Index
L94406 Krankenanstalt Spital Steiermark;Norm
B-VG Art140 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde der Chirurgischen Tagesklinik D-Gesellschaft m.b.H. in L, vertreten durch Dr. Hubert F. Kinz, Rechtsanwalt in Bregenz, Kirchstraße 10, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 28. Februar 1996, Zl. IVb-112-33/1996, betreffend krankenanstaltenrechtliche Bewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Vorarlberg hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Antrag der beschwerdeführenden Partei vom 24. April 1995 auf Kenntnisnahme, in eventu auf Genehmigung von Erweiterungen und Ergänzungen des Operationsschemas und des Kataloges der angebotenen Behandlungen in ihrer in der Betriebsform eines selbständigen Ambulatoriums im Sinne des § 3 lit. g des Vorarlberger Spitalgesetzes, LGBl. Nr. 1/1990, (VSpG) geführten Krankenanstalt zum Teil stattgegeben (Spruchpunkt I). Mit Spruchpunkt II wurde der Antrag in Ansehung folgender Leistungen gemäß § 9 Abs. 3 und 4 VSpG in der Fassung LGBl. Nr. 3/1994 mangels Bedarfes abgewiesen: "Operationen der Fachgebiete Augenheilkunde (Gruppe I bis Gruppe V), Chirurgie/Unfallchirurgie (Gruppe I bis III), Haut- und Geschlechtskrankheiten (Gruppe I bis IV), Gynäkologie (Gruppe I bis III), Urologie (Gruppe I bis V), Neurochirurgie (Gruppe I), Plastische Chirurgie und Wiederherstellungschirurgie (Gruppe I bis III), Orthopädie (Gruppe I bis V) und Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (Gruppe I bis Gruppe V)".
In ihrer an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde bekämpft die beschwerdeführende Partei den Spruchpunkt II und macht Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend; sie beantragt die kostenpflichtige Aufhebung dieses Spruchpunktes. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Die beschwerdeführende Partei hat den angefochtenen Bescheid auch beim Verfassungsgerichtshof bekämpft. Mit Beschluß vom 29. September 1997, B 1247/96, hat dieser Gerichtshof die Behandlung der Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 2 B-VG abgelehnt und sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG unter Anschluß der von der belangten Behörde dem Verfassungsgerichtshof vorgelegten Verwaltungsakten antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten. Mit Beschluß vom 18. Dezember 1997, Zl. 97/11/0374, hat der Verwaltungsgerichtshof die abgetretene Beschwerde zurückgewiesen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die zur Zl. 96/11/0103 protokollierte, beim Verwaltungsgerichtshof direkt eingebrachte Beschwerde erwogen:
1. Die beschwerdeführende Partei macht zunächst geltend, daß die belangte Behörde zu Unrecht die Bewilligungsbedürftigkeit "der beantragten Behandlungskatalogerweiterung" angenommen habe.
Gemäß § 11 Abs. 1 lit. d VSpG bedürfen eine Änderung des Aufgabenbereiches oder des Zweckes einer Krankenanstalt einer Bewilligung. Auf dieses Bewilligungsverfahren ist gemäß § 11 Abs. 3 VSpG u.a. § 9 sinngemäß anzuwenden. Nach § 9 Abs. 2 VSpG ist den Anträgen auf Erteilung einer krankenanstaltenrechtlichen Errichtungsbewilligung der Anstaltszweck und das in Aussicht genommene Leistungsangebot der Krankenanstalt genau zu bezeichnen. Nach § 9 Abs. 3 lit. a VSpG ist eine der Voraussetzungen für die Erteilung der beantragten Bewilligung, daß ein Bedarf besteht. Nach § 9 Abs. 4 VSpG in der Fassung LGBl. Nr. 3/1994 (aber vor der Neufassung dieser Gesetzesstelle durch die Novelle LGBl. Nr. 59/1997) ist der Bedarf nach dem angegebenen Anstaltszweck und dem in Aussicht genommenen Leistungsangebot im Hinblick auf das bereits bestehende Versorgungsangebot durch öffentliche, private, gemeinnützige und sonstige Krankenanstalten mit Kassenverträgen, im Hinblick auf die Einwohnerzahl im Einzugsbereich, für den die Krankenanstalt bestimmt ist, und die Häufigkeit der in Betracht kommenden Behandlungsfälle, im Hinblick auf die Verkehrslage, bei Errichtung einer Krankenanstalt in der Betriebsform eines selbständigen Ambulatoriums auch im Hinblick auf das bestehende Versorgungsangebot durch niedergelassene Kassenvertragsärzte, kasseneigene Einrichtungen und Vertragseinrichtungen der Kassen zu beurteilen. Ein Bedarf ist dann nicht mehr anzunehmen, wenn die dem Anstaltszweck und dem in Aussicht genommenen Leistungsangebot entsprechende Versorgung bereits ausreichend gesichert ist.
