstand, dass der VfGH davon ausgehe, dass für Afghanen, welche im Iran aufgewachsen seien, grundsätzlich keine innerstaatliche Fluchtalternative bestehe, und zu begründen sei, weswegen ausnahmsweise eine solche vorliege. Hinsichtlich der Rückkehrentscheidung werde ebenfalls auf eine zitierte Entscheidung des VfGH verwiesen, worin auf die Relevanz des Familienlebens hingewiesen werde, selbst wenn dieses während eines unsicheren Aufenthaltes eingegangen worden sei. Darin werde thematisiert, dass zu berücksichtigen sei, wenn die Familienmitglieder asylberechtigt seien, und eine Fortsetzung des Familienlebens im Heimatstaat daher nicht möglich sei. Letztendlich werde auch darauf hingewiesen, dass die Annahme der möglichen Aufrechterhaltung des Kontaktes zwischen einem Kleinkind und einem Elternteil durch Telekommunikation und elektronische Medien lebensfremd sei. Daher sei, der Rechtsansicht des VfGH folgend, dem Beschwerdeführer jedenfalls ein Aufenthaltstitel zu erteilen. Das Bundesverwaltungsgericht übermittelte diese Stellungnahme der belangten Behörde mit Schreiben vom 13.03.2020 zur Information.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX . Er ist afghanischer Staatsangehöriger und gehört der Volksgruppe der Sayed Sadat an. Er ist schiitischer Moslem. Seine Muttersprache ist Dari. Er spricht zudem Deutsch auf Niveau B2, Farsi und Englisch.

Der Beschwerdeführer wurde in der Provinz Maidan Wardak, im Distrikt Maydanshar geboren. Seine Familie wanderte in den Iran aus, als der BF ca. 1 1/2 Jahre alt war. Er wuchs im Iran gemeinsam mit seinen Eltern und seinen drei Geschwistern, zwei Brüdern und einer Schwester, auf. Der Vater des Beschwerdeführers sorgte als Tagelöhner für den Lebensunterhalt seiner Familie. Ein Bruder des Beschwerdeführers arbeitet als Schneider.

Der Beschwerdeführer besuchte sechs Jahre lang im Iran die Grundschule. Der Beschwerdeführer erlernte den Beruf des Schneiders. Er arbeitete seit seinem 12. bis 13. Lebensjahr bis zu seiner Ausreise aus dem Iran im Jahr 2015 als Schneider.

Der Beschwerdeführer hat keine Verwandten in Afghanistan.

Der Beschwerdeführer ist nach den afghanischen Gepflogenheiten und der afghanischen Kultur sozialisiert, er ist mit den afghanischen Gepflogenheiten vertraut.

Der Beschwerdeführer ist seit dem Jahr 2014 mit XXXX , geboren am XXXX , StA. Afghanistan, traditionell und seit XXXX nach österreichischem Recht verheiratet. Der Ehe entstammt ein Sohn, XXXX , geboren am XXXX . Die Ehefrau und der mj. eheliche Sohn des Beschwerdeführers sind international Schutzberechtigte.

Der Beschwerdeführer ist gesund.

1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

1.2.1. Weder der Beschwerdeführer noch seine Familie wurden in Afghanistan jemals von den Taliban oder von anderen Personen aufgesucht oder von diesen bedroht.

Der Beschwerdeführer ist wegen seines Aufenthalts in einem westlichen Land oder wegen seiner Wertehaltung in Afghanistan keinen psychischen oder physischen Eingriffen in seine körperliche Integrität ausgesetzt. Der Beschwerdeführer hat sich in Österreich keine Lebenseinstellung angeeignet, die einen nachhaltigen und deutlichen Bruch mit den allgemein verbreiteten gesellschaftlichen Werten in Afghanistan darstellt. Es liegt keine westliche Lebenseinstellung beim Beschwerdeführer vor, die wesentlicher Bestandteil seiner Persönlichkeit geworden ist, und die ihn in Afghanistan exponieren würde.

Der Beschwerdeführer verließ den Iran, um mit seiner Ehefrau in Österreich leben zu können und um hier eine Ausbildung machen zu können. Weitere Gründe waren, dass er im Iran als Afghane ohne Dokumente diskriminiert wurde, er Angst vor eine Abschiebung nach Afghanistan hatte bzw. befürchtete, in den Syrienkrieg ziehen zu müssen.

1.2.2. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan drohen dem Beschwerdeführer individuell und konkret weder Lebensgefahr noch ein Eingriff in seine körperliche Integrität.

Dem Beschwerdeführer droht bei einer Rückkehr nach Afghanistan wegen seiner Zugehörigkeit zur Religionsgemeinschaft der Schiiten oder zur Volksgruppe der Sayed Sadat konkret und individuell weder physische noch psychische Gewalt.

Der Beschwerdeführer ist bei einer Rückkehr nach Afghanistan aufgrund seines in Österreich ausgeübten Lebensstils oder seinem Aufenthalt in einem europäischen Land weder psychischer noch physischer Gewalt ausgesetzt.

1.3. Zum (Privat)Leben der Beschwerdeführer in Österreich:

Der Beschwerdeführer reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich ein und hält sich zumindest seit Oktober 2015 durchgehend in Österreich auf. Er ist nach seinem Antrag auf internationalen Schutz vom 08.10.2015 in Österreich aufgrund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG durchgehend rechtmäßig aufhältig.

Der Beschwerdeführer verfügt über Deutschkenntnisse auf Niveau B2.

Der Beschwerdeführer lebt von der Grundversorgung, er ist am österreichischen Arbeitsmarkt nicht integriert und geht keiner Erwerbstätigkeit nach. Er verfügt über keine verbindliche Arbeitszusage.

Der Beschwerdeführer lebt mit seiner Ehefrau und dem ehelichen Sohn in Österreich in einem gemeinsamen Haushalt. Die Ehefrau des Beschwerdeführers bezieht für sich und den gemeinsamen ehelichen Sohn Karenzgeld.

Der Beschwerdeführer bestand am 22.03.2018 die Pflichtschulabschlussprüfung an der Neuen Mittelschule, Schwerpunkt Informatik in XXXX Wien. Im Prüfungsgebiet Deutsch - Kommunikation und Gesellschaft schloss er diese mit der Beurteilung "befriedigend/grundlegende Allgemeinbildung" ab.

