Entscheidungsdatum
24.03.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z4Spruch
W261 1434448-2/24E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Karin Gastinger, MAS als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark vom 05.09.2019, Zahl XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 08.11.2019, zu Recht:
A)
I. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I., II., III., IV., VI. und VII. des angefochtenen Bescheides wird als unbegründet abgewiesen.
II. Der Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird wie folgt abgeändert:
"Gemäß § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 AsylG wird Ihnen der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt."
III. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt V. wird stattgegeben und der Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides wird wie folgt abgeändert:
"Die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan ist gemäß § 8 Abs. 3a AsylG und § 52 Abs. 9 FPG unzulässig."
B)
Die Revision ist gemäß § 133 Abs. 4 BVwG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE
I. Gang des Verfahrens:
Der Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein afghanischer Staatsbürger, reiste nach eigenen Angaben am 11.10.2012 irregulär in Österreich ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz.
Am 11.10.2012 erfolgte die Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes in Anwesenheit eines Dolmetschers in der Sprache Paschtu. Dabei gab der BF an, afghanischer Staatsangehöriger und sunnitischer Moslem zu sein und der Volksgruppe der Paschtunen anzugehören. Er sei am XXXX in XXXX , in Pakistan geboren. Seinen Fluchtgrund betreffend führte er aus, dass seine Familie in Kunduz landwirtschaftliche Felder besessen habe. Sie hätten dort einen Bauern gehabt, der diese Felder bewirtschaftet habe. Seine Familie sei aus Pakistan zurückgekehrt, und dieser Bauer hätte im Zuge eines Streites den Vater und den Bruder des BF getötet. Er wolle auch den BF umbringen. Da seine Mutter Angst gehabt habe, dass dieser Bauer auch den BF umbringe, habe sie ihn ersucht, das Land zu verlassen. Da der Mann sehr einflussreich sei, habe der BF auch nicht in Pakistan bleiben können.
Am 04.03.2013 erfolgte die niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem Bundesasylamt, im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Paschtu. Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der BF im Wesentlichen das aus, was er bereits bei seiner Erstbefragung angab.
Das Bundesasylamt wies in weiterer Folge den Antrag des BF auf internationalen Schutz mit Bescheid vom 02.04.2013 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten im Spruchpunkt I. gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab. Im Spruchpunkt II. wies die belangte Behörde den Antrag auf Gewährung subsidiären Schutzes gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG ab. Im Spruchpunkt III wies die belangte Behörde den BF gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan aus.
Mit Eingabe vom 15.04.2013 erhob der BF Beschwerde gegen diesen Bescheid.
Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes (in der Folge BVwG) vom 10.07.2015, Zl. XXXX , gab dieses der Beschwerde des BF nach Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung am 01.04.2015 statt und erkannte dem BF gemäß § 3 AsylG 2005 den Status des Asylberechtigten zu.
Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 15.09.2016, Zl. XXXX , rechtskräftig seit 19.09.2016, wurde der BF wegen mehreren Vergehen nach dem Suchtgiftmittelgesetz zu einer Geldstrafe von 300 Tagsätzen zu je 4 EUR (1.200 EUR) verurteilt, wobei davon die Geldstrafe von 150 Tagsätzen zu je 4 EUR (600 EUR) bedingt für eine Probezeit von 3 Jahren nachgesehen wurde. Der unbedingte Teil der Geldstrafe war am 09.06.2017 vollzogen. Der bedingt nachgesehene Teil der Geldstrafe wurde mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 01.08.2018, Zl. XXXX widerrufen. Diese Geldstrafe ist mit 18.10.2019 vollzogen.
Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 01.08.2018, Zl. XXXX , wurde der BF wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels und des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 2 (zwei) Jahren und einem Monat rechtskräftig seit 01.08.2018 verurteilt.
Die belangte Behörde teilte dem BF mit Schreiben vom 31.07.2019 mit, dass das Aberkennungsverfahren nach § 7 Abs 2 AsylG eingeleitet werde, übermittelte aktuelle Länderinformationen und räumte dem BF die Möglichkeit ein, hierzu eine schriftliche Stellungnahme abzugeben.
Aufgrund des Beschlusses des Landesgerichtes XXXX vom 01.08.2019, Zl. XXXX , wurde der BF aus dem Vollzug des über ihn mit Urteil des Landesgerichtes XXXX zu 01.08.2018, Zl. XXXX , rechtskräftig seit 01.08.2018, verhängten unbedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren und einen Monat nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafzeit am 12.10.2019 bedingt entlassen. Der Strafrest von 8 Monaten und 10 Tagen wurde für eine Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen.
Mit Eingabe vom 21.08.2019, eingelangt am 27.08.2019, gab der BF eine Stellungnahme ab, wonach er im Falle einer Rückkehr von den Taliban bedroht werde, dies würde seinen sicheren Tod bedeuten. Er ersuche um ein Bleiberecht in Österreich. Seine Freundin besitze eine eigene Wohnung in Wörgl und werde ihm nach der Haftentlassung Unterkunft und Arbeit bereitstellen.
Mit dem angefochtenen Bescheid erkannte die belangte Behörde im Spruchpunkt I den ihm gewährten Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z. 1 AsylG ab, und stellte gemäß § 7 Abs. 4 AsylG fest, dass dem BF die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukommt. Im Spruchpunkt II. erkannte die belangte Behörde dem BF gemäß § 8 Abs. 1 Z. 2 AsylG dem BF den Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zu. Weiters erteilte die belangte Behörde dem BF keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 leg. cit. (Spruchpunkt III.), erließ ihm gegenüber gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 leg. cit. iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 3 FPG (Spruchpunkt IV.) und stellte gemäß § 52 Abs. 9 leg. cit. fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 leg. cit. zulässig sei (Spruchpunkt V.). Schließlich sprach die belangte Behörde aus, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 leg. cit. die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z. 1 FPG erließ die belangte Behörde im Spruchpunkt VII. gegen den BF ein auf die Dauer von 8 Jahren befristetes Einreiseverbot.
Der BF erhob gegen diesen Bescheid, bevollmächtigt vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, fristgerecht mit Eingabe vom 30.09.2019 das Rechtsmittel der Beschwerde in vollem Umfang. Darin brachte der BF vor, dass das Ermittlungsverfahren mangelhaft geblieben sei, weil es die belangte Behörde verabsäumt habe, den BF einzuvernehmen. Die belangte Behörde habe es unterlassen, Ermittlungen zum Gesundheitszustand des BF durchzuführen. Die Sicherheits- und Versorgungslage lasse nach den zitierten Länderinformationen eine Rückkehr des BF nach Afghanistan nicht zu. Die Beweiswürdigung sei mangelhaft geblieben. Es müssten kumulativ Voraussetzungen vorliegen, weswegen ein Flüchtling trotz drohender Verfolgung in den Herkunftsstaat verbracht werden dürfe. Die belangte Behörde habe es unterlassen, die erforderlichen Ermittlungen durchzuführen, um eine rechtskonforme Interessensabwägung vornehmen zu können. Auch die rechtliche Beurteilung sei unrichtig. Jene Straftaten, weswegen der BF verurteilt worden sei, seien nicht als besonders schwere Verbrechen zu qualifizieren, welche die Aberkennung des Asylstatus rechtfertigen würden. Die belangte Behörde habe sich nicht mit dem Fluchtgrund des BF auseinandergesetzt, sie habe sich insbesondere nicht damit auseinandergesetzt, ob die Verfolgungsgefahr tatsächlich noch bestehe. Dem BF stehe eine innerstaatliche Fluchtalternative nicht zur Verfügung. Die Rückkehrentscheidung sei zu Unrecht erfolgt, die Abschiebung nach Afghanistan sei nicht zulässig. Die Verhängung eines Einreiseverbotes sei aktenwidrig erfolgt, zumal sich die belangte Behörde nicht mit der dafür erforderlichen Zukunftsprognose auseinandergesetzt habe. Es werde die Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung ebenso beantragt, wie der Beschwerde stattzugeben.