Durch die vom angefochtenen Spruchpunkt erfaßten Leistungen hätte das Leistungsangebot der von der beschwerdeführenden Partei betriebenen Krankenanstalt erheblich erweitert werden sollen. Die ihr im Jahre 1992 erteilte Errichtungsbewilligung umfaßte Behandlungen von HNO-Erkrankungen auf ambulanter Basis. Das seinerzeit beabsichtigte Leistungsangebot enthält Operationseingriffe der Leistungsgruppen I bis V im allgemein-chirurgischen HNO-Bereich, der Leistungsgruppen I bis V im plastisch-rekonstruktiven HNO-Bereich sowie kleinere Eingriffe aus den Fachgebieten Augenheilkunde und Dermatologie.
Ein Vergleich dieses Leistungskataloges mit dem vom angefochtenen Spruchpunkt erfaßten macht deutlich, daß das Leistungsangebot der gegenständlichen Krankenanstalt in erheblicher Weise erweitert werden sollte. Aus § 9 Abs. 4 VSpG ist auch deutlich zu erkennen, daß der Bedarf bezogen auf das konkrete beabsichtigte Leistungsangebot zu beurteilen ist. Die Vervielfachung der Fachgebiete in einem Leistungsangebot - darum hätte es sich nach den Intentionen der beschwerdeführenden Partei gehandelt - stellt jedenfalls eine bewilligungsbedürftige Veränderung im Sinne des § 11 VSpG dar. Der Bedarf kann in Ansehung des Leistungsangebotes von chirurgischen Eingriffen auf verschiedenen Fachgebieten in unterschiedlicher Weise gegeben sein. Daran vermag nichts zu ändern, daß keine Veränderung der "Art" oder "Type" der Krankenanstalt angestrebt wird, daß keine Zu- oder Umbauten errichtet und keine neuen Abteilungen eingerichtet werden sollen, daß es zu keiner "Erweiterung der Geräte oder des Personals" kommen soll, sondern daß nur die vorhandenen Ressourcen besser ausgenützt werden sollen.
2. Die beschwerdeführende Partei bestreitet auch die Gesetzmäßigkeit der von der belangten Behörde vorgenommenen Bedarfsprüfung.
2.1. Vorauszuschicken ist, daß der Verwaltungsgerichtshof die von der beschwerdeführenden Partei in diesem Zusammenhang vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die angewendeten Rechtsvorschriften nicht teilt. § 9 Abs. 4 VSpG in der Fassung LGBl. Nr. 3/1994 trägt vielmehr offensichtlich der im Lichte des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 7. März 1992, Slg. Nr. 13023, zu sehenden Verfassungsrechtslage Rechnung.
Die beschwerdeführende Partei argumentiert insbesondere mit dem Verhältnis von niedergelassenen Fachärzten und selbständigen Ambulatorien. Diesbezügliche Vergleiche sind aber von vornherein verfehlt, weil es sich dabei um zwei voneinander - speziell in verfassungsrechtlicher Hinsicht - zu unterscheidende Organisationsformen handelt, nämlich um die Ausübung des ärztlichen Berufes in der eigenen Ordination und um den Betrieb einer Krankenanstalt.
Die beschwerdeführende Partei verkennt auch die Rolle der belangten Behörde. Diese ist nicht "Betreiber von Krankenanstalten", sondern die oberste von der Verfassung zur Entscheidung in Angelegenheiten des Krankenanstaltenwesens berufene Behörde. Die Erteilung einer krankenanstaltenrechtlichen Bewilligung berührt ferner nicht den Kernbereich der "civil rights" im Sinne des Art. 6 MRK, sodaß der "Grundsatz der unabhängigen Gerichtsbarkeit" - mit dem die beschwerdeführende Partei offenbar diese Problematik anspricht - nicht zum Tragen kommt.
Desgleichen sieht sich der Verwaltungsgerichtshof nicht veranlaßt, an den EuGH heranzutreten. Mangels jeglichen Auslandsbezuges vermag er nicht zu erkennen, inwiefern Gemeinschaftsrecht zum Tragen kommen könnte, was aber primäre Voraussetzung zur Einleitung eines sogenannten Vorabentscheidungsverfahrens wäre.
