TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/24 W147 1304819-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.04.2020
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Entscheidungsdatum

24.04.2020

Norm

AsylG 2005 §7 Abs1 Z2
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W147 1304819-2/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. KANHÄUSER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch RA Dr. Peter Philipp, Graben 17, 1010 Wien gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 3. August 2018, Zl. 751788908-180381254, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 20. Februar 2020 zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1, 2 und 5 Verwaltungsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 138/2017, stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 22/2018, nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Dem Beschwerdeführer, einem Staatsangehörigen der Russischen Föderation, wurde mit Bescheid des ehemaligen unabhängigen Bundesasylsenates vom 20. November 2006, Zl. 304.819-C1/E1-XVIII/59/06, der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

2. Am 20. April 2018 leitete die belangte Behörde das nunmehr verfahrensgegenständliche Aberkennungsverfahren gegen den Beschwerdeführer ein.

3. Im Zuge des nunmehr verfahrensgegenständlichen Aberkennungsverfahrens wurde dem Beschwerdeführer mit Parteiengehör vom 25. April 2018 und vom 30. Mai 2018 Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme gegeben.

4. Der Beschwerdeführer gab im Zuge des Aberkennungsverfahrens keine Stellungnahme ab.

5. Mit dem im Spruch genannten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde dem Beschwerdeführer der mit Bescheid des ehemaligen unabhängigen Bundesasylsenates vom 20. November 2006, Zl. 304.819-C1/E1-XVIII/59/06, zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Ziffer 1 AsylG 2005 aberkannt. Gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 wurde festgestellt, dass dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme (Spruchpunkt I.).

Unter Spruchpunkt II. wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 Ziffer 2 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt.

Unter Spruchpunkt III. wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 1 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 1 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, erlassen (Spruchpunkt IV.). Weiters wurde gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig sei (Spruchpunkt V.). In Spruchpunkt VI. wurde festgestellt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG betrage und wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 53 Absatz 1 iVm Absatz 3 Z 1 FPG, BGBl. Nr. 100/2005 (FPG) idgF ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl traf aktuelle Länderfeststellungen zur Lage im Herkunftsstaat und stellte zur Person des Beschwerdeführers fest, dass er Staatsangehöriger der Russischen Föderation sei und er asylberechtigte Verwandte in Österreich habe.

Zur zwingenden Aberkennung des Status des Asylberechtigten führte die belangte Behörde aus, dass ein Asylausschließungsgrund gemäß § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 vorliege, weswegen eine Aberkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 durchzuführen sei. Das vor einem inländischen Gericht verurteilte "Verbrechen" nach § 130 StGB (gewerbsmäßiger Diebstahl) stelle ein "besonders schweres Verbrechen" dar. Im Wesentlichen führte die belangte Behörde dazu aus, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner kriminellen Energie, welche er im Rahmen seines Aufenthaltes in Österreich demonstrativ und stetig steigend unter Beweis gestellt habe, eine Gefahr für die Allgemeinheit darstelle. Auch von mehreren Verurteilungen habe er sich nicht beeindruckt gezeigt und selbst das Verspüren des Haftübels habe keine Spuren beim Beschwerdeführer hinterlassen.

Weiters stellte die belangte Behörde fest, dass die Verurteilungen des Beschwerdeführers auf körperliche Gewalt basieren würden und dieser seit seiner Asylgewährung bis zuletzt, trotz mehrerer Verurteilungen der gleichen bzw. einschlägigen Straftaten und Verbüßung von Freiheitsstrafen seine kriminelle Energie nicht verbessern habe können. Mit seinen Verhaltensweisen demonstriere der Beschwerdeführer seine Einstellung gegenüber der Gesellschaft der Republik Österreich und seien seine Handlungen geeignet, das ordentliche und sichere Zusammenleben der Gemeinschaft zu gefährden.

Gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 sei der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in sein Herkunftsland eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK oder der Protokolle Nr. 5 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Im Falle des Beschwerdeführers drohe ihm keine der obgenannten Gefahren.

6. Mit Verfahrensanordnung gemäß § 52 Absatz 1 BFA-VG vom 6. August 2018 wurde dem Beschwerdeführer für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht die "ARGE-Rechtsberatung Volkshilfe Flüchtlings-und MigrantInnenbetreuung, Stockhofstraße 40, 4020 Linz" als Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.

7. Mit Schriftsatz vom 28. August 2018 erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde gegen den genannten Bescheid, ficht diesen wegen inhaltliche Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie Verletzung von Verfahrensvorschriften in vollem Umfang an und gab gleichzeitig bekannt, nunmehr von RA Dr. Peter Philipp, Graben 17, 1010 Wien, vertreten zu werden.