Die belangte Behörde legte den Aktenvorgang mit Schreiben vom 07.10.2019 dem BVwG vor, wo dieser am 08.10.2019 einlangte.
Das BVwG führte am 05.11.2019 Abfragen im Zentralen Melderegister, im Strafregister, im Betreuungsinformationssystem und im AJ-Web durch.
Am 08.11.2019 fand vor dem BVwG eine öffentliche mündliche Verhandlung im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Paschtu statt, zu der der BF gemeinsam mit seinem Rechtsvertreter erschien. Ein Vertreter der belangten Behörde nahm an der mündlichen Beschwerdeverhandlung teil.
Der BF führte in dieser mündlichen Beschwerdeverhandlung zu seinen persönlichen Verhältnissen, sowohl in Afghanistan als auch in Österreich aus. Er legte ausführlich dar, wie es zu seinen Verurteilungen gekommen sei, was seine Fluchtgründe seien, und weswegen er nicht nach Afghanistan zurückkehren könne.
In der mündlichen Beschwerdeverhandlung legte das erkennende Gericht das Länderinformationsblatt Afghanistan mit Stand 04.06.2019, die aktuelle UNHCR Richtlinie vom 30.08.2019 und die EASO Leitlinien zu Afghanistan in der Fassung Juni 2019 vor. Dem BF wurde die Bedeutung dieser Berichte erklärt, insbesondere, dass auf Grund dieser Berichte die Feststellungen zu seinem Herkunftsstaat getroffen werden, sowie deren Zustandekommen. Dem BF und auch der belangten Behörde wurde eine Frist von zwei Wochen zur schriftlichen Stellungnahme eingeräumt.
Das BVwG erstattete am 11.11.2019 eine Anfrage an die Staatendokumentation im Zusammenhang mit Psoriasis und deren Behandlungsmöglichkeiten in Afghanistan.
Der BF gab mit Eingabe vom 22.11.2019, durch seine bevollmächtigte Vertretung eine Stellungnahme zu den Länderberichten ab. Die Situation des BF habe sich in Afghanistan seit der Gewährung internationalen Schutzes nicht verändert, sämtliche Gründe, welche im Jahr 2015 zur Zuerkennung internationalen Schutzes geführt hätten, liegen auch heute noch vor. Der Aberkennungstatbestand nach § 6 Abs. 1 AsylG sei nicht erfüllt. Der BF legte weitere Integrationsunterlagen vor, wonach der BF einer Beschäftigung nachgehe.
Der BF legte durch seine Rechtsvertretung mit Eingabe vom 17.12.2019 die Lohn-/Gehaltsabrechnung für den Zeitraum November 2019, mit Eingabe vom 14.01.2020 ein Unterstützungsschreiben und mit Eingabe vom 17.01.2020 die Lohn-/Gehaltsabrechnung für den Zeitraum Dezember 2019 vor.
Die Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl übermittelte am 20.01.2020 eine Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Psoriasis vulgaris.
Das BVwG übermittelte diese Stellungnahme der Staatendokumentation sowie sämtliche andere eingelangten Stellungnahmen und Unterlagen mit Schreiben vom 21.02 (richtig 01.).2020 an die Parteien des Verfahrens und räumte diesen die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme ein.
Der BF gab mit Eingabe seiner Rechtsvertretung vom 04.02.2020 eine Stellungnahme ab, wonach der Wirkstoff Acitretin in Mazar-e Sharif nicht verfügbar sei. Es seien zwar andere Medikamente zur Verfügung, jedoch könne nicht beurteilt werden, ob sich der BF diese Medikamente auch werde leisten können. Jedenfalls sei eine soziale Stigmatisierung sei belegt, zudem werde der BF auf dem ohnehin herausfordernden Arbeitsmarkt und der hohen Arbeitslosigkeit erschwert Zugang haben.
Das BVwG übermittelte diese Stellungnahme der belangten Behörde mit Schreiben vom 05.02.2020. Die belangte Behörde gab keine Stellungnahme ab.
Das BVwG erstellte am 24.03.2020 eine Abfrage im AJ WEB, wonach der BF seit 04.11.2019 einer Erwerbstätigkeit nachging und dazwischen immer wieder Arbeitslosengeld bezog.
Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1 Zur Person des Beschwerdeführers und seiner Familie:
Der BF führt den Namen XXXX , er ist am XXXX in XXXX , in Pakistan geboren und ist afghanischer Staatsbürger. Er gehört der Volksgruppe der Paschtunen an und ist sunnitischer Molsem. Der BF ist ledig und hat keine Kinder. Der BF ist Zivilist. Der BF gehört dem paschtunischen Stamm der XXXX an. Neben seiner Muttersprache Paschtu spricht der BF auch Dari, Urdu, etwas Englisch und etwas Deutsch.
Die Familie des BF stammt ursprünglich aus der Provinz Kunduz. Der BF zog im Jahr 2009 gemeinsam mit seiner Familie aus Pakistan nach Afghanistan. Er lebte in weiterer Folge für einige Zeit im Iran, von wo er nach Afghanistan abgeschoben wurde. Der BF lebte ca. zwei Jahre bis zu seiner Ausreise im Jahr 2011 in der Provinz Jalalabad versteckt bei seiner Tante väterlicherseits.
Sein Vater hieß XXXX , er wurde getötet. Seine Mutter heißt XXXX . Der BF hat zwei noch lebende Brüder, sie heißen XXXX und XXXX . Sein älterer Bruder, XXXX , wurde ebenfalls getötet. Der BF hat drei jüngere Schwestern, sie heißen XXXX , XXXX und XXXX .
Der BF besuchte insgesamt sechs Jahre lang die Schule. Sein Vater war Landwirt, der BF half diesem in der Landwirtschaft. Seine Familie besitzt Grundstücke im Ausmaß von 33 Jirib in der Provinz Kunduz.
Seine Mutter ist mit seinen Geschwistern nach seiner Ausreise in das Dorf XXXX , im Distrikt XXXX , in die Provinz Logar verzogen. Dort leben die Mutter und sein Bruder XXXX und seinen Schwestern gemeinsam bei der Tante väterlicherseits des BF und deren Familie. Sein Bruder XXXX lebt als Asylwerber in Frankreich.
Der BF hat Kontakt zu seiner Familie.
Der BF reiste im Jahr 2011 aus Afghanistan aus und stellte am 11.10.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
Der BF hat seit 15.07.2015 (Datum der Zustellung des Erkenntnisses des BVwG vom 10.07.2015, Zl. XXXX ) den Status des International Schutzberechtigten. Dem BF wurde als Mitglied der sozialen Gruppe der Familie wegen einer ihm drohenden Blutrache internationaler Schutz gewährt.
Der BF leidet an Psoriasis vulgaris.
1.2 Zu den strafrechtlichen Verurteilungen des BF in Österreich
Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 15.09.2016, Zl. XXXX , rechtskräftig seit 19.09.2016, wurde der BF wegen Vergehen nach dem Suchtgiftmittelgesetz zu einer Geldstrafe von 300 Tagsätzen zu je 4 EUR (1.200 EUR) verurteilt, wobei davon die Geldstrafe von 150 Tagsätzen zu je 4 EUR (600 EUR) bedingt für eine Probezeit von 3 Jahren nachgesehen wurde. Der unbedingte Teil der Geldstrafe war am 09.06.2017 vollzogen. Der bedingt nachgesehene Teil der Geldstrafe wurde mit Urteil des Landesgereichtes XXXX vom 01.08.2018, Zl. XXXX , widerrufen. Diese Geldstrafe ist mit 18.10.2019 vollzogen.