2.2. Mit dem Argument, die belangte Behörde hätte nur die gesetzliche Interessenvertretung der privaten Krankenanstalten, die betroffenen Sozialversicherungsträger und die zuständige gesetzliche Interessenvertretung der Ärzte anhören dürfen - wobei sie sich offenbar auf § 9 Abs. 6 VSpG bezieht -, übersieht die beschwerdeführende Partei, daß den genannten Institutionen im vorliegenden Fall Parteistellung zukam. Dem steht in keiner Weise entgegen, daß im Zuge des Ermittlungsverfahrens zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes auch andere Stellen angehört werden. Für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides ist nur maßgeblich, in welcher Weise die Stellungnahmen dieser weiteren Stellen in die behördliche Entscheidung eingeflossen sind, m.a.W. ob und wie sie von der Behörde zur Gewinnung und Begründung der Entscheidung verwertet wurden. Der Umstand, daß unnötige Stellungnahmen eingeholt wurden, vermag für sich die Rechtswidrigkeit des Bescheides nicht zu bewirken.
2.3. Die beschwerdeführende Partei rügt auch, daß bei der Bedarfsprüfung davon ausgegangen wurde, daß die von ihr beabsichtigten medizinischen Leistungen von den Ambulatorien der umliegenden Krankenhäuser erbracht werden können. Die Anstaltsambulatorien seien aber auf bestimmte Dienstleistungen beschränkt und dürften nur subsidiär behandeln; sie verweist in diesem Zusammenhang auf § 30 VSpG.
Tatsächlich hat die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ambulatorien der Landeskrankenhäuser F und B, der Krankenhäuser der Städte B, D und H sowie das Belegkrankenhaus Sanatorium M in die Beurteilung einbezogen.
Gemäß § 30 Abs. 1 lit. c VSpG (die lit. a, d und e kommen im vorliegenden Zusammenhang nicht in Betracht) sind in Allgemeinen Krankenanstalten und in Sonderkrankenanstalten Personen, die einer Aufnahme in stationäre Anstaltspflege nicht bedürfen, ambulant zu untersuchen oder zu behandeln, wenn es zur Anwendung von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden mit solchen Behelfen, die außerhalb der Anstalt in angemessener Entfernung vom Wohnort des Patienten nicht in geeigneter Weise oder nur in unzureichendem Ausmaß zur Verfügung stehen, notwendig ist.
Der Verwaltungsgerichtshof hat zu der im wesentlichen gleichlautenden Bestimmung des § 34 Abs. 1 lit. c des Steiermärkischen Krankenanstaltengesetzes LGBl. Nr. 78/1957 ausgesprochen, daß sich aus der Textierung dieser Bestimmung der "grundsätzlich subsidiäre Charakter der medizinischen Betreuung in Anstaltsambulatorien gegenüber der sogenannten extramuralen medizinischen Versorgung der Bevölkerung" ergibt (Erkenntnis vom 27. April 1993, Zl. 92/11/0176). Dieser Umstand verbietet es aber, bei der Beurteilung des Bedarfes nach medizinischen Leistungen im Bereich der sogenannten Tageschirurgie privater erwerbswirtschaftlich geführter Ambulatorien die Kapazitäten von Ambulatorien öffentlicher Krankenanstalten heranzuziehen und im Hinblick darauf den Bedarf zu verneinen. In Ansehung nicht stationär zu behandelnder Patienten haben die allgemeinen Krankenanstalten hinter anderen diese Behandlung durchführenden Institutionen zurückzustehen. Die Frage des Bedarfes ist ausschließlich an Hand der die in Rede stehende Leistungen erbringenden privaten Krankenanstalten und niedergelassenen Ärzte zu beurteilen.
Dadurch, daß die belangte Behörde bei der Beurteilung des Vorliegens des Bedarfes den Schwerpunkt ihrer Überlegungen auf die von den öffentlichen Krankenanstalten des Umkreises erbrachten und erbringbaren Leistungen auf dem Gebiet der sogenannten Tageschirurgie gelegt und deren subsidiären Charakter vernachlässigt hat, hat sie das Gesetz unrichtig angewendet. Das hat zur Aufhebung des angefochtenen Spruchpunktes wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG zu führen.
Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil Stempelgebührenersatz nur in Höhe von S 390,-- (S 240,-- für zwei Beschwerdeausfertigungen und S 150,-- für eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides) zugesprochen werden konnte.
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1996110103.X00Im RIS seit
21.02.2002