Derzeit besucht der Beschwerdeführer als ordentlicher Schüler die die Klasse XXXX der Höhere Technische Bundeslehranstalt XXXX mit Schwerpunkt Systemtechnik.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.4. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

Dem Beschwerdeführer könnte bei einer Rückkehr in die Provinz Maidan Wardak aufgrund der dort herrschenden allgemeinen schlechten Sicherheitslage ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen.

Die Eltern und die Geschwister des Beschwerdeführers leben im Iran. Der Beschwerdeführer hat regelmäßig Kontakt zu seiner Herkunftsfamilie. Die Familie des Beschwerdeführers besitzt ein Eigentumshaus und landwirtschaftliche Grundstücke in der Provinz Maidan Wardak. Derzeit versorgen der Vater und der Bruder des Beschwerdeführers die Familie des Beschwerdeführers. Die Familie des Beschwerdeführers kann ihn bei einer Rückkehr nach Afghanistan nicht finanziell unterstützen.

Der Beschwerdeführer kann von seiner Ehefrau in Österreich finanzielle Unterstützung erhalten. Der Beschwerdeführer kann auch Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen.

Der Beschwerdeführer hat keine Ortskenntnisse betreffend Mazar-e Sharif. Dem Beschwerdeführer sind städtische Strukturen grundsätzlich bekannt.

Der Beschwerdeführer ist sehr anpassungsfähig, tüchtig, gebildet und kann einer regelmäßigen Arbeit nachgehen.

Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Ansiedelung in der Stadt Mazar-e Sharif kann der Beschwerdeführer grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Er kann selbst für sein Auskommen und Fortkommen sorgen und in Mazar-e Sharif einer Arbeit nachgehen und sich selber erhalten.

Es ist dem Beschwerdeführer trotz des Umstandes, dass er im Iran aufgewachsen ist, möglich, nach anfänglichen Schwierigkeiten bei einer Neuansiedlung in der Stadt Mazar-e Sharif Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können.

1.5. Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat

Die Länderfeststellungen zur Lage in Afghanistan basieren auf nachstehenden Quellen:

- Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan in der Fassung der Gesamtaktualisierung vom 13.11.2019 (LIB),

- UNHCR Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 (UNHCR)

- EASO Country Guidance: Afghanistan vom Juni 2019 (EASO) und

- ecoi.net Themendossier zu Afghanistan: "Sicherheitslage und die soziökonomische Lage in Herat und in Masar-e Scharif" vom 15.01.2020 (ECOI Herat und Masar-e Sharif) und

- Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Informationen zur Volksgruppe der Sadat (Sayed, Sayyed, Sadaat, Sayyid, Sayid, Sayeed) vom 25.10.2017 (ACCORD Sadat)

1.5.1. Allgemeine Sicherheitslage

Afghanistan ist ein Zentralstaat mit 34 Provinzen, die in Distrikte gegliedert sind. Auf einer Fläche von ca. 632.000 Quadratkilometern leben ca. 32 Millionen Menschen (LIB, Kapitel 2).

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt insgesamt volatil und weist starke regionale Unterschiede auf. Provinzen und Distrikten mit aktiven Kampfhandlungen stehen andere gegenüber, in denen die Lage trotz punktueller Sicherheitsvorfälle vergleichsweise stabil ist. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädte und den Großteil der Distriktzentren (LIB, Kapitel 3). Die Hauptlast einer unsicheren Sicherheitslage in der jeweiligen Region trägt die Zivilbevölkerung (UNHCR, Kapitel II. B).

Für die Sicherheit in Afghanistan sind verschiedene Organisationseinheiten der afghanischen Regierungsbehörden verantwortlich. Die Afghan National Defense and Security Forces (ANDSF) umfassen militärische, polizeiliche und andere Sicherheitskräfte. Das Innenministerium ist primär für die interne Ordnung zuständig, dazu zählt auch die Afghan National Police (ANP) und die Afghan Local Police (ALP). Die Afghan National Army (ANA) ist für die externe Sicherheit verantwortlich, dennoch besteht ihre Hauptaufgabe darin, den Aufstand im Land zu bekämpfen. Die ANP gewährleistet die zivile Ordnung und bekämpft Korruption sowie die Produktion und den Schmuggel von Drogen. Der Fokus der ANP liegt derzeit in der Bekämpfung von Aufständischen gemeinsam mit der ANA. Die ALP wird durch die USA finanziert und schützt die Bevölkerung in Dörfern und ländlichen Gebieten vor Angriffen durch Aufständische (LIB, Kapitel 5).

In Afghanistan sind unterschiedliche regierungsfeindliche Gruppierungen aktiv, welche eine Bedrohung für die gesamte regionale Sicherheit und Stabilität in Afghanistan darstellen. Eine Bedrohung für Zivilisten geht insbesondere von Kampfhandlungen zwischen den Konfliktparteien sowie improvisierten Sprengkörpern, Selbstmordanschlägen und Angriffen auf staatliche Einrichtungen und gegen Gläubige und Kultstätten bzw. religiöse Minderheiten aus (LIB, Kapitel 3).

1.5.2. Allgemeine Wirtschaftslage

Afghanistan ist nach wie vor eines der ärmsten Länder der Welt und stark von internationalen Hilfsgeldern abhängig. Dabei bleibt das Gefälle zwischen urbanen Zentren und ländlichen Gebieten Afghanistans eklatant. Lebensgrundlage für rund 80% der Bevölkerung ist die Landwirtschaft (LIB, Kapitel 21).

Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist angespannt und die Arbeitslosigkeit ist hoch. Persönliche Kontakte, Empfehlungen sowie ein Netzwerk sind wichtig um einen Job zu finden. Arbeitgeber bewerten persönliche Beziehungen und Netzwerke höher als formelle Qualifikationen. Fähigkeiten, die sich Rückkehrer im Ausland angeeignet haben, können eine wichtige Rolle bei der Arbeitsplatzsuche spielen. Der afghanische Arbeitsmarkt ist durch eine starke Dominanz des Agrarsektors, eine Unterrepräsentation von Frauen und relativ wenigen Möglichkeiten für junge Menschen gekennzeichnet. Ebenso korreliert ein Mangel an Bildung mit Armut, wobei ein niedriges Bildungsniveau und Analphabetismus immer noch weit verbreitet sind. In Afghanistan existiert keine finanzielle oder sonstige Unterstützung bei Arbeitslosigkeit (LIB, Kapitel 21).