Der BF hat nach diesem Urteil im Zeitraum vom 09.09.2015 bis 02.04.2016 in XXXX , XXXX , XXXX und anderen Orten
a) durch den Erwerb nicht näher bestimmbarer, jedoch die Grenzmenge (§ 28b SMG) jedenfalls nicht übersteigender Mengen an Cannabiskraut (zumindest 4 Gramm) in mehreren Teilhandlungen bei Unbekannten ausschließlich zum persönlichen Gebrauch und deren Besitz;
b) durch die wiederholte unentgeltliche Überlassung geringer Mengen an Cannabiskraut an Unbekannte im Zuge gemeinsamen Konsums;
c) durch den Erwerb einer Menge von zumindest 8 Gramm Cannabiskraut und einer Menge von 0,3 Gramm Cannabisharz in mehreren Teilhandlungen bei Unbekannten und deren Besitz bis zur gewinnbringenden Weiterveräußerung;
d) durch den gewinnbringenden Verkauf der zu Punkt 1 c) genannten Suchtgiftmenge in zumindest 6 Teilhandlungen an eine namentlich genannte minderjährige Person
Vergehen des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften begangen.
Mildernd wertete das Strafgericht die Unbescholtenheit des BF und dass dieser im Tatzeitraum teilweise unter 21 Jahre alt war, erschwerend wertete das Strafgericht das Zusammentreffen von vier Vergehen und die Tatwiederholungen.
Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 01.08.2018, Zl. XXXX , wurde der BF wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels und des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 2 (zwei) Jahren und einem Monat, rechtskräftig seit 01.08.2018, verurteilt.
Der BF hat als Beitragstäter, indem er im Wissen um die anstehende Suchtgiftlieferung und in Umsetzung seiner im Vorhinein gegebenen Zusage gemeinsam mit einer namentlich genannten Person zunächst dessen PKW von XXXX nach XXXX fuhr, dort die zwischenzeitig aus dem Reisebus ausgestiegene weitere namentlich genannte Person abholte, nach XXXX verbrachte und hier die derweil gesondert mit dem Reisebus nach XXXX gefahrene weitere Person samt Trolley mit 1.992,7 g TCH-haltiges Cannabiskraut mit einem Reinsubstanzgehalt von zumindest 11,1 % (221,18 g THC entsprechend 11 Grenzmengen) abholte.
Mildernd wertete das Strafgericht, dass die suchtgiftmittelhältigen Substanzen sichergestellt werden konnten, erschwerend wertete das Strafgericht die einschlägige Vorstrafe des BF, das Zusammentreffen von Verbrechen und Vergehen, dass es 11 Grenzmengen waren, und dass der BF die Tat gemeinsam mit Mittätern ausführte.
Aufgrund des Beschlusses des Landesgerichtes XXXX vom 01.08.2019, Zl. XXXX wurde der BF aus dem Vollzug der über ihn mit Urteil des XXXX vom 01.08.2018, Zl. XXXX , rechtskräftig seit 01.08.2018, verhängten unbedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren und einen Monat nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafzeit am 12.10.2019 bedingt entlassen. Der Strafrest von 8 Monaten und 10 Tagen wurde für eine Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen.
1.3 Zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:
Der BF befindet sich seit seiner Antragstellung im Oktober 2012 durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet.
Der BF war immer wieder kurzzeitig als Arbeiter gemeldet bezog Arbeitslosengeld und bedarfsorientierte Mindestsicherung. Zum Entscheidungszeitpunkt ist der BF seit 18.02.2020 bei einem Dienstgeber als Arbeiter gemeldet.
Der BF befand sich in der Zeit vom 25.05.2018 bis 12.10.2019 in Haft in der Justizanstalt XXXX .
Der BF besuchte Deutschkurse und verfügt über Kenntnisse der deutschen Sprache. Der BF hat keine Familienangehörigen in Österreich.
1.4 Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:
Es kann nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass dem BF bei einer Überstellung in seine Herkunftsprovinzen Nangarhar (Provinz des letzten Aufenthaltes) bzw. Kunduz (Herkunftsprovinz seiner Familie) ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen würde.
Seit dem Zeitpunkt der Gewährung internationalen Schutzes durch das Erkenntnis des BVwG vom 10.07.2015, Zl. XXXX , sind keine wesentlichen Veränderungen in der persönlichen Situation des BF in Afghanistan, insbesondere nicht hinsichtlich seiner Fluchtgründe und des Nichtvorliegens einer innerstaatlichen Fluchtalternative, eingetreten. Eine wesentliche Verbesserung der Sicherheits- und Versorgungslage ist in Afghanistan seit dem Jahr 2015 nicht eingetreten.
1.5 Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:
Zur Lage in Afghanistan werden die im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation in der Gesamtaktualisierung vom 29.06.2018 mit Stand vom 04.06.2019 (LIB), in den UNHCR Richtlinien vom 30.08.2018 (UNHCR) und in den EASO Leitlinien zu Afghanistan vom Juni 2019 (EASO 2019) und in der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation Afghanistan: Psoriasis vulgaris vom 20.01.2020 (Staatendokumentation) enthaltenen folgenden Informationen als entscheidungsrelevant festgestellt:
1.5.1 Sicherheitslage
Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt insgesamt volatil und weist starke regionale Unterschiede auf. Provinzen und Distrikten mit aktiven Kampfhandlungen stehen andere gegenüber, in denen die Lage trotz punktueller Sicherheitsvorfälle vergleichsweise stabil ist. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädte und den Großteil der Distriktzentren. Ausländische Streitkräfte und Regierungsvertreter sowie die als ihre Verbündeten angesehenen Angehörigen der afghanischen Sicherheitskräfte und Vertreter der afghanischen Regierung sind prioritäre Ziele der Aufständischen. Eine Bedrohung für Zivilisten geht insbesondere von Kampfhandlungen zwischen den Konfliktparteien sowie improvisierten Sprengkörpern, Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen auf staatliche Einrichtungen aus. In einigen Teilen des Landes ist fehlende Sicherheit die größte Bewegungseinschränkung. In bestimmten Gebieten machen Gewalt durch Aufständische, Landminen und improvisierte Sprengfallen (IEDs) das Reisen besonders gefährlich, speziell in der Nacht. Bewaffnete Aufständischengruppen betreiben illegale Checkpoints und erpressen Geld und Waren. (LIB)
1.5.1.1 Herkunftsprovinz Nangarhar
Die Provinz Nangarhar liegt im Osten von Afghanistan. Im Norden grenzt sie an die Provinzen Kunar und Laghman, im Westen an die Hauptstadt Kabul und die Provinz Logar und an den Gebirgszug Spinghar im Süden. Die Provinzhauptstadt Jalalabad ist 120 Kilometer von Kabul entfernt. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.573.973 geschätzt.
Die Provinz Nangarhar besteht, neben der Hauptstadt Jalalabad aus folgenden Distrikten: Ghani Khil/Shinwar, Sherzad, Rodat, Kama, Surkhrod, Khogyani, Hisarak/Hesarak, Pachiragam/Pachir Wa Agam, DehBala/Deh Balah/Haska Mina, Acheen/Achin, Nazyan, Mohmand Dara/Muhmand Dara, Batikot, Kot, Goshta, Behsood/Behsud, Kuz Kunar/Kuzkunar, Dara-e Noor/Dara-e-Nur, Lalpora/Lalpur, Dur Baba/Durbaba und Chaparhar. Nangarhar zählte 2017 zu den Provinzen mit der höchsten Opium-Produktion.