8. Am 20. Februar 2020 fand zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die russische Sprache eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt, in welcher der Beschwerdeführer im Beisein seines Rechtsvertreters zu den Umständen des vermeintlichen Aberkennungstatbestandes, seinem Leben im Heimatland sowie seinem Leben und Alltag in Österreich befragt wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Für den Beschwerdeführer scheinen im österreichischen Strafregister folgende Verurteilungen auf:

1) Bezirksgericht XXXX , XXXX vom XXXX , rechtskräftig am XXXX , § 125 StGB, Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 2,00 Euro (40,00 Euro) im NEF 20 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, junger Erwachsener, Vollzugsdatum 12. März 2007

2) Bezirksgericht XXXX , XXXX vom XXXX , rechtskräftig am XXXX , § 83 Abs. 1 StGB und § 125 StGB, Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 2,00 Euro (200,00 Euro) im NEF 50 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, junger Erwachsener, Vollzugsdatum 11. Juli 2007

3) Bezirksgericht XXXX , XXXX vom XXXX , rechtskräftig am XXXX , §§ 15, 127 StGB, Datum der (letzten) Tat 18. Jänner 2017, Freiheitsstrafe 3 Wochen, bedingt, Probezeit 3 Jahre, junger Erwachsener, Vollzugsdatum XXXX

Zu Bezirksgericht XXXX XXXX , rechtskräftig am XXXX , Probezeit verlängert auf insgesamt 5 Jahre, Landesgericht XXXX vom XXXX

Zu Bezirksgericht XXXX XXXX , rechtskräftig am XXXX , (Teil der) Freiheitsstrafe nachgesehen, endgültig, Vollzugsdatum XXXX , Bezirksgericht XXXX XXXX vom XXXX

4) Bezirksgericht XXXX XXXX vom XXXX , rechtskräftig am XXXX , § 83 Abs. 1 StGB, Datum der (letzten) Tat 23. März 2007, Freiheitsstrafe 1 Monat, bedingt, Probezeit 3 Jahre, Anordnung der Bewährungshilfe, Zusatzstrafe gemäß §§ 31 und 40 StGB unter Bedachtnahme auf Bezirksgericht XXXX XXXX , rechtskräftig am XXXX , junger Erwachsener, Vollzugsdatum 15. Mai 2012

Zu Bezirksgericht XXXX , rechtskräftig am XXXX , Probezeit verlängert auf insgesamt 5 Jahre, Bezirksgericht XXXX vom XXXX

Zu Bezirksgericht XXXX , rechtskräftig am XXXX , Bedingte Nachsicht der Strafe wird widerrufen, Bezirksgericht XXXX vom XXXX

5) Landesgericht XXXX vom XXXX , rechtskräftig am XXXX , §§ 127, 130 1. Fall StGB und § 50 Abs. 1 Z 3 WaffG, Datum der (letzten) Tat XXXX , Freiheitsstrafe 8 Monate, davon Freiheitsstrafe 6 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre, Vollzugsdatum XXXX

Zu Landesgericht XXXX , rechtskräftig am XXXX , unbedingter Teil der Freiheitsstrafe vollzogen am XXXX , Landesgericht XXXX vom XXXX

Zu Landesgericht XXXX vom XXXX , (Teil der) Freiheitsstrafe nachgesehen, endgültig, Vollzugsdatum XXXX , Landesgericht XXXX vom XXXX

6) Bezirksgericht XXXX vom XXXX , rechtskräftig am XXXX , §§ 15, 127 StGB, Datum der (letzten) Tat 24. Jänner 2010, Freiheitsstrafe 3 Monate, Vollzugsdatum XXXX

7) Landesgericht XXXX vom XXXX , rechtskräftig am XXXX , § 83 Abs. 1 StGB und §§ 15, 105 Abs. 1 StGB, Freiheitsstrafe 6 Monate, Vollzugsdatum XXXX

8) Bezirksgericht XXXX vom XXXX , rechtskräftig am XXXX , § 83 Abs. 1 StGB, Datum der (letzten) Tat 6. August 2012, Freiheitsstrafe 6 Monate, Vollzugsdatum XXXX

9) Landesgericht XXXX vom XXXX , rechtskräftig am XXXX , §§ 15, 87 Abs. 1 StGB und §§ 15, 105 Abs. 1 StGB, Datum der (letzten) Tat XXXX , Freiheitsstrafe 2 Jahre, Vollzugsdatum XXXX

10) Landesgericht XXXX vom XXXX , rechtskräftig am XXXX , §§ 15, 269 Abs. 1 StGB, Datum der (letzten) Tat XXXX , Freiheitsstrafe 8 Monate, davon Freiheitsstrafe 7 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Zu Landesgericht XXXX , rechtskräftig am XXXX , unbedingter Teil der Freiheitsstrafe vollzogen am XXXX , Landesgericht XXXX vom XXXX

Am 20. April 2018 wurde das Aberkennungsverfahren gegen den Beschwerdeführer eingeleitet.