In den Jahren 2016-2017 lebten 54,5% der Bevölkerung unterhalb der nationalen Armutsgrenze. Immer mehr Menschen greifen auf negative Bewältigungsmechanismen wie Kleinkriminalität, Kinderehen, Kinderarbeit und Betteln zurück, von denen insbesondere Binnenvertriebene betroffen sind. Der Zugang zu einer produktiven oder entgeltlichen Beschäftigung ist begrenzt, 80% der Beschäftigung gelten als anfällig und unsicher in Form von Selbst- oder Eigenbeschäftigung, Tagarbeit oder unbezahlter Arbeit. Der saisonale Effekt ist erheblich. Die Arbeitslosenquote ist in den Frühlings- und Sommermonaten relativ niedrig (rund 20%), während sie im Winter 32,5% erreichen kann (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).

In Afghanistan gibt es neben der Zentralbank auch mehrere kommerzielle Banken. Es ist mittlerweile auch relativ einfach, in Afghanistan ein Bankkonto zu eröffnen. Geld kann auch über das Hawala System (Form des Geldtausches) transferiert werden. Dieses Systemfunktioniert schnell, zuverlässig und günstig. Spezielle Dokumente sind nicht notwendig und der Geldtransfer ist weltweit möglich und wird von verschiedenen Bevölkerungsschichten verwendet (LIB, Kapitel 21).

Im Zeitraum von 2016 bis 2017 waren 44,6% der afghanischen Bevölkerung sehr stark bis mäßig von Lebensmittelunsicherheit betroffen. In allen Wohnbevölkerungsgruppen war seit 2011 ein Anstieg festzustellen, wobei der höchste Anstieg in den ländlichen Gebieten zu verzeichnen war (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).

Afghanistans jährliche Wachstumsrate der städtischen Bevölkerung gehört zu den höchsten der Welt. Kabul war das Zentrum des Wachstums, und der Rest der städtischen Bevölkerung konzentriert sich hauptsächlich auf vier andere Stadtregionen: Herat, Mazar-e Sharif, Kandahar und Jalalabad. Die große Mehrheit (72%, basierend auf ALCS-Zahlen für 2016-2017) der afghanischen Stadtbevölkerung lebt in Slums oder in ungenügenden Wohnungen. 86% der städtischen Häuser in Afghanistan können (gemäß der Definition von UN-Habitat) als Slums eingestuft werden. Der Zugang zu angemessenem Wohnraum stellt für die Mehrheit der Afghanen in den Städten eine große Herausforderung dar (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).

In den Städten besteht grundsätzlich die Möglichkeit, sicheren Wohnraum zu mieten. Darüber hinaus bietet die Städte die Möglichkeit von "Teehäusern", die mit 30 Afghani (das sind ca. ? 0,35) bis 100 Afghani (das sind ca. ? 1,20) pro Nacht relativ günstig sind. "Teehäuser" werden von Reisenden, Tagesarbeitern, Straßenhändlern, jungen Menschen, alleinstehenden Männern und anderen Personen, die in der Gegend keine ständige Unterkunft haben, als vorübergehende Unterkunft genutzt (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).

Der Zugang zu sauberem Trinkwasser sowie angemessenen sanitären Einrichtungen hat sich in den letzten Jahren erheblich verbessert. Der Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen, wie Wasserversorgung und Abwasserentsorgung, war in den Städten im Allgemeinen besser als auf dem Land. Der Zugang zu Trinkwasser ist für viele Afghanen jedoch nach wie vor ein Problem, und die sanitären Einrichtungen sind weiterhin schlecht (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).

1.5.3. Medizinische Versorgung

Das afghanische Gesundheitsministerium gab an, dass 60 % der Menschen im April 2018 Zugang zu Gesundheitsdiensten hatten, wobei der Zugang als eine Stunde Fußweg zur nächsten Klinik definiert wurde. Trotz der Tatsache, dass die Gesundheitsversorgung laut afghanischer Verfassung kostenlos sein sollte, müssen die Menschen in vielen öffentlichen Einrichtungen für Medikamente, Arzthonorare, Labortests und stationäre Versorgung bezahlen. Hohe Behandlungskosten sind der Hauptgrund, weswegen die Behandlung vermieden wird (EASO, Kapitel Common Analysis: Afghanistan, V).

90% der medizinischen Versorgung in Afghanistan werden nicht direkt vom Staat zur Verfügung gestellt, sondern von nationalen und internationalen NGOs, die über ein Vertragssystem beauftragt werden. Über dieses Vertragssystem wird sowohl primäre, als auch sekundäre und tertiäre medizinische Versorgung zur Verfügung gestellt. Allerdings mangelt es an Investitionen in medizinische Infrastruktur. Der Bauzustand vieler Kliniken ist schlecht. Während in den Städten ein ausreichendes Netz von Krankenhäusern und Kliniken besteht, ist es in den ländlichen Gebieten für viele Afghanen schwierig, eine Klinik oder ein Krankenhaus zu erreichen (LIB, Kapitel 22).

Psychische Krankheiten wie posttraumatische Belastungsstörung, Depression und Angstzustände - die oft durch den Krieg hervorgerufen wurden - sind in Afghanistan weit verbreitet, es gibt aber nur geringe Kapazitäten zur Behandlung dieser Erkrankungen. Spezifische Medikamente sind grundsätzlich verfügbar (LIB, Kapitel 22.1).

1.5.4. Ethnische Minderheiten

In Afghanistan sind ca. 40 - 42% Paschtunen, rund 27 - 30% Tadschiken, ca. 9 - 10% Hazara und 9% Usbeken. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt. Soziale Gruppen werden in Afghanistan nicht ausgeschlossen und kein Gesetz verhindert die Teilnahme von Minderheiten am politischen Leben. Es kommt jedoch im Alltag zu Diskriminierungen und Ausgrenzungen ethnischer Gruppen und Religionen sowie zu Spannungen, Konflikten und Tötungen zwischen unterschiedlichen Gruppen (LIB, Kapitel 17).

