TE Bvwg Beschluss 2020/3/26 W245 2196084-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.03.2020
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Entscheidungsdatum

26.03.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
AVG §68 Abs1
BFA-VG §21 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §55 Abs1a

Spruch

W245 2196084-3/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Bernhard SCHILDBERGER, LL.M. als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Iran, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zahl: XXXX , betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005, beschlossen:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Zum Erstantrag auf internationalen Schutz:

I.1. Der Beschwerdeführer XXXX (in der Folge auch "BF"), ein iranischer Staatsbürger, reiste illegal ins österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 06.09.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz.

I.2. Im Rahmen der am 06.09.2017 erfolgten Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der BF im Wesentlichen an, dass er zum Christentum konvertiert sei.

I.3. Bei der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge "belangte Behörde", auch "bB") am 19.02.2018 gab der BF an, dass er im Iran Probleme gehabt habe und in Lebensgefahr gewesen sei. Seit dem Jahr 1393 (=2014) habe er sich für das Christentum interessiert. Er sei im Iran zweimal in einer offiziellen Kirche gewesen. Beim zweiten Besuch habe der Priester zum BF gesagt, dass er die Ausweise der Mitglieder kopieren müsse. Danach habe der BF Angst gehabt und sei deshalb nicht mehr in der Kirche gewesen. Daraufhin habe er sich sieben oder acht Tage bei einem Freund in Armenien aufgehalten.

Bei der Rückreise in den Iran habe der BF Probleme an der Grenze bekommen. Er sei von den iranischen Behörden kontrolliert worden. Die Behörden hätten christliche Bücher im Auto des BF gefunden. Er sei für sechs Stunden festgehalten worden. Der BF habe etwas unterschreiben müssen und sei dann wieder freigelassen worden.

Im Jahr 1395 (=2016) sei der BF von seinem Freund XXXX besucht worden. Dieser sei für drei Tage beim BF geblieben. XXXX habe immer auf Armenisch gebetet. Zur gleichen Zeit sei auch ein weiterer Freund namens XXXX beim BF gewesen. Der BF kenne XXXX vom Gymnasium.

Nachdem der XXXX am XXXX das Zuhause des BF gestürmt habe, sei er nicht mehr nachhause gegangen. Der BF habe erfahren, dass auch XXXX verhaftet worden sei. Die Beamten seien deshalb gekommen, weil XXXX zuhause beim BF gewesen sei.

Darüber hinaus habe der BF im Iran eine Bestätigung unterschreiben müssen, dass er für die christliche Religion nicht aktiv sein dürfe. Auch sei der BF zweimal in der Kirche gewesen. Deshalb habe er sein Heimatland verlassen müssen und sein Leben sei in Gefahr. Sein Glaube an Jesus Christus sei im Iran verboten.

Schließlich verneinte der BF die Frage, ob er in seinem Heimatland politisch tätig gewesen sei oder ob er einer politischen Partei angehöre und ergänzte, dass er auf sozialen Netzwerken kritische Kommentare geschrieben habe. Jedoch sei dies nicht der Grund gewesen, weshalb er den Iran verlassen habe.

Würde er alleine Zurückkehren, würde der BF keine Angst habe. Jedoch habe er einen Sohn. Der BF würde von den staatlichen Behörden verhaftet werden.

I.4. Mit Bescheid vom 13.04.2018 wies die bB den Antrag des BF auf internationalen Schutz zur Gänze ab (Spruchpunkt I. und II.). Es wurde dem BF kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass eine Abschiebung in den Iran zulässig sei (Spruchpunkt III.-V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).

I.5. Mit Verfahrensanordnung vom 13.04.2018 wurde dem BF gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG der XXXX , als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt. Ebenso wurde der BF über ein Rückkehrberatungsgespräch informiert.

I.6. Gegen den Bescheid der bB richtete sich die am 08.05.2018 fristgerecht erhobene Beschwerde. In der Beschwerdebegründung wurde ausgeführt, dass der BF sich bereits seit dem Jahr 2014 für das Christentum interessiere. Er habe sich bereits in seinem Heimatland vom Islam abgewandt und sei zum Christentum gewechselt. Auch in Österreich lebe der BF nach den christlichen Werten und besuche regelmäßig die Kirche. Weil der BF zum Christentum konvertiert sei, sei für ihn eine Rückkehr in den Iran unmöglich geworden. Der BF werde aufgrund seiner Religion vom Staat verfolgt. Deshalb sei er BF gezwungen, in Europa um Schutz anzusuchen.

I.7. Mit Erkenntnis vom 03.07.2018, L525 2196084-1 wies das Bundesverwaltungsgericht (in der Folge auch "BVwG") die erhobene Beschwerde des BF gegen den Bescheid der bB als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. Das Erkenntnis wurde dem Vertreter des BF am 04.07.2018 zugestellt.

I.8. Der Verfassungsgerichtshof wies mit Beschluss vom 12.12.2018, E 3144/2018-11 die Beschwerde gegen das Erkenntnis des BVwG zurück.

I.9. Zum ersten Folgeantrag auf internationalen Schutz: Am 30.07.2019 stellte der BF einen Folgeantrag. Im Rahmen der am selben Tag erfolgten Befragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der BF an, dass er die selben Fluchtgründe habe, welche er bereits im Jahr 2017 angegeben habe. Auch habe er an Demonstrationen teilgenommen, als der iranische Präsident in XXXX gewesen sei.

I.10. Bei der Einvernahme durch die bB am 07.09.2018 legte der BF Kopien von fremdsprachigen Konversationen via XXXX (fünf Beilagen) vor. Zwei Beilagen seien zum Zeitpunkt erstellt worden, als der BF auf dem Weg nach Europa gewesen sei und er sich in Griechenland aufgehalten habe. Die weiteren Beilagen seien vor ca. sieben Jahren im Iran auf XXXX gepostet worden. Zu diesen Beilagen gab der BF an, dass er damit den Islam und die iranische Regierung kritisiert habe. Aufgrund dieser Postings könne der BF nicht mehr in den Iran zurückkehren, da diese für den BF das Todesurteil bedeuten würde. Ein Freund namens XXXX , welcher die gleiche Meinung wie der BF gehabt habe, sei Anfang November 2012 unter Folter getötet worden. Der BF habe am Begräbnis von XXXX teilgenommen. Nachdem die iranischen Behörden erkannt hätten, dass die Postings vom BF stammen würden, habe er den Iran verlassen müssen. Im Erstverfahren habe der BF nicht über seine politischen Probleme reden wollen, da die österreichische Regierung gute Kontakte zur iranischen Regierung gehabt habe. Die Postings seien der Grund gewesen, dass der BF den Iran habe verlassen müssen.

Weiters legte der BF bei der Einvernahme am 07.09.2018 fünf Fotos vor. Diese Fotos würden die Teilnahme des BF an Demonstrationen im Zuge des Besuches von Präsident Rohani in Österreich belegen.

Schließlich legte der BF bei seiner Befragung noch eine Bestätigung über seinen Austritt aus der Katholischen Kirche vor. Dazu erklärte der BF, dass diese Bestätigung ein Missverständnis sei und dass er ein Katholik sei. Er besuche die XXXX in der XXXX und sei auch dort getauft worden. Auf Vorhalt, dass diese eine XXXX sei, gab der BF an, dass er sich von Anfang an für die katholische Kirche interessiert habe.

I.11. Bei einer weiteren Einvernahme durch die bB am 14.11.2018 gab der BF an, dass er damals, als er in Griechenland gewesen sei, lebensgefährlich bedroht worden sei, nachdem er etwas auf XXXX etwas gepostet habe. Diesbezüglich verwies der BF auf die bei der Einvernahme am 07.09.2018 vorgelegten Kopien von Konversationen (Beilage 1 und 2). Auf Vorhalt des Leiters der Amtshandlung, dass aus dem vorliegenden Wortwechsel keine Drohung erkennbar sei, ergänzte der BF, dass er die Drohungen via XXXX erhalten habe und diese erst raussuchen müsse. Erst dann könne er sie vorlegen.