Es wird festgestellt, dass es sich bei der von der belangten Behörde als Anlass für die Aberkennung herangezogenen Strattat gemäß § 130 StGB um kein gefährliches Verbrechen handelt. Der Beschwerdeführer wurde wegen des Verbrechens gemäß §§ 15, 269 StGB verurteilt, aus welcher sich im konkreten Fall eine vom Beschwerdeführer ausgehende "Gefahr für die Allgemeinheit" nicht mit der erforderlichen Sicherheit bestätigen lässt.

Festgestellt wird, dass die belangte Behörde jegliche Ermittlungen hinsichtlich einer Gefährdungsprognose des Beschwerdeführers unterlassen hat.

Weiters wird festgestellt, dass die belangte Behörde jegliche Ermittlungen in Bezug auf den Aberkennungstatbestand gemäß § 7 Abs.1 Z 2 AsylG 2005 unterlassen hat.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Der oben unter Punkt II. festgestellte Sachverhalt beruht auf den Ergebnissen des vom erkennenden Richter auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens. Die zu erörternden rechtskräftigen Verurteilungen scheinen im aktuellen Strafregister der Republik Österreich auf. Die Strafurteile sind dem Akt der belangten Behörde beigefügt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

3.1.1. Gemäß § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017, und § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA.

Da sich die gegenständliche - zulässige und rechtzeitige - Beschwerde gegen einen Bescheid des BFA richtet, ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.

3.1.2. Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem, dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß §§ 16 Abs. 6 und 18 Abs. 7 BFAVG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, sowie nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

3.2. Zu Spruchteil A) Aufhebung

3.2.1. Gemäß § 7 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, ist einem Fremden der Status des Asylberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn ein Asylausschlussgrund nach § 6 vorliegt (Z 1), einer der in Art. 1 Abschnitt C der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Endigungsgründe eingetreten ist (Z 2) oder der Asylberechtigte den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat (Z 3).

Gemäß § 6 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 70/2015, ist ein Fremder von der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ausgeschlossen, wenn und solange er Schutz gemäß Art. 1 Abschnitt D der Genfer Flüchtlingskonvention genießt (Z 1), einer der in Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Ausschlussgründe vorliegt (Z 2), er aus gewichtigen Gründen eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt (Z 3) oder er von einem inländischen Gericht wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden ist und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeutet. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB, BGBl. 60/1974, entspricht (Z 4).

3.2.2. Die belangte Behörde hat im gegenständlichen Fall die Aberkennung des dem Beschwerdeführer mit Bescheid des ehemaligen unabhängigen Bundesasylsenates vom 20. November 2006, Zl. 304.819-C1/E1-XVIII/59/06, zuerkannten Status des Asylberechtigten spruchgemäß ausschließlich auf die Bestimmung des § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 begründet - sohin auf die Bestimmung, dass der Status des Asylberechtigten einem Fremden von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen ist, wenn ein Ausschlussgrund nach § 6 vorliegt.

Die belangte Behörde stützt sich in ihrer Begründung des angefochtenen Bescheides wohl auf § 7 Abs. 1 Z 1 iVm § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005. Aus folgenden Gründen ist der Bescheid jedoch mit Rechtswidrigkeit behaftet:

3.2.3. Der mit "Aberkennung des Status des Asylberechtigten" betitelte § 7 AsylG 2005 lautet wie folgt:

"(1) Der Status des Asylberechtigten ist einem Fremden von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn

1. ein Asylausschlussgrund nach § 6 vorliegt;

2. einer der in Art. 1 Abschnitt C der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Endigungsgründe eingetreten ist oder

3. der Asylberechtigte den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat.

(2) Ein Verfahren zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten ist jedenfalls einzuleiten, wenn der Fremde straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3) und das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß Abs. 1 wahrscheinlich ist.

(3) Das Bundesamt kann einem Fremden, der nicht straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3), den Status eines Asylberechtigten gemäß Abs. 1 Z 2 nicht aberkennen, wenn die Aberkennung durch das Bundesamt - wenn auch nicht rechtskräftig - nicht innerhalb von fünf Jahren nach Zuerkennung erfolgt und der Fremde seinen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet hat. Kann nach dem ersten Satz nicht aberkannt werden, hat das Bundesamt die nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, zuständige Aufenthaltsbehörde vom Sachverhalt zu verständigen. Teilt diese dem Bundesamt mit, dass sie dem Fremden einen Aufenthaltstitel rechtskräftig erteilt hat, kann auch einem solchen Fremden der Status eines Asylberechtigten gemäß Abs. 1 Z 2 aberkannt werden.