In den letzten Jahren hat sich die Sicherheitslage in der Provinz Nangarhar verschlechtert; Nangahar war seit dem Sturz des Taliban-Regimes eine der relativ ruhigen Provinzen im Osten Afghanistans, jedoch versuchen bewaffnete Aufständische in den letzten Jahren ihre Aktivitäten in der Provinz auszuweiten. Begründet wird das damit, dass seit dem Fall des Talibanregimes von weniger Vorfällen berichtet worden war. In den letzten Jahren versuchen Aufständische der Taliban und des IS in abgelegenen Distrikten Fuß zu fassen. Befreiungsoperationen, in denen auch Luftangriffe gegen den IS getätigt werden, werden in den unruhigen Distrikten der Provinz durchgeführt. Angriffe auch auf lokale Beamte und Sicherheitskräfte in der Provinz werden regelmäßig von Aufständischen der Taliban und dem IS durchgeführt.
Nangarhar war die Provinz mit den meisten im Jahr 2017 registrierten Anschlägen.
Anhänger der Taliban, als auch des IS haben eine Präsenz in gewissen Distrikten der Provinz, wobei zu diesen mehrere südliche Distrikte gezählt werden. Nachdem die Grausamkeit des IS ihren Höhepunkt erreicht hat, sind die Taliban in Nangarhar beliebter geworden und haben an Einfluss gewonnen. Auch ist es dem IS nicht mehr so einfach möglich, Menschen zu rekrutieren. Obwohl militärische Operationen durchgeführt werden, um Aktivitäten der Aufständischen zu unterbinden, sind die Taliban in einigen Distrikten der Provinz aktiv. In Nangarhar kämpfen die Taliban gegen den IS, um die Kontrolle über natürliche Minen und Territorium zu gewinnen; insbesondere in der Tora Bora Region, die dazu dient, Waren von und nach Pakistan zu schmuggeln. Bewaffnete Zusammenstöße zwischen Taliban und IS fanden statt, dabei ging es um Kontrolle von Territorium. In einem Falle haben aufständische Taliban ihren ehemaligen Kommandanten getötet, da ihm Verbindungen zum IS nachgesagt wurden (LIB).
Die Provinz Nangarhar, mit Ausnahme der Stadt Jalalabad, zählt laut EASO zu jenen Provinzen Afghanistans, wo willkürliche Gewalt ein derart hohes Ausmaß erreicht, dass erhebliche Gründe für die Annahme sprechen, dass ein in diese Provinz zurückgekehrter Zivilist allein aufgrund seiner Anwesenheit auf dem Gebiet dieser Provinz einer realen Gefahr ausgesetzt wäre, einen ernsthaften Schaden im Sinne von Art. 15(c) der Qualifizierungsrichtlinie zu nehmen.
Die Stadt Jalalabad zählt laut EASO zu jenen Regionen, in denen eine "bloße Präsenz" in dem Gebiet nicht ausreicht, um ein ernstes Risiko für ernsthafte Schäden gemäß Artikel 15(c) der Qualifizierungsrichtlinie festzustellen, es wird dort jedoch ein hohes Maß an willkürlicher Gewalt erreicht und dementsprechend ist ein geringeres Maß an Einzelelementen erforderlich, um die Annahme zu begründen, dass ein Zivilist, der dieses Gebiet zurückgekehrt ist, einem realen Risiko eines ernsthaften Schadens im Sinne von Artikel 15(c) der Qualifizierungsrichtlinie ausgesetzt ist (EASO 2019).
1.5.1.2 Provinz Kunduz
Kunduz, die Herkunftsprovinz der Familie des BF, liegt 337 km nördlich von Kabul und grenzt an die Provinzen Takhar im Osten, Baghlan im Süden, Balkh im Westen und Tadschikistan im Norden. Die Provinz hat folgende Distrikte: Imam Sahib/Emamsaheb, Dasht-e-Archi, Qala-e-Zal, Chahar Dara/Chardarah, Ali Abad/Aliabad, Khan Abad/Khanabad und Kunduz; die Hauptstadt ist Kunduz Stadt. Gemäß einer Quelle wurden vor zwei Jahren in der Provinz drei neue Distrikte gegründet: Atqash, Gultapa, Gulbad.
Als strategischer Korridor wird Kunduz als bedeutende Provinz in Nordafghanistan erachtet - Sher Khan Bandar, die Hafenstadt am Fluss Pandsch, an der Grenze zu Tadschikistan, ist beispielsweise von militärischer und wirtschaftlicher Bedeutung.
Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.049.249 geschätzt. In der Provinz leben Paschtunen, Usbeken, Tadschiken, Turkmenen, Hazara und Paschai.
Strategisch wichtig ist die Stadt Kunduz nicht nur für Afghanistan, denn Kunduz war bis zum Einmarsch der US-Amerikaner im Jahr 2001 die letzte Hochburg der Taliban. Wer die Stadt kontrolliert, dem steht der Weg nach Nordafghanistan offen. Kunduz liegt an einer wichtigen Straße, die Kabul mit den angrenzenden nördlichen Provinzen verbindet. Kunduz-Stadt ist eine der größten Städte Afghanistans und war lange Zeit ein strategisch wichtiges Transportzentrum für den Norden des Landes.
Kunduz zählt zu den relativ volatilen Provinzen Afghanistans, in der Aufständische aktiv sind. In den Jahren 2015 und 2016 fiel Kunduz-Stadt jeweils einmal an Taliban-Aufständische; die Stadt konnte in beiden Fällen von den afghanischen Streitkräften zurückerobert werden. Das deutsche Militär hat einen großen Stützpunkt in der Provinz Kunduz. Während des Jahres 2017 sank die Anzahl der zivilen Opfer in Folge von Bodenoffensiven u.a. in der Provinz Kunduz; ein Grund dafür war ein Rückgang von Militäroffensiven in von Zivilist/innen bewohnten Zentren durch die Konfliktparteien. Im Februar 2018 berichteten einige Quellen, die Sicherheitslage in der Provinzhauptstadt Kunduz hätte sich sehr verbessert; den Einwohnern in Kunduz-Stadt sei es aufgrund der Beleuchtung zahlreicher Straßen möglich, auch nachts in der Stadt zu bleiben.
In der Provinz werden militärische Operationen durchgeführt, um bestimmte Gegenden von Aufständischen zu befreien. Auch werden regelmäßig Luftangriffe durchgeführt. Dabei werden Aufständische - u.a. tadschikische Kämpfer - und manchmal auch Talibankommandanten getötet. Manchmal werden Talibankämpfer verhaftet. In der Provinz kommt es zu Zusammenstößen zwischen den Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften.
Talibankämpfer, insbesondere Mitglieder der "Red Unit", einer Taliban-Einheit, die in zunehmendem Ausmaß Regierungsstützpunkte angreift, sind in der Provinz Kunduz aktiv. Einige Distrikte, wie Atqash, Gultapa und Gulbad, sind unter Kontrolle der Taliban. Auch in Teilen der Distrikte Dasht-e-Archi und Chardarah sind Talibankämpfer zum Berichtszeitpunkt aktiv (LIB).
Bei der Provinz Kunduz handelt es sich laut EASO um eine jener Provinzen Afghanistans, wo ein hohes Maß an willkürlicher Gewalt erreicht wird, und dementsprechend ein geringeres Maß an Einzelelementen erforderlich ist, um die Annahme zu begründen, dass ein Zivilist, der in dieses Gebiet zurückgekehrt ist, einem realen Risiko eines ernsthaften Schadens im Sinne von Artikel 15(c) der Qualifizierungsrichtlinie ausgesetzt ist (EASO 2019).
1.5.3 Wirtschafts- und Versorgungslage
Zur Wirtschafts- und Versorgungslage ist festzuhalten, dass Afghanistan weiterhin ein Land mit hoher Armutsrate und Arbeitslosigkeit ist. Seit 2002 hat Afghanistan mit Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft wichtige Fortschritte beim Wiederaufbau seiner Wirtschaft erzielt. Nichtsdestotrotz bleiben bedeutende Herausforderungen bestehen, da das Land weiterhin von Konflikten betroffen, arm und von Hilfeleistungen abhängig ist (LIB).