Im Zuge der Befragung legte der BF auch eine Austrittsbescheinigung aus der islamischen Glaubensgemeinschaft vor. Ferner teilte der BF bei der Befragung bei der bB mit, dass er von seinem Schwager vor einem Jahr telefonisch bedroht worden sei, weil er aus dem Islam ausgetreten sei. Danach habe der BF den Kontakt zu seiner gesamten Familie, bis auf seine Ehefrau und seinen Sohn, abgebrochen. Zudem hätten seine Frau und sein Sohn dreimal die Adresse wechseln müssen, da sie Angst vor dem Schwager des BF gehabt hätten.

Auf Vorhalt des Leiters der Amtshandlung, dass aus den nunmehr vorgelegten Beweismitteln zu entnehmen sei, dass der BF noch nicht getauft sei, da er noch einen Taufvorbereitungskurs besuche, entgegnete der BF, dass er getauft sei.

Schließlich führte der BF aus, dass er am 04.07.2018 an einer Demonstration teilgenommen habe. Nachdem er hiervon auf XXXX gepostet habe, sei er bedroht worden. Diese Drohung habe der BF bei seiner Einvernahme jedoch nicht belegen können.

I.12. Mit Bescheid vom 24.01.2019 wies das BFA den Folgeantrag des BF auf internationalen Schutz vom 30.07.2019 hinsichtlich des Status eines Asylberechtigten sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (in der Folge "AVG") wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkt I. und II.). Weiters wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (in der Folge "FPG") idgF, erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Iran zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI.).

I.13. Mit Verfahrensanordnung vom 24.01.2019 wurde dem BF gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG der XXXX , als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt. Ebenso wurde der BF über ein Rückkehrberatungsgespräch informiert.

I.14. Gegen den Bescheid der bB richtete sich die am 06.02.2019 fristgerecht erhobene Beschwerde. In der Beschwerdebegründung wurde ausgeführt, dass der BF bei seiner Einvernahme einige Fotos als Beweis seiner Teilnahme an einer Demonstration vorgelegt habe, zu welcher die bB nur ein paar Fragen gestellt habe. Der BF sei gefragt worden, was der Anlass dieser Demonstration gewesen sei und warum der Präsident Rohani in Österreich gewesen sei und was die ganze Geschichte mit Deutschland zu tun habe. Der BF sei jedoch kein Politiker und er interessiere sich für den derzeitigen Präsidenten oder Ayatollah Khamenei überhaupt nicht. Der BF sei gegen die ganze Struktur der iranischen Regierung, die vom Islam geprägt sei. Der BF sei fest davon überzeugt, dass alles was das iranische Regime mache, falsch sei. Er beschäftige sich nicht mit einzelnen Tätigkeiten der iranischen Regierung, sondern finde das ganze Konzept und den Aufbau des islamischen Regimes falsch.

Zudem habe der der BF der bB ein Foto vorgelegt, auf dem das Zeichen "N" abgebildet sei. Der BF habe die Bedeutung dieses Zeichens ganz klar und eindeutig definiert. Die belangte Behörde gehe aber davon aus, dass der BF die Bedeutung dieses Symbols nicht gekannt habe.

Insgesamt habe der BF aus seiner Sicht die Asylgründe schlüssig erzählt und habe seine Angst vor der Rückkehr glaubhaft gemacht.

I.15. Mit Erkenntnis vom 13.02.2019, W122 2196084-2 wies das BVwG die erhobene Beschwerde des BF gegen den Bescheid der bB als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. Das Erkenntnis wurde dem Vertreter des BF am 15.02.2019 zugestellt.

I.16. Der Verwaltungsgerichtshof wies mit Beschluss vom 15.04.2019, Ra 2019/01/0119 die (außerordentliche) Revision gegen das Erkenntnis des BVwG zurück.

I.17. Zum zweiten Folgeantrag auf internationalen Schutz bzw. zum gegenständlichen Verfahren: Am 31.01.2020 stellte der BF neuerlich einen Folgeantrag. Im Rahmen der am selben Tag erfolgten Befragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der BF an, dass er die bisher angegebenen Fluchtgründe vollinhaltlich aufrecht halte.

Zudem erklärte der BF, dass er via XXXX das iranische Regime kritisiere. Deshalb seien seine Frau und seine Kinder, welche bei seinem Schwager wohnen würden, bedroht worden. Die Sicherheitsbehörden hätten die Türen und die Fenster zerstört. Sie hätten zu seiner Frau gesagt, dass er mit den Postings aufhören solle. Sie hätten zu seiner Frau auch gesagt, wenn sie ihn erwischen würden, werden sie ihn töten. Der Vorfall habe sich am 18.11.2019 ereignet. Der BF habe noch immer sehr große Angst vor den Anhängern des iranischen Regimes. Deshalb stelle er erneut einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat fürchte er sich vor den sicheren Tod.

I.18. Am 04.02.2020 wurde eine Vollmacht für XXXX samt einer Stellungnahme übermittelt.

I.19. Mit Verfahrensanordnung gemäß § 29 Abs. 3 und § 15a AsylG 2005 vom 05.02.2020 wurde dem BF mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache im Sinne des § 68 AVG zurückzuweisen. Zudem wurde mit Verfahrensanordnung dem BF mitgeteilt, dass er sich alle 2 Tage, beginnend mit 07.02.2020 in der Zeit von 08.00 bis 17.00 bei der PI XXXX zu melden habe. Ebenso wurde mit Verfahrensanordnung vom 05.02.2020 ein Rückkehrberatungsgespräch gemäß § 52a Abs. 2 BFA-VG angeordnet.

I.20. Mit Schreiben vom 05.02.2020 wurde dem BF Länderfeststellungen zu Iran mit der Möglichkeit übermittelt, bis zum Einvernahmetermin schriftlich Stellung zu nehmen. Dazu erfolgte am 11.02.2020 eine Stellungnahme des BF im Wege seines Vertreters.

I.21. Bei der Einvernahme durch die bB am 12.02.2020 gab der BF an, dass seine Ehefrau und sein Sohn am 04.12.2019 bedroht worden seien. Die Ehefrau des BF habe dem BF geschrieben, falls dem Sohn etwas passieren sollte, werde sie sich umbringen.

Die Nachrichtendienste im Iran hätten in einem Zeitraum von zwei Monaten vor dem 18.11.2019 öfters bei seiner Frau angerufen und sie bedroht. Sie hätten gesagt, dass der BF vom Ausland aus Iraner motiviere, auf die Straße zu gehen, um zu demonstrieren. Auch hätten sie gesagt, egal wo der BF sei, sie würden ihn finden und umbringen. Sie hätten angekündigt, dass sie etwas dem Sohn antun würden, wenn der BF seine Handlungen fortsetze. Ferner hätten Sie die Fenster zerstört und seinem Sohn zwei Ohrfeigen geben. Am nächsten Tag hätten seine Frau und sein Sohn Teheran verlassen. Sie hätten dort gemeinsam mit der Schwiegermutter bzw. mit dem Schwager des BF in einem Haus gelebt. Die Ehefrau und der Sohn des BF hätten nunmehr im XXXX eine Unterkunft genommen und würden dort auf eine Ausreise nach Kanada warten. Eine Bedrohung gegenüber der Schwiegermutter bzw. gegenüber dem Schwager habe es nicht gegeben, da sie nur den BF gesucht hätten.

Zur Bedrohung führte der BF aus, dass er seit 2017 Mitglied der " XXXX " sei. Seit 2019 sei er einer von vier Vorstandsmitgliedern.

Darüber hinaus seien sein Sohn und seine Ehefrau bereits im Jahr 2018 bedroht worden, als sie Sachen aus dem Haus geholt hätten, wo sie einst gemeinsam gelebt hätten. Auch sei sein Sohn im Gymnasium bedroht worden. Der islamische Verband habe in der Schule seinen Sohn einige Male zu einem Gespräch geladen. Sie hätten den Sohn gefragt, wo der BF sei. Zudem hätten sie den Sohn dazu aufgefordert, dass der BF seinen Sohn zur Schule begleiten solle. In diesem Zusammenhang sei der BF damals wegen eines Postings im Internet gesucht worden. Der BF bekomme Information aus dem Iran, überwiegend aus der Universität XXXX und Universität XXXX . Der BF sei direkt mit XXXX in Kontakt. Zudem sei der BF auch mit der Sendung XXXX (Fernsehsendung von der Opposition) in Kontakt. Diese Sendung werde in XXXX ausgestrahlt.