(4) Die Aberkennung nach Abs. 1 Z 1 und 2 ist mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Betroffenen die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukommt. Dieser hat nach Rechtskraft der Aberkennung der Behörde Ausweise und Karten, die den Status des Asylberechtigten oder die Flüchtlingseigenschaft bestätigen, zurückzustellen."

Der mit "Ausschluss von der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten" betitelte § 6 AsylG 2005 lautet wie folgt:

"(1) Ein Fremder ist von der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ausgeschlossen, wenn

1. und so lange er Schutz gemäß Art. 1 Abschnitt D der Genfer Flüchtlingskonvention genießt;

2. einer der in Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Ausschlussgründe vorliegt;

3. er aus gewichtigen Gründen eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt oder

4. er von einem inländischen Gericht wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden ist und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeutet. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB, BGBl. Nr. 60/1974, entspricht.

(2) Wenn ein Ausschlussgrund nach Abs. 1 vorliegt, kann der Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ohne weitere Prüfung abgewiesen werden. § 8 gilt."

Für den vom Bundesamt bei der Sachverhaltsfeststellung zu Spruchpunkt I. angenommenen Fall einer Entscheidung gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 iVm § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 müssen wegen der wörtlich gleichen Voraussetzungen die gleichen Maßstäbe gelten, auf die sich die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes in den bisherigen Vorerkenntnissen zu § 13 Abs. 2 zweiter Fall AsylG 1997 bezogen haben (vgl. dazu VwGH 01.03.2016, Zl. Ra 2015/18/0247, und insbesondere VwGH 21.09.2015, Zl. Ra 2015/19/0130: "vgl. allgemein zu den Kriterien des Asylausschlussgrundes - zu vergleichbarer Rechtslage - die Erkenntnisse vom 6. Oktober 1999, 99/01/0288, vom 3. Dezember 2002, 99/01/0449 und vom 23. September 2009, 2006/01/0626; zum Begriff des "besonders schweren Verbrechens" im Sinne dieser Bestimmung die bereits zitierten Erkenntnisse vom 3. Dezember 2002 und vom 23. September 2009; sowie zum Tatbestandsmerkmal der "Gefahr für die Gemeinschaft" des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 die zur "Gemeingefährlichkeit" ergangene hg. Judikatur, etwa die hg. Erkenntnisse vom 18. Jänner 1995, 94/01/0746, vom 10. Oktober 1996, 95/20/0247 sowie vom 27. September 2005, 2003/01/0517").

Wie der Verwaltungsgerichtshof - erstmals - in seinem Erkenntnis vom 6. Oktober 1999, Zl. 99/01/0288, unter Hinweis auf Art. 33 Z 2 GFK ausgeführt hat, müssen nach "internationaler Literatur und Judikatur" kumulativ vier Voraussetzungen erfüllt sein, damit ein Flüchtling trotz drohender Verfolgung in den Heimat- oder Herkunftsstaat verbracht werden darf. Er muss ein besonders schweres Verbrechen verübt haben, dafür rechtskräftig verurteilt worden, gemeingefährlich sein und es müssen die öffentlichen Interessen an der Rückschiebung die Interessen des Flüchtlings am Weiterbestehen des Schutzes durch den Zufluchtsstaat überwiegen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis zur Auslegung des Begriffs "besonders schweres Verbrechen" ausgeführt hat, handelt es sich z.B. bei Drogenhandel typischer Weise um ein besonders schweres Verbrechen; allerdings genüge es nicht, dass der Antragsteller ein abstrakt als schwer einzustufendes Delikt verübt habe. Die Tat müsse sich im konkreten Einzelfall als objektiv und subjektiv besonders schwerwiegend erweisen. Milderungsgründe, Schuldausschließungsgründe und Rechtfertigungsgründe seien zu berücksichtigen.

Der Verwaltungsgerichtshof fügte seiner im Erkenntnis zur Zl. 99/01/0288 getroffenen Festlegung des Drogenhandels als "typischerweise besonders schweres Verbrechen" im ebenfalls bereits zitierten Erkenntnis vom 03. Oktober 2002, Zl. 99/01/0449, zur Frage, wann denn nun ein solches "typischerweise besonders schweres Verbrechen" ausreichend sei, um "besonders schwer" zu sein, "illustrativ" hinzu, in der Bundesrepublik Deutschland sei etwa für den auf Art. 33 Abs. 2 zweiter Fall Genfer Flüchtlingskonvention bezogenen Tatbestand in § 51 Abs. 3 dAuslG mit Gesetz vom 29. Oktober 1997 das Erfordernis einer rechtskräftigen Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren normiert worden.