Laut Daten der Afghanistan Living Conditions Survey (ALCS) 2016 - 2017 können 2 Millionen Afghanen - das sind 23,9% der gesamten Erwerbsbevölkerung - als arbeitslos eingestuft werden, was bedeutet, dass sie nicht arbeiten oder eine Beschäftigung suchen, oder weniger als acht Stunden pro Woche arbeiten. Junge Afghanen treten jedes Jahr in großer Zahl in den Arbeitsmarkt ein, aber die Beschäftigungsmöglichkeiten können aufgrund unzureichender Entwicklungsressourcen und mangelnder Sicherheit nicht mit dem Bevölkerungswachstum mithalten. Afghanistan war seit 2011-2012 mit einem starken Anstieg der Armut konfrontiert, wobei sowohl die städtischen als auch die ländlichen Armutsraten zunahmen. In den Jahren 2016-2017 lebten 54,5% der Bevölkerung unterhalb der nationalen Armutsgrenze. Immer mehr Menschen greifen auf negative Bewältigungsmechanismen wie Kleinkriminalität, Kinderehen, Kinderarbeit und Betteln zurück, von denen insbesondere Binnenvertriebene betroffen sind. Der Zugang zu einer produktiven oder entgeltlichen Beschäftigung ist begrenzt, 80% der Beschäftigung gelten als anfällig und unsicher in Form von Selbst- oder Eigenbeschäftigung, Tagarbeit oder unbezahlter Arbeit. Der saisonale Effekt ist erheblich. Die Arbeitslosenquote ist in den Frühlings- und Sommermonaten relativ niedrig (rund 20%), während sie im Winter 32,5% erreichen kann. ALCS 2016 - 2017 stellte fest, dass nur 19,8% aller in Afghanistan beschäftigten Personen öffentlich und privat angestellt sind oder Arbeitgeber sind, was bedeutet, dass die Mehrheit der Arbeitnehmer eine gefährdete Beschäftigung darstellt. 52,6% der Landbevölkerung sind in der Landwirtschaft beschäftigt, während die städtische Beschäftigung vielfältiger ist. 36,5% der Erwerbsbevölkerung sind in verschiedenen Dienstleistungsbereichen beschäftigt und nur 5,5% in der Landwirtschaft (EASO 2019).
Laut Daten der ALCS von 2016 bis 2017 sind 44,6% der afghanischen Bevölkerung - das sind 13 Millionen Menschen - sehr stark bis mäßig von Lebensmittelunsicherheit betroffen. In allen Wohnbevölkerungsgruppen war seit 2011 ein Anstieg festzustellen, wobei der höchste Anstieg in den ländlichen Gebieten zu verzeichnen war. Während der Winterpflanzsaison im Dezember 2017 - Februar 2018 war Afghanistan von einer längeren Dürreperiode betroffen. UNOCHA stellte fest, dass die Dürre im Jahr 2018 mehr als zwei Drittel der afghanischen Bevölkerung getroffen hat, gesundheitliche Probleme verursacht, negative Bewältigungsmechanismen ausgelöst und die Einkommen halbiert hat (EASO 2019).
Afghanistans jährliche Wachstumsrate der städtischen Bevölkerung gehört zu den höchsten der Welt. Kabul war das Zentrum des Wachstums, und der Rest der städtischen Bevölkerung konzentriert sich hauptsächlich auf vier andere Stadtregionen: Herat, Mazar-e Sharif, Kandahar und Jalalabad. Die große Mehrheit (72%, basierend auf ALCS-Zahlen für 2016-2017) der afghanischen Stadtbevölkerung lebt in Slums oder in ungenügenden Wohnungen. 86% der städtischen Häuser in Afghanistan können gemäß der Definition von UN-Habitat als Slums eingestuft werden. Der Bericht über den Zustand afghanischer Städte stellte fest, dass der Zugang zu angemessenem Wohnraum für die Mehrheit der Afghanen in den Städten eine große Herausforderung darstellt. Armut und Ungleichheit sind die harte Realität für etwa ein Drittel aller städtischen Haushalte (EASO 2019).
Der Zugang zu sauberem Trinkwasser sowie angemessenen sanitären Einrichtungen hat sich erheblich verbessert. Der Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen, wie Wasserversorgung und Abwasserentsorgung, war in den Städten im Allgemeinen besser als auf dem Land. Der Zugang zu Trinkwasser ist für viele Afghanen jedoch nach wie vor ein Problem, und die sanitären Einrichtungen sind weiterhin schlecht (EASO 2019).
1.5.4 Medizinische Versorgung
Das afghanische Gesundheitsministerium gab an, dass 60% der Menschen im April 2018 Zugang zu Gesundheitsdiensten hatten, wobei der Zugang als eine Stunde Fußweg zur nächsten Klinik definiert wurde. Trotz der Tatsache, dass die Gesundheitsversorgung laut afghanischer Verfassung kostenlos sein sollte, müssen die Menschen in vielen öffentlichen Einrichtungen für Medikamente, Arzthonorare, Labortests und stationäre Versorgung bezahlen. Hohe Behandlungskosten sind der Hauptgrund, weswegen die Behandlung vermieden wird (EASO 2019)
Die Behandlung von Psoriasis vulgaris (Schuppenflechte) ist in Afghanistan mittels UV-Strahlentherapie möglich. Stationäre und ambulante Behandlungen durch Dermatologen sind möglich. (Staatendokumentation).
1.5.5 Ethnische Minderheiten
In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2017 mehr als 34,1 Millionen Menschen. Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht. Schätzungen zufolge, sind: 40% Paschtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara, 9% Usbeken. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Art. 16) sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser Sprachen spricht. Diese weiteren in der Verfassung genannten Sprachen sind Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri. Es gibt keine Hinweise, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Keine Gesetze verhindern die Teilnahme der Minderheiten am politischen Leben. Nichtsdestotrotz, beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen.
Ethnische Paschtunen sind die größte Ethnie Afghanistans. Sie sprechen Paschtu/Pasht. Paschtunen siedeln in einem halbmondförmigen Gebiet, das sich von Nordwestafghanistan über den gesamten Süden und die Gebiete östlich von Kabul bis in den Nordwesten Pakistans erstreckt. Kleinere Gruppen sind über das gesamte Land verstreut, auch im Norden des Landes, wo Paschtunen Ende des 19. Jahrhunderts speziell angesiedelt wurden, und sich seitdem auch selbst angesiedelt haben.