Weiters erklärte der BF, dass er bereits vor sieben Jahren erstmalig das iranische Regime kritisiert habe. Er habe einen Brief an XXXX geschrieben. Der Brief habe über Folter und Hinrichtungen im Iran gehandelt. Der BF habe diesen Brief noch immer auf seinem Handy gespeichert.

Auf Vorhalt, dass sich der Vorfall bereits am 18.11.2019 ereignet habe und der BF erst am 31.01.2019 (gemeint 2020) den gegenständlichen Asylantrag gestellt habe, führte der BF aus, dass er zunächst Angst gehabt habe. Zudem sei es ihm psychisch nicht gut gegangen, weil seine Familie habe weggehen müssen. Sie habe bereits einen Schlepper gefunden, sie müsse aber noch auf das Geld warten.

Ein weiterer Fluchtgrund sei der Schwager des BF (Ehemann seiner Schwester), welcher beim XXXX arbeite und sehr einflussreich sei. Der BF gehe davon aus, dass dieser aufgrund der Schreibweise für manche Drohungen verantwortlich sei. Der BF glaube, dass sein Schwager dafür verantwortlich sei, dass Beamte in seinem Haus gewesen seien.

Bei einer Rückkehr in den Iran fürchte der BF, dass er hingerichtet werde.

I.22. Mit Bescheid vom 13.02.2020 wies das BFA den Folgeantrag des BF auf internationalen Schutz vom 31.02.2020 hinsichtlich des Status eines Asylberechtigten sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (in der Folge "AVG") wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkt I. und II.). Weiters wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (in der Folge "FPG") idgF, erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Iran zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 53 Absatz 1 iVm Absatz 2 Ziffer 6 FPG wurde gegen den BF ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.

In der Beweiswürdigung zeigte die bB zunächst einen Widerspruch zwischen den Angaben dem BF im Erstverfahren (siehe oben Punkt 0) und Zweitverfahren (siehe oben Punkt 0) auf. In diesem Zusammenhang führte die bB aus, dass im Erstverfahren der BF angegeben habe, dass er kritische Kommentare in den sozialen Netzwerken geschrieben habe. Dies sei jedoch nicht der Grund gewesen, warum der BF den Iran verlassen habe. Im Zweitverfahren gab der BF nunmehr an, dass der BF wegen seiner kritischen Kommentare den Iran verlassen habe.

Weiters führte die bB aus, dass die dargestellten Angaben des BF hinsichtlich seines Fluchtgrundes, dass seine Ehefrau und sein Sohn aufgrund seiner kritischen Nachrichten von den Sicherheitsbehörden bedroht worden wären, zu keinem Zeitpunkt genügend substantiiert gewesen seien, um darin einen neuen Sachverhalt erkennen zu können. Dahingehend zeigte die bB auch auf, dass der BF während seiner Einvernahme am 12.02.2020 seine Fluchtgründe gesteigert habe. Zunächst habe der BF nur angegeben, dass seine Ehefrau und sein Sohn am 18.11.2019 wegen Postings von den Sicherheitsbehörden bedroht worden sei. Dann habe der BF ausgeführt, dass seine Ehefrau und sein Sohn bereits im Jahr 2018 bedroht worden seien. Dieses verspätete, gesteigerte Vorbringen sei als unglaubwürdig zu qualifizieren, da kein Asylwerber eine sich bietende Gelegenheit, zentral entscheidungsrelevantes Vorbringen zu erstatten, ungenützt vorübergehen lassen würde.

Eine Bedrohung bzw. eine Verfolgung wegen den politischen Aktivitäten des BF in Österreich verifizierte die bB nicht.

I.23. Mit Verfahrensanordnung vom 13.02.2020 wurde dem BF gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG der XXXX , als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt. Ebenso wurde der BF über eine freiwillige Ausreise informiert.

I.24. Gegen den Bescheid der bB richtete sich die am 06.02.2019 fristgerecht erhobene Beschwerde. In der Beschwerdebegründung wurde unter anderem ausgeführt, dass die bB unterlassen habe, sich mit dem gesamten neuen Vorbringen des BF hinreichend auseinanderzusetzen. So habe sich die bB - zusammengefasst - nicht mit der Situation beschäftigt, dass der BF als monarchistischer Influencer eine wesentlich höhere Gefährdung zu gewärtigen habe, als noch im Jahr 2018. In diesem Zusammenhang sei auch zu beachten, dass der BF mittlerweile einem weitaus größeren Kreis an Abonnenten (ca. 5000) bekannt sei und somit seine Bedeutung als politischer Aktivist sich dadurch wesentlich vergrößert habe. Es sei daher in hohem Maße unwahrscheinlich, dass den iranischen Behörden die Aktivität des BF in sozialen Medien verborgen geblieben sei.

I.25. Die gegenständliche Beschwerde und der bezugshabende Verwaltungsakt wurden dem BVwG am 06.03.2020 von der bB vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest.

II.1.1. Verfahrensgang:

Der unter Punkt dargestellte Verfahrensgang wird festgestellt und der Entscheidung zu Grunde gelegt.

II.1.2. Zum sozialen Hintergrund des BF:

Der BF führt den Namen XXXX , geboren am XXXX , ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Iran, Angehöriger der Volksgruppe der Aseri und wurde als schiitischer Moslem geboren. Die Muttersprache des BF ist Farsi. Darüber hinaus spricht er auch Türkisch und Englisch.

Der BF wurde nach seinen Angaben in XXXX geboren. Der BF hat vor seiner Ausreise in Teheran gelebt. Der BF hat den Iran im Dezember 2016 verlassen.

Er ist im erwerbsfähigen Alter und leidet an keiner ernsthaften Krankheit.

Der BF hat 12 Jahre die Grundschule in Teheran besucht und sie mit Matura abgeschlossen. Er hat vor seiner Ausreise als selbständiger Möbelmacher in Teheran gearbeitet.

Der BF ist verheiratet und er hat einen Sohn im Iran. Der BF hat Kontakt zu seiner Familie.

Der BF ist seit 2017 Mitglied der " XXXX ".

Der BF ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten. Nach seinen eigenen Angaben ist er in seinem Herkunftsstaat nicht vorbestraft und hatte keine Probleme mit Behörden und war politisch nicht aktiv.

II.1.3. Zur maßgeblichen Änderung der asyl- und abschieberelevanten Lage:

Der BF stellte am 31.01.2020 stellte der BF einen zweiten Folgeantrag auf internationalen Schutz in Österreich. Diesen Antrag begründete der BF im Wesentlichen damit, dass seine Familie im Iran aufgrund seiner politischen Aktivitäten bedroht worden sei.

Als Vergleichsentscheidung zur Beurteilung der maßgeblichen Änderung der asyl- und abschieberelevanten Lage ist die Entscheidung des BVwG vom 03.07.2018, L515 2196084-1 heranzuziehen.

Es wird festgestellt, dass die bB eine mögliche Bedrohung bzw. Verfolgung des BF sowie seiner Familie wegen seiner politischen Aktivitäten in Österreich (als politischer Influencer und monarchisch orientierter Blogger und als Vorstandsmitglied im Verband " XXXX ") unzureichend verifiziert hat.

Der von der bB ermittelte Sachverhalt ist grundlegend ergänzungsbedürftig.

II.1.4. Zur maßgeblichen Situation im Iran:

Die Länderfeststellungen zur Lage im Iran basieren auf nachstehenden Quellen:

* Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran in der Fassung der Gesamtaktualisierung vom 14.06.2019 (in der Folge auch "LIB").