In der Regierungsvorlage zum AsylG 2005 wird zu § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG, auf welchen § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG u.a. verweist, erläuternd - wenngleich nur demonstrativ - Folgendes ausgeführt:

"Die Z 3 und 4 des Abs. 1 entsprechen inhaltlich dem bisherigen § 13 Abs. 2 AsylG. Unter Begriff ,besonders schweres Verbrechen' fallen nach Kälin, Grundriss des Asylverfahrens (1990), S 182 und 228 (ua. Mit Hinweis auf den UNHCR) und Rohrböck, (Das Bundesgesetz über die Gewährung von Asylg (1999) Rz 455, mit weiteren Hinweisen auf die internationale Lehre), nach herrschender Lehre des Völkerrechts nur Straftaten, die objektiv besonders wichtige Rechtsgüter verletzen. Typischerweise schwere Verbrechen sind etwa Tötungsdelikte, Vergewaltigung, Kindesmisshandlung, Brandstiftung, Drogenhandel, bewaffneter Raub und dergleichen (vgl. VwGH 10.06.1999, 99/01/0288). Zu denken wäre aber auch - auf Grund der Gefährlichkeit und Verwerflichkeit an besondere Formen der Schlepperei, bei der es zu einer erheblichen Gefährdung, nicht unbedeutenden Verletzung oder gar Tötung oder während der es zu erheblichen - mit Folter vergleichbaren Eingriffen in die Rechte der Geschleppten kommt. Die aktuelle Judikatur in Österreich, wie in anderen Mitgliedstaaten der Genfer Flüchtlingskonvention, verdeutlicht, dass der aus dem Jahre 1951 stammende Begriff des "besonders schweren Verbrechens" des Art. 33 Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention einer Anpassung an sich ändernde gesellschaftliche Normenvorstellungen zugänglich ist."

Verbrechen sind nach § 17 StGB, auf den § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 verweist, vorsätzlich strafbare Handlungen, die mit lebenslanger oder mit mehr als dreijähriger Freiheitsstrafe bedroht sind (§ 17 Abs. 1 StGB).

Bei der von der belangten Behörde ins Treffen geführten Verurteilung des Beschwerdeführers, wonach dieser nach §§ 127, 130 1. Fall StGB rechtskräftig vor dem Landesgericht für XXXX vom XXXX , XXXX verurteilt wurde, handelt es sich zwar um ein Vorsatzdelikt, jedoch mit einem Strafrahmen von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe. Daher stellt diese Verurteilung - entgegen der Meinung der belangten Behörde - weder ein Verbrechen im Sinne des § 17 Abs. 1 StGB und schon gar kein "besonders schweres Verbrechen" im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 dar. Dabei verkannte die belangte Behörde nicht nur die rechtliche Einordnung der Verurteilung, sondern traf auch keinerlei Feststellungen zum Tathergang und unterließ es eine konkrete fallbezogene Prüfung vorzunehmen.

Konkret zum Tathergang des gewerbsmäßigen Diebstahls hat der Beschwerdeführer mit XXXX , XXXX und XXXX gewerbsmäßig (§ 70 StGB) im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) Nachgenannten fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar

I.) am XXXX Verfügungsberechtigten der XXXX zwei Paar Sportschuhe der Marken CAMPER iWv ? 55,96 bzw. PUMA iWv ? 66,46, die XXXX und XXXX als ihre eigenen anzogen während sie die alten Schuhe im Geschäft zurückließen, wobei die anderen ( XXXX und der Beschwerdeführer) Aufpasserdienste leisteten und sie die Diebstahlsicherungen mithilfe eines beim Beschwerdeführer sichergestellten Nagelzwickers entfernten,

II.) am XXXX Verfügungsberechtigten der XXXX ein Paar Sportschuhe der Marke DIESEL iWv ? 130,--, indem der Beschwerdeführer diese als seine eigenen anzog und die alten Schuhe im Geschäft zurückließ, während die anderen (zuvor gennannten Mittäter) Aufpasserdienste leisteten, wobei sie die Diebstahlsicherungen mithilfe eines beim Beschwerdeführer sichergestellten Nagelzwickers entfernten,

III.) am XXXX Verfügungsberechtigten der XXXX und XXXX , indem sie zwei Hemden iWv ? 39,90 bzw. ? 100,--, eine Jacke iWv ? 374,90 und ein Parfum HUGO BOSS iWv ? 50,-- nach Entfernen der Diebstahlsicherungen mithilfe eines beim Beschwerdeführer sichergestellten Nagelzwickers an sich nahmen und ohne Bezahlung die Geschäfte verließen, wobei sich die Beute sodann in einer mitgeführten Tasche des XXXX verwahrten, die schließlich bei XXXX sichergestellt wurde.