Das Wort "Sadat" bezieht sich in Afghanistan auf eine Abstammungslinie, bei der man davon ausgehe, dass es sich um Nachfahren des Propheten Mohammed handle. Es gibt sowohl unter den Schiiten als auch unter den Sunniten Sadat. Die meisten Sadat sind Sunniten und leben in den nördlichen Provinzen Kundus und Balch sowie in der östlichen Provinz Nangarhar. Die schiitischen Sadat leben überwiegend in Bamyan in Zentralafghanistan. Soweit bekannt ist sind die Sadat wegen ihrer Abstammung eine respektierte Minderheitengruppe und werden nicht diskriminiert (ACCORD Sadat).

1.5.5. Religionen

Etwa 99% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon 80 - 89,7% Sunniten. Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben (LIB Kapitel 16).

Der Anteil schiitischer Muslime an der Bevölkerung wird auf 10 - 19% geschätzt. Zu der schiitischen Bevölkerung zählen die Ismailiten und die Jafari-Schiiiten (Zwölfer-Schiiten). 90% von ihnen gehören zur ethnischen Gruppe der Hazara. Auseinandersetzungen zwischen Sunniten und Schiiten sind in Afghanistan selten, die Diskriminierung der schiitischen Minderheit durch die sunnitische Mehrheit ist zurückgegangen (LIB, Kapitel 16.1).

Die politische Repräsentation und die Beteiligung an den nationalen Institutionen seitens der traditionell marginalisierten schiitischen Minderheit, der hauptsächlich ethnische Hazara angehören, ist seit 2001 gestiegen. Einige schiitische Muslime bekleiden höhere Regierungsposten. Im Ulema-Rat, der nationalen Versammlung von Religionsgelehrten, die u. a. dem Präsidenten in der Festlegung neuer Gesetze und Rechtsprechung beisteht, beträgt die Quote der schiitischen Muslime 25-30%. Des Weiteren tagen rechtliche, konstitutionelle und menschenrechtliche Kommissionen, welche aus Mitgliedern der sunnitischen und schiitischen Gemeinschaften bestehen und von der Regierung unterstützt werden, regelmäßig, um die interkonfessionelle Schlichtung zu fördern (LIB, Kapitel 16.1).

1.5.6. Allgemeine Menschenrechtslage

Im Bereich der Menschenrechte hat Afghanistan unter schwierigen Umständen Fortschritte gemacht. Inzwischen ist eine selbstbewusste neue Generation von Afghaninnen und Afghanen herangewachsen, die sich politisch, kulturell und sozial engagiert und der Zivilgesellschaft eine stärkere Stimme verleiht. Diese Fortschritte erreichen aber nach wie vor nicht alle Landesteile und sind außerhalb der Städte auch gegen willkürliche Entscheidungen von Amtsträgern und Richtern sowie Einflussnahme örtlicher Machteliten nur schwer durchzusetzen. Die afghanische Regierung ist nicht in der Lage, die durch die afghanische Verfassung und einschlägige völkerrechtliche Verträge garantierten Menschenrechte vollumfänglich umzusetzen und zu gewährleisten (LIB, Kapitel 11).

Menschenrechtsverletzungen an der Zivilbevölkerung finden nach wie vor in allen Teilen des Landes und unabhängig davon statt, wer die betroffenen Gebiete tatsächlich kontrolliert (UNHCR, Kapitel II. C. 1).

Die Fähigkeit der Regierung, Menschenrechte zu schützen, wird durch die Unsicherheit und zahlreiche Angriffe durch regierungsfeindliche Kräfte untergraben. Insbesondere ländliche und instabile Gebiete leiden unter einem allgemein schwachen förmlichen Justizsystem, das unfähig ist, Zivil- und Strafverfahren effektiv und zuverlässig zu entscheiden (UNHCR, Kapitel II. C. 2).

1.5.7. Bewegungsfreiheit und Meldewesen

Das Gesetz garantiert interne Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Emigration und Rückkehr. Afghanen dürfen sich formell im Land frei bewegen und niederlassen (LIB, Kapitel 19).

Afghanistan hat kein zentrales Bevölkerungsregister, keine Datenbanken mit Adress- oder Telefonnummerneinträgen und auch keine Melde- oder Registrierungspflicht. Die Gemeinschafts- bzw. Bezirksältesten führen kein Personenstandsregister, die Regierung registriert jedoch Rückkehrer. Durch die hohe soziale Kontrolle ist gerade im ländlichen Raum keine, aber auch in den Städten kaum Anonymität zu erwarten (LIB, Kapitel 19.1).

1.5.8. Regierungsfeindliche Gruppierungen

In Afghanistan sind unterschiedliche regierungsfeindliche Gruppierungen aktiv - insbesondere die Grenzregion zu Pakistan bleibt eine Zufluchtsstätte für unterschiedliche Gruppierungen, wie Taliban, Islamischer Staat, al-Qaida, Haqqani-Netzwerk, Lashkar-e Tayyiba, Tehrik-e Taliban Pakistan, sowie Islamic Movement of Uzbekistan (LIB, Kapitel 2).

1.5.9. Provinzen und Städte

1.5.9.1. Herkunftsprovinz (Maidan) Wardak:

Die Provinz Wardak (auch Maidan Wardak) liegt im zentralen Teil Afghanistans. Sie besteht aus Tadschiken, Paschtunen und Hazara. Die Provinz hat 648.866 Einwohner (LIB, Kapitel 3.33).