II.1.4.1. Politische Lage (LIB, Kapitel 2):

Die komplexen Strukturen politischer Macht in der Islamischen Republik Iran sind sowohl von republikanischen als auch autoritären Elementen gekennzeichnet. Höchste politische Instanz ist der "Oberste Führer der Islamischen Revolution" [auch Oberster Rechtsgelehrter, Oberster Führer oder Revolutionsführer], Ayatollah Seyed Ali Hosseini Khamenei, der als Ausdruck des Herrschaftsprinzips des "velayat-e faqih" (Vormundschaft des Islamischen Rechtsgelehrten) über eine verfassungsmäßig verankerte Richtlinienkompetenz verfügt, Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist und das letzte Wort in politischen Grundsatz- und ggf. auch Detailfragen hat. Er wird von einer vom Volk auf acht Jahre gewählten Klerikerversammlung (Expertenrat) auf unbefristete Zeit bestimmt und kann diesen theoretisch auch absetzen. Das Herrschaftsprinzips des "velayat-e faqih" besagt, dass nur ein herausragender Religionsgelehrter in der Lage sei, eine legitime Regierung zu führen bis der 12. Imam, die eschatologische Heilsfigur des schiitischen Islam, am Ende der Zeit zurückkehren und ein Zeitalter des Friedens und der Gerechtigkeit einleiten werde. Dieser Rechtsgelehrte ist das Staatsoberhaupt Irans mit dem Titel "Revolutionsführer".

Das iranische Regierungssystem ist ein semipräsidentielles, d.h. an der Spitze der Regierung steht der vom Volk für vier Jahre direkt gewählte Präsident (Amtsinhaber seit 2013 Hassan Rohani, wiedergewählt: Mai 2017). Er steht der Regierung vor, deren Kabinett er ernennt. Die Kabinettsmitglieder müssen allerdings vom Parlament bestätigt werden. Der Präsident ist der Leiter der Exekutive. Zudem repräsentiert er den Staat nach außen und unterzeichnet internationale Verträge. Dennoch ist seine faktische Macht beschränkt, da der Revolutionsführer in allen Fragen das letzte Wort hat bzw. haben kann.

Der Revolutionsführer ist wesentlich mächtiger als der Präsident, ihm unterstehen u.a. die Revolutionsgarden (Pasdaran oder IRGC) inklusive der mehrere Millionen Mitglieder umfassenden, paramilitärischen Basij-Milizen und die gesamte Judikative. Für die entscheidenden Fragen ist letztlich der Oberste Führer verantwortlich. Obwohl der Revolutionsführer oberste Entscheidungsinstanz und Schiedsrichter ist, kann er zentrale Entscheidungen nicht gegen wichtige Machtzentren treffen. Politische Gruppierungen bilden sich um Personen oder Verwandtschaftsbeziehungen oder die Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen (z.B. Klerus). Diese Zugehörigkeiten und Allianzen unterliegen dabei einem ständigen Wandel.

Ebenfalls alle vier Jahre gewählt wird die Islamische Beratende Versammlung oder Majles, ein Einkammerparlament mit 290 Abgeordneten, das gewisse legislative Kompetenzen hat und Ministern das Vertrauen entziehen kann.

Der Wächterrat (12 Mitglieder, sechs davon vom Obersten Führer ernannte Geistliche, sechs von der Judikative bestimmte Juristen) hat mit einem Verfassungsgerichtshof vergleichbare Kompetenzen (Gesetzeskontrolle), ist jedoch insgesamt wesentlich mächtiger als ein westliches Verfassungsgericht. Ihm obliegt u.a. auch die Genehmigung von Kandidaten bei Wahlen. Der Wächterrat ist somit das zentrale Mittel zur Machtausübung des Revolutionsführers.

Der Expertenrat wählt und überwacht den Revolutionsführer auf Basis der Verfassung. Die 86 Mitglieder des Expertenrats werden alle acht Jahre vom Volk direkt gewählt. Für die Zulassung der Kandidaten ist der Wächterrat zuständig.

Der Schlichtungsrat besteht aus 35 Mitgliedern, die vom Revolutionsführer unter Mitgliedern der Regierung, des Wächterrats, des Militärs und seinen persönlichen Vertrauten ernannt werden. Er hat zum einen die Aufgabe, im Streitfall zwischen verschiedenen Institutionen der Regierung zu vermitteln, zum anderen hat er festzustellen, was die langfristigen "Interessen des Systems" sind. Diese sind unter allen Umständen zu wahren. Der Systemstabilität wird in der Islamischen Republik alles untergeordnet. Falls nötig, können so in der Islamischen Republik etwa auch Gesetze verabschiedet werden, die der Scharia widersprechen, solange sie den Interessen des Systems dienen.

Die Basis des Wahlsystems der Islamischen Republik sind die Wahlberechtigten, also jeder iranische Bürger ab 16 Jahren. Das Volk wählt das Parlament, den Präsidenten sowie den Expertenrat in geheimen und direkten Wahlen. Das System der Islamischen Republik kennt keine politischen Parteien. Theoretisch tritt jeder Kandidat für sich alleine an. In der Praxis gibt es jedoch Zusammenschlüsse von Abgeordneten, die westlichen Vorstellungen von Parteien recht nahekommen. Am 26. Februar 2016 fanden die letzten Wahlen zum Expertenrat und die erste Runde der Parlamentswahlen statt. In den Stichwahlen vom 29. April 2016 wurde über 68 verbliebene Mandate der 290 Sitze des Parlaments abgestimmt. Aus den Wahlen gingen jene Kandidaten gestärkt hervor, die das Wiener Atomabkommen und die Lockerung der Wirtschaftssanktionen nach dem "Implementation Day" am 16. Januar 2016 unterstützen. Zahlreiche Kandidaten waren im Vorfeld durch den Wächterrat von einer Teilnahme an der Wahl ausgeschlossen worden. Nur 73 Kandidaten schafften die Wiederwahl. Im neuen Parlament sind 17 weibliche Abgeordnete vertreten.

Das iranische Wahlsystem entspricht nicht internationalen demokratischen Standards. Der Wächterrat, der von konservativen Hardlinern und schlussendlich auch vom Obersten Rechtsgelehrten Khamenei kontrolliert wird, durchleuchtet alle Kandidaten für das Parlament, die Präsidentschaft und den Expertenrat. Üblicherweise werden Kandidaten, die nicht als Insider oder nicht vollkommen loyal zum religiösen System gelten, nicht zu Wahlen zugelassen. Bei Präsidentschaftswahlen werden auch Frauen aussortiert. Das Resultat ist, dass die iranischen Wähler nur aus einem begrenzten und aussortierten Pool an Kandidaten wählen können. Von den 1.499 Männern und 137 Frauen, die sich im Rahmen der Präsidentschaftswahl 2017 für die Kandidatur zum Präsidentenamt registrierten, wurden sechs männliche Kandidaten vom Wächterrat zugelassen. Die Wahlen an sich liefen im Prinzip frei und fair ab, unabhängige Wahlbeobachter waren aber nicht zugelassen. Ablauf, Durchführung sowie Kontroll- und Überprüfungsmechanismen der Wahlen sind in technischer Hinsicht grundsätzlich gut konzipiert.

Die Erwartung, dass durch den 2015 erfolgten Abschluss des Atomabkommens (JCPOA) Reformkräfte im Iran gestärkt würden, hat sich in den Parlamentswahlen im Februar bzw. April (Stichwahl) 2016 erfüllt. Die Reformer und Moderaten konnten starke Zugewinne erreichen, so gingen erstmals alle Parlamentssitze für die Provinz Teheran an das Lager der Reformer. Auf Reformbestrebungen bzw. die wirtschaftliche Öffnung des Landes durch die Regierung Rohanis wird von Hardlinern in Justiz und politischen Institutionen mit verstärktem Vorgehen gegen "unislamisches" oder konterrevolutionäres Verhalten reagiert. Es kann daher auch nicht von einer wirklichen Verbesserung der Menschenrechtslage gesprochen werden. Ein positiver Schritt Ende 2017 war die Aufhebung der Todesstrafe für die meisten Drogendelikte, was im ersten Halbjahr 2018 zu einer signifikanten Reduktion der vollstreckten Todesurteile (-60%) führte. Jedoch gab es 2018 mit der Einschränkung des Zugangs zu unabhängigen Anwälten in "politischen" Fällen und der zunehmenden Verfolgung von Umweltaktivisten auch zwei eindeutig negative Entwicklungen.