Zusätzlich wurde in Faktum B./ festgestellt, dass der Beschwerdeführer von einem nicht näher festzustellenden Zeitpunkt bis zum XXXX , wenn auch nur fahrlässig ein Springmesser, mithin eine Waffe besessen hat, obwohl ihm dies gemäß § 12 WaffG verboten war.

Erschwerend gewertet wurde die einschlägige Vorstrafe des Beschwerdeführers und das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen und mildernd der bisher ordentliche Lebenswandel und das Teilgeständnis. Verurteilt wurde der Beschwerdeführer hierfür zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Monaten, davon sechs Monate der Freiheitsstrafe bedingt und es wurde eine Probezeit von drei Jahre verhängt.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 30. Dezember 2019, Zl. Ra 2019/18/0125, ausgeführt hat, kommt es nicht allein auf die Strafdrohung bei der Beurteilung, ob ein "besonders schweres Verbrechen" iSd § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 vorliegt, an (vgl. VwGH 6.10.1999, 99/01/0288, sowie VwGH Ra 2018/20/0360). Demnach genügt es nicht, wenn ein abstrakt als "schwer" einzustufendes Delikt verübt worden ist. Die Tat muss sich im konkreten Einzelfall als objektiv und subjektiv besonders schwerwiegend erweisen, wobei unter anderem auf Milderungsgründe Bedacht zu nehmen ist (vgl. erneut VwGH 99/01/0288). Bei der Beurteilung, ob ein "besonders schweres Verbrechen" vorliegt, ist daher eine konkrete fallbezogene Prüfung vorzunehmen und sind insbesondere die Tatumstände zu berücksichtigen (VwGH 23.9.2009, 2006/01/0626). Lediglich in gravierenden Fällen schwerer Verbrechen erweist sich bereits ohne umfassende Prüfung der einzelnen Tatumstände eine eindeutige Wertung als schweres Verbrechen mit negativer Zukunftsprognose als zulässig (vgl. etwa in Zusammenhang mit der Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren wegen des Verbrechens des versuchten Mordes: VwGH 14.2.2018, Ra 2017/18/0419, mwN).

Der Beschwerdeführer ist insbesondere auch nach § 15 StGB, § 269 Abs. 1 StGB vor dem Landesgericht für XXXX vom XXXX , rechtskräftig am XXXX , XXXX verurteilt worden. Dabei handelt es sich um ein Vorsatzdelikt mit einem Strafrahmen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren und somit - im Gegensatz zu § 130 StGB - um ein Verbrechen im Sinne des § 17 Abs. 1 StGB. Die belangte Behörde verabsäumte es jedoch, dieses Delikt im Lichte des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 zu prüfen und traf auch keinerlei Feststellungen zum Tathergang.

Konkret zum Tathergang des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt hat der Beschwerdeführer am XXXX in XXXX , der als Überwachungsorgan im Sinne des § 5 Abs. 1 Wiener Reinhaltegesetzes tätig war, sohin einen Beamten mit Gewalt an einer Amtshandlung, nämlich seiner Identitätsfeststellung und Anhaltung zu hindern versucht, indem er XXXX , als ihm dieser den Zugang zum Aufzug versperrte, zur Seite stieß, sodass dieser gegen die Wand fiel.

Erschwerend gewertet wurden die sechs einschlägigen Vorstrafen des Beschwerdeführers, mildernd der Umstand, dass es beim Versuch geblieben ist und das reumütige Geständnis. Verurteilt wurde der Beschwerdeführer hierfür zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten, davon sieben Monate der Freiheitsstrafe bedingt und es wurde eine Probezeit von drei Jahre verhängt. Dem Strafurteil war zu entnehmen, dass ein diversionelles Vorgehen infolge der Vorstrafenbelastung nicht möglich war. Hingegen war, da der Angeklagte im Verfahren glaubhaft vermittelte, dass er sehr darauf bedacht war, seine Handlungen vorsichtig zu setzen und sich die Tathandlung im untersten Bereich dessen bewegt, was noch Gewalt iSd § 269 Abs. 1 StGB darstellt, trotz Vorstrafenbelastung mit einer äußerst moderaten Strafe das Auslangen zu finden.