Die Sicherheitslage in der Provinz Maidan Wardak hat sich in den letzten Monaten verschlechtert. Aufständische der Taliban sind in gewissen Distrikten aktiv und führen terroristische Aktivitäten aus. In der Provinz kommt es regelmäßig zu Sicherheitsoperationen. Bei diesen werden manchmal Aufständische getötet oder Gefangene der Taliban befreit. Die Taliban griffen Kontrollpunkte der Sicherheitskräfte an und es kam zu Gefechten mit den Regierungstruppen. Bei manchen sicherheitsrelevanten Vorfällen kamen auch Zivilisten zu Schaden. Im Jahr 2018 gab es 224 zivile Opfer (88 Tote und 136 Verletzte) in der Provinz Wardak. Dies entspricht einer Steigerung von 170% gegenüber 2017. Die Hauptursachen für zivile Opfer waren Bodenkämpfe, gefolgt von Selbstmordanschlägen und Sprengstoffanschlägen (LIB, Kapitel 3.33).

In der Provinz (Maidan) Wardak kommt es zu willkürlicher Gewalt, jedoch nicht auf hohem Niveau. Dementsprechend ist ein höheres Maß an Einzelelementen erforderlich, um wesentliche Gründe für die Annahme aufzuzeigen, dass ein in dieses Gebiet zurückgekehrter Zivilist einem realen ernsthaften Risiko ausgesetzt wäre, Schaden im Sinne von Artikel 15(c) der Qualifizierungsrichtlinie zu nehmen (EASO, Kapitel Guidance note: Afghanistan, III.3).

1.5.9.2. Mazar-e Sharif

Mazar-e Sharif ist die Provinzhauptstadt von Balkh, einer ethnisch vielfältigen Provinz, welche von Paschtunen, Usbeken, Hazara, Tadschiken, Turkmenen, Aimaq, Belutschen, Arabern und sunnitischen Hazara (Kawshi) bewohnt wird. Sie hat 469.247 Einwohner und steht unter Kontrolle der afghanischen Regierung (LIB, Kapitel 3.5).

Das Niveau an willkürlicher Gewalt ist in der Stadt Mazar-e Sharif so gering, dass für Zivilisten an sich nicht die Gefahr besteht, von erheblichen Eingriffen in die psychische oder physische Unversehrtheit betroffen zu sein (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, III).

Mazar-e Sharif ist über die Autobahn sowie über einen Flughafen (mit nationalen und internationalen Anbindungen) legal zu erreichen (LIB, Kapitel 21). Der Flughafen von Mazar-e Sharif (MRZ) liegt 9 km östlich der Stadt im Bezirk Marmul. Die Befahrung der Straßen von diesem Flughafen bis zur Stadt Mazar-e Sharif ist zur Tageszeit im Allgemeinen sicher (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).

Mazar-e Sharif ist ein Import-/Exportdrehkreuz, ein regionales Handelszentrum sowie ein Industriezentrum mit großen Fertigungsbetrieben und einer Vielzahl von kleinen und mittleren Unternehmen (LIB, Kapitel 21). Mazar-e Sharif gilt im Vergleich zu Herat oder Kabul als wirtschaftlich relativ stabiler. Die größte Gruppe von Arbeitern in der Stadt Mazar-e Sharif sind im Dienstleistungsbereich und als Verkäufer tätig (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).

Die Unterkunftssituation stellt sich in Mazar-e Sharif, wie in den anderen Städten Afghanistans auch, für Rückkehrer und Binnenflüchtlinge als schwierig dar. Viele Menschen der städtischen Population lebt in Slums oder nichtadäquaten Unterkünften. In Mazar-e Sharif besteht grundsätzlich die Möglichkeit, sicheren Wohnraum, wie beispielsweise in Teehäusern, zu mieten. (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).

Die meisten Menschen in Mazar-e Sharif haben Zugang zu erschlossener Wasserversorgung (76%), welche in der Regel in Rohrleitungen oder aus Brunnen erfolgt. 92% der Haushalte haben Zugang zu besseren Sanitäreinrichtungen (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).

Während Mazar-e Sharif im Zeitraum Juni 2019 bis September 2019 noch als IPC Stufe 1 "minimal" (IPC - Integrated Phase Classification) klassifiziert wurde, ist Mazar-e Sharif im Zeitraum Oktober 2019 bis Januar 2020 in Phase 2 "stressed" eingestuft. In Phase 1 sind die Haushalte in der Lage, den Bedarf an lebensnotwenigen Nahrungsmitteln und Nicht-Nahrungsmitteln zu decken, ohne atypische und unhaltbare Strategien für den Zugang zu Nahrung und Einkommen zu verfolgen. In Phase 2 weisen Haushalte nur einen gerade noch angemessenen Lebensmittelverbrauch auf und sind nicht in der Lage, sich wesentliche, nicht nahrungsbezogene Güter zu leisten, ohne dabei irreversible Bewältigungsstrategien anzuwenden (ECOI, Kapitel 3.1).

In der Stadt Mazar-e Sharif gibt es 10 - 15 - teils öffentliche, teils private - Krankenhäuser. In Mazar-e Sharif existieren mehr private als öffentliche Krankenhäuser. Private Krankenhäuser sind sehr teuer, jede Nacht ist kostenpflichtig. Zusätzlich existieren etwa 30-50 medizinische Gesundheitskliniken die zu 80% öffentlich finanziert sind (LIB, Kapitel 22).

1.5.10. Situation für Rückkehrer/innen

In den ersten vier Monaten des Jahres 2019 kehrten insgesamt 63.449 Menschen nach Afghanistan zurück. Im Jahr 2018 kamen 775.000 aus dem Iran und 46.000 aus Pakistan zurück (LIB, Kapitel 23).

Soziale, ethnische und familiäre Netzwerke sind für einen Rückkehrer unentbehrlich. Der Großteil der nach Afghanistan zurückkehrenden Personen verfügt über ein familiäres Netzwerk, auf das in der Regel zurückgegriffen wird. Wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage, den ohnehin großen Familienverbänden und individuellen Faktoren ist diese Unterstützung jedoch meistens nur temporär und nicht immer gesichert. Neben der Familie als zentrale Stütze der afghanischen Gesellschaft, kommen noch weitere wichtige Netzwerke zum Tragen, wie z.B. der Stamm, der Clan und die lokale Gemeinschaft. Diese basieren auf Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Religion oder anderen beruflichen Netzwerken sowie politische Netzwerke usw. Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. Ein Mangel an Netzwerken stellt eine der größten Herausforderungen für Rückkehrer dar. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden (LIB, Kapitel 23).