Reformorientierte Regimekritiker sind weiterhin starken Repressionen ausgesetzt und unterstützen im Wesentlichen den im politischen Zentrum des Systems angesiedelten Präsidenten Rohani.

II.1.4.2. Sicherheitslage (LIB, Kapitel 3):

Den komplexen Verhältnissen in der Region muss stets Rechnung getragen werden. Bestimmte Ereignisse und Konflikte in Nachbarländern können sich auf die Sicherheitslage im Iran auswirken.

Latente Spannungen im Land haben wiederholt zu Kundgebungen geführt, besonders im Zusammenhang mit (religiösen) Lokalfeiertagen und Gedenktagen. Dabei ist es in verschiedenen iranischen Städten bisweilen zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Demonstranten gekommen, die Todesopfer und Verletzte gefordert haben, wie beispielsweise Ende Dezember 2017 und im Januar 2018.

Das Risiko von Anschlägen besteht im ganzen Land. Am 22. September 2018 forderte ein Attentat auf eine Militärparade in Ahvaz (Provinz Khuzestan) zahlreiche Todesopfer und Verletzte. Am 7. Juni 2017 wurden in Teheran Attentate auf das Parlament und auf das Mausoleum von Ayatollah Khomeini verübt. Sie haben über zehn Todesopfer und zahlreiche Verletzte gefordert. In den Grenzprovinzen im Osten und Westen werden die Sicherheitskräfte immer wieder Ziel von bewaffneten Überfällen und Anschlägen. In Iran kommt es, meistens in Minderheitenregionen, unregelmäßig zu Zwischenfällen mit terroristischem Hintergrund. Seit den Pariser Anschlägen vom November 2015 haben iranische Behörden die allgemeinen Sicherheitsmaßnahmen im Grenzbereich zu Irak und zu Pakistan, aber auch in der Hauptstadt Teheran, erhöht. Im ganzen Land, besonders außerhalb von Teheran, kann es immer wieder zu politisch motivierten Kundgebungen mit einem hohen Aufgebot an Sicherheitskräften kommen.

In der Provinz Sistan-Belutschistan (Südosten, Grenze zu Pakistan/Afghanistan) kommt es regelmäßig zu Konflikten zwischen iranischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppierungen. Die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt und es gibt vermehrte Sicherheits- und Personenkontrollen. Wiederholt wurden Ausländer in der Region festgehalten und längeren Verhören unterzogen. Eine Weiterreise war in manchen Fällen nur noch mit iranischer Polizeieskorte möglich. Dies geschah vor dem Hintergrund von seit Jahren häufig auftretenden Fällen bewaffneter Angriffe auf iranische Sicherheitskräfte in der Region. Die Grenzzone Afghanistan, östliches Kerman und Sistan-Belutschistan stehen teilweise unter dem Einfluss von Drogenhändlerorganisationen sowie von extremistischen Organisationen. Sie haben wiederholt Anschläge verübt und setzen teilweise Landminen auf Überlandstraßen ein. Es kann hier jederzeit zu bewaffneten Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften kommen.

In der Provinz Kurdistan und der ebenfalls von Kurden bewohnten Provinz West-Aserbaidschan gibt es wiederholt Anschläge gegen Sicherheitskräfte, lokale Repräsentanten der Justiz und des Klerus. In diesem Zusammenhang haben Sicherheitskräfte ihr Vorgehen gegen kurdische Separatistengruppen und Kontrollen mit Checkpoints noch einmal verstärkt. Seit März 2011 gab es in der Region wieder verstärkt bewaffnete Zusammenstöße zwischen iranischen Sicherheitskräften und kurdischen Separatistenorganisationen wie PJAK und DPIK, mit Todesopfern auf beiden Seiten. Insbesondere die Grenzregionen zum Irak und die Region um die Stadt Sardasht waren betroffen. Trotz eines im September 2011 vereinbarten Waffenstillstandes kam es im Jahr 2015 und verstärkt im Sommer 2016 zu gewaltsamen Konflikten. In bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen iranischen Sicherheitskräften und Angehörigen der DPIK im September 2016 nahe der Stadt Sardasht wurden zehn Personen und drei Revolutionsgardisten getötet. Seit Juni 2016 kam es in der Region zu mehreren derartigen Vorfällen. Bereits 2015 hatte es nahe der Stadt Khoy, im iranisch-türkischen Grenzgebiet (Provinz West-Aserbaidschan), Zusammenstöße mit mehreren Todesopfern gegeben. Seit 2015 kommt es nach iranischen Angaben in der Provinz Khuzestan und in anderen Landesteilen, auch in Teheran, wiederholt zu Verhaftungen von Personen, die mit dem sogenannten Islamischen Staat in Verbindung stehen und Terroranschläge in Iran geplant haben sollen. Im iranisch-irakischen Grenzgebiet sind zahlreiche Minenfelder vorhanden (in der Regel Sperrzonen). Die unsichere Lage und die Konflikte in Irak verursachen Spannungen im Grenzgebiet. Gelegentlich kommt es zu Schusswechseln zwischen aufständischen Gruppierungen und den Sicherheitskräften. Bisweilen kommt es auch im Grenzgebiet zur Türkei zu Schusswechseln zwischen militanten Gruppierungen und den iranischen Sicherheitskräften. Schmuggler, die zwischen dem iranischen und irakischen Kurdistan verkehren, werden mitunter erschossen, auch wenn sie unbewaffnet sind.

II.1.4.3. NGOs und Menschenrechtsaktivisten (LIB, Kapitel 8):

Eine aktive, öffentliche Menschenrechtsarbeit ist in Iran nicht möglich. Alle Menschenrechtsorganisationen bedürfen einer staatlichen Genehmigung und unterliegen damit staatlicher Kontrolle. Laut Gesetz müssen sich NGOs beim Innenministerium registrieren und sie müssen um eine Genehmigung ansuchen, wenn sie ausländische Subventionen erhalten. Auf Anfragen und Berichte seitens der Aktivisten reagieren Behörden mit Schikanen, Inhaftierungen und Überwachung. Unabhängige Menschenrechtsgruppen und NGOs sehen sich weiterhin Schikane aufgrund ihrer Tätigkeiten und möglichen Schließungen aufgrund anhaltender und oft willkürlicher Verzögerungen bei der offiziellen Registrierung gegenüber.

In Iran sind kaum mehr prominente Menschenrechtsverteidiger oder NGOs aktiv. Das Innenministerium warnt vor Kontakten zum Ausland und vor Kritik an der Islamischen Republik, die hart verfolgt wird, etwa in Form von Straftatbeständen wie "Propaganda gegen das Regime" oder "Aktivitäten gegen die nationale Sicherheit". Ehemals aktive iranische Menschenrechtsaktivisten sitzen in ihrer überwiegenden Mehrheit entweder in Haft oder halten sich in Europa oder Nordamerika auf. Entsprechende Zahlen sind mangels offizieller Angaben nicht vorhanden. Zusätzlich haben NGOs große Schwierigkeiten, finanzielle Quellen zu erschließen. Insbesondere der Zugang zu ausländischen Geldern bleibt verschlossen, da beim Rückgriff auf diese Gelder Gerichtsverfahren wegen Spionage, Kontakt zur Auslandsopposition oder ähnliche Vorwürfe drohen.

Menschenrechtsorganisationen sind in Iran nur vereinzelt vorhanden, da sie unter enormem Druck stehen. Es gibt auch immer wieder Bestrebungen, die Gesetzgebung für Nichtregierungsorganisationen (NGOs) weiter zu verschärfen. Regelmäßig gibt es Beispiele dafür, dass Organisationen, die sich im weitesten Sinne für Menschenrechte einsetzen, unter großen Druck geraten. Andererseits können manche NGOs, etwa in den Bereichen Drogenbekämpfung oder Flüchtlingsbetreuung laut eigenen Angaben ungehindert arbeiten. In anderen Bereichen, etwa LGBT-Rechte, Frauenrechte und seit 2018 auch Umweltschutz müssen NGOs ohne Registrierung und unter der Gefahr der Verfolgung arbeiten. Besonders unter Druck stehen Mitglieder bzw. Gründer von Menschenrechtsorganisationen (zumeist Strafverteidiger bzw. Menschenrechtsanwälte), wie etwa des "Defenders of Human Rights Center", deren Gründungsmitglieder nahezu allesamt wegen ihrer Tätigkeit hohe Haftstrafen verbüßen. Zum Teil wurden auch Körperstrafen sowie Berufs- und Reiseverbote über sie verhängt. Es ist davon auszugehen, dass sie in Haftanstalten physischer und schwerer psychischer Folter ausgesetzt sind. Oft werden auch Familienmitglieder und Freunde von Strafverteidigern unter Druck gesetzt (verhört oder verhaftet).