Im Lichte der konkreten Umstände der Verurteilung des Beschwerdeführers wegen versuchtem Widerstand gegen die Staatsgewalt kann nicht von einem "besonders schweren Verbrechen" ausgegangen werden. Wie das Landesgericht XXXX in seinem Urteil vom XXXX , rechtskräftig am XXXX , XXXX feststellte, war der Beschwerdeführer bei der Tathandlung darauf bedacht, seine Handlungen vorsichtig zu setzen. Daher ging das erkennende Gericht von einer Tathandlung im untersteten Bereich der Gewalt iSd § 269 Abs. 1 StGB aus.

Weiters ist der Beschwerdeführer nach §§ 15, 87 Abs. 1 StGB, §§ 15, 105 Abs. 1 StGB vor dem Landesgericht XXXX vom XXXX , rechtskräftig am XXXX , XXXX verurteilt worden. Dabei handelt es sich um ein Vorsatzdelikt mit einem Strafrahmen von einem bis zu zehn Jahren und somit ebenfalls um ein Verbrechen im Sinne des § 17 Abs. 1 StGB. Die belangte Behörde verabsäumte auch dieses Delikt im Lichte des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 zu prüfen und traf auch keinerlei Feststellungen zum Tathergang.

Konkret zum Tathergang der versuchten absichtlich schweren Körperverletzung hat der Beschwerdeführer am XXXX in XXXX eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs. 1 StGB) absichtlich zuzufügen versucht (§ 15 StGB), indem er diesem mehrmals gegen den Kopf schlug und gegen seinen Kopf trat, wodurch XXXX in einem nicht mehr feststellbaren Ausmaß am Körper verletzt wurde, wobei eine schwere Verletzung des XXXX tatsächlich durch das Eingreifen eines Passanten verhindert wurde, weshalb es beim Versuch blieb. Weiters hat der Beschwerdeführer XXXX mit Gewalt beziehungsweise durch gefährliche Drohung, indem er die Faust gegen diesen erhob und sinngemäß äußerste, er solle das Opfer hergeben, zu einer Handlung, nämlich dazu, auf die Seite zu gehen, zu nötigen versucht.

Erschwerend gewertet wurden die einschlägigen Vorstrafen des Beschwerdeführers und das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen sowie der rasche Rückfall, mildernd der Umstand, dass es beim Versuch geblieben ist und das teilweise reumütige Geständnis. Verurteilt wurde der Beschwerdeführer hierfür zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren.

Eine versuchte absichtlich schwere Körperverletzung fällt im Lichte der genannten Judikatur grundsätzlich unter ein "besonders schweres Verbrechen", doch ist unabhängig von der Dauer des Strafrahmens eine Einzelfallprüfung vorzunehmen. Unter Berücksichtigung des Tatherganges und unter Bedachtnahme der Milderungsgründe erweist sich die Tat weder objektiv noch subjektiv als besonders schwerwiegend im Sinne der Judikatur. Dafür spricht vor allem auch, dass das erkennende Gericht die Strafe trotz einschlägiger Vorstrafen im untersten Bereich des Strafrahmens ansetzte.

3.2.4. Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde, aus einer Bestimmung, deren Strafrahmen drei Jahre nicht übersteigt - den Schluss gezogen, der gewerbsmäßige Diebstahl sei "eine Tat, welche sich sowohl abstrakt als auch im Einzelfall aufgrund der näheren Umstände durch den Gewaltexzess und die besondere Rücksichtslosigkeit auch als objektiv und subjektiv besonders schwerwiegend darstellt." Entgegen der Meinung der belangten Behörde kann - wie bereits dargelegt - bei der Verurteilung des Beschwerdeführers wegen gewerbsmäßigen Diebstahls weder von einem Verbrechen iSd § 17 StGB noch von einem besonders schweren Verbrechen iSd § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 die Rede sein. Auch war dem im Urteil festgestellten Tathergang keine der Tat zugrundeliegende "besondere Rücksichtslosigkeit" oder "Gewaltexzess" zu entnehmen.

Zusammenfassend kann gegenständlich bei keinem vom Beschwerdeführer verübten Taten in Zusammenschau der einzelnen Tathergänge und Umstände weder objektiv noch subjektiv von einem "besonders schweren Verbrechen" iSd § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 gesprochen werden.