Rückkehrer aus dem Iran und aus Pakistan, die oft über Jahrzehnte in den Nachbarländern gelebt haben und zum Teil dort geboren wurden, sind in der Regel als solche erkennbar. Offensichtlich sind sprachliche Barrieren, von denen vor allem Rückkehrer aus dem Iran betroffen sind, weil sie Farsi (die iranische Landessprache) oder Dari (die afghanische Landessprache) mit iranischem Akzent sprechen. Es gibt jedoch nicht viele Fälle von Diskriminierung afghanischer Rückkehrer aus dem Iran und Pakistan aufgrund ihres Status als Rückkehrer. Fast ein Viertel der afghanischen Bevölkerung besteht aus Rückkehrern. Diskriminierung beruht in Afghanistan großteils auf ethnischen und religiösen Faktoren sowie auf dem Konflikt (LIB, Kapitel 23).

Rückkehrer aus Europa oder dem westlichen Ausland werden von der afghanischen Gesellschaft häufig misstrauisch wahrgenommen. Es sind jedoch keine Fälle bekannt, in denen Rückkehrer nachweislich aufgrund ihres Aufenthalts in Europa Opfer von Gewalttaten wurden. Wenn ein Rückkehrer mit im Ausland erlangten Fähigkeiten und Kenntnissen zurückkommt, stehen ihm mehr Arbeitsmöglichkeiten zur Verfügung als den übrigen Afghanen, was bei der hohen Arbeitslosigkeit zu Spannungen innerhalb der Gemeinschaft führen kann (LIB, Kapitel 23).

Der Mangel an Arbeitsplätzen stellt für den Großteil der Rückkehrer die größte Schwierigkeit dar. Der Zugang zum Arbeitsmarkt hängt maßgeblich von lokalen Netzwerken ab. Die afghanische Regierung kooperiert mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Für Afghanen, die im Iran geboren oder aufgewachsen sind und keine Familie in Afghanistan haben, ist die Situation problematisch (LIB, Kapitel 23).

Viele Rückkehrer leben in informellen Siedlungen, selbstgebauten Unterkünften oder gemieteten Wohnungen. Die meisten Rückkehrer im Osten des Landes leben in überbelegten Unterkünften und sind von fehlenden Möglichkeiten zum Bestreiten des Lebensunterhaltes betroffen (LIB, Kapitel 23).

Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, können verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Rückkehrer erhalten Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Für Rückkehrer leisten UNHCR und IOM in der ersten Zeit Unterstützung. Bei der Anschlussunterstützung ist die Transition von humanitärer Hilfe hin zu Entwicklungszusammenarbeit nicht immer lückenlos. Es gibt keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer. Der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer aus Europa kehrt direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Es befinden sich viele Rückkehrer in Gebieten, die für Hilfsorganisationen aufgrund der Sicherheitslage nicht erreichbar sind (LIB, Kapitel 23).

Die "Reception Assistance" umfasst sofortige Unterstützung oder Hilfe bei der Ankunft am Flughafen: IOM trifft die freiwilligen Rückkehrer vor der Einwanderungslinie bzw. im internationalen Bereich des Flughafens, begleitet sie zum Einwanderungsschalter und unterstützt bei den Formalitäten, der Gepäckabholung, der Zollabfertigung, usw. Darüber hinaus arrangiert IOM den Weitertransport zum Endziel der Rückkehrer innerhalb des Herkunftslandes und bietet auch grundlegende medizinische Unterstützung am Flughafen an. 1.279 Rückkehrer erhielten Unterstützung bei der Weiterreise in ihre Heimatprovinz. Für die Provinzen, die über einen Flughafen und Flugverbindungen verfügen, werden Flüge zur Verfügung gestellt. Der Rückkehrer erhält ein Flugticket und Unterstützung bezüglich des Flughafen-Transfers. Der Transport nach Herat findet in der Regel auf dem Luftweg statt (LIB, Kapitel 23).

Familien in Afghanistan halten in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren (LIB, Kapitel 23).

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt sowie in den Gerichtsakt und durch Einvernahme des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung.

2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen dahingehend übereinstimmenden Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, vor dem Bundesamt, in der Beschwerde und vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die getroffenen Feststellungen zum Namen und zum Geburtsdatum des Beschwerdeführers gelten ausschließlich zur Identifizierung der Person des Beschwerdeführers im Asylverfahren.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, zu seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, seiner Muttersprache, seinem Lebenslauf, seinem Aufwachsen sowie seine familiäre Situation in Afghanistan, seiner Schul- und Berufsausbildung, seiner Berufserfahrung gründen sich auf seinen diesbezüglich schlüssigen und stringenten Angaben. Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen im gesamten Verfahren gleich gebliebenen Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln.

Die Feststellung zur Sozialisierung des Beschwerdeführers nach den afghanischen Gepflogenheiten, ergibt sich daraus, dass er im Iran mit seiner afghanischen Familie aufwuchs.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand gründen auf den diesbezüglich glaubhaften Aussagen des Beschwerdeführers beim Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung und auf dem Umstand, dass im Verfahren nichts Gegenteiliges hervorgekommen ist.

2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer gab bei seinen Erstbefragung glaubhaft an, dass er nach Österreich kam, um hier gemeinsam mit seiner Ehefrau, welche hier als Asylberechtigte lebt, zusammenleben zu können. Ein weiterer Grund ist, dass sein Leben im Iran ist als Afghane ohne Dokumente sehr schwer war (vgl. AS 13).

Dieses Vorbringen ist glaubhaft, schlüssig und nachvollziehbar.

Bei der Ersteinvernahme vor der belangten Behörde gab der Beschwerdeführer an, dass sein Vater Probleme mit Grundstückstreitigkeiten hatte, weswegen die Familie in den Iran zog. Der Beschwerdeführer selbst hat den Iran verlassen, weil er schon als Kind studieren wollte. Er musste in einem kleinen Raum als Schneider arbeiten, und fürchtete sich jeden Tag, dass die Behörde ihn aufgreift und nach Afghanistan abschiebt oder ihn nach Syrien zum Kämpfen schickt. Deshalb fasste er den Entschluss zu heirate, und dass er in Österreich leben will. Damit die nächste Generation nicht dasselbe erlebt, wie er (vgl. Seite 6 der Niederschrift der Ersteinvernahme vom 12.03.2018).

Auch dieses Vorbringen ist glaubhaft, schlüssig und nachvollziehbar.

Erstmals bringt der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde vor, dass er Risikoprofilen der UNHCR Richtlinie entspreche, und als westlich orientierter Mann, welcher gegen islamische Grundsätze, Normen und Werte gemäß der Auslegung regierungsfeindlicher Kräfte verstoße und gegen die gesellschaftlichen Normen verstoßen habe, einer asylrelevanten Bedrohung ausgesetzt sei. Dieses Vorbringen steht nicht im Einklang mit den Aussagen, welche der Beschwerdeführer vor der belangten Behörde erstattete.

Auch bei seiner Einvernahme vor dem Bundesverwaltungsgericht gab er glaubhaft an, dass Iran für ihn seine eigentliche Heimat ist, und es für ihn im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan schwierig wird, einen Platz als Iranrückkehrer zu finden. Er befürchtet, diskriminiert zu werden, wie er auch als Afghane im Iran diskriminiert wurde. Der Beschwerdeführer wurde in Afghanistan nie persönlich bedroht, weil er Afghanistan als Kleinkind verließ (vgl. Seite 8f der Niederschrift vom 25.02.2020).

Daraus folgt zweifelsfrei, dass der Beschwerdeführer den Iran nicht aus den Gründen verließ, weil er befürchtete bei einer Abschiebung aus dem Iran nach Afghanistan einer Gefährdung für Leib und Leben oder eine Bedrohung durch die Taliban oder sonstigen Personen ausgesetzt zu sein, weswegen die entsprechenden Feststellungen getroffen werden.

Das Vorbringen in der Beschwerde wird als Schutzbehauptung gewürdigt, um eine asylrelevante Bedrohung, welche dem Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan treffen könnte, zu konstruieren. Der Beschwerdeführer selbst gab in keiner seiner Einvernahmen an, dass er sich selbst als westlich orientierter Mann sieht, und er aus diesen Gründen nicht nach Afghanistan zurückkehren kann, weswegen die entsprechende Feststellung getroffen wurde.

Der Beschwerdeführer selbst ist jedenfalls als Person glaubwürdig und seine Aussagen sind glaubhaft, weswegen die entsprechenden Feststellungen über die Gründe, weswegen der Beschwerdeführer den Iran verließ, getroffen werden.

2.3. Zu den Feststellungen zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:

Die Feststellungen zum Leben des Beschwerdeführers in Österreich, insbesondere zur Aufenthaltsdauer, seinen Deutschkenntnissen, seinen familiären oder engen sozialen Anknüpfungspunkten in Österreich und seiner Integration in Österreich, stützen sich auf die Aktenlage, auf die Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie auf die von ihm in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen.

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister.

2.4. Zu den Feststellungen zur Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

2.4.1. Die Feststellungen zu den Folgen einer Rückkehr des Beschwerdeführers in seine Herkunftsprovinz Maidan Wardak ergeben sich aus den oben angeführten Länderberichten.

Die Feststellungen zum Aufenthaltsort, zu den Eigentums- und Vermögensverhältnissen sowie zur finanzielle Situation der Familie des Beschwerdeführers im Iran ergeben sich aus den Aussagen des Beschwerdeführers im gesamten Verfahren. Die Feststellung zum regelmäßigen Kontakt zu seiner Herkunftsfamilie ergibt sich daraus, dass er dies selbst bei der mündlichen Beschwerdeverhandlung bestätigte. Die Feststellung, der fehlenden finanziellen Unterstützungsfähigkeit seiner Familie im Iran, ergibt sich aus den Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung (vgl. Seite 6 der Niederschrift der mündlichen Beschwerdeverhandlung vom 25.02.2020).

Die Ehefrau des Beschwerdeführers ist nach seinen eigenen Angaben in der mündlichen Beschwerdeverhandlung in der Lage, ihn finanziell zu unterstützen (vgl. Seite 7 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 25.02.2020), weswegen die entsprechende Feststellung getroffen wird. Die Feststellungen zur Rückkehrhilfe ergeben sich aus den Länderberichten.

Der Beschwerdeführer war noch nie in Mazar-e Sharif, ihm sind jedoch aus dem Iran städtische Strukturen bekannt, wie er dies bei der Beschwerdeverhandlung ausführte (vgl. Seite 9 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 25.02.2020).

Die Feststellung zur sehr guten Anpassungsfähigkeit, der Tüchtigkeit, des Umstandes, dass der Beschwerdeführer gebildet ist, und Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers ergibt sich daraus, dass er es geschafft hat, seine Ziele umzusetzen. Es war sein erklärtes Ziel, nach Europa zu kommen, um mit seiner Ehefrau, welche in Österreich als international Schutzberechtigte lebt, zusammenleben zu können, was ihm auch gelungen ist. Er nutze die Chancen, welche ihm als Asylwerber in Österreich geboten wurde, lernte in kurzer Zeit sehr gut Deutsch, holte den Pflichtschulabschluss nach, besuchte eine Vorbereitungslehrgang und ist derzeit ordentlicher Schüler einer Höheren Technischen Bundeslehranstalt mit dem Schwerpunkt Systemtechnik. Es sind im Verfahren keine Umstände hervorgekommen, die gegen eine grundsätzliche Anpassungsfähigkeit oder gegen eine Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers sprechen.

2.4.2. Die Feststellungen zu den Folgen einer Ansiedlung des Beschwerdeführers in der Stadt Mazar-e Sharif, ergeben sich - unter Berücksichtigung der von UNHCR und EASO aufgestellten Kriterien für das Bestehen einer internen Schutzalternative für Afghanistan - aus den oben angeführten Länderberichten und aus den Angaben des Beschwerdeführers. Die Feststellung zur Prognose, dass sich der Beschwerdeführer in der Stadt Mazar-e Sharif eine Existenz aufbauen kann, ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

Aus den Länderinformationen ergibt sich, dass die Stadt Mazar-e Sharif als relativ sicher gilt und unter der Kontrolle der Regierung steht. Diese ist auch sicher erreichbar. Die Versorgung der Bevölkerung ist in dieser Stadt grundlegend gesichert.

Der Beschwerdeführer ist mit der afghanischen Kultur und den afghanischen Gepflogenheiten grundsätzlich vertraut, dies obwohl er im Iran aufwuchs. Er kann sich daher in der Stadt Mazar-e Sharif zurechtfinden. Der Beschwerdeführer hat sechs Jahre lang die Schule besucht. Der Beschwerdeführer verfügt über jahrelange Berufserfahrung als Schneider. Er kann mit dem Wissen, welches er sich in den letzten Jahren in Österreich sehr konsequent und zielstrebig aneignete, ohne Weiteres in Afghanistan einer Arbeit nachgehen. Der Beschwerdeführer ist zudem im erwerbsfähigen Alter, gesund, volljährig, anpassungsfähig, ausgesprochen tüchtig und arbeitsfähig. Der Beschwerdeführer hat zwar Sorgepflichten für seine in Österreich lebende Frau und deren gemeinsamen ehelichen Sohn, beide beziehen in Österreich Sozialleistungen, weswegen der Beschwerdeführer nicht für deren Unterhalt aufkommen muss. Der Beschwerdeführer kann jedoch von seiner Familie in Österreich finanziell unterstützt werden. Er kann auch Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen.

Im Gegensatz zu vielen anderen Rückkehrern, welche im Iran aufwuchsen, liegen damit beim Beschwerdeführer aufgrund seiner Persönlichkeitsstruktur, seines Ehrgeizes, seiner Zielstrebigkeit, seiner Berufserfahrung und seiner Ausbildung und der Möglichkeit, von seiner Ehefrau aus Österreich finanzielle Unterstützung zu erhalten, außergewöhnlich gute Grundbedingungen vor, weswegen in seinem speziellen Fall eine Neuansiedlung in Mazar -e Sharif möglich ist.

Das Bundesverwaltungsgericht geht daher auf Grund dieser Umstände davon aus, dass sich der Beschwerdeführer nach anfänglichen Schwierigkeiten, in Mazar-e Sharif niederlassen und sich dort eine Existenz ohne unbillige Härte aufbauen kann, dies obwohl er im Iran aufgewachsen ist.

2.5. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Länderberichte. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche bieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der herangezogenen Länderinformationen zu zweifeln. Die den Feststellungen zugrundeliegenden Länderberichte sind in Bezug auf die Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan aktuell. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich durch Einsichtnahme in die jeweils verfügbaren Quellen (u.a. laufende Aktualisierung des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation) davon versichert, dass zwischen dem Stichtag der herangezogenen Berichte und dem Entscheidungszeitpunkt keine wesentliche Veränderung der Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan eingetreten ist. Die in der Beschwerde zitierten Länderberichte sind durch die aktuellen, in den Feststellungen zitierten Länderinformationen überholt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides - Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten

3.1.1. § 3 Asylgesetz 2005 (AsylG) lautet auszugsweise:

"Status des Asylberechtigten

§ 3. (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

(2) Die Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.

(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn

1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder

2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.

..."

3.1.2. Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder der staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG liegt es am Beschwerdeführer, entsprechend glaubhaft zu machen, dass ihm im Herkunftsstaat eine Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht.

Nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr kann relevant sein, diese muss im Entscheidungszeitpunkt vorliegen. Auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

3.1.3. Der Beschwerdeführer verließ Afghanistan als Kleinkind und war dort zu keinem Zeitpunkt einer Bedrohung oder Verfolgung ausgesetzt. Vielmehr verließ der Beschwerdeführer den Iran, um mit seiner Ehefrau in Österreich leben zu können. Es liegt beim Beschwerdeführer keine Verfolgungsgefahr aus einem Konventionsgrund vor.

3.1.4. Auch eine konkrete individuelle Verfolgung des Beschwerdeführers aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Sadat und der Religionsgemeinschaft der Schiiten wurde nicht festgestellt.

Den oben zitierten Länderberichten ist u.a. zwar zu entnehmen, dass Schiiten Diskriminierungen durch die sunnitische Mehrheit ausgesetzt sind. In einer Gesamtschau der vorliegenden Länderberichte erreicht diese Gefährdung jedoch nicht jenes Ausmaß, welches notwendig wäre, um eine spezifische Gruppenverfolgung von Angehörigen der Religionsgemeinschaft der Schiiten in Afghanistan für gegeben zu erachten.

Ebenso wenig ist aus den zitierten Länderinformationen eine Diskriminierung der Sadat zu entnehmen.

3.1.5. Wie den Feststellungen zu entnehmen ist, liegt beim Beschwerdeführer keine europäische oder "westliche" Lebenseinstellung seiner Person, die zu einer Gefährdung führen könnte, vor. Es sind nach den zitierten Länderinformationen keine Fälle bekannt, in denen Rückkehrer nachweislich aufgrund ihres Aufenthaltes in Europa Opfer von Gewalttaten wurden. Auch EASO bewertet in seinen Leitlinien vom Juni 2019 das Risikopotential von Männern, welche als "verwestlicht" angesehen werden könnten, im Allgemeinen als minimal (EASO Kapitel Common analysis: Afghanistan, II. 13).

Eine individuelle und konkret gegen den Beschwerdeführer gerichtete Verfolgung iSd GFK aufgrund seiner Eigenschaft als Rückkehrer aus Europa oder im Zusammenhang mit einer "westlichen Wertehaltung" kann nicht abgleitet werden.

3.1.6. Auch die Durchsicht der aktuellen Länderberichte zur Herkunftsregion des Beschwerdeführers erlaubt es nicht anzunehmen, dass gegenständlich sonstige mögliche Gründe für die Befürchtung einer entsprechenden Verfolgungsgefahr vorliegen.

3.1.7. Im Ergebnis droht dem Beschwerdeführer aus den von ihm ins Treffen geführten Gründen im Herkunftsstaat keine asylrelevante Verfolgung.

3.1.8. Die Beschwerde war in diesem Spruchpunkt als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides - Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten

3.2.1. § 8 AsylG lautet auszugsweise:

"Status des subsidiär Schutzberechtigten

§ 8. (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,

1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,

wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eine

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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