Zahlreiche friedliche Regierungskritiker wurden aufgrund von vage formulierten Anklagen, die sich auf die nationale Sicherheit bezogen, inhaftiert. Betroffen waren Oppositionelle, Journalisten, Blogger, Studierende, Filmemacher, Musiker, Schriftsteller, Menschenrechtsverteidiger, Frauenrechtlerinnen und Aktivisten, die sich für die Rechte ethnischer und religiöser Minderheiten einsetzten. Im Visier standen außerdem Umweltschützer, Gewerkschafter, Gegner der Todesstrafe, Rechtsanwälte sowie Aktivisten, die Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung für Massenhinrichtungen und das Verschwindenlassen von Menschen in den 1980er Jahren forderten. Die Tätigkeit als Frauen- und Menschenrechtsaktivist wird regelmäßig strafrechtlich verfolgt (Vorwurf der Propaganda gegen das Regime o.ä.) und hat oft die Verurteilung zu Haft- oder auch Körperstrafen zur Folge.

II.1.4.4. Allgemeine Menschenrechtslage (LIB, Kapitel 10):

Die iranische Verfassung vom 15. November 1979 enthält einen umfassenden Grundrechtskatalog. Der Generalvorbehalt des Einklangs mit islamischen Prinzipien des Art. 4 IRV lässt jedoch erhebliche Einschränkungen zu. Der im Jahr 2001 geschaffene "Hohe Rat für Menschenrechte" untersteht unmittelbar der Justiz. Das Gremium erfüllt allerdings nicht die Voraussetzungen der 1993 von der UN-Generalversammlung verabschiedeten "Pariser Prinzipien".

Iran hat folgende UN-Menschenrechtsabkommen ratifiziert:

* Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte

* Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte

* Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung

* Übereinkommen über die Rechte des Kindes (unter Vorbehalt des Einklangs mit islamischen Recht)

* Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes

* UNESCO Konvention gegen Diskriminierung im Unterrichtswesen

* Konvention über die Rechte behinderter Menschen

* UN-Apartheit-Konvention

* Internationales Übereinkommen gegen Apartheid im Sport

Iran hat folgende UN-Menschenrechtsabkommen nicht ratifiziert:

* Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe

* Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau

* Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen.

Der Iran zählt zu den Ländern mit einer anhaltend beunruhigenden Lage der Menschenrechte, die jedoch besser ist als in der Mehrzahl der Nachbarländer. Die Menschenrechtsbilanz der Regierung bleibt schlecht und verschlechterte sich in mehreren Schlüsselbereichen. Zu den Menschenrechtsfragen gehören Hinrichtungen für Verbrechen, die nicht dem internationalen Rechtsstandard der "schwersten Verbrechen" entsprechen, zahlreiche Berichte über rechtswidrige oder willkürliche Tötungen, Verschwindenlassen und Folter durch Regierungsbeamte, harte und lebensbedrohliche Haftbedingungen, systematische Inhaftierungen einschließlich Hunderter von politischen Gefangenen. Weiters unrechtmäßige Eingriffe in die Privatsphäre, Beschränkungen der freien Meinungsäußerung, der Presse und des Internets, einschließlich Zensur, Blockieren von Webseiten und Kriminalisierung von Verleumdungen; erhebliche Eingriffe in das Recht auf friedliche Versammlung und Vereinigungsfreiheit, wie z.B. die restriktiven Gesetze für Nichtregierungsorganisationen (NGO); Einschränkungen der Religionsfreiheit, Beschränkungen der politischen Beteiligung, weit verbreitete Korruption auf allen Regierungsebenen, rechtswidrige Rekrutierung von Kindersoldaten durch Regierungsakteure zur Unterstützung des Assad-Regimes in Syrien, Menschenhandel, strenge staatliche Beschränkungen der Rechte von Frauen und Minderheiten, Kriminalisierung von sexuellen Minderheiten, Verbrechen, die Gewalt oder Gewaltdrohungen gegen LGBTI-Personen beinhalten, und schließlich das Verbot unabhängiger Gewerkschaften. Die Regierung unternahm wenige Schritte um verantwortliche Beamte zur Rechenschaft zu ziehen. Viele dieser Missstände sind im Rahmen der Regierungspolitik zu verantworten. Straffreiheit ist auf allen Ebenen der Regierung und der Sicherheitskräfte weit verbreitet.

Besonders schwerwiegend und verbreitet sind staatliche Repressionen gegen jegliche Aktivität, die als Angriff auf das politische System empfunden wird oder die islamischen Grundsätze in Frage stellt. Als rechtliche Grundlage dienen dazu weit gefasste Straftatbestände (vgl. Art. 279 bis 288 iStGB sowie Staatsschutzdelikte insbesondere Art. 1 bis 18 des 5. Buches des iStGB). Personen, deren öffentliche Kritik sich gegen das System der Islamischen Republik Iran als solches richtet und die zugleich intensive Auslandskontakte unterhalten, können der Spionage beschuldigt werden. Besonders unter Druck stehen Mitglieder bzw. Gründer von Menschenrechtsorganisationen (zumeist Strafverteidiger bzw. Menschenrechtsanwälte), wie etwa des "Defenders of Human Rights Center", deren Gründungsmitglieder nahezu allesamt wegen ihrer Tätigkeit hohe Haftstrafen verbüßen. Zum Teil wurden auch Körperstrafen sowie Berufs- und Reiseverbote über sie verhängt. Es ist davon auszugehen, dass sie in Haftanstalten physischer und schwerer psychischer Folter ausgesetzt sind. Oft werden auch Familienmitglieder und Freunde von Strafverteidigern unter Druck gesetzt (verhört oder verhaftet). Die Tätigkeit als Frauen- und Menschenrechtsaktivist wird regelmäßig strafrechtlich verfolgt (Vorwurf der Propaganda gegen das Regime o.ä.) und hat oft die Verurteilung zu Haft- oder auch Körperstrafen zur Folge.

Die Rechte auf Meinungs-, Vereinigungs-, Versammlungs- und Religionsfreiheit sind weiterhin stark eingeschränkt. Die Behörden inhaftierten zahlreiche Personen, die friedlich Kritik geäußert hatten. Die Gerichtsverfahren waren in aller Regel unfair. Folter und andere Misshandlungen von Gefangenen sind noch immer an der Tagesordnung und bleiben straflos. Es werden weiterhin Auspeitschungen, Amputationen und andere grausame Körperstrafen vollstreckt. Die Behörden billigten, dass Menschen wegen ihres Geschlechts, ihres Glaubens, ihrer politischen Überzeugung, ethnischen Zugehörigkeit, sexuellen Orientierung, Geschlechtsidentität oder einer Behinderung in starkem Maße diskriminiert und Opfer von Gewalt wurden. Hunderte Menschen wurden hingerichtet, einige von ihnen in der Öffentlichkeit. Tausende saßen weiterhin in den Todeszellen, darunter Personen, die zur Tatzeit noch minderjährig waren. Ende Dezember 2017 gingen Tausende Menschen auf die Straße, um gegen Armut, Korruption und politische Unterdrückung zu protestieren. Es waren die größten Kundgebungen gegen die iranische Führung seit 2009. Bei diesen landesweiten Protesten wurden ca. 4.900 Personen verhaftet und mindestens 21 Personen wurden bei Auseinandersetzungen mit den Sicherheitsbehörden während der Demonstrationen getötet. Human Rights Watch spricht von 30 Getöteten, einschließlich Sicherheitskräften. Glaubwürdige Untersuchungen in Bezug auf die getöteten Demonstranten oder in Bezug auf die übermäßige Gewaltanwendung wurden nicht unternommen. Die Behörden wendeten sich verstärkt dem friedlichen Aktivismus zu und nahmen Anwälte und Menschenrechtsverteidiger fest, die nun mit Anklagen konfrontiert sind, die zu langen Gefängnisstrafen führen können.