Dem Beschwerdeführer wurde im Zuge des Aberkennungsverfahren mit Parteiengehör Gelegenheit zur schriftlichen Äußerung gegeben. Dieser brachte jedoch keine Stellungnahme vor und wurde seitens der belangten Behörde nicht im Zuge einer niederschriftlichen Einvernahme befragt. Das Argument der belangten Behörde, dass die Regionaldirektion XXXX zuständig wäre und der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt des Aberkennungsverfahrens in der Justizanstalt XXXX inhaftiert war, sohin eine Einvernahme in der Justizanstalt XXXX zu einem zeitlichen und finanziellen Mehraufwand geführt hätte, ist in Zusammenschau für das Argument, dass es sich bei der belangten Behörde um eine Bundesbehörde handelt, nicht überzeugend. Die belangte Behörde holte auch keinerlei Beweise oder Ähnliches ein, auf welche die getroffenen Feststellungen zum Privat-und Familienleben sowie zur Situation des Beschwerdeführers im Falle der Rückkehr gestützt werden können.

3.2.5. Mangels Vorliegen eines "besonders schweren Verbrechens" sind die Voraussetzungen für die Erfüllung des Aberkennungstatbestandes gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 im konkreten Fall nicht erfüllt.

3.2.6. Beschwerdegegenständlich liegt ein Aberkennungsverfahren gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 vor. Sachverhaltsermittlungen hinsichtlich allfälliger geänderter Umstände wurden seitens der belangten Behörde weder erhoben, dem Beschwerdeführer im Rahmen des Parteiengehörs vorgehalten bzw. festgestellt.

Es liegt nicht im Sinne des Gesetzes, insbesondere unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die belangte Behörde als Spezialbehörde für die Ermittlung relevanter Tatsachen zur Situation in den betreffenden Staaten samt den Quellen zuständig ist und es sich bei einem Aberkennungsverfahren um ein von der belangten Behörde amtswegig eingeleitetes Verfahren handelt, dass eine ernsthafte Prüfung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes erst beim Bundesverwaltungsgericht beginnen und zugleich enden soll.

Daran vermag auch die Judikatur des VwGH zur grundsätzlichen meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte nichts zu ändern, bezieht sich diese doch primär auf Antragsverfahren und nicht wie im gegenständlichen Fall auf amtswegig eingeleitete Verfahren. Darüber hinaus erweist sich die Sachverhaltsermittlung im konkreten Fall hinsichtlich des § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 als nicht einmal "ansatzweise" ausreichend, sondern schlichtweg nicht vorhanden.

Der Gesetzgeber sieht zwar verpflichtend die Einleitung von Aberkennungsverfahren bei entsprechenden Anzeichen vor (zuletzt etwa durch das Fremdenrechtspaket 2018) und sieht auch entsprechende Fristen für das Bundesamt vor, doch entbindet dies die belangte Behörde nicht von ihrer Verpflichtung, ein ordnungsgemäßes Verfahren unter Berücksichtigung der Judikatur der Höchstgerichte durchzuführen. Ein offenkundiges Überwälzen dieser Verpflichtung auf das Bundesverwaltungsgericht ist keinesfalls im Sinne der Rechtsstaatlichkeit.

Der Vollständigkeit halber ist noch auf die Bestimmung des § 7 Abs. 3 AsylG 2005 hinzuweisen, wonach das Bundesamt einem Fremden, der nicht straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3), den Status eines Asylberechtigten gemäß Abs. 1 Z 2 nicht aberkennen kann, wenn die Aberkennung durch das Bundesamt - wenn auch nicht rechtskräftig - nicht innerhalb von fünf Jahren nach Zuerkennung erfolgt und der Fremde seinen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet hat, gelangt hier im Hinblick auf die Straffälligkeit des Fremden nicht zur Anwendung.

Nicht unerwähnt bleiben soll, dass der belangten Behörde die Prüfung des § 7 Abs. 1 Z 2 AslyG 2005 somit weiterhin offensteht.

3.2.7. Die Behebung des Bescheides im gesamten Umfang hatte aufgrund der Untrennbarkeit sämtlicher Spruchpunkte zu erfolgen (vgl. hierzu Asylgerichtshof 10. 2. 2011, C18 308.109-2/2010/3E und die dort angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes).

3.2.8. Dem Beschwerdeführer kommt aufgrund der Behebung des Bescheides weiterhin der Status des Asylberechtigten zu.

3.3. Zu Spruchteil B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 in der Fassung BGBl. I Nr. 24/2017, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich stets auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und der europäischen Höchstgerichte stützen; diesbezügliche Zitate finden sich in der rechtlichen Beurteilung. Sofern die oben angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu (zum Teil) alten Rechtslagen erging, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes auf inhaltlich gleichlautende Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage übertragbar.

Schlagworte

Aberkennung des Status des Asylberechtigten Behebung der Entscheidung strafrechtliche Verurteilung Voraussetzungen Wegfall der Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W147.1304819.2.00

Im RIS seit

12.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

12.08.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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