Grundlage des paschtunischen Selbstverständnisses sind ihre genealogischen Überlieferungen und die darauf beruhende Stammesstruktur. Eng mit der Stammesstruktur verbunden ist ein komplexes System von Wertvorstellungen und Verhaltensrichtlinien, die häufig unter dem Namen Pashtunwali zusammengefasst werden und die besagen, dass es für einen Paschtunen nicht ausreicht, Paschtu zu sprechen, sondern dass man auch die Regeln dieses Ehren- und Verhaltenskodex befolgen muss. Die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Stammlinienverband bedeutet viele Verpflichtungen, aber auch Rechte, weshalb sich solche Verbände als Solidaritätsgruppen verstehen lassen. (LIB)
1.5.6 Religion
Etwa 99,7% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon zwischen 84,7 und 89,7% Sunniten, wie es auch der BF ist. (LIB)
1.5.7 Blutfehden
Gemäß althergebrachter Verhaltens- und Ehrvorstellungen töten bei einer Blutfehde die Mitglieder einer Familie als Vergeltungsakte die Mitglieder einer anderen Familie. In Afghanistan sind Blutfehden in erster Linie eine Tradition der Paschtunen und im paschtunischen Gewohnheitsrechtssystem Paschtunwali verwurzelt, kommen jedoch Berichten zufolge auch unter anderen ethnischen Gruppen vor. Blutfehden können durch Morde ausgelöst werden, aber auch durch andere Taten wie die Zufügung dauerhafter, ernsthafter Verletzungen, Entführung oder Vergewaltigung verheirateter Frauen oder ungelöster Streitigkeiten um Land, Zugang zu Wasser oder Eigentum. Blutfehden können zu langanhaltenden Kreisläufen aus Gewalt und Vergeltung führen. Nach dem Paschtunwali muss die Rache sich grundsätzlich gegen den Täter selbst richten, unter bestimmten Umständen kann aber auch der Bruder des Täters oder ein anderer Verwandter, der aus der väterlichen Linie stammt, zum Ziel der Rache werden. Im Allgemeinen werden Berichten zufolge Racheakte nicht an Frauen und Kindern verübt, doch soll der Brauch baad, eine stammesübliche Form der Streitbeilegung, in der die Familie des Täters der Familie, der Unrecht geschah, ein Mädchen zur Heirat anbietet, vor allem im ländlichen Raum praktiziert werden, um eine Blutfehde beizulegen. Wenn die Familie, der Unrecht geschah, nicht in der Lage ist, sich zu rächen, dann kann, wie aus Berichten hervorgeht, die Blutfehde erliegen, bis die Familie des Opfers sich für fähig hält, Racheakte auszuüben. Daher kann sich die Rache Jahre oder sogar Generationen nach dem eigentlichen Vergehen ereignen. Die Bestrafung des Täters im Rahmen des formalen Rechtssystems schließt gewaltsame Racheakte durch die Familie des Opfers nicht notwendigerweise aus. Sofern die Blutfehde nicht durch eine Einigung mit Hilfe traditioneller Streitbeilegungsmechanismen beendet wurde, kann Berichten zufolge davon ausgegangen werden, dass die Familie des Opfers auch dann noch Rache gegen den Täter verüben wird, wenn dieser seine offizielle Strafe bereits verbüßt hat (UNHCR).
2. Beweiswürdigung:
2.1 Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers und seiner Familie:
Die Feststellungen zum Namen, zur Staats-, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit des BF gründen sich auf seine diesbezüglichen Angaben im gegenständlichen Verfahren; das BVwG sieht keine Veranlassung, an diesen Aussagen des BF zu zweifeln. Die Feststellungen zur Muttersprache und den weiteren Sprachkenntnissen des BF ergeben sich aus seinem Vorbringen anlässlich der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG (vgl. S 8 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung). Die Feststellungen zur Identität des BF dienen ausschließlich zur Identifizierung im Asylverfahren.
Die Feststellung, dass der BF in Kontakt zu seiner Familie steht, beruht auf seinen Angaben vor dem BVwG (vgl. S 8 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung).
Die Angaben des BF zu seiner Schulbildung und seiner beruflichen Tätigkeit in Afghanistan sind im Wesentlichen im gesamten Verfahren gleichlautend. Dies gilt auch für die Feststellung, dass der BF ledig ist und keine Kinder hat, und dass der BF in Afghanistan bisher nicht straffällig geworden ist.
Der Zeitpunkt des Verlassens seines Heimatstaates, der Zeitpunkt der Einreise in Österreich und der Zeitpunkt der Antragstellung und der Zeitpunkt der Feststellung der Zuerkennung des Status als International Schutzberechtigter ergeben sich aus dem Akteninhalt.
Der BF gibt erstmals in seiner Beschwerde an, dass er an Psoriasis leidet. Er wiederholte dies in der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 08.11.2019 (vgl. S 3 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung). Der BF legte dazu medizinischen Befunde vor, die objektivierbar belegen, dass der BF unter dieser Krankheit leidet (vgl. Beilagen ./2 und ./3 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung).
2.2 Zu den Feststellungen zu den strafrechtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers in Österreich
Diese Feststellungen beruhen auf den unbedenklichen Angaben in dem vom BVwG am 05.11.2019 eingeholten Auszug aus dem Strafregister der Republik Österreich, aus dem am selben Tag eingeholten Auszug aus dem Zentralen Melderegister.
Der BF führt in der mündlichen Beschwerdeverhandlung aus, dass er durch falsche Freunde in die Drogenszene geraten ist und selbst Drogen konsumiert hat. Er sieht jedoch ein, dass er einen großen Fehler machte. Bei der zweiten Straftat hat ein Nachbar ihn gefragt, ob er ihn begleiten wolle, was der BF tat. Er hat dafür seine Strafe verbüßt. Seit seiner Entlassung aus der Haft vermeidet er den Kontakt mit Afghanen. Er versuche vielmehr Arbeit zu finden, und selbsterhaltungsfähig zu werden (vgl. S 11 f der Niederschrift der mündlichen Beschwerdeverhandlung). Das alles spricht dafür, dass der BF dazu neigt, sich mit Personen zu umgeben, welche im Drogenmilieu tätig sind. Seit seiner Haftentlassung im Oktober 2019 ist noch nicht so viel Zeit vergangen, um beurteilen zu können, ob es ihm langfristig gelingen wird, sich von diesen Personen fernzuhalten. Auch wenn der BF dies in seiner Einvernahme vor dem BVwG am 08.11.2019 zu verharmlosen, so ist ihm entgegen zu halten, dass er sich nicht nur einmal strafbar machte, sondern mehrfach, und er zuletzt wegen der Beteiligung an grenzüberschreitendem Drogenhandel, was per se ein schweres Verbrechen ist, verurteilt wurde.
2.3 Zur persönlichen Situation des Beschwerdeführers in Österreich:
Die Feststellungen zum Aufenthalt in Österreich ergeben sich aus dem Akt. Die Feststellungen zum Zeitraum der Leistungen aus der vorübergehenden Grundversorgungen beruhen auf den Angaben aus dem vom BVwG eingeholten Auszug aus dem Betreuungsinformationssystem. Die Feststellungen zu den Versicherungszeiten des BF beruhen auf den Angaben im AJ-Web Auskunftsverfahren laut Auszug vom 05.11.2019.
Die Feststellungen zu den Deutschkursen ergeben sich aus seinen glaubhaften Angaben bei der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 08.11.2019 (siehe Seiten 9f der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung). Dies gilt auch für die Feststellung, dass der BF keine Familienangehörigen in Österreich hat.
Es ist der belangten Behörde Recht zu geben, dass der BF in den letzten Jahren kaum Integrationsleistungen an den Tag legte.
2.4 Zu den Feststellungen zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat
Die Feststellungen zur Rückkehr des BF nach Afghanistan ergeben sich aus den o.a. Länderfeststellungen unter Berücksichtigung des vom BF in seiner Beschwerde, in seinen Stellungnahmen zur Gefährdungslage in Afghanistan diesbezüglich angeführten Länderberichtsmaterials in Zusammenschau mit den vom BF glaubhaft dargelegten persönlichen Umständen.
Im Einklang mit seinen Stellungnahmen kommt die erkennende Richterin unter Berücksichtigung der aktuellen Länderinformationen, wonach in den Provinzen Nangarhar (Provinz des letzten Aufenthaltes des BF) und Kunduz (Herkunftsprovinz des BF) zum Ergebnis, dass ihm eine Rückkehr in diese Provinz allein schon aufgrund der Sicherheitslage nicht möglich ist. Hinzu kommt, dass der BF in diesen Provinz Übergriffen der Familie, welche seinen Vater und seinen Bruder tötete, und welche die Taliban unterstützen, ausgesetzt sein könnte, so dass nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann, dass ihm im Falle einer Rückkehr in diese Provinz ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit droht.