Wie 2013 versprach Rohani auch im Wahlkampf 2017, die Bürgerrechte und die Meinungsfreiheit zu stärken. In seiner ersten Amtszeit von 2013-17 konnte die Regierung den Erwartungen nach einer Liberalisierung im Innern allerdings nicht gerecht werden. Die Menschenrechtslage in Iran bleibt fünf Jahre nach Amtsantritt einer gemäßigten Regierung trotz gradueller Verbesserungen im Bereich der Kunst- und Pressefreiheit nahezu unverändert kritisch. Regimegegner sowie religiöse und ethnische Minderheiten sind nach wie vor regelmäßig Opfer staatlicher Repressionen. Beunruhigend ist die hohe Anzahl an Hinrichtungen, die jedoch aufgrund einer Änderung im Drogengesetz 2018 niedriger lag als in den Vorjahren.

II.1.4.5. Meinungs- und Pressefreiheit (LIB, Kapitel 11):

Die iranische Verfassung garantiert zwar Meinungs- und Pressefreiheit, aber nur insoweit Aussagen nicht "schädlich" für die grundlegenden Prinzipien des Islams oder die "Rechte der Öffentlichkeit" sind. In der Praxis sehen sich Meinungs- und Pressefreiheit mit starken Einschränkungen konfrontiert und Behörden nutzen das Gesetz, um Personen, die die Regierung direkt kritisieren oder menschenrechtliche Probleme ansprechen, einzuschüchtern und strafrechtlich zu verfolgen. So spiegelt zwar die iranische Presselandschaft eine gewisse Bandbreite unterschiedlicher Positionen innerhalb des politischen Spektrums wider, geprägt wird sie dennoch von einer Vielzahl höchst wandelbarer, da nicht schriftlich fixierter "roter Linien" des Revolutionsführers. Bei Abweichungen drohen Verwarnungen, Publikationsverbote, strafrechtliche Sanktionen etwa wegen "Propaganda gegen das System" bis hin zum Verbot von Medien, sowohl von reformorientierten wie auch von konservativen Zeitungen. "Propaganda gegen den Staat" ist mit einer einjährigen Freiheitsstrafe sanktioniert, wobei "Propaganda" nicht definiert ist. Zeitungen und Medien sind daher stets der Gefahr ausgesetzt, bei regierungskritischer oder für hohe Regimevertreter unliebsamer Berichterstattung geschlossen zu werden - dies gilt auch für Regimemedien. Oft werden in diesem Zusammenhang die Zeitungsherausgeber verhaftet. Mitarbeiter von ausländischen Presseagenturen (insbesondere kritische farsisprachige Medien wie BBC, DW oder Voice of America) sowie unabhängige Journalisten sind Berichten zufolge oft mit Verzögerungen bei der Gewährung der Presselizenz durch die iranischen Behörden, Verhaftungen, körperlicher Züchtigung sowie Einschüchterung ihrer Familienmitglieder konfrontiert. Insbesondere im Zusammenhang mit politischen Ereignissen, wie z.B. Wahlen, war in den letzten Jahren immer wieder ein verstärktes Vorgehen gegen Journalisten zu beobachten. Meist werden dabei unverhältnismäßig hohe Strafen wegen ungenau definierter Anschuldigungen wie etwa "regimefeindliche Propaganda" verhängt.

Für Funk- und Fernsehanstalten besteht ein staatliches Monopol. Der Empfang ausländischer Satellitenprogramme ist ohne spezielle Genehmigung untersagt, wenngleich weit verbreitet. Die Behörden versuchen, dies durch den Einsatz von Störsendern (sogenanntes Jamming) zu unterbinden. Ebenso werden oppositionelle Webseiten und eine Vielzahl ausländischer Nachrichtenseiten sowie soziale Netzwerke durch iranische Behörden geblockt. Ihr Empfang ist jedoch mithilfe von VPN (Virtual Private Networks) möglich, wird aber "gefiltert" bzw. mitgelesen und regelmäßig auch gestört. Das Vorgehen der Behörden gegen reformorientierte Medien erstreckt sich auch auf das Internet. Jeder, der sich regimekritisch im Internet äußert, läuft Gefahr, mit dem Vorwurf konfrontiert zu werden, einen "Cyber-Krieg" gegen das Land führen zu wollen. Die Überwachung persönlicher Daten ist grundsätzlich nur mit Gerichtsanordnung möglich, außer die nationale Sicherheit ist betroffen.

Unabhängigen Journalisten können Verhaftungen, Strafverfolgung und Inhaftierungen drohen. Im Juli und August 2018 wurden mindestens sechs Journalisten der Nachrichtenseite Majzooban-e-Noor wegen ihrer Berichterstattung über die Februarproteste von Mitgliedern des sufi-muslimischen Ordens Nematollahi Gonabadi zu Gefängnisstrafen von 7 bis 26 Jahren verurteilt. Die Behörden gestatten es nicht, das Regierungssystem, den Obersten Führer oder die Staatsreligion öffentlich zu kritisieren. Sicherheitsbehörden bestrafen jene, die diese Einschränkungen verletzen oder den Präsidenten, das Kabinett oder das Parlament öffentlich kritisieren.

Die 1997 unter Khatami gegründete "Association of Iranian Journalists" wurde 2009 unter Staatspräsident Ahmadinedschad von den Sicherheitskräften geschlossen und hat seitdem trotz pressefreundlicher Wahlkampfversprechen von Rohani ihre Tätigkeit nicht wieder aufgenommen. Verhaftungen regimekritischer Journalisten stehen immer wieder auf der Tagesordnung. Auslandsreisen iranischer Journalisten werden von Sicherheitskräften kritisch beäugt - eine Ausreise zu einem Workshop der Deutschen Welle wurde z.B. verhindert. Auch Journalisten konservativer Medien müssen sich nach Rückkehr verhören lassen. Im Ausland lebende Journalisten von BBC Persia berichten von gezielter Verfolgung und Einschüchterungsversuchen. Maßnahmen wie Überwachung, wiederholte Befragungen und das Einfrieren von Konten erstreckten sich dabei auch auf Familien der Betroffenen. Familienangehörige wurden unter Druck gesetzt, auf die Beendigung der journalistischen Tätigkeit für BBC Persia hinzuwirken. Inhaftierte Journalisten sind in Iran - wie alle politischen Gefangenen - besorgniserregenden Haftbedingungen ausgesetzt. Immer wieder wird mit Hungerstreiks dagegen protestiert, dass ihnen im Gefängnis eine angemessene medizinische Versorgung verweigert wird.

Auch gegen Personen, die ihre Meinung oder Nachrichten online publizieren (Blogger), wurde in den letzten Jahren massiv vorgegangen. Oft wurden sie zu langen Haftstrafen verurteilt, zum Teil sogar zum Tode. Die elektronischen Medien und der Internet-Verkehr sowie Internet-Cafés (obligatorische Personenidentifikationen und Überwachungskameras) stehen unter intensiver staatlicher Kontrolle. Millionen Internetseiten sind gesperrt. Regimefeindliche oder "islamfeindliche" Äußerungen werden auch geahndet, wenn sie in elektronischen Kommunikationsmedien, etwa auch in sozialen Netzwerken, getätigt werden. Vor allem junge Menschen, welche diese Kommunikationsmittel zum Meinungsaustausch nutzen, laufen Gefahr, wegen ihrer geäußerten regimekritischen Meinung verfolgt zu werden.

Ebenso unter Druck stehen Filmemacher und bildende Künstler, vor allem dann, wenn ihre Kunst als "unislamisch" oder regimekritisch angesehen wird, oder sie ihre Filme an ausländische Filmproduktionsfirmen verkaufen oder auch nur im Ausland aufführen (dazu wurde jüngst eine Genehmigungspflicht verhängt). Über zahlreiche Künstler wurden Strafen wegen zumeist "regimefeindlicher Propaganda" und anderen Anschuldigungen verhängt. Viele sind regelmäßig in Haft bzw. zu langjährigen Tätigkeits- und Interviewverboten verurteilt.