Eine eingehende Einvernahme des BF in der mündlichen Beschwerdeverhandlung zu seinen Fluchtgründen ergab im Vergleich zu seinen Aussagen in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vom 01.04.2015 im Verfahren XXXX , dass keine Änderung in den wesentlichen Gründen eingetreten ist, aus welchen dem BF mit Erkenntnis des BVwG vom 10.07.2015, Zl. XXXX , der Status des international Schutzberechtigten zuerkannt wurde. Aus diesem Grund wird die entsprechende Feststellung getroffen. Dies gilt auch für die persönlichen Verhältnisse des BF in Afghanistan. Im gegenständlichen Verfahren sind auch diesbezüglich keine neuen Tatsachen hervorgekommen, welche zu anderen Feststellungen hätte führen können.
Eine Gegenüberstellung jener Länderinformationen, welche das BVwG im Erkenntnis vom 10.07.2015, Zl. XXXX der Entscheidung zugrundlegte, und jenen, welche in das gegenständliche Beschwerdeverfahren eingebracht wurden, führte zu der Feststellung, dass sich die Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan in den letzten Jahren nicht wesentlich veränderte und insbesondere keine Verbesserung der Sicherheits- und Versorgungslage eingetreten ist.
Es ist den Ausführungen des BF in seiner Beschwerde und in seinen Stellungnahmen zu folgen, dass es die belangte Behörde unterlassen hat, sich mit den Fluchtgründen des BF und den allenfalls geänderten Umständen auseinanderzusetzen. Zu Recht rügte der BF, dass die belangte Behörde diesen vor Aberkennung des Status des nicht persönlich einvernahm, um die dafür notwendigen Feststellungen treffen zu können. Das BVwG holte diese Einvernahme durch die mündliche Beschwerdeverhandlung am 08.11.2019 nach. Im Zuge dieser Verhandlung sind jedoch keine neuen Umstände zu Tage getreten, welche die Annahme rechtfertigen würden, dass die Gründe, weswegen dem BF im Jahr 2015 internationaler Schutz gewährt wurde, nicht mehr bestehen würden. Auch im Lichte der zitierten Länderinformationen zu Blutrache ist davon auszugehen, dass diese Gefahr für den BF auch heute noch besteht.
2.5 Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:
Die Feststellungen zur im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation, nicht wesentlich geändert haben. Die Parteien des Verfahrens haben alle genannten Länderinformationen mit der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme vom erkennenden Gericht übermittelt bekommen und haben von diesem Recht auch teilweise Gebrauch gemacht.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A):
1. Zur Abweisung der - zulässigen - Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt I (Aberkennung des Status des Asylberechtigten):
Gemäß § 7 Abs. 1 AsylG 2005 idgF BGBl I Nr. 56/2018 ist einem Fremden der Status des Asylberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn
1. ein Asylausschlussgrund nach § 6 vorliegt;
2. einer der in Art. 1 Abschnitt C der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Endigungsgründe eingetreten ist, oder
3. der Asylberechtigte den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat.
Gemäß Abs. 4 leg. cit. ist die Aberkennung nach Abs. 1 Z 1 und 2 mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Betroffenen die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukommt. Dieser hat nach Rechtskraft der Aberkennung der Behörde Ausweise und Karten, die den Status des Asylberechtigten oder die Flüchtlingseigenschaft bestätigen, zurückzustellen.
Gemäß dem - im gegenständlichen Fall in Betracht kommenden - § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005, welcher vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl auch angewendet wurde, ist der Status des Asylberechtigten einem Fremden von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn ein Asylausschlussgrund nach § 6 vorliegt.
Gemäß dem - im gegenständlichen Fall in Prüfung zu ziehenden - § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 ist ein Fremder von der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ausgeschlossen, wenn er von einem inländischen Gericht wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden ist und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeutet. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB, BGBl. Nr. 60/1974, entspricht.
Für den hier vorliegenden Fall einer Entscheidung gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 iVm § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 müssen wegen der wörtlich gleichen Voraussetzungen die gleichen Maßstäbe gelten, auf die sich die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes in den bisherigen Vorerkenntnissen (06.10.1999, Zl. 99/01/0288, 24.11.1999, Zl. 99/01/0314, 12.09.2002, Zl. 99/20/0532) zu § 13 Abs. 2 zweiter Fall AsylG 1997 bezogen haben (vgl. VwGH 03.12.2002, Zl. 99/01/0449).
Gemäß Art. 33 Z 1 der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) darf kein vertragsschließender Staat einen Flüchtling in irgendeiner Form in ein Gebiet ausweisen oder zurückweisen, wo sein Leben oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, seiner Religion, seiner Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Ansichten bedroht wäre.
Nach Art. 33 Z 2 GFK kann der Vorteil dieser Bestimmung jedoch von einem Flüchtling dann nicht in Anspruch genommen werden, wenn der Flüchtling aus gewichtigen Gründen eine Gefahr für die Sicherheit seines Aufenthaltslandes darstellt oder der Flüchtling, wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt, eine Gefahr für die Gemeinschaft des betreffenden Landes bedeutet.
Wie der Verwaltungsgerichtshof erstmals im Erkenntnis vom 06.10.1999, Zl. 99/01/0288, unter Hinweis auf Art. 33 Z 2 GFK ausgeführt hat, müssen nach "internationaler Literatur und Judikatur" kumulativ vier Voraussetzungen erfüllt sein, damit ein Flüchtling trotz drohender Verfolgung in den Heimat- oder Herkunftsstaat verbracht werden darf. Er muss
ein besonders schweres Verbrechen verübt haben,
dafür rechtskräftig verurteilt worden,
sowie gemeingefährlich sein und
es müssen die öffentlichen Interessen an der Rückschiebung die Interessen des Flüchtlings am Weiterbestehen des Schutzes durch den Zufluchtsstaat überwiegen (Güterabwägung).
Diese Voraussetzungen seien auch für die Anwendung des § 13 Abs. 2 zweiter Fall AsylG 1997 maßgeblich, weil der Gesetzgeber auf die völkerrechtliche Bedeutung der in dieser Bestimmung enthaltenen Wortfolgen abgestellt habe (vgl. zuletzt auch VwGH 05.12.2017, Ra 2016/01/0166).
Zur nunmehr anzunehmenden Bedeutung des Begriffs "besonders schweres Verbrechen" verwies der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 06.10.1999, Zl. 99/01/0288, auf eine im Jahr 1980 vom UNHCR im Zusammenhang mit Art. 1 Abschnitt F lit. b GFK vorgeschlagene Kategorisierung von Straftaten (vgl. näher Goodwin-Gill, The Refugee In International Law2 [1996, Nachdruck 1998] 107 f), auf die Kälin (Grundriss des Asylverfahrens 1990, 228) auch im Zusammenhang mit Art. 33 Z 2 GFK Bezug genommen hatte. "Typischerweise schwere Verbrechen" seien danach - in einer, wie hinzuzufügen sei, teilweise recht ungenauen Übersetzung - "etwa Tötungsdelikte, Vergewaltigung, Kindesmisshandlung, Brandstiftung, Drogenhandel, bewaffneter Raub" und dergleichen (vgl. Kälin, a.a.0., und die - insoweit aber wie in Rz 449 auf Art. 1 Abschnitt F lit. b GFK und die Literatur dazu bezogene - Formulierung bei Rohrböck, Das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl [1999], Rz 455). Es müsse sich um Straftaten handeln, die objektiv besonders wichtige Rechtsgüter verletzen.