Präsident Rohani hatte in seiner Wahlkampagne eine Lockerung der Zensurpolitik versprochen. Zeitweise wurden einige soziale Netzwerke wieder freigegeben. Rohani bezeichnete den Zugang zum Internet als "Bürgerrecht" und ist selbst auf Twitter und Facebook aktiv (beide aktuell in Iran gesperrt, wobei dies durch viele Iraner mittels VPN umgangen wird). Trotz seiner vielversprechenden Aussagen und einer (teils heftig geführten) öffentlichen Diskussion insbesondere zum Thema "Cyberspace" hat sich die Situation aber nicht signifikant verbessert, im Gegenteil: Im ersten Halbjahr 2018 wurde der überaus beliebte Messenger App "Telegram" gesperrt, es gibt weiterhin Polizeiaktionen gegen auf XXXX erfolgreichen Frauen, die "unsittliche" Inhalte (Fotos ohne Kopftuch, Make-up-Videos, Tanzvideos,...) teilen. Die Messenger App Telegram hat in Iran mehr als 40 Millionen Nutzer. Auch Facebook und Twitter bleiben blockiert, genauso wie hunderte andere Webseiten.

In der aktuellen Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen hat sich Iran um sechs Plätze verschlechtert und liegt nun an Position 170. Reporter ohne Grenzen bezeichnet Iran als eines der größten Gefängnisse für Journalisten. Verhaftungen von professionellen Journalisten und nicht professionellen Journalisten, vor allem solche, die in sozialen Netzwerken posten, haben sich im Jahr 2018 gesteigert.

Nahezu jede iranische Familie besitzt eine Satellitenschüssel, auch wenn diese offiziell verboten sind. Internet ist weit verbreitet, die Zahl der Internetcafés (Cofee Net) nimmt stetig zu, chatten (und zunehmend auch bloggen) ist eine Art Volkssport unter jungen Iranern. Zudem ist die Zahl an Handys gerade unter jungen Iranern hoch, auch wenn SIM-Karten sehr teuer sind. Besonderer Beliebtheit erfreuen sich Filme aus Hollywood, von denen Raubkopien überall auf den Straßen zu kaufen sind. Die dürftige Qualität und die islamische Zensur schrecken niemanden ab.

II.1.4.6. Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition (LIB, Kapitel 12):

Die Ausübung der verfassungsrechtlich garantierten Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit steht für öffentliche Versammlungen unter einem Genehmigungsvorbehalt. Entsprechend finden Versammlungen der Opposition nicht statt. Demgegenüber stehen Demonstrationen systemnaher Organisationen wie des Basij-Studentenwerks, zu deren Teilnahme Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung sowie Schüler und Studenten teilweise verpflichtet werden. Ebenfalls ist eine unabhängige gewerkschaftliche Betätigung nicht möglich, denn auch gewerkschaftliche Aktivitäten werden zum Teil mit dem Vorwurf der "Propaganda gegen das Regime" und "Handlungen gegen die nationale Sicherheit" verfolgt. Das Streikrecht hingegen ist prinzipiell gewährleistet, jedoch können streikende Arbeiter von Entlassung und Verhaftung bedroht sein. Nach dem Ende Dezember 2017 ausgebrochenen Protestdemonstrationen im ganzen Land nahmen Behörden zahlreiche Menschen fest. Berichten zufolge gingen Sicherheitskräfte mit Schusswaffen und anderer exzessiver Gewaltanwendung gegen Protestierende vor und verletzten und töteten unbewaffnete Demonstrierende. Zahlreiche friedliche Regierungskritiker (Oppositionelle, Journalisten, Blogger, Studierende etc.) wurden aufgrund von vage formulierten Anklagen, die sich auf die nationale Sicherheit bezogen, inhaftiert. Seit diesen Protesten im Dezember 2017 haben die Behörden das Recht auf friedliche Versammlung systematisch verletzt.

Vereinigungen auf Arbeitnehmerseite werden misstrauisch beobachtet. Es gibt keine Betätigungsmöglichkeit für unabhängige Gewerkschaften. Erlaubt sind nur "Islamische Arbeitsräte" unter der Aufsicht des "Haus der Arbeiter" (keine unabhängige Institution). Mitglieder und Gründer unabhängiger Gewerkschaftsgruppierungen wie etwa die Teheraner Busfahrergewerkschaft, die Zuckerrohrarbeitergewerkschaft oder die Lehrergewerkschaft wurden in den letzten Jahren zunehmend häufig verhaftet, gefoltert und bestraft. Seit Anfang 2018 sind auch Umweltaktivisten von Verfolgung bedroht. Unter dem Vorwurf der (mitunter "unbewussten") Spionage im Umfeld von atomaren Einrichtungen wurden seit Jänner 2018 mehrere Dutzend Personen inhaftiert. Eine Untersuchung der Regierung hat die Inhaftierten im Mai entlastet, die Freilassung obliegt jedoch der Judikative.

In Iran gibt es keine politischen Parteien mit vergleichbaren Strukturen westlich-demokratischer Prägung. Auch im Parlament existiert keine, mit europäischen Demokratien vergleichbare, in festen Fraktionen organisierte parlamentarische Opposition. Die entscheidende Konfliktlinie im iranischen Parlament liegt aktuell zwischen den Rohani-Loyalen (Reformern und Moderaten) einerseits und den Anhängern der Revolutionstreuen (Parlamentspräsident Ali Larijani, Oberster Führer Khamenei) andererseits, bisweilen kommen aber auch andere Gegensätze zum Tragen. Der Spielraum für die außerparlamentarische Opposition wird vor allem durch einen Überwachungsstaat eingeschränkt, was die Vernetzung oppositioneller Gruppen extrem riskant macht (Einschränkung des Versammlungsrechts, Telefon- und Internetüberwachung, Spitzelwesen, Omnipräsenz von Basij-Vertretern u.a. in Schulen, Universitäten sowie Basij-Sympathisanten im öffentlichen Raum, etc.). Viele Anhänger der Oppositionsbewegungen wurden verhaftet, haben Iran verlassen oder sind nicht mehr politisch aktiv. Ohne entsprechende Führung und angesichts umfassender Überwachung der Kommunikationskanäle spielen die verbleibenden Oppositionellen kaum eine Rolle. Die Verfassung lässt die Gründung politischer Parteien, von Berufsverbänden oder religiösen Organisation so lange zu, als sie nicht gegen islamische Prinzipien, die nationale Einheit oder die Souveränität des Staates verstoßen und nicht den Islam als Grundlage des Regierungssystems in Frage stellen. Hinzu kommen immer wieder verhängte drakonische Strafen aufgrund diffuser Strafrechtstatbestände ("regimefeindliche Propaganda", "Beleidigung des Obersten Führers" etc.). Darüber hinaus werden Angehörige der außerparlamentarischen Opposition immer wieder unter anderen Vorwürfen festgenommen. An sich gäbe es ein breites Spektrum an Ideologien, die die Islamische Republik ablehnen, Das Verwaltungsgericht darf aber über den Antrag nicht selbst meritorisch entscheiden (VwGH 30.5.1995, 93/08/0207; 7.10.2010, 2006/20/0035; 18.12.2014, Ra 2014/07/0002).

Eine markante Führungspersönlichkeit fehlt bei sämtlichen oppositionellen Gruppierungen.

Die Oppositionsführer Mehdi Karroubi und Mir Hossein Mussawi sowie dessen Ehefrau Zahra Rahnavard standen noch immer ohne Anklage oder Gerichtsverfahren unter Hausarrest, der 2011 gegen sie verhängt worden war.

II.1.4.7. Rückkehr (LIB, Kapitel 22):

Allein der Umstand, dass eine Person einen Asylantrag gestellt hat, löst bei Rückkehr keine staatlichen Repressionen aus. In der Regel dürften die Umstände der Wiedereinreise den iranisc

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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