Allerdings genüge es nicht, wenn ein abstrakt als "schwer" einzustufendes Delikt verübt worden sei. Die Tat müsse sich im konkreten Einzelfall als objektiv und subjektiv besonders schwerwiegend erweisen. U.a. sei auf Milderungsgründe Bedacht zu nehmen. Bei der Aufhebung des Bescheides wegen des Unterbleibens von Zukunftsprognose und Güterabwägung wurde ausgeführt, die für die Zukunftsprognose u.a. in Betracht zu ziehenden Umstände der Tatbegehung wären auch in die Beurteilung der Frage, ob die Tat "subjektiv besonders schwerwiegend" gewesen sei, einzubeziehen gewesen (VwGH Erkenntnis vom 3. 12. 2002, Zl. 99/01/0449).
In der internationalen Literatur überwiegen Hinweise auf die Verschiedenheit der Vorschriften des Art. 1 Abschnitt F lit. b GFK und des Art. 33 Z 2 GFK. Die "besonders schweren" Verbrechen im Sinne des Art. 33 Z 2 zweiter Fall GFK sind danach nur die "extremen Fälle" der "schweren Verbrechen" im Zufluchtsland, in Bezug auf deren Ahndung für die übrigen Fälle nur auf die Justiz des Zufluchtslandes verwiesen wird (VwGH Erkenntnis vom 3. 12. 2002, Zl. 99/01/0449).
In der Regierungsvorlage zum AsylG 2005 wird zu § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG, auf welchen § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG verweist, erläuternd Folgendes ausgeführt:
"Die Z 3 und 4 des Abs. 1 entsprechen inhaltlich dem bisherigen § 13 Abs. 2 AsylG. Unter den Begriff "besonders schweres Verbrechen" fallen nach Kälin, Grundriss des Asylverfahrens (1990), S 182 und 228 (ua. mit Hinweis auf den UNHCR) und Rohrböck, (Das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (1999) Rz 455, mit weiteren Hinweisen auf die internationale Lehre), nach herrschender Lehre des Völkerrechts nur Straftaten, die objektiv besonders wichtige Rechtsgüter verletzen. Typischerweise schwere Verbrechen sind etwa Tötungsdelikte, Vergewaltigung, Kindesmisshandlung, Brandstiftung, Drogenhandel, bewaffneter Raub und dergleichen (vgl. VwGH 06.10.1999, Zl. 99/01/0288). Zu denken wäre aber auch - auf Grund der Gefährlichkeit und Verwerflichkeit - an besondere Formen der Schlepperei, bei der es zu einer erheblichen Gefährdung, nicht unbedeutenden Verletzungen oder gar zur Tötung oder zu erheblichen, mit Folter vergleichbaren Eingriffen in die Rechte der Geschleppten kommt. Die aktuelle Judikatur in Österreich, wie in anderen Mitgliedstaaten der Genfer Flüchtlingskonvention, verdeutlicht, dass der aus dem Jahre 1951 stammende Begriff des "besonders schweren Verbrechens" des Art. 33 Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention einer Anpassung an sich ändernde gesellschaftliche Normenvorstellungen zugänglich ist."
Im vorliegenden Fall ist zunächst einmal unbestritten, dass der BF während seines ca. sieben Jahre dauernden Aufenthalts in Österreich insgesamt zweimal straffällig wurde, wobei er einmal wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels rechtskräftig zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahre und 1 Monat verurteilt wurde, wovon er zwei Drittel verbüßte und ihn ein Drittel bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren nachgesehen wurde.
Aufgrund der Deliktsqualifikationen, kann der Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie die angeführte Verurteilung fallgegenständlich als "besonders schweres Verbrechen" qualifizierte. Bei den vom BF verübten Taten liegen somit zumindest Straftaten vor, die objektiv besonders wichtige Rechtsgüter verletzen.
Auch die negative Zukunftsprognose als weitere Voraussetzung ist im Fall des BF - wie von der belangten Behörde zu Recht festgestellt - erfüllt.
Der BF wurde mehrfach wegen der gleichen schädlichen Neigung, nämlich wegen Drogendelikten rechtskräftig verurteilt. Er umgibt sich offensichtlich mit Personen, welche im Drogenmilieu tätig sind. Er versucht noch bei der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 08.11.2019 die zweite Verurteilung zu bagatellisieren, indem er angibt, dass er nur einem Nachbarn habe helfen wollen. Auch wenn er mittlerweile einzusehen scheint, dass er Fehler machte, so kann nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass er sich wieder mit diesen Personen trifft, und allenfalls wieder straffällig werden könnte.
Der BF ist zwar seit seiner Haftentlassung immer wieder als Arbeiter als beschäftigt gemeldet, nur hatte er in dieser kurzen Zeit bereits drei verschiedene Arbeitgeber, was zwar dafürspricht, dass er arbeiten will und sich erfolgreich darum bemüht, Arbeit zu finden. Jedoch war es ihm in den letzten Jahren dennoch nicht möglich, seinen Arbeitsplatz länger als einige Monate zu behalten.
Das Vorliegen einer positiven Zukunftsprognose im Sinne einer fehlenden Wiederholungswahrscheinlichkeit für weitere Straftaten bzw. einer aktuellen Resozialisierungsperspektive kann demnach nicht festgestellt werden.
Die Aberkennung des Status des Asylberechtigten aufgrund des Ausschlussgrundes nach § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG bedarf nach der oben dargestellten Rechtsprechung des VwGH weiters einer Güterabwägung, wobei die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung gegenüber den Interessen des (anerkannten) Flüchtlings am (Weiter-) Bestehen des Schutzes durch den Zufluchtsstaat abzuwägen sind. Im Rahmen dieser Güterabwägung sind die Verwerflichkeit des Verbrechens und die potentielle Gefahr für die Allgemeinheit den Schutzinteressen des Asylwerbers bzw. anerkannten Flüchtlings - beinhaltend das Ausmaß und die Art der ihm im Heimatland drohenden Maßnahmen und Verfolgungen - gegenüberzustellen.
Diesbezüglich ist auszuführen, dass die erkennende Richterin zum Entscheidungszeitpunkt von einer gegen den BF aktuell bestehenden Bedrohungslage in Afghanistan ausgeht.
Wie festgestellt, reiste der BF im Jahr 2011 aus Afghanistan aus und im Oktober 2012 in das Bundesgebiet ein und erhielt in der Folge aufgrund des glaubhaften Vorbringens wegen Blutrache verfolgt zu werden, im August 2015 den Status eines Asylberechtigten zuerkannt. Der BF ist nach dem Ergebnis des gegenständlichen Ermittlungsverfahrens im Falle seiner Rückkehr nach wie vor von Blutrache bedroht. Nachdem sich weder die persönliche Situation des BF noch die Sicherheits- oder Versorgungslage in Afghanistan seit der Gewährung internationalen Schutzes im Jahr 2015 geändert hat, ergibt sich daraus, dass dem BF nach wie vor keine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung steht. Es kann demnach davon ausgegangen werden, dass dem BF im Falle einer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit nach wie vor eine gezielte Verfolgung durch diese Familie, welche auch die Taliban unterstützt, drohen würde.
In Abwägung der öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung des wegen eines schweren Verbrechens verurteilten BF als Bedrohung für die öffentliche Sicherheit in Österreich überwiegt jedenfalls gegenüber den Interessen des BF, weiterhin den Status des international Schutzberechtigten genießen zu können. Dies umso mehr, als der BF bereits mehrfach wegen der gleichen schädlichen Neigung gegen die österreichische Rechtsordnung verstoßen hat.
Die Voraussetzungen für die Aberkennung des Status des Asylberechtigten sind beim BF daher gegeben.
3.2 Zur Abweisung der - zulässigen - Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt II. (subsidiärer Schutz) des angefochtenen Bescheides und Änderung des Spruchpunktes II:
Die maßgeblichen Bestimmungen zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Abweisung der Beschwerde hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides) lauten wie folgt:
"Status des subsidiär Schutzberechtigten
§ 8. (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,
